Springfeld | MENSCHMASCHINE - maschinenmensch | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 197 Seiten, E-Book-Text

Springfeld MENSCHMASCHINE - maschinenmensch

Warum wir Maschinen sind, die man nicht nachbauen kann
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-7776-1782-4
Verlag: S. Hirzel
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Warum wir Maschinen sind, die man nicht nachbauen kann

E-Book, Deutsch, 197 Seiten, E-Book-Text

ISBN: 978-3-7776-1782-4
Verlag: S. Hirzel
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Naturwissenschaftlich betrachtet ist der Mensch eine Maschine, und
seit Jahrhunderten versuchen Tüftler, Maschinenmenschen zu bauen.
Inzwischen ist ein Computer Schachweltmeister, seine Kollegen
übersetzen Sprachen, erkennen Gesichter, spielen Ball und lernen,
ihre Beine koordiniert zu bewegen. Das Weltwissen eines Kindes kann
sich jedoch keine Maschine aneignen.
- Kann man einen Menschen überhaupt nachbauen? - Was macht denn einen Menschen aus? - Ist das
Gehirn ein denkender Computer? - Werden Roboter jemals ein Bewusstsein
entwickeln können?
Uwe Springfeld sucht Antworten auf diese Fragen
und erfährt dabei viel über das Wesen des Menschen.

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Der Mensch – eine Annäherung
Kann man einen Menschen als Maschine nachbauen? Bei diesem Vorhaben stoßen Roboterbauer auf ein weiteres Problem. Genügt es zu sagen, um mit dem Philosophen Julien Offray de la Mettrie zu sprechen, der Mensch sei eine Maschine? Ist der Mensch tatsächlich durch seine naturwissenschaftlichen Grundlagen und maschinenähnlichen Funktionsweisen vollständig beschrieben? „Das ist unsere wissenschaftliche Arbeitshypothese“, stimmt Rodney Brooks vom Massachusetts Institute of Technology dem französischen Philosophen zu. „Wir sind biologische Maschinen. Wir bestehen aus Molekülen, die den Gesetzen von Physik und Chemie gehorchen. Darüber hinaus gibt es keine Seele und kein Lebenselixier.“ Allerdings erweist sich bei näherem Hinsehen die Argumentation de la Mettries als brüchig. In seinem Werk L’homme machine zieht er lediglich einen Vergleich zwischen dem Menschen und einer Maschine. Die Maschine selbst betrachtet er dabei nur als Funktionsmodell des Menschen, vielleicht sogar nur als literarische Metapher. Trotzdem hat dieser Gedanke bis heute nichts von seiner Schärfe eingebüßt. Durch ihn sehen sich religiöse Menschen in ihrem Glauben an eine unsterbliche Seele provoziert. Auch in den Geisteswissenschaften wie der Psychologie fragt man mit Unbehagen, wo im Weltbild de la Mettries Begriffe wie Geist und Bewusstsein ihren Platz haben. Gibt es also etwas naturwissenschaftlich nicht Greifbares, das für den Menschen konstituierend ist? Existieren neben den maschinell-anatomischen noch zusätzliche grundlegende Eigenschaften des Menschen, die sich nur ungenügend mit den Gesetzen von Physik und Chemie sowie mit den Mitteln der Informatik und des Maschinenbaus beschreiben lassen, weil sie in den Bereich der Sozial- und Geisteswissenschaften fallen, eventuell sogar in den Bereich der Religionswissenschaften oder der Theologie? Von dem Standpunkt aus betrachtet, dass der Mensch mehr ist als die Summe naturwissenschaftlicher Gesetze, müsste die Situation in den Labors der Roboterbauer an die des antiken Athen vor etwa 2400 Jahren erinnern. Obwohl die Sonne um die Mittagszeit hell vom Himmel schien, hatte der Philosoph Diogenes von Sinope eine brennende Lampe in der Hand, als er über den Marktplatz lief.   Von Diogenes, Commander Data und dem Versuch, „einen Türken zu bauen“
Diogenes war in unruhigen Zeiten geboren. 30 Jahre hatte der Peloponnesische Krieg gedauert und war gerade erst zehn Jahre vorbei, als der Philosoph das Licht der Welt erblickte. Fünf Jahre war er alt, als ein Städtebund aus Athen, Theben und anderen erfolglos Sparta bekämpfte. Zu Diogenes’ 20. Geburtstag errang Theben die Herrschaft über Sparta und das antike Griechenland. Zu dieser Zeit häuften sich jedoch schon die Übergriffe aus Makedonien im Norden. Als Diogenes seinen 50. Geburtstag feierte, war Makedonien zur unbestrittenen Herrschermacht über die griechische Halbinsel aufgestiegen. Alexander, den man später den Großen nennen würde und der von Aristoteles erzogen worden war, bestieg kurz darauf, also 336 vor Christus, den Thron. Zu dieser Zeit hatte ein Schüler des Aristoteles, der Pessimist Antisthenes, Diogenes längst das Handwerk des Philosophierens beigebracht. Dass Diogenes tatsächlich in einer Tonne gelebt hatte, verweisen Historiker heute ins Reich der Anekdote. Sicher ist, dass er wie ein Bettler lebte. Die völlige Unabhängigkeit von der Außenwelt und allen konventionellen Verhältnissen sah er als Grundbedingung der wahren Tugend an. Entsprechend waren Autarkie, Bedürfnislosigkeit, Kosmopolitismus und die freie Rede die Grundprinzipien seiner Philosophie, symbolisiert in den äußeren Zeichen des Wanderstabes, des Rucksacks und der Essensschale. Konsequenterweise führte Diogenes ein Hundeleben in Armut. Da er in seinen Reden auch genauso bissig wie ein Hund war, nannte man seine Philosophie die der „Bissigkeit“. Nun unterschied man im Griechenland des 4. Jahrhunderts vor Christus rein sprachlich nicht zwischen „bissig sein“ und „wie ein Hund sein“. Beides wurde mit dem gleichen Wort belegt. Aus dieser Bezeichnung, kynismós, entwickelte sich der heutige Begriff „Zynismus“. Es gehört eine Menge Zynismus dazu, sein letztes Lampenöl zu verbrennen, damit den Mitbürgern ein Licht aufgeht. Jedenfalls, so erzählt eine Anekdote, sei Diogenes am hellen Tag mit einer brennenden Lampe über den Marktplatz von Athen gelaufen. Als ihn daraufhin die Bürger der Stadt fragten, wieso er ein Licht angezündet habe, antwortete er: „Ich suche Menschen.“ [23] Dass Diogenes kein Exemplar der Art Homo sapiens suchte, liegt auf der Hand. Für ihn war „Mensch“ kein biologischer, sondern ein kultureller Begriff. Deshalb wollte er mit seiner Demonstration vermutlich nicht auf bestimmte Art von Lebewesen, sondern auf kulturelle Werte hinweisen. Mit Blick auf seine Philosophie kann man annehmen, dass er bei den Athener Bürgern die von ihm hochgeschätzte Eigenschaft der Tugend suchte. Und Menschen, die er an jenem Mittag angeblich zwischen all den geschäftigen Mitbürgern auf dem Marktplatz suchte, waren für ihn solche zweibeinigen Wesen, denen er das Merkmal tugendhaft zuschreiben konnte. Heutige Roboterbauer verschweigen, welche Eigenschaften sie für den Menschen als konstituierend ansehen. In ihren Publikationen sind jedenfalls keine Artikel zu dieser Frage zu finden und auf Tagungen werden keine Workshops dazu angeboten. Ihre konkreten Visionen stammen zum Teil aus einfachen Science-Fiction-Filmen. „Jeder Roboterbauer will eine Maschine wie Commander Data aus der Serie Star Trek bauen“, sagt Rodney Brooks vom Massachusetts Institute of Technology. Commander Data ist ein Androide, dem man sein Roboterwesen nicht anmerkt. Er verhält sich seltsam emotionslos und betont stark das rationale Denken. Dadurch wirkt Data intelligent, zumal er auf riesige Datenbanken zurückgreifen kann. Gleichzeitig ist Data mit enormen körperlichen Kräften ausgestattet. Da aber selbst in der Science-Fiction-Welt von Star Trek solche Androiden die avancierteste Technik darstellen, wird Commander Data selbst immer wieder für einen Menschen gehalten. Diese Verwechslungsgefahr deutet das Ziel an, auf das einige Roboterbauer in ihren Labors hinarbeiten: eine Maschine, die man für einen Menschen halten kann. Wenn man in einer Begegnung nicht mehr weiß, ob man einem Menschen oder einem Apparat gegenübersteht, ist der Roboter perfekt. Dieser Ansatz birgt eine Schwierigkeit: Die Täuschung der Mitmenschen wird zum Zweck des Maschinenmenschen, der Apparat selbst zum Taschenspielertrick und die Frage, wie man sein Publikum hereinlegen kann, kann wesentlicher Bestandteil des Forschungsziels werden. An einem Frühlingstag des Jahres 1770 ging ein Raunen durch die Säle und Gemächer des Schlosses Schönbrunn zu Wien, dem Wohnsitz der Maria Theresia, Kaiserin von Österreich-Ungarn. Der Wiener Hofbeamte Wolfgang von Kempelen, bekannt für seine profunden Kenntnisse der Physik, der Hydraulik und vor allem der Mechanik, hatte der Regentin zu Ehren einen uhrwerkgetriebenen Aufzieh-Automaten konstruiert, der gegen jedermann im Saal zu einer Schachpartie antreten würde. Der Automat, eine männliche Holzfigur und dem damaligen Geschmack entsprechend in türkische Festgewänder gekleidet, saß an einer Kommode, deren Türen und Schubladen dem Publikum zugewandt waren. Vor Beginn der ersten Partie öffnete von Kempelen das Möbelstück und zeigte dem staunenden Publikum einen komplizierten Mechanismus aus dicht gepackten Rädchen, Nocken, Gestängen und anderen Uhrwerkbestandteilen. Mit einem großen Schlüssel zog er nun die Maschine auf. Gespannte Stille herrschte im Saal. Sollte dieser Automat einen lebendigen Menschen im Schach schlagen können? Mit einer feinen Handbewegung forderte die Figur zu einem Spiel heraus. Zu jedem Zug bewegte sich die behandschuhte Hand des Automaten knarrend über das Spielbrett. Dann ergriffen die Finger eine Figur und setzten sie auf ein anderes Feld. Anschließend fuhr der Arm in die Ruheposition zurück und das surrende Geräusch verstummte. Bedrohte der Automat mit seinem Zug die Dame seines Gegners, nickte er zweimal. Bot er Schach, nickte er dreimal. Beging sein Gegner einen Regelverstoß, indem er beispielsweise den Springer wie einen Läufer zog, schüttelte der Apparat mit dem Kopf, setzte die Figur wieder zurück und zog, den Regeln entsprechend, unverzüglich selbst. Nach zehn bis zwölf Zügen zog von Kempelen den Mechanismus demonstrativ auf. Eine Stunde später zog der Gegner geschlagen von dannen. In den folgenden Jahren zeigte von Kempelen seine Maschine erst in Ausstellungen, dann auf Jahrmärkten. Schließlich verkaufte er sie an einen Schausteller, der den Automaten in den USA aufstellte. Dort wurde er bei einem Feuer zerstört, so dass man bis heute nicht sagen kann, wie die Fälschung genau funktionierte. Dass es sich um eine Fälschung gehandelt haben muss, war schon Zeitgenossen von Kempelens klar. Trotzdem hatte seine Maschine bei den Zuschauern einen so starken Eindruck hinterlassen, dass dem Automaten zu Ehren eine Redensart dafür kreiert wurde, die Anwesenheit eines Menschen zu fälschen: Einen Türken bauen[24]. Genügt es also Roboterbauern, einen Türken zu bauen? Sicher nicht, denn ein Mensch in der Apparatur hat das Publikum getäuscht, nicht die Maschine. Doch die Grenze zwischen Fälschung und seriösem Forschungsergebnis ist nicht immer so scharf gezogen, wie es in der Öffentlichkeit den Anschein hat. Das zeigt sich heute...


Springfeld, Uwe
Dr. Uwe Springfeld ist Physiker und mehrfach ausgezeichneter Wissenschaftsjournalist. Seine Themenschwerpunkte sind u.a. Robotik, Informatik und Life Sciences. Er arbeitet für den Hörfunk und hat mehrere Hörbücher und Essays veröffentlicht.



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