E-Book, Deutsch, 479 Seiten
Spoerer C&A
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-406-69825-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Familienunternehmen in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien
E-Book, Deutsch, 479 Seiten
ISBN: 978-3-406-69825-5
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Geschichte von C&A steht paradigmatisch für die Ökonomisierung und Rationalisierung der Herstellung und des Verkaufes von Kleidung seit Ende des 19. Jahrhunderts. Mark Spoerer beschreibt die wechselvolle Geschichte des Familienunternehmens vom Start in Deutschland bis in die Jahre des Wirtschaftswunders. Dabei untersucht er auch, wie sich die Tradition der Familie Brenninkmeijer, den Unternehmernachwuchs nur aus den eigenen Reihen zu rekrutieren, auf die Unternehmensstrategie auswirkte. Ursprünglich aus dem westfälischen Wanderhandel kommend, begannen die Brüder Clemens und August Brenninkmeijer 1841, ein Unternehmen in den Niederlanden aufzubauen, das 1911 nach Deutschland und 1922 nach Großbritannien expandierte. Trotz der Schwierigkeiten, die die Brenninkmeijers als Ausländer, Kapitalisten und Katholiken im Dritten Reich hatten, nutzten sie die geschäftlichen Chancen, die das Regime Unternehmen bot, etwa bei der "Arisierung“ von Immobilien. Nach 1945 verzeichnete das Unternehmen in der beginnenden Konsumgesellschaft ein stürmisches Wachstum und entwickelte sich zu einer der größten europäischen Modeketten.
Autoren/Hrsg.
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Weitere Infos & Material
1;Cover;1
2;Titel;3
3;Impressum;4
4;Vorwort;5
5;Inhaltsverzeichnis;9
6;Kapitel 1 Einleitung;13
7;Kapitel 2 Der Aufstieg der Brenninkmeijers (1600–1918);28
7.1;Von Wanderhändlern zu Ladeninhabern;31
7.2;Die Expansion von C&A in den Niederlanden;42
7.2.1;Neue Schichten, neue Kunden;47
7.2.2;Der Einstieg in die Herrenmode;50
7.2.3;Änderungen in der Corporate Governance;52
7.3;Der Sprung nach Deutschland 1911;59
7.4;C&A im Ersten Weltkrieg;66
8;Kapitel 3 C&A im Auf und Ab der Zwischenkriegszeit (1919–1938);75
8.1;C&A Holland;77
8.2;Der Sprung nach Großbritannien 1922: C&A Modes;90
8.3;C&A in Deutschland;105
8.3.1;In der Weimarer Republik (1919–1932): C&A auf Expansionskurs;107
8.3.1.1;Die Zeit der Inflation: Flucht in die Sachwerte und in die Produktion;107
8.3.1.2;Wiederbeginn der Expansion: mehr Filialen, neue Kunden;113
8.3.1.3;Freche Werbung in einem umkämpften Markt;123
8.3.1.4;C&A Deutschland in der Weltwirtschaftskrise;127
8.3.2;C&A im Dritten Reich (1933–1939): Zwischen traditionellen Werten und opportunistischem Gewinnstreben;132
8.3.2.1;Konfliktfelder: Ausländer, Katholiken und Kapitalisten;132
8.3.2.2;Anzüge, Kleider oder Uniformen? Ausweitung der Produktion;137
8.3.2.3;Ausweitung des Filialnetzes und politische Widerstände;140
8.3.2.4;Wohltätigkeit und Schutzgelder: das «Konto A»;152
8.3.2.5;Werbung im totalitären Staat;157
8.3.2.6;Immobilien ja, Firmen nein: C&A und die «Arisierung»;160
8.4;Ein hochprofitables multinationales Unternehmen;175
9;Kapitel 4 Freund oder Feind? Als niederländischer multinationaler Konzern im Zweiten Weltkrieg (1939–1945);184
9.1;C&A Holland unter deutscher Besatzung;187
9.2;C&A Deutschland in der Kriegswirtschaft;193
9.2.1;Der Einzelhandel im Krieg: Kleiderkarte statt Werbung;196
9.2.2;C&A als Produzent: Wehrmachtsaufträge, Auftragsverlagerung ins Ausland, Ghetto-Produktion und Zwangsarbeit;203
9.3;C&A Modes im «Blitz»;220
9.4;Gewinn und Verlust: die Geschäfte von C&A im Zweiten Weltkrieg;227
10;Kapitel 5 C&A im Zeichen des Kalten Krieges und des «Golden Age» (1945–1961);230
10.1;Flucht nach Westen: der holprige Start in den Vereinigten Staaten;234
10.2;Wiederbeginn in den Niederlanden;240
10.3;C&A Modes;250
10.4;Totalverlust und Wiederaufbau: C&A Deutschland in Ost und West;262
10.4.1;Ostdeutschland: Verlust aller Häuser;262
10.4.2;Westdeutschland: Schwarzmarkt und Währungsreform;266
10.4.3;Expansion im «Wirtschaftswunder»;274
10.4.4;Auf- und Ausbau der Eigenfabrikation;284
10.4.5;«Barkauf ist Sparkauf bei C&A»;290
10.4.6;C&A und der Kampf um den Ladenschluss;293
10.4.7;Werbung im «Muff» der Wiederaufbaujahre215;299
10.5;Goldene Jahre: C&A im Nachkriegsboom;307
11;Kapitel 6 Familie oder Markt? Unternehmernachfolge, Führungskräftenachwuchs und Corporate Governance bei C&A;314
11.1;Das Nachfolgeproblem in der Terminologie des Principal-Agent-Modells;315
11.2;Kinderreichtum, Ausbildung, interner Wettbewerb und Unitas als Antworten auf das Nachfolgeproblem;317
11.2.1;Ausbildung des Führungskräftenachwuchses;319
11.2.2;Karriere in der «Firma»;322
11.2.3;Weibliche Führungskräfte;325
11.2.4;Von jongelui zu ondernemers;328
11.2.5;Ausscheiden mit 55 Jahren;333
11.2.6;Unitas;337
11.3;Corporate Governance à la C&A: die institutionelle Umsetzung der Unitas;339
11.3.1;Entscheidungsfindung im Unternehmerkreis;341
11.3.2;Wandlungen der Konzernstruktur;342
12;Kapitel 7 Zusammenfassung;357
13;Anhang;367
13.1;Die Unitas-Regeln;369
13.2;Übersichten;370
13.2.1;Bei C&A tätige Unternehmer der Familie Brenninkmeijer;370
13.2.2;Die C&A-Unternehmer in den Niederlanden, Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten 1911–1961;374
13.2.3;Die Anzahl der Mitarbeiter von C&A Deutschland und C&A Modes;382
13.2.4;Verzeichnis der C&A-Firmen;384
13.2.5;Eröffnung von C&A-Filialen in den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien 1841 bis 1961;406
13.2.6;Umsätze, Gewinne und Rentabilität der C&A-Konzerne in den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien 1841 bis 1961;412
13.2.7;Marktanteile der C&A-Einzelhandelsfi rmen in den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien 1930 bis 1961;418
13.2.8;Die Spenden der C&A-Konzerne in den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien 1926 bis 1961;424
13.2.9;Wechselkurse des Gulden, der Mark und des Pfunds zum US-Dollar 1913 bis 1961;425
13.3;Dokumentensammlung;427
13.3.1;Schreiben des C&A Hauptbüros an Hermann Göring am 15. Oktober 1937;427
13.3.2;Schreiben von Franz Brenninkmeijer an die leitenden Angestellten von C&A Deutschland am 4. September 1939;432
13.3.3;«Feldpostbrief» von Dr. Rudolf Brenninkmeijer an die einberufenen Mitarbeiter von C&A-Deutschland am 16. Juli 1941;434
13.3.4;«Feldpostbrief» von Franz Brenninkmeijer an die einberufenen Mitarbeiter von C&A-Deutschland am 2. Dezember 1942;438
13.4;Verzeichnisse;442
13.4.1;Verzeichnis der Abkürzungen;442
13.4.2;Verzeichnis der Abbildungen;443
13.4.3;Verzeichnis der Übersichten;445
13.4.4;Quellenverzeichnis;447
13.5;Literaturverzeichnis;450
13.6;Register;468
14;Zum Buch;479
15;Über den Autor;479
Kapitel 3 C&A im Auf und Ab der Zwischenkriegszeit (1919–1938)
Der Erste Weltkrieg hatte große Teile der Weltwirtschaft in ökonomische und politische Verwerfungen gestürzt, deren Langzeitwirkungen noch etliche Jahrzehnte anhalten sollten. Neutrale Staaten hatten zwar keine direkten Schäden zu verzeichnen, litten aber unter der wirtschaftlichen Schwäche der Nachbarländer und den Einschränkungen des Außenhandels, insbesondere Nationen mit starker außenwirtschaftlicher Verflechtung wie die Niederlande oder die Schweiz. Die kriegführenden Nationen hatten jahrelang Arbeitskraft und materielle Ressourcen in die Produktion von Rüstungsgütern gesteckt, die entweder im Krieg zerstört oder nach dem Waffenstillstand nutzlos geworden waren. Um die Rüstungsproduktion am Laufen zu halten, waren im Krieg vom Staat und für ihn arbeitenden Unternehmen Löhne gezahlt und Gewinne vereinnahmt worden, denen im Kriegsverlauf immer weniger Konsumgüter gegenüberstanden. Die unvermeidliche Folge war in allen kriegführenden Staaten Inflation, teils noch durch Preiskontrollen zurückgestaut, teils im vollen Gange. Der Abbau der Inflation und die Sanierung der Staatsfinanzen zählten in allen Staaten zu den wichtigsten wirtschaftspolitischen Problemen der Nachkriegszeit. Letztlich ging es um die Frage, wer in welcher Höhe für die Finanzierung des Kriegs herangezogen werden sollte. Die europäischen Staaten gingen dieses Problem sehr unterschiedlich an. Eine relativ starke Demokratie wie Großbritannien wählte den mühevollen Weg einer Sanierung, die zu kurzen, aber heftigen Stabilisierungskrisen mit hoher Arbeitslosigkeit führten. Ein eher schwacher Staat wie die junge Weimarer Republik, die durch hohe Arbeitslosigkeit und die nachfolgenden sozialen Unruhen um ihre Existenz fürchten musste, ließ die Inflation einige Jahre laufen, entschuldete sich damit bei ihren Bürgern und machte einen Währungsschnitt. Nicht direkt vom Krieg betroffene Staaten wie die Niederlande und die Schweiz schwenkten schnell wieder auf einen relativ stabilen Wachstumskurs ein. Trotz ähnlicher Wirtschaftsstrukturen verlief somit die konjunkturelle Entwicklung zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Mitte der 1920er Jahre in den europäischen Staaten durchaus unterschiedlich. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre schien die Stabilisierung gelungen und der Erste Weltkrieg finanziell bewältigt worden zu sein. In den drei hier interessierenden Staaten wuchs die Wirtschaft mit entsprechend positiver Auswirkung auf die Masseneinkommen und die Einzelhandelsumsätze. Die Ende 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise hatte schwerwiegende Auswirkungen auf die niederländische und vor allem die deutsche Wirtschaft. Durch die frühe Lösung von den «Goldenen Fesseln»[175] des Goldstandards und die Umorientierung auf den Wirtschaftsraum des Commonwealth kam hingegen Großbritannien relativ glimpflich durch die Krise und erlebte zu keinem Zeitpunkt eine so verheerende Massenarbeitslosigkeit wie die Vereinigten Staaten oder Deutschland. Ganz im Gegensatz zu Großbritannien verblieben die Niederlande zunächst im nun von Frankreich geführten «Goldblock», dessen Mitgliedsländer ihre Währungen weiter an das Gold koppelten. Weil dies angesichts der Währungsabwertungen anderer Länder Exporte und Lohnanpassungen erschwerte, waren niedriges Wirtschaftswachstum und hohe Arbeitslosigkeit die Folge. Erst als Frankreich 1936 vom Goldstandard abging und die Niederlande notgedrungen folgen mussten, erlebte das Land einen erstaunlich schnellen wirtschaftlichen Wiederaufschwung. In Deutschland hatte die Regierung zwar als Folge der Banken- und Währungskrise im Juli 1931 faktisch die Goldbindung aufgehoben, hielt aber zunächst an der alten Parität fest. Die sehr hohe Arbeitslosigkeit führte zu einem Erstarken extremistischer Parteien. Nachdem im Januar 1933 der Reichspräsident Paul von Hindenburg dem Führer der Nationalsozialisten, Adolf Hitler, die Kanzlerschaft übertragen hatte, begann dieser mit einer expansiven schuldenfinanzierten Wirtschaftspolitik, die schon 1934 deutlich die Aufrüstung forcierte. Der rasche (und propagandistisch entsprechend gefeierte) Abbau der Arbeitslosigkeit wurde in den Nachbarländern mit Staunen, zunehmend auch mit Angst beobachtet. Das «deutsche Wirtschaftswunder», wie man schon in den 1930er Jahren im Ausland sagte,[176] hatte jedoch nicht den Massenwohlstand wie später in den 1950er Jahren zum Ziel, sondern die militärische Aufrüstung. Der «Anschluss» Österreichs im März 1938, die Annexion der sudetendeutschen Gebiete im Oktober desselben Jahres und die «Liquidierung der Rest-Tschechei» im März 1939 waren die Vorboten des Zweiten Weltkriegs in Europa, den Deutschland dann am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen begann. C&A Holland
Seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts erlebte die niederländische Gesellschaft eine «Versäulung» in drei große gesellschaftliche Gruppen – Katholiken, Protestanten und Sozialisten –, die um 1920 ihren Abschluss fand. Seitdem wurden viele gesellschaftliche Institutionen wie Schulen, Gewerkschaften, Parteien, Medien oder Agrarverbände exklusiv von diesen drei Gruppen betrieben. Ein stark auf Konsens ausgerichtetes politisches System band alle Gruppen in die politische Willensbildung ein, sodass die niederländische Gesellschaft bis etwa Mitte der 1960er Jahre, als eine ziemlich rasche «Entsäulung» begann, vergleichsweise konfliktarm war.[177] Im Gegensatz zu Großbritannien und vor allem Deutschland waren die Niederlande in den 1920er Jahren «ein Hafen der Ruhe», sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Die bis 1923 immer weiter zunehmende Inflation, die Deutschland als wichtigster Handelspartner der Niederländer seit Beginn und vor allem seit Ende des Ersten Weltkriegs erlebte, übertrug sich nicht auf die Niederlande. Die dortige Kombination aus hoher Arbeitsproduktivität, moderaten Löhnen, stabilen Preisen, liberaler Regierung und sozialer Stabilität ließ die Niederlande aus Sicht von Unternehmen geradezu als ein «Eldorado» erscheinen.[178] Viele deutsche Unternehmen und Institutionen legten daher in den 1920er Jahren Anleihen in den Niederlanden auf. Enge finanzwirtschaftliche Verflechtungen ermöglichten es zudem, Gewinne in die Niederlande zu transferieren, wo sie niedriger besteuert wurden als in Deutschland.[179] Als kleines Land mit starker Außenhandelsorientierung und entsprechend liberaler Außenhandelspolitik litten die Niederlande stark unter der Ende 1929 einsetzenden Depression, der bald eine Desintegration der Weltwirtschaft folgte. Während das Bruttoinlandsprodukt 1930 nur geringfügig sank, verringerte es sich 1931 um fast fünf Prozent, als die wichtigsten Handelspartner Deutschland und Großbritannien im Juli beziehungsweise September faktisch beziehungsweise formal vom Goldstandard abgingen. Da die niederländische Regierung und die Zentralbank eine Abwertung des Guldens strikt ablehnten, war dieser nun überbewertet, was die Position der niederländischen Industrie auf den Weltmärkten erschwerte. Um ihr wenigstens im Inlandsmarkt einen partiellen Ausgleich zu ermöglichen, rückte die Regierung zunehmend von der liberalen Politik des Laissez-faire ab. Schon wegen der rapide sinkenden Beschäftigung, die sich in einem Anstieg der Arbeitslosenquote von 1,7 Prozent (1929) auf 11,9 Prozent (1936) niederschlug, ging die Konsumnachfrage der privaten Haushalte zurück.[180] Doch dieser Einbruch hatte nicht annähernd die Dimension wie die katastrophale Entwicklung im östlichen Nachbarland. Auf die zunehmenden protektionistischen Maßnahmen des Auslands reagierten die Niederlande ab Februar 1932 mit einer Kontingentierung der Importe, was der mittlerweile entstandenen inländischen Bekleidungsindustrie vor allem im Bereich der Damenbekleidung sehr half. Zudem profitierte diese Branche vom Zufluss gut ausgebildeter und erfahrener jüdischer Emigranten, die moderne Methoden aus Deutschland mitbrachten und die niederländische Bekleidungsindustrie belebten.[181] Gemeinsam mit Belgien und der Schweiz verblieben die Niederlande zunächst im von Frankreich geführten Goldblock, das heißt die Goldparität des Guldens blieb unverändert. Doch alle vier Staaten bezahlten diese Politik währungspolitischer Stabilität mit jahrelanger wirtschaftlicher Stagnation und entsprechend hoher Arbeitslosigkeit. Für den niederländischen Einzelhandel stellte sich die Situation vergleichsweise milde dar. Den Anstieg der Arbeitslosigkeit sah man...