E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Stafford / Merrill Ein Augenblick genügt
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-96122-191-2
Verlag: Gerth Medien
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit besonderen Momenten das Leben von Kindern bereichern. Wahre Geschichten.
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
            ISBN: 978-3-96122-191-2 
            Verlag: Gerth Medien
            
 Format: EPUB
    Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wess Stafford ist seit 1977 Mitarbeiter und seit 1993 Leiter von Compassion International. Als Sohn von Missionaren wuchs er teils in einem afrikanischen Dorf, in einem international geführten Internat in der Elfenbeinküste und einem indianischen Reservat in den USA auf. Er studierte an mehreren amerikanischen Unis und promovierte im Fach Kommunikationswissenschaften.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Es gibt in jeder Kindheit einen Augenblick, in dem die Tür sich öffnet und die Zukunft Eingang findet.
 Graham Greene
Ich hatte nie vor, dieses Buch zu schreiben. Ich habe auch nicht die Initiative dazu ergriffen – es hat sich einfach ergeben. Das möchte ich Ihnen gerne erklären. Mein erstes Buch Liebe, die ankommt: Warum jedes Kind zählt – und auch kleine Schritte die Welt verändern1 umfasste 352 Seiten. Aber nur drei Seiten dieses Buches bilden die Grundlage für das vorliegende Buch Ein Augenblick genügt.
Sechs Jahre ist es her, seit das erste Buch auf Englisch erschien. In der Zwischenzeit reiste ich um die Welt und hielt Vorträge über den Wert der Kinder. Immer wieder musste ich die schöne und gleichzeitig schmerzhafte Geschichte meiner eigenen Kindheit in Westafrika erzählen. Dabei konnte ich beobachten, wie meine Zuhörer plötzlich auffällig in sich gekehrt waren, als ich über die Empfindsamkeit und Verletzlichkeit eines kindlichen Herzens sprach. Wenn ich davon redete, wie weich und formbar der Geist eines Kindes ist, wie er an weichen Ton oder feuchte Erde erinnert und nur darauf wartet, liebevoll berührt, zärtlich umarmt oder mit angemessenen Worten ermutigt zu werden, dann wurden viele meiner Zuhörer von eigenen Erinnerungen sichtlich überrollt. Wie oft sah ich es in ihren Gesichtern, dass sie in ihre eigenen Geschichten eingetaucht waren und mir gar nicht mehr richtig zuhörten. Ihr Gesichtsausdruck wurde nachdenklich, die Blicke schweiften in die Ferne, sie kehrten zurück in ihre Kindheit und verloren sich in ihren Gedanken und Erinnerungen.
Manchmal fragte ich meine Zuhörer direkt: „Wer hat Ihnen geholfen? Was hat die Person gesagt? Was hat sie getan? Wer hat an Sie geglaubt, ehe sie selbst an sich glauben konnten?“ Dann glitzerten Tränen in den Augen und ich konnte leises Schluchzen hören. Als ich einmal in den Niederlanden war, musste ich mitten in meinem Vortrag innehalten und meinen Übersetzer trösten, der unter der Last seiner eigenen Erinnerung zusammenbrach.
Ich durfte lernen, dass Gott immer etwas Besonderes vorhat, wenn er uns eine Begegnung mit einem Kind schenkt, selbst wenn sie nur einmalig und flüchtig ist.
Oft bin ich Stunden nach einem Vortrag immer noch in dem Saal, weil die Menschen Schlange stehen, um mir ihre eigene Geschichte zu erzählen. Wir lachen, weinen und umarmen uns, ehe wir als Seelenverwandte auseinandergehen. Die kurzen Augenblicke, die wir zusammen verbrachten, haben uns gestärkt, uns dankbarer und zielgerichteter werden lassen. Wenn ich Bücher signiere, erlebe ich zusammen mit meinen Zuhörern Zeiten bewegender Erinnerungen und tiefer Dankbarkeit. Aus aller Welt erreichen mich E-Mails, in denen Leser mir mitteilen, wer sie in ihrer Kindheit segnend beeinflusste und wie sie diesen Segen heute als Erwachsene weitergeben.
Von Gott geschenkte Gelegenheiten
Ich konnte also gar nicht anders, als dieses Buch zu schreiben. Aus den Geschichten anderer Leute durfte ich lernen, dass Gott immer etwas Besonderes vorhat, wenn er uns eine Begegnung mit einem Kind schenkt, selbst wenn sie nur einmalig und flüchtig ist. Wer sich einen Augenblick Zeit für ein Kind nimmt, hat die Möglichkeit, dessen Leben in die richtige Bahn zu lenken. Es kann gut sein, dass das Leben dieses Kindes in genau diesem einen Augenblick nachhaltig beeinflusst wurde.
Jedes Mal, wenn Sie einem Kind begegnen, haben Sie die Möglichkeit und die Verantwortung, das Leben des Kindes positiv zu verändern – oder eben manchmal auch negativ. Ein einziges Wort kann ein ganzes Leben beeinflussen, ein ermutigender Satz, eine Umarmung im richtigen Moment, ein einfühlsames Gebet, ein Lob, das Festhalten einer kleinen Hand oder das Trocknen einer Träne – alles kann so schnell gehen und so lange nachwirken!
Jeder von uns ist dazu in der Lage. Dafür brauchen wir keine Ausbildung. Keiner kann sich damit herausreden, dass er mit Kindern nichts anfangen, er nicht mit Kindern umgehen könne oder keine Ahnung von Kindern habe. Denn jeder Erwachsene hat schon einen Doktortitel im Fach „Kindheit“ erworben. Wer erwachsen ist, hat dieses vielschichtige Thema bereits achtzehn Jahre lang erforscht. Als Sie selbst ein Kind waren, haben Sie aus erster Hand alles gelernt, was es an Wissenswertem zum Thema „Kindheit“ gibt. Jeder weiß, wie es sich anfühlt, wenn man Recht bekommt, und leider auch, wie es ist, wenn einem Unrecht geschieht. Ihre Jahre als Kind sind verantwortlich für das, was Sie heute tun, und haben Sie zu der Person gemacht, die Sie heute sind.
Entwicklungspsychologen haben längst erforscht, dass die grundlegenden, starken Werte, die Weltanschauung und das Selbstwertgefühl bereits in frühester Kindheit angelegt und fest in einer Person verankert werden. Vielleicht fordert uns Gott deshalb so nachdrücklich auf, für die Menschen einzutreten, die sich selbst nicht verteidigen können (Sprüche 31,8).
Geschichten über Geschichten
Dieses Buch soll kein Lehrbuch sein, sondern ich möchte viele Geschichten erzählen, so wie ich es aus meiner Kindheit in Afrika kenne. Ich wuchs in einem afrikanischen Dorf auf, in dem es weder Strom noch Fernsehen oder Radio gab (außer Kurzwellensendern). Deshalb versammelten wir uns abends am Lagerfeuer und erzählten uns Geschichten. Wichtiger als gut jagen, fischen oder ein Stück Land bestellen zu können, war es in unserem Dorf, eine Geschichte spannend erzählen zu können.
Ich glaube, dass Jesus auch Geschichten liebte. Egal, wie wichtig ihm seine Botschaft war, er verpackte sie meistens in eine Geschichte. Manchmal erzählte er, zum Verdruss seiner Zuhörer, nichts weiter als eine Geschichte. Anscheinend wollte er, dass die Leute lange über seine Gleichnisse nachdachten und die Botschaft erst nach und nach entschlüsselten.
Vom Kleinkind, das abends ins Bett gebracht wird, bis hin zum Akademiker, der viele Titel erworben hat – jeder liebt Geschichten und lernt aus ihnen. Wenn ich am Sonntag eine gute und logisch aufgebaute Predigt mit drei wesentlichen Punkten gehört habe und deren Zusammenfassung sogar im Gemeindebrief nachzulesen ist, dann werde ich mich im Laufe der Woche trotzdem nur noch an die Witze und Beispiele erinnern, die der Pastor erzählte, um seine Botschaft zu veranschaulichen. Die tiefen Wahrheiten, um die es eigentlich ging, bekomme ich vermutlich nicht mehr zusammen.
Ich habe die Geschichten in diesem Buch in sieben thematische Teile gegliedert. Die ermutigenden und die warnenden Beispiele sind gemischt, ähnlich wie im wahren Leben. Wir können im Voraus nie wissen, wann unser Verhalten bei dem anderen einen lebenslangen Eindruck hinterlässt. Deshalb ist es so wichtig, dass wir immer behutsam und freundlich miteinander umgehen.
Vielleicht sagte einmal jemand zu Ihnen: „Du hast aber eine schöne Stimme.“ Dieser Satz prägte sich Ihnen so ein, dass Sie später das Singen zu Ihrem Beruf gemacht haben oder dass Sie seit damals immer wieder andere Menschen mit einem Lied beschenken. Alles begann damit, dass sich jemand die Zeit nahm, diesen einen Satz zu Ihnen zu sagen.
Mag sein, dass jemand beobachtete, wie Sie sich auf dem Spielplatz einem anderen Kind gegenüber sehr liebevoll verhielten. Die Person nahm sich die Zeit, Sie auf Ihr freundliches Wesen anzusprechen und Sie zu loben. Wahrscheinlich können Sie sich nicht mehr an die genauen Worte erinnern, aber Sie wuchsen zu einem rücksichtsvollen, großzügigen, freundlichen Erwachsenen heran. Es macht Ihnen große Freude, anderen zu helfen. Vielleicht haben Sie sogar einen entsprechenden Beruf gewählt.
Es gibt in jedem Leben Schlüsselmomente, die eine große Bedeutung haben.
Es gibt in jedem Leben Schlüsselmomente, die eine große Bedeutung haben. Wenn Sie einen Schauspieler nach einem solchen Augenblick fragen, wird er fast immer eine Geschichte vom ersten Auftritt oder von der ersten Bühne erzählen. Vielleicht war die Darbietung nicht gelungen, aber der Applaus, der dann folgte, tat unendlich gut. Von da an erinnerte sich die Person immer daran, wie schön es war, andere zum Lachen oder zum Weinen bringen zu können. Dieser erste Applaus hat ihrem Leben die Richtung gewiesen und seither nutzt die Person jede Gelegenheit, um vor Menschen zu spielen.
Auf den folgenden Seiten werden Sie die Lebensgeschichten von Ärzten, Missionaren, Soldaten, internationalen Leitern, berühmten Sportlern, Politikern und vielen anderen kennenlernen, die allesamt eines gemeinsam haben: Sie erinnern sich noch an diesen einen entscheidenden Moment in ihrem Leben, an dem alles begann.
Sie werden auch die Geschichte von Adolf Hitler lesen, der an einem bestimmten Punkt auf die Abwärtsspirale gesetzt wurde, auf der er Millionen unschuldiger Menschen mit sich in den Abgrund riss. Im Alter von elf Jahren wurde er so grausam gedemütigt, dass es im Rückblick verständlich und sogar vorhersagbar ist, wie er von da an um jeden Preis danach strebte, anderen überlegen zu sein.
Ein Augenblick kann sich leider nicht nur positiv auf das Leben eines Menschen auswirken und einen mitfühlenden, fürsorglichen, zuversichtlichen und leistungsfähigen Menschen hervorbringen, sondern ein Augenblick kann genauso schnell negative Konsequenzen haben. Ein solcher Moment kann eine Wunde verursachen, die nicht aufhört zu eitern und ein ganzes Leben zerstören kann. Beides ist in einem Augenblick möglich. Im Laufe der letzten Jahre hat es mich immer wieder tief berührt, wenn ich mich in meinen Vorträgen vorsichtig den dunklen, traurigen Geschichten zugewandt habe. Oft reagierten die Zuhörer...





