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E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Spode Traum Zeit Reise

Eine Geschichte des Tourismus
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8393-0182-1
Verlag: BeBra Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Geschichte des Tourismus

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-8393-0182-1
Verlag: BeBra Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In fremde Kulturen eintauchen, traumhafte Landschaften entdecken oder einfach am Strand in die Sonne blinzeln - wir lieben das Verreisen. Was sagt diese wundersame Leidenschaft über uns aus? Wie ist sie entstanden? Wie prägt sie unser Leben, unsere Identität? In seinem neuen Buch gibt Hasso Spode einen profunden Überblick über die Geschichte des Tourismus, vom »Zurück zur Natur!« der Romantiker über die »Kraft durch Freude«-Fahrten der Nazis bis hin zum heutigen Reiseboom mit seinen Sonnen- und Schattenseiten. Die Geschichte des Tourismus entpuppt sich dabei als die Geschichte der modernen Seele.

Hasso Spode, geboren 1951, ist Ehrenvorsitzender des Historischen Archivs zum Tourismus an der TU Berlin und apl. Professor für Historische Soziologie an der Universität Hannover. Er ist Mitherausgeber zahlreicher Fachzeitschriften und Vorstand der »Alcohol and Drugs History Society«. Daneben liefert er Beiträge für Rundfunk und Fernsehen. Seine Arbeiten wurden in zwölf Sprachen übersetzt.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


»Diese Touristen, der Himmel bewahre uns!«

William Wordsworth 1799

1 Zur Einführung


Der »Wanderzug der Urlauber an die See, aufs Land und ins Gebirge«, so der britische Historiker John Pimlott, stellt eine revolutionäre Verbesserung der Lebensqualität dar. Er hat Sitten und Moden geformt, Dörfer zu Großstädten gemacht und völlig neue Wirtschaftszweige erschaffen. Wer wollte das bestreiten? Es ist indes keine ganz neue Diagnose – sie stammt aus dem Jahr 1947. Zwar war Pimlott seiner Zeit noch voraus, als er prognostizierte, der Tourismus würde bald mehr Menschen beschäftigen als die »großen Produktionsindustrien«, doch er war der erste Geschichtsschreiber, der die Bedeutung dieses »Wanderzugs« erfasst und sein Werden und Wachsen gewissenhaft untersucht hat.[4]

10 000 Millionen Ankünfte


Dieses Wachstum war phantastisch, unbeschadet heftiger Rückschläge durch Kriege, Krisen, Pandemien. Heute zählt der Tourismus global zu den führenden Wirtschaftsbranchen, nach manchen Berechnungen ist er sogar die größte geworden.[5] Es kursieren unterschiedliche Zahlen, denn neben den Kernbereichen Transport, Beherbergung, Reisevermittlung und Reiseorganisation tangiert der Tourismus zahlreiche weitere Felder. Unter diesem Vorbehalt ist davon auszugehen, dass jeder zehnte Arbeitsplatz auf der Welt vom Tourismus abhängt. Allein im grenzüberschreitenden Reiseverkehr werden von der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) jährlich gut anderthalb Milliarden »Ankünfte« gezählt (nicht gerechnet die Millionen Menschen auf der Flucht vor Armut und Krieg), Tendenz steigend. Noch immer entfällt davon auf das kleine Europa, wo einst die Wiege des Tourismus stand, fast die Hälfte. Die binnenländischen Ankünfte lassen sich allenfalls grob schätzen; es könnten global bis zu neun Milliarden sein. Addiert man beides, übertrifft das die Weltbevölkerung. Anders gesagt: In den ärmeren Ländern können nur die Eliten verreisen, in den reicheren Ländern sind viele Menschen mehrmals im Jahr unterwegs. Die UNWTO-Zahlen enthalten zwar Doppelzählungen und alle möglichen Mobilitäten, etwa den Geschäftsreiseverkehr, doch der Löwenanteil ist touristischer Natur: ein Produkt der puren Reiselust.

Zahllose Regionen und etliche Volkswirtschaften leben vom Tourismus – obschon in dieser Branche die Gewinnmargen gering und die Löhne niedrig sind. Die Abhängigkeit ist in einigen Entwicklungsländern wie der Dominikanischen Republik besonders ausgeprägt, aber auch in Österreich hängt jeder siebente Arbeitsplatz daran. In der Schweiz, einst das klassische Reiseland, spielt der Tourismus eine geringere Rolle; nur noch jeder zwanzigste Arbeitsplatz und drei Prozent der Bruttowertschöpfung sollen auf ihn entfallen. Mehr ist es inzwischen in Deutschland, wo der Tourismus nach amtlichen Zahlen vier Prozent zur Wertschöpfung beiträgt; tatsächlich dürften es doppelt so viel sein. Die Quote ist mit großen Unsicherheiten behaftet, mag auch das Statistische Bundesamt behaupten, die Effekte würden durch seine Berechnungen »vollständig abgebildet«.

Bereits die Grunddaten dieser Branche sind alles andere als gesichert, vieles wissen wir nicht so genau. Knapp 10? 000 Reisebüros gibt es wohl in Deutschland. An die drei Millionen Übernachtungsplätze werden wohl von 30 000 Beherbergungsstätten und 3 000 Campingplätzen vorgehalten, wobei Ferienwohnungen und Pensionen mit weniger als zehn Betten nicht einmal mitgezählt sind – und nicht die teils illegalen Privatquartiere, auch dann nicht, wenn sie von Großunternehmen wie Airbnb vermittelt werden. Die jährlichen Ausgaben der in- und ausländischen Touristinnen und Touristen werden mit der phantastischen Summe von dreihundert Milliarden Euro veranschlagt, was dem deutschen Fiskus brutto fünfzig Milliarden einbringt. Nur zum Teil darin enthalten sind kaum zu beziffernde Multiplikationseffekte. Etliche Wirtschaftssubjekte profitieren vom Reisen, mal mehr, mal weniger. Das reicht von Events aller Art, ob Oktoberfest, DFB-Pokal oder das Wacken-Festival, über das Sterne-Restaurant und die angesagte Currywurst-Bude; den Fahrzeug- und den Flugzeugbau; Produktion und Handel von Souvenirs, Koffern und Reiseführern; Internetportale; Verkehrsunternehmen aller Art; Autovermietungen; Shoppingmalls und ganze kultige Stadtquartiere; bauliche Attraktionen ob Schloss oder Fernsehturm; Theater-, Opern- und sonstige Bühnen; Zoos; Museen; Clubs und Ausstellungen bis hin zum Rotlichtgewerbe und zum Fliesenleger, der in einer Pension das Gästebad ausbaut. Damit hängt in Deutschland je nach Schätzung jeder vierzehnte bis jeder achte Arbeitsplatz an der »weißen Industrie« des Tourismus: drei bis weit über fünf Millionen – deutlich mehr als die Automobilindustrie beschäftigt.

Gattungsgeschichtliches und Definitorisches


All das wird in der veröffentlichten Meinung weithin ignoriert. Wenn hier vom Tourismus die Rede ist, dann von Schrecklichem: Overtourism, Umweltsünden, Ausbeutung.[6] Mehr noch, die Tragweite der Touristifizierung der Welt ist immer noch nicht ins Bewusstsein gedrungen. Die wirtschaftlichen Daten sind ja nur der dürre Ausdruck für die grundstürzenden seelischen Veränderungen, die der Tourismus hervorrief – und die umgekehrt seinem Siegeszug zugrunde lagen. Denn keineswegs folgt unsere Reiselust unveränderlichen Eigenschaften des Menschen, etwa einem Wandertrieb, einem angeborenen Drang, dem Alltagseinerlei ins Ferienglück zu entfliehen, wie bisweilen spekuliert wird. So zählt der Philosoph Hermann Lübbe die heutige »Mobilitätslust zu den anthropologischen Konstanten unserer Daseinsverfassung«: ein »Antriebsrelikt aus Vorzeiten archaischer Nichtseßhaftigkeit«.

Seltsam nur, dass sich diese anthropologische Konstante nicht in allen Zeiten und Kulturen findet. Schon 1772 hatte der brillante Historiker August Ludwig Schlözer solche Spekulationen radikal zurückgewiesen: »Der Mensch ist von Natur nichts.« Diese absolute »Unbestimmtheit« ist allerdings etwas übertrieben. Der Sozialphilosoph Helmuth Plessner konstatierte weniger radikal eine »große Plastizität« menschlicher Verhaltensweisen im Rahmen des biologisch Gegebenen. Sie gründet in der großartigen Fähigkeit, neugierig zu sein, zu experimentieren, zu lernen, das Gelernte weiterzugeben und so gemeinsam »Kultur« zu erschaffen. Viele Tiere entwickeln Neugier, erfinden Jagdmethoden und Werkzeuggebrauch, sogar Spiele, Musikstücke und Heilpraktiken, und sie können dieses Wissen innerhalb ihrer Gruppe durch Nachahmung weitergeben, sprich: Traditionen begründen. Hierin ist eine kulturelle Leistung zu sehen. Die »Plastizität« möglichen Tuns bleibt allerdings begrenzter als beim Menschen. Denn nur der Mensch verfügt über hoch differenzierte Sprache und damit verfügt nur er über hoch komplexe Traditionsvermittlung. Nur beim Menschen wird Kulturbildung zur absoluten Existenzbedingung; ohne sie wäre er verloren. »Die Natur des Menschen ist seine Künstlichkeit«, heißt ein Oxymoron bei Karl Jaspers, oder wie schon die Römer sagten: Die Kultur ist unsere »zweite Natur«[7]: Ein ungeheurer Bestand an Dingen und Gedanken, der sich durch die Zeiten wälzt! Diese »zweite Natur« bildet die Voraussetzung für die Mobilität unserer Spezies. Wie sonst hätte der körperlich eher schwächliche und nur mäßig fruchtbare Homo sapiens weite Teile des Erdballs besiedeln können?

Für den prähistorischen Menschen hat man eine durchschnittliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von einem Kilometer pro Jahr ermittelt, doch schubweise ging es schneller voran. Die allermeiste Zeit unseres ins mittlere Pleistozän vor 300 000 Jahren zurückreichenden Daseins waren wir Nomaden, altsteinzeitliche Jäger und Sammler, die großartige Höhlenbilder schufen, ihre Faustkeile aber über zehntausende von Jahren nach immer gleichen Mustern herstellten. Die Zeit verging langsam, grundstürzende Erfindungen waren selten. Setzt man die Dauer der Existenz des Homo sapiens mit einer Stunde gleich, entfallen bestenfalls zwei Minuten auf eine sesshafte Lebensweise. Insofern ist Hermann Lübbe zuzustimmen. Grundsätzlich ist der Mensch eine hoch mobile Spezies. Doch Nomaden reisen nicht. Sie sind unterwegs, mal gewaltige Distanzen überwindend, mal über viele Generationen enge Kreise ziehend. Bewegung in Permanenz ist als solche nicht wahrnehmbar. Es fehlt eine Vorstellung von »Reise« als Differenzbegriff zur »Nicht-Reise«.[8] Diese Vorstellung konnte erst in der Jungsteinzeit entstehen.

Zuvor war es sehr lange sehr kalt auf der Erde. Konstantes Klima gibt es nicht, doch über 100 000 Jahre bedeckten zumeist gewaltige Gletscher die bergigen und nördlichen Landmassen; am Ende war ein Drittel unseres Planeten eine unwirtliche Eiswüste. Der Homo sapiens war körperlich dafür ausgelegt, in Afrika durch besonnte Savannen zu streifen. Es bleibt ein Rätsel, warum er die drei anderen Menschenarten, die auf den Homo erectus folgten, überleben konnte und seither der einzige Vertreter der Gattung Homo ist. 100 000 Jahre sind eine Ewigkeit. Plötzlich aber endete die Kaltzeit. Ausgelöst durch Schwankungen der Erdbahn ging sie in eine kurze Phase extrem instabilen Klimas über, die vor 12 000 Jahren in die Zwischen-Warmzeit des Holozän mündete, in der wir – unbeschadet heftiger Aufs und Abs – immer noch leben. Die Eispanzer schmolzen, der Meeresspiegel stieg wieder an und weite Gebiete versanken in den Fluten. Diese Katastrophe war zugleich...


Hasso Spode, geboren 1951, ist Ehrenvorsitzender des Historischen Archivs zum Tourismus an der TU Berlin und apl. Professor für Historische Soziologie an der Universität Hannover. Er ist Mitherausgeber zahlreicher Fachzeitschriften und Vorstand der »Alcohol and Drugs History Society«. Daneben liefert er Beiträge für Rundfunk und Fernsehen. Seine Arbeiten wurden in zwölf Sprachen übersetzt.



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