Spörrle / Tatje | Tschusing Deutsche Bahn today | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 269 Seiten

Spörrle / Tatje Tschusing Deutsche Bahn today

Klimafreundlich reisen, ohne wahnsinnig zu werden
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7517-0417-5
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Klimafreundlich reisen, ohne wahnsinnig zu werden

E-Book, Deutsch, 269 Seiten

ISBN: 978-3-7517-0417-5
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Im Jahr 2030 soll die Deutsche Bahn doppelt so viele Fahrgäste transportieren wie 2015! Ernsthaft? Wird dann alles noch chaotischer? Wie kommt man künftig an einen Sitzplatz? Und wird jemals ein Zug in der richtigen Wagenreihung einfahren? Die Bahnvielfahrer Mark Spörrle und Claas Tatje verraten nicht nur, wie man sich in vollen Zügen durchschlägt und warum der Zwischenwagenbereich schmählich unterschätzt wird, sondern auch, ob Zugfahren wirklich unser Klima retten kann. Ein Überlebensbuch für Bahnkunden und alle, die es werden wollen



Mark Spörrle, Jahrgang 1967, arbeitet als ZEIT-Redakteur und verarbeitet die Absurditäten des Alltags in Kolumnen und Büchern wie im Spiegel-Bahn-Bestseller Senk ju vor träwelling und Der Anschlusszug kann leider nicht warten. Claas Tatje, Jahrgang 1979, pendelt seit Jahren zwischen seinem Wohnort Hannover und der Hamburger ZEIT-Redaktion. Dort schreibt er im Wirtschaftsressort über die Bahn und andere Mobilitätsthemen. Im Fahrtenbuch des Wahnsinns hat er seine Erfahrungen als Vielfahrer festgehalten.
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Vorwort: Was ist die Bahn, was soll jetzt aus ihr werden – und kann das überhaupt klappen?

Wir kennen Sie nicht, aber Ihnen geht es vermutlich wie uns. Entweder verzweifeln Sie gerade beim Ticketkauf. Oder Sie erleben den chronischen Bahnhorror: Verspätungen wie aus dem Nichts, umgeleitete Züge, falsche Wagenreihungen, fehlender oder zu heißer Kaffee, versperrte Toiletten, unverschämte Sitzplatzbesetzer. Vielleicht haben Sie all das aber auch schon einmal gut hinter sich gebracht und sind erleichtert, dass es vorbei ist; zumindest bis zum nächsten Mal. Es kann natürlich auch sein, dass Sie die Bahn erst noch kennenlernen wollen (und dieses Buch in Händen halten um zu sehen, was Sie erwartet). Aber das Ergebnis wird das Gleiche sein: Sosehr Sie auch leiden mögen, Sie werden es nicht schaffen, sich von Deutschlands größtem, wichtigstem und chaotischstem Logistikunternehmen zu trennen.

Warum?

Weil es Deutschlands größtes und chaotischstes Logistikunternehmen ist. Und weil Sie den nächsten Störungen im Betriebsablauf insgeheim schon entgegenfiebern, foto-, film- und twitterbereit, in der Tasche Ihr Bahn-Survival-Kit mit Trinkwasser, Zahnbürste, Notvorrat, Masken und Geschenken (falls Sie Heiligabend auf dem Gleis verbringen und/oder einen Zugbegleiter bestechen müssen).

Oder natürlich der Umwelt wegen. Seit die Erkenntnis, dass unser CO2-fixierter Lebenswandel uns langsam, aber sicher vernichten wird, tatsächlich bei den politischen Entscheidern angekommen ist, hat unsere gute alte Bahn urplötzlich eine steile Karriere hingelegt: vom jahrzehntelang auf Verschleiß gefahrenen und kaputtgesparten Stiefkind der deutschen Verkehrspolitik, dessen teils 30 Jahre alte ICE-Flotte über ein quasi 80er-Jahre-Schienennetz mit Stellwerken aus Kaisers Zeiten (ja, wirklich!1) dahinrumpelt – zum strahlenden Hoffnungsträger. Vom Aschenputtel zur Prinzessin, vom Saulus zum Paulus. Nein, zum Weltretter: von der Tag für Tag überall in Deutschland angesichts ausfallender oder verspäteter Züge x-fach verfluchten »Scheiß-Bahn« zum umweltfreundlichsten Transportmittel der Zukunft.

Grund für die Kehrtwende ist eine bestechende Gleichung. Eine Fahrt auf Schienen produziert im Schnitt auf den ersten Blick gerade mal ein Viertel der Treibhausgase einer entsprechenden Autofahrt (wie es auf den zweiten Blick aussieht, lesen Sie ab Seite 76). Und andererseits hat der gesamte Sektor Verkehr in Deutschland das unfassbare Kunststück vollbracht, bisher so gut wie nichts zur Emissionsminderung beizutragen. Im Gegenteil: Auch schon bevor die Coronakrise Reisende und Pendler aus Bussen und Bahnen zurück ins Auto und in den nächstbesten Stau trieb, erreichten die Autozulassungen einen Rekord nach dem anderen. Wir Deutsche verstecken uns so leidenschaftlich im SUV, als stünde in unseren Städten das Schmelzwasser bereits knöchelhoch. Aber die Klimadebatte, in der Pandemie ganz aus dem Blick geraten, kehrt zurück. Und will man in diesem Land die Klimaschutzziele wirklich einigermaßen ernsthaft anpacken, ohne SUVs, PKW-Kurzstreckenfahrten und Verkehrsminister 2 gleich mit zu verbieten, bleibt also nur ein Weg: die Bahn.

Konkret: Bis zum Jahr 2030 müssen die Züge in Deutschland glatt doppelt so viele Fahrgäste transportieren wie noch 2015. Sonst wird nichts aus den Klimazielen und allen deutschen Versprechungen zur Reduktion der Treibhausgase.

Ja, liebe Leserinnen und Leser, Sie verstehen ganz richtig: doppelt so viele Fahrgäste!

Möglicherweise – und gerade wenn Sie selbst schon mal ein paar Kilometer per Bahn zurückgelegt haben – sind Sie jetzt felsenfest davon überzeugt, dass unsere Politiker nicht wissen, wovon sie reden, geschweige denn, dass sie jemals Bahn gefahren sind.

Jedenfalls nicht in der Bahn, in der vielleicht auch Sie – nicht saßen, sondern standen. Und das auf einem Bein, für das andere war kein Platz im überfüllten Zwischenwagenbereich des Zuges, der so qualvoll über die Gleise rumpelte wie ein Planwagen im Wilden Westen durch ein Flussbett. Und sosehr Sie auch versuchen, tapfer an die Umwelt zu denken: Reduziert sich der ökologische Fußabdruck, wenn man auf einem Bein balanciert, denn nicht nochmals um die Hälfte?3 Sosehr Sie den Blick hoffnungsvoll-madonnenhaft gen Himmel richteten wie weiland (auf dem berühmten Foto im Zwischenwagenbereich eines DB-ICEs) die Umweltaktivistin Greta Thunberg4 – es war verdammt schwer.

Weil Sie, anders als damals Greta, nicht mal Platz zum Sitzen hatten. Und weil Ihr Blick gar nicht bis zum Himmel reichen konnte, da sich nur wenige Zentimeter vor Ihrer Nase der massige Schädel eines dauertelefonierenden Zwiebelmettbrötchen-Essers befand.

Mag sein, dass zum Zeitpunkt dieses gar nicht so einzigartigen Bahnerlebnisses Sie und der Mettesser jeweils eine Maske zwecks Infektionsschutz trugen, Sie natürlich vorschriftsmäßig, der andere naturgemäß unter dem fleischigen Kinn. Mag auch sein, dass Ihrer beider Distanz eingedenk von Abstandsregeln und Pandemiebedingungen doch etwas größer war als gefühlt wenige Zentimeter.

Das Fazit aber dürfte auf das Gleiche hinauslaufen: Wer einmal das zweifelhafte Glück hatte, eine Bahnfahrt dieser Art hinter sich zu bringen, fragt sich zu Recht ratlos, wo zum Teufel dann, wenn die Corona-Pandemie ausgestanden ist, all die neuen Mitfahrgäste überhaupt noch hinsollen: in die Gepäckablagen (zu klein)? In die Toiletten (zu wenige)? In die Fahrradabteile (zu rar)? Auf den Zug (bisher noch verboten – aber in Zukunft vielleicht eine interessante Idee)? Und ob das mit der Verdoppelung der Reisenden nicht doch eine echt bescheuerte Idee ist, auch wenn die ausnahmsweise nicht allein vom zeitweise gleichnamigen Bundesverkehrsminister kam.

Denn ist es, seit die reduzierte Mehrwertsteuer die Fahrten im Fernverkehr um zehn beziehungsweise zwölf Prozent vergünstigt hat, in den Zügen nicht auch um mindestens zwölf Prozent enger geworden?

Von wegen, sagen Sie, die Züge waren im Gegenteil zuletzt doch so schön leer?

Genießen Sie die Reise mit Maske, solange man noch Masken trägt. Denn die kuschelige Nähe im Abteil kommt wieder. Es geht gar nicht anders.

Einmal wegen der Zukunft unseres Planeten (was ist dagegen schon eine plötzliche Aversion gegen Zwiebelmett?).

Und zweitens wegen der nüchternen Zahlen. Denen zufolge waren die Züge, auch als noch niemand überhaupt an Corona dachte, längst nicht so voll, wie man angesichts der oben erwähnten Klaustrophobie-Erlebnisse hätte denken können. Laut Deutscher Bahn lag die Auslastung im Fernverkehr im Jahr 2019 bei sage und schreibe lediglich rund 56 Prozent. Der Zug, in dem wir das kuschelige Vergnügen hatten, ist also nichts weiter als ein statistischer Ausreißer. Sofern er überhaupt erfasst wurde. Und selbst wenn, gilt es natürlich zu bedenken, dass in die Statistik der Bahn auch all die nahezu menschenleeren Züge einfließen, die irgendwann nachts noch über die Gleise wummern. Und die jeder pfiffige Zahlenpolierer glatt erfinden müsste, gäbe es sie nicht schon.5 Aber egal, den reinen Zahlen zufolge ist noch viel Luft nach oben, bis die Züge überhaupt voll sind, nämlich exakt 44 Prozentpunkte!

Aber damit schnell zur guten Nachricht: Mit dem Klimapaket hat die Bundesregierung auch viele Milliarden Euro lockergemacht, um Deutschland zur Verkehrswende zu verhelfen. Mithilfe dieser Gelder stemmt die Bahn gerade das größte Investitionsprogramm ihrer Geschichte. Tausende Mitarbeiter werden neu angeheuert, man investiert in die Infrastruktur, allein bis zum Jahr 2024 wurden 200 neue Züge bestellt. Das Ziel: Zwischen großen deutschen Städten soll schon bald alle 30 Minuten eine Bahn fahren und tatsächlich ankommen (!) (welche Bahn genau das sein soll, steht allerdings noch nicht fest); in zehn Jahren sollen Züge im »Deutschlandtakt« uns alle wenigstens stündlich zu welchem Ziel auch immer bringen, und das schnell und zuverlässig. Man will stillgelegte Strecken wiederbeleben, abgehängte Städte neu ans Gleis bringen – der langjährige Traum aller Bahnfahrer!

Und dass dann im Jahr 2030 doppelt so viele Menschen Bahn fahren wie noch 2015, das steht nicht nur im Koalitionsvertrag, den die Bundesregierung am 12. März 2018 unterzeichnete. Das könnte auch tatsächlich klappen, beteuert ein hochrangiger Bahnmanager, schließlich wollten immer mehr Deutsche sich auch klimaschonend fortbewegen. Das Ganze müsse nur konsequent angegangen werden. Und auch die nächsten Bundesregierungen (und Verkehrsminister) müssten dabei bleiben.

Okay, auf dem Weg dorthin gibt es noch andere kleine Probleme. Um nur ein paar zu nennen:

  • Der bahnureigene Zielkonflikt

Einen Teil der sehr beeindruckenden Summe von 86 Milliarden, die die Politik bis 2029 in die Bahn investieren will, muss die Bahn selbst aufbringen. Für den Verkehrsminister ein geschickter Deal. Die Bahn dagegen wird wohl mehr verdienen müssen, um ihren Anteil auch wirklich leisten zu können. Das kann die Fahrpreise wieder steigen lassen – und die Rolle der Bahn als Klimaretterin gefährden. Es ist mal wieder das alte Dilemma, um das seit der Privatisierung der Bundesbahn im Jahr 1994 gestritten wird: Ist die Deutsche Bahn AG ein Unternehmen wie jedes andere, na ja: wie fast jedes andere? Und muss, obwohl zu 100 Prozent Eigentum des Bundes – also von uns allen –, Geld verdienen wie jede Sardinenbüchsenfabrik6 auch? Oder kommt dem Zugverkehr in...


Mark Spörrle, Jahrgang 1967, arbeitet als ZEIT-Redakteur und verarbeitet die Absurditäten des Alltags in Kolumnen und Büchern wie im Spiegel-Bahn-Bestseller Senk ju vor träwelling und Der Anschlusszug kann leider nicht warten.

Claas Tatje, Jahrgang 1979, pendelt seit Jahren zwischen seinem Wohnort Hannover und der Hamburger ZEIT-Redaktion. Dort schreibt er im Wirtschaftsressort über die Bahn und andere Mobilitätsthemen. Im Fahrtenbuch des Wahnsinns hat er seine Erfahrungen als Vielfahrer festgehalten.



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