Springer | Spurwechsel | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: Edition Tichys Einblick

Springer Spurwechsel

Wie Flüchtlingspolitik wirklich gelingt
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-96092-097-7
Verlag: FinanzBuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Wie Flüchtlingspolitik wirklich gelingt

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: Edition Tichys Einblick

ISBN: 978-3-96092-097-7
Verlag: FinanzBuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Deutschland beschreitet in der Flüchtlingspolitik in Europa einen Sonderweg. Unter dem Banner humanitärer Hilfe werden Flüchtlinge ohne Begrenzung ins Land gelassen und finanziell versorgt. Bleibeberechtigten Flüchtlingen wird versprochen, dass sie sich in Deutschland eine neue berufliche Zukunft aufbauen und auf Dauer bleiben können. Hierfür werden sie als arbeitslose Hartz-IV-Empfänger von den Jobcentern der Agentur für Arbeit finanziell unterstützt und bei der Jobsuche betreut. Im Zentrum der deutschen Flüchtlingspolitik steht damit die Vermittlung der Flüchtlinge auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Von ihrem (Miss)Erfolg hängt maßgeblich ab, wie viel der deutsche Sonderweg die Steuerzahler kosten wird und ob die Mehrzahl der überwiegend muslimischen Flüchtlinge sich zu gesellschaftlich integrierten Bürgern oder zu zusätzlichen Mitgliedern schon bestehender Parallelgesellschaften entwickelt. Professor Springer beschreibt unter Bezug auf den Streit um das Für und Wider des deutschen Sonderwegs anhand von Fallbeispielen aus seiner ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit den realen Verlauf sowie typische Probleme der Integration muslimischer Asylbewerber und plädiert für einen Spurwechsel in der deutschen Flüchtlingspolitik.

Roland Springer, Dr. phil., begann nach einem sozial- und arbeitswissenschaftlichen Studium in Deutschland und Frankreich seine berufliche Laufbahn an den Universitäten Darmstadt und Göttingen mit Untersuchungen zum technisch-organisatorischen Wandel in verschiedenen Branchen. Danach war er mehr als zehn Jahre als leitende Führungskraft beim Personalvorstand der Daimler AG tätig. Anschließend gründete er eine eigene Beratungsfirma, die er bis heute als geschäftsführender Gesellschafter leitet. Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit arbeitet Dr. Springer als außerplanmäßiger Professor im Bereich Personal und Organisation an der Universität Tübingen. Seit Beginn des Jahres 2016 engagiert er sich nebenberuflich außerdem in der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit. Er ist Autor mehrerer Bücher und zahlreicher Aufsätze.
Springer Spurwechsel jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


KAPITEL 2


Ausgangslage und Fragestellungen


Nur wenige politische Entscheidungen haben in der jüngeren deutschen Geschichte zu so kontrovers ausgetragenen politischen Debatten und Auseinandersetzungen geführt wie die Entscheidung im Sommer des Jahres 2015, die Staatsgrenzen über einen Zeitraum von mehreren Monaten weitgehend kontrollfrei zu öffnen und in kurzer Zeit eine Million Flüchtlinge, vorwiegend aus muslimischen Ländern, ins Land zu lassen (Alexander 2017). Schon in der ersten Hälfte des Jahres 2015, als der Zustrom von Flüchtlingen erst allmählich anschwoll, zeichnete sich ab, dass Teile der deutschen Gesellschaft die Aufnahme von Flüchtlingen tolerieren oder gar befürworten und aktiv befördern, während andere Teile der Aufnahme kritisch, skeptisch oder auch rigoros ablehnend gegenüberstehen.

Der Einfachheit halber sollen nachfolgend die einen »Befürworter« und die anderen »Gegner« einer Flüchtlingspolitik genannt werden, die sich durch eine (ultra-)liberale Haltung in Fragen der Aufnahme von Flüchtlingen auszeichnet. Gemäß dieser Haltung muss Deutschland alle Flüchtlinge aufnehmen und finanziell versorgen, die auf der Grundlage geltender Gesetze ein Bleiberecht beanspruchen können, unabhängig von ihrer Anzahl. Die Festlegung einer fixen Obergrenze, an der die Zuwanderung sich gemäß gegebener Aufnahmemöglichkeiten des Landes orientieren soll und die deswegen nicht überschritten werden darf, wird kategorisch abgelehnt.

Die »Befürworter« dieser Haltung vertreten die Auffassung, dass es sich bei allen Menschen, die aus Kriegsgebieten oder aus wirtschaftlich unterentwickelten Ländern einreisen, ausnahmslos um asylberechtigte Flüchtlinge handele, die vor politischer Verfolgung und Krieg geflohen seien und keine rein wirtschaftlichen Fluchtmotive hätten. Sie verweisen auf das geltende Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention und insistieren darauf, dass es vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte »im Namen der Menschlichkeit« (siehe Prantl 2015) geboten sei, all diesen Menschen Asyl zu gewähren. Davor müssten Probleme, die sich möglicherweise aus der Zuwanderung von vielen Menschen aus anderen Ländern und Kulturen im eigenen Land ergeben, zurückstehen und von der heimischen Bevölkerung im Interesse eines »humanitären Imperativs« ausgehalten bzw. bewältigt werden. Der Zustrom des Jahres 2015 stand deswegen auch unter dem regierungsamtlichen Motto Wir schaffen das. Überdies böten sich mit der Zuwanderung, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, auch Chancen einer wirtschaftlichen, kulturellen und selbst politischen Bereicherung des Landes, das aufgrund der Flüchtlinge nun die Möglichkeit der »Selbsterneuerung« (Münkler/Münkler 2016, S. 11) erhalte und »nachhaltiger in Europa« ankommen könne (Pries 2016, S. 20).

Die »Gegner« dieser (ultra-)liberalen Flüchtlingspolitik hingegen betonen, dass viele Flüchtlinge aus vorwiegend wirtschaftlichen Gründen ihre Heimatländer verließen und nach Deutschland kämen, um ihre Berufs- und Lebensperspektiven zu verbessern oder auch nur in den Genuss der Leistungen des deutschen Sozialstaats zu gelangen (siehe Berlach 2015). Sie befürchten neben steigenden Kosten für die Unterbringung, Verpflegung, medizinische Versorgung und Qualifizierung solcher »Wirtschaftsflüchtlinge« eine verstärkte Konkurrenz an den Arbeits- und Wohnungsmärkten mit entsprechenden Auswirkungen auf Löhne und Mieten, eine zunehmende Arbeitslosigkeit und Ghettoisierung in großen Städten, einen Anstieg der Kriminalität, eine Zunahme terroristischer Attentate und nicht zuletzt eine kulturelle Überfremdung des Landes, insbesondere durch den Zustrom von vielen Flüchtlingen muslimischen Glaubens. Überdies fürchten sie angesichts stark zunehmender Flüchtlingszahlen in Afrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten eine verstärkte Sogwirkung auf weitere Fluchtbewegungen aus den entsprechenden Herkunftsländern Richtung Deutschland, die von der Aufnahme und finanziellen Versorgung einer großen Zahl von Flüchtlingen ausgelöst werden könnte. Um dies zu vermeiden, fordern sie unter anderem eine Änderung des Asylrechts mit einer engeren Fassung des Begriffs des Asyls (siehe Sarrazin 2016, S. 364ff.).

Zwischen den entschiedenen »Befürwortern« und den entschiedenen »Gegnern« bewegen sich die »Abwägenden«. Sie berufen sich zwar wie die »Befürworter« auf das geltende Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention, plädieren zugleich jedoch für eine klare Abgrenzung zwischen asylberechtigten Flüchtlingen, die vor Krieg und/oder politischer Verfolgung, und sogenannten »Wirtschaftsflüchtlingen«, die vor wirtschaftlicher Not fliehen (siehe Wingert 2016). Dementsprechend befürworten sie zwar die Aufnahme von Flüchtlingen, fordern zugleich jedoch neben einer klaren Abweisung von nicht bleibeberechtigten Flüchtlingen auch eine quantitative Begrenzung des Zuzugs von asylberechtigten Flüchtlingen. Des Weiteren warnen sie vor den wirtschaftlichen und sozialen Risiken einer Überforderung des Aufnahmelandes (siehe Deutschmann 2016). Sie vertreten insofern keine liberale, sondern eine eher protektionistische Haltung in Fragen des Flüchtlingszuzugs, wenden sich aber gleichzeitig gegen eine völlige Schließung der Grenzen, wie sie von einigen europäischen Ländern praktiziert wird.

Während die »Befürworter« mit Verweis auf humanitäre Verpflichtungen gegenüber Menschen in Not aus aller Welt den (Schutz-)Interessen der Flüchtlinge grundsätzlich einen Vorrang gegenüber den (Schutz-)Interessen der einheimischen Bevölkerung einräumen, sehen sich deren »Gegner« als Vertreter der Interessen der Einheimischen, die es gegen die Flüchtlinge und deren Unterstützer zu verteidigen gelte. Da es dabei aus Sicht vieler »Gegner« um den Schutz der Interessen aller Einheimischen und damit des ganzen Volkes geht, bedienen sich Teile der »Gegner« zur Begründung ihrer Haltung nationalistischer und teils völkischer Argumentationen (siehe Patzelt/Klose 2016, S. 149 ff.). Befördert wird dies nicht zuletzt dadurch, dass diejenigen Parteien, die sich unter dem Motto »soziale Gerechtigkeit« die Interessenvertretung der »kleinen Leute« auf die Fahnen geschrieben haben, die (ultra-) liberale Flüchtlingspolitik befürworten und daher Gefahr laufen, in den Augen ihrer bisherigen Anhänger und Wähler faktisch eher die Interessen der Flüchtlinge als die ihren zu vertreten.

Jenseits der damit entstandenen Konfliktlinien zwischen einem sich als universell verstehenden Humanismus und einem sich davon abgrenzenden Nationalismus hat sich vor dem Hintergrund der Flüchtlingsdebatte in Deutschland unter anderem auch ein Konflikt um Gesinnungs-und Verantwortungsethik entwickelt, der nicht mehr nur in philosophischen Seminaren, sondern auch öffentlich ausgetragen wird. Während die »Befürworter« einer liberalen Flüchtlingspolitik die moralischen Pflichten betonen, die es gesinnungsethisch gegenüber allen Flüchtlingen dieser Welt einzuhalten gelte, warnen die »Gegner« verantwortungsethisch vor der »Selbstbeschädigung«, die ein selbst verordneter, unbegrenzter Flüchtlingszustrom in einem Aufnahmeland anrichten und es schlimmstenfalls zugrunde richten könne (vgl. Sieferle 2016, S. 9).

Neben den teils hypermoralisch argumentierenden »Befürwortern« auf der einen und den teils apokalyptisch argumentierenden »Gegnern« auf der anderen Seite versuchen sich in dieser Debatte auch die »Abwägenden« Gehör zu verschaffen. Sie wollen weder den Interessen der Flüchtlinge noch den Interessen der Einheimischen einen alleinigen Vorrang einräumen, sondern plädieren für einen Interessenausgleich. Dabei gelte es Folgendes zu berücksichtigen: »Die Gesinnungsethik lässt sich aus verantwortungsethischer Sicht politisch nicht durchhalten, wohingegen sich die Verantwortungsethik aus gesinnungsethischer Perspektive moralisch nicht durchhalten lässt.« (Ott 2016, S. 88) Deswegen sei genau zu prüfen, bis zu welchem Grade den Flüchtlingen menschenrechtliche Teilhaberechte gewährt werden können, die nicht zu einer massenhaften Inanspruchnahme und damit zu einer Überforderung der Einheimischen führen.

Öffentlich wahrgenommen werden in der Auseinandersetzung um die Flüchtlingspolitik bislang freilich in erster Linie die Wortführer der »Befürworter« und der »Gegner« aus den verschiedenen politischen Parteien, Organisationen sowie den Medien, während sich die »Abwägenden« zwar durchaus zu Wort melden, das stark polarisierte und teils vergiftete politische Klima bislang aber nicht so stark prägen wie die »Befürworter« und die »Gegner«. Solange dies so bleibt, stehen sich These und Antithese in der Flüchtlingspolitik in einem neuen Freund-/Feind-Verhältnis weitgehend unversöhnlich gegenüber. Dies ist nicht per se von Nachteil, befördert die damit verbundene Auseinandersetzung doch das Interesse an und die Beschäftigung mit Politik, was unter anderem in der zunehmenden Wahlbeteiligung bei den letzten Landtagswahlen abzulesen ist.

Gleichwohl ist auch hier eine neue Synthese gefordert, die die bestehenden Konfliktlinien auflöst und, in den Worten des Politologen Stefan Luft, zu einer Befriedung des Landes jenseits von »Multikulturalismus« und »kulturpessimistischen Untergangsängsten« beiträgt (siehe Luft 2016, S. 105). Ob sie zustande kommt, hängt nicht zuletzt vom Gelingen oder Nicht-Gelingen der Integration der inzwischen im Land anwesenden, bleibeberechtigten Flüchtlinge in die deutsche Gesellschaft ab. Sie beeinflusst maßgeblich das politische und soziale Klima sowohl aufseiten der einheimischen Bevölkerung wie aufseiten der Flüchtlinge und damit auch zwischen...


Roland Springer, Dr. phil., begann nach einem sozial- und arbeitswissenschaftlichen Studium in Deutschland und Frankreich seine berufliche Laufbahn an den Universitäten Darmstadt und Göttingen mit Untersuchungen zum technisch-organisatorischen Wandel in verschiedenen Branchen. Danach war er mehr als zehn Jahre als leitende Führungskraft beim Personalvorstand der Daimler AG tätig. Anschließend gründete er eine eigene Beratungsfirma, die er bis heute als geschäftsführender Gesellschafter leitet.
Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit arbeitet Dr. Springer als außerplanmäßiger Professor im Bereich Personal und Organisation an der Universität Tübingen. Seit Beginn des Jahres 2016 engagiert er sich nebenberuflich außerdem in der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit. Er ist Autor mehrerer Bücher und zahlreicher Aufsätze.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.