Sperl | Die Söhne des Herrn Budiwoj | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 371 Seiten

Sperl Die Söhne des Herrn Budiwoj


1. Auflage 2017
ISBN: 978-80-272-2901-7
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 371 Seiten

ISBN: 978-80-272-2901-7
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In 'Die Söhne des Herrn Budiwoj' von August Sperl wird die Geschichte einer deutschen Familie während des Ersten Weltkriegs erzählt. Durch einen fesselnden Erzählstil entführt der Autor die Leser in die psychologische und emotionale Welt der Protagonisten, während er gleichzeitig historische Ereignisse subtil einwebt. Sperl gelingt es, die Geschehnisse in einen literarischen Kontext zu setzen, der dem Leser einen tiefen Einblick in die damalige Zeit gewährt. Mit seiner detailreichen Beschreibung und einem feinen Gespür für die menschliche Natur schafft es der Autor, die Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln. August Sperl, ein renommierter Historiker und Schriftsteller, bringt durch sein fundiertes Wissen und seine Leidenschaft für das Thema eine einzigartige Perspektive in 'Die Söhne des Herrn Budiwoj' ein. Seine akribische Recherche und sein Einfühlungsvermögen für die Figuren machen das Buch zu einem fesselnden Leseerlebnis. Sperl schöpft aus seiner eigenen Familiengeschichte und lässt diese in die Handlung einfließen, was dem Buch eine persönliche Note verleiht. Für Leser, die historische Romane mit Tiefgang und Authentizität schätzen, ist 'Die Söhne des Herrn Budiwoj' von August Sperl ein absolutes Muss. Sperl verwebt gekonnt historische Fakten mit fiktiven Elementen und bietet damit ein facettenreiches Bild der Zeit des Ersten Weltkriegs. Dieses Buch ist nicht nur eine spannende Lektüre, sondern auch eine kulturelle Bereicherung, die den Leser mit einem tiefen Verständnis für die damalige Epoche zurücklässt.

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Jahreswende


Der Tag ging zur Rüste und mit ihm das Jahr. Westwärts über den Bergen flammte die letzte Abendröte, graue Schatten legten sich über die weißen Berghalden und über die schneeschweren Wälder, im dunkeln Tale dampfte die Moldau und rauschte aus dem alten Jahre hinüber in das neue, und ihr Dampf mischte sich in den Herdrauch, der aus den Hütten emporstieg und eilend verschwand in der Frostluft des Abends.

Es ging ein Summen durch die Welt, man wußte nicht, von wannen es kam, es ging ein Knistern durch die Welt, als ob ein unsichtbares, großmächtiges Pergamentblatt sich wenden wollte, es ging ein Rauschen durch die Lande, als ob jetzt erst das Laub fiele von hunderttausend Bäumen, es war den Leuten zu Mute, als hielte die Erde den Atem an – denn das neue Jahr rang sich empor aus dem Schoße der Zeit.

***

Nacht war's; aus den Ladenritzen der letzten Hütte weit draußen am Waldstrome, wo der alte, einäugige Floßknecht wohnte, da blinkte Lichtschein auf die Straße, und gleichwie draußen, so funkelten Lichter in jeglichem Hause der ganzen Krummenau und funkelten droben auf der Feste des Herrn Budiwoj in Stuben und Kemenaten, und in einem Lichtmeere schwamm sein mächtiger Palassaal.

Im Häuslein am dampfenden Flusse qualmte ein Talglicht, droben auf der Burg des gebietenden Landherrn brannten starke Wachskerzen. Im Häuslein am Flusse waren Holzwand und Balkendecke schwarzglänzend vom Herdrauche; im Palassaale droben hingen an den hohen Wänden kostbare Tücher, glänzten die prächtigen Waffen, schaukelten sich unter den bemalten Balken der Decke die Bälge von Adlern und Falken und drehten sich leise an ihren Schnüren, als schwebten sie noch mit ausgebreiteten Fittichen im blauen Äther über den waldgrünen Bergen. Im Häuslein am Flusse knisterte gelbes Stroh auf sandbestreuter Diele, im Palassaale des Herrn lagen schwere Fußteppiche. Am Talglichte des Armen stand ein Knäblein und schneuzte den Docht, über die Teppiche des Herrn eilten reichgekleidete Diener.

Aber das Stroh in der Hütte und die Teppiche im Saale waren gebreitet für das gleiche neue Jahr, damit es seinen Einzug darüber hielte, und die Kerzen mußten brennen allüberall im Tale und auf dem Felsen – dann fuhren die bösen Geister eilend gleich dem Rauche über die Dächer in der grausigen Nacht, und die guten kehrten ein fürs junge Jahr und hielten Rast, bis daß auch dieses alt würde, bis daß es auch zur Rüste ginge. –

Von den Ställen der Vorburg her bewegte sich ein feierlicher Zug über den schneebedeckten Hof: Herr Budiwoj hielt Umgang mit der Räucherpfanne. Die Wacholderbeeren qualmten auf den Kohlen, und wohlriechende Wolken stiegen aus der Pfanne empor. Hinter dem Hausherrn aber schritt singend der Burgkaplan, schritten Kinder und Knechte und Mägde und sangen ihm Antwort.

Am Himmel funkelten die Sterne, und der Mond schaute herab auf Bergfried und Tal. Gleich einer dunkeln Schlange kroch der Zug hinein in das hallende Tor, kam heraus auf den schneeglitzernden Hof unter die kahle Linde und wand sich über die Zugbrücke hinein in das steinerne, hochgiebelige Haus. Und von Kammer zu Kammer, von Stube zu Stube sang der Pfaffe und sangen die Leute, und Herr Budiwoj, der Sohn des Herrn Zawisch, schwenkte die Räucherpfanne.

So flohen unter Segenssprüchen und Gesängen die unreinen Geister aus Kammern und Kemenaten, und das neue Jahr hielt mit Ehren seinen Einzug in der Herrenburg.

***

Im Palassaale stand Frau Berchta. Sie trug den kleinen Wok auf dem Arme und sah prüfend über die gedeckten Tische, über die Kannen und Krüge und Becher, über die roten Äpfel, die hochgetürmt auf großen Platten lagen, und über die langen, gelben Stollen. Dann neigte sie das Haupt, schaute sinnend vor sich hin und begann mit leiser Stimme zu erzählen, als vermöchte das Kind ihr Raunen zu verstehen: »Auf goldigem Wägelein ist's gekommen, Wok, durch die Luft her; zwei Rößlein haben das Wägelein gezogen, die waren weiß wie Milch, glänzend wie der Schnee – ich hab's gehört, die Rößlein haben miteinander geredet – ein Glöcklein hat geklungen – – und auf einmal sind die Äpfel auf den Tischen gestanden.« – –

Die Lichter funkelten, die Teppiche leuchteten, die Wänglein des Knaben glichen den roten Äpfeln aus den Tischen.

Bald lauter, bald leiser tönte der Gesang der Leute in den stillen Saal, und in den Augen der Herrin blinkten Tränen. Sie küßte Wok und stellte ihn auf den Teppich.

Der Zug kam über die Stiege empor, die hohe Türe ward geöffnet. Herr Budiwoj trat mit dem Burgpfaffen über die Schwelle in den Lichterglanz; blauer Rauch stieg aus der Pfanne zum Gebälke empor, singend drängten Kinder und Mannen, Knechte und Mägde in den Saal.

Im Halbkreise ordnete sich das Gefolge, Zawisch und Witigo stellten sich Frau Berchta zur Rechten und Linken. Wok versteckte den Lockenkopf im Gewande der Mutter.

Herr Budiwoj trat nahe heran, schwang die Pfanne, daß der Rauch sein Weib, seine Söhne und ihn selbst einhüllte, und murmelte den Segen für das ganze Jahr. Wieder sang der Kleriker, die Kinder und das Gesinde antworteten.

Der Hausherr aber ging zum offenen Kamine und schüttelte die qualmenden Kohlen ins lohende Feuer, kehrte zurück zu seinem Weibe und geleitete sie zu den erhöhten Sitzen unter den Fahnen an der Wand. Aufs neue ordnete sich das Gefolge nach Alter und Ansehen, damit es vorüberzöge an Herrn Budiwoj und Frau Berchta.

Da kam eilenden Schrittes von der Türe heran ein Kämmerer. Der trat vor den Herrn und die Herrin, beugte hastig das Knie und sprach leise zu ihnen empor.

Frau Berchta faltete die Hände, und Tränen schossen über ihre Wangen hernieder. Herr Budiwoj aber fuhr mit der Hand über seine Augen, winkte dem Kämmerer ab, erhob sich und sprach mit stockender Stimme:

»Ihr Kinder, Leute! Es ist bitteres Weh über unser Geschlecht gekommen. Ein Bote ist eingeritten in mein Haus, und wir müssen das frohe Fest beschließen mit Tränen. Graf Wok von Rosenberg ist tot – er ist seinen Wunden erlegen! – – –

»Gehet in Ruhe auseinander und vergeßt nicht, zu beten für seine arme Seele! – – –

»Was euch an Speise und Trank gebührt, das soll euch in den Kammern gereicht werden. Laßt aber die Brosamen nicht fallen unter den Tisch, sondern kehret sie zusammen und bewahret sie auf, damit man sie vergrabe unter der Linde, wie Recht ist. Hier im Saale lösche man die Kerzen aus, alle bis auf die eine, die brennen muß in dieser Nacht. Gott aber sei uns gnädig, Großen und Kleinen, heute und im ganzen neuen Jahre!«

***

Die starken Mauern des Bergfrieds umschlossen ein kleines, trauliches Gemach. Das hatte eine gewölbte Decke und war gepflastert mit Ziegelsteinen, auf den Ziegelsteinen aber lagen dicke Strohmatten.

In diesem traulichen Gemache saß am selbigen Abende Pilgram, der Altmarschalk auf Burg Krummenau, ferne von den Menschen, und schnitzte Pfeile nach seiner Gewohnheit und sann nach seiner Gewohnheit.

Lustig prasselte das Feuer im Kamine unter dem hohen, dicken Mantel, der aus der Mauer heraussprang und wunderlich anzuschauen war wie ein halber Bienenkorb.

Da knarrte draußen die hölzerne Freitreppe, leichte Schritte und schwere Schritte kamen über den kleinen Vorplatz, die Türe öffnete sich, ein Blondkopf lugte herein, und eine helle Stimme fragte: »Darf ich Euch besuchen?«

»Eia, Zawisch?« kam die Antwort zurück, und der Greis stand auf und hielt dem Knaben lächelnd die Hand entgegen. »Immer, immer!« sagte er. »Aber mir dünkt, du solltest heute in der heiligen Nacht anderswo sein als beim alten Pilgram im Bergfried?«

Mit seinen großen, hellen Augen sah der Herrensohn in die freundlichen Augen des Greises. »Die Mutter schickt den Rasso mit den Äpfeln, und mir hat der Vater eine Botschaft an Euch aufgetragen.«

»Gott segne deine Mutter!« sagte Pilgram und nahm dem Knechte den Korb ab. »Und was hast du mir zu bestellen?«

Zawisch winkte mit der Hand, und hinter dem Knechte schloß sich die Türe. »Trauerbotschaft ist ins Haus gekommen – unser Oheim Wok ist heute gestorben.«

Da ließ Pilgram die Arme sinken, reckte das weiße Haupt vorwärts, als hätte er nicht richtig verstanden, und rief stoßweise: »Herr – Wok! – Das überfällt mich!«

»Zur Vesperzeit ist er entschlafen,« sagte Zawisch. »Gerade ist der Bote eingeritten.«

Da wandte sich der alte Mann, trat an das Kruzifix in der Ecke, sank auf die Kniee und schlug das Kreuz, und murmelnd klang seine Fürbitte durch das Gemach.

***

»Setze dich!« sagte Pilgram, warf Scheiter in den Kamin und ließ sich dem Jungherrn gegenüber in seinen Armstuhl nieder.

Lange saßen sie und schwiegen. Endlich hob der Greis die Augenlider und fragte: »Wann wird sein Leib nach Hohenfurt getragen?«

»Auf den Erchtag ist die Sippe geladen,« sagte Zawisch.

Und wieder schwiegen die beiden. – –

»Jahreswende!« begann Pilgram und stützte das Haupt in die Hand. »So schreiben wir Zwölfhundert und einundsechzig – seit einer Stunde! Jahreswende! – – Solch ein Jahr hat ein seltsam schnelles Wachstum. Erst liegt's da wie ein Kindlein, hat ein Angesicht, glatt und klein, Augen man weiß nicht, sind sie blau oder braun oder schwarz. Hernach reckt es sich und spreitet sich und zieht vorwärts als ein Mann und reißt den Menschen mit sich fort auf ungewisse Bahnen. Mit der Sonne steigt's empor, eilt vorwärts durch heiße Tage und wendet sich mit ihr zum Niedergange – ehe du's wahrnimmst, ist es alt geworden und grau...



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