Stalder | Frédéric de Cergnaux | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 341 Seiten

Stalder Frédéric de Cergnaux


1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7296-2324-8
Verlag: Zytglogge
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 341 Seiten

ISBN: 978-3-7296-2324-8
Verlag: Zytglogge
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Schelmengeschichte über einen Helden wider Willen im 14. Jahrhundert: Der blutjunge Fritz von Schernelz, ein aus einem unbedeutenden Ableger des Berner Patriziats stammender Landadeliger, hat keine grosse Zukunft vor sich. Nach kurzer Klostererziehung und anschliessender Lehrzeit bei dem Schwarzen Zähringer, einem heruntergekommenen, wenig zimperlichen Ritter im Emmental, wird er von seiner älteren Kusine verführt - und nimmt kurz darauf Reissaus vor Vaterschaft und Ehe. Mit seinem Degen schlägt er sich durch eine von Hundertjährigem Krieg und Pest verheerte und zudem von ?Rosenroman? und ?Dekameron? in Liebestaumel versetzte Welt. Mehr oder weniger zufällig wird er unter dem Namen Frédéric de Cergnaux zum Helden. Fortan eilt Frédéric sein Ruf voraus - und Fritz hat Mühe hinterherzukommen. Eine irrwitzige Reise nimmt ihren Lauf; Tod, Furor und Liebe lauern hinter jeder Ecke.

Heinz StalderGeb. 1939 in Allenlüften (BE), Lehre als Bau- und Kunstschlosser an den Lehrwerkstätten der Stadt Bern, Abendgymnasium, Lehramtskurs in Luzern, Lehrer in Kriens und freischaffend in London und Finnland. Autor mehrerer Romane, Theaterstücke, Hörspiele und Reportagen für die ?NZZ?, ?Du? und ?Das Magazin?.
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Zielgruppe


Schelmengeschichte über einen Helden wider Willen im 14. Jahrhundert: Der blutjunge Fritz von Schernelz, ein aus einem unbedeutenden Ableger des Berner Patriziats stammender Landadeliger, hat keine grosse Zukunft vor sich. Nach kurzer Klostererziehung und anschliessender Lehrzeit bei dem Schwarzen Zähringer, einem heruntergekommenen, wenig zimperlichen Ritter im Emmental, wird er von seiner älteren Kusine verführt – und nimmt kurz darauf Reissaus vor Vaterschaft und Ehe. Mit seinem Degen schlägt er sich durch eine von Hundertjährigem Krieg und Pest verheerte und zudem von ‹Rosenroman› und ‹Dekameron› in Liebestaumel versetzte Welt. Mehr oder weniger zufällig wird er unter dem Namen Frédéric de Cergnaux zum Helden. Fortan eilt Frédéric sein Ruf voraus – und Fritz hat Mühe hinterherzukommen. Eine irrwitzige Reise nimmt ihren Lauf; Tod, Furor und Liebe lauern hinter jeder Ecke.


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I
Im Ende des Regenbogens


Mit Pesttoten an Bord waren soeben genuesische Handelsschiffe aus dem Schwarzen Meer in den sizilianischen Hafen von Messina eingelaufen.

Es herrschte Krieg zwischen England und Frankreich. Hundert Jahre sollte er dauern. Noch residierte der Papst in Rom. Petrarca hatte den Mont Ventoux bereits bestiegen. Der für die Renaissance wegweisende Maler und Baumeister Giotto lebte nicht mehr, während Giovanni Boccaccio wahrscheinlich noch an seinem Dekameron feilte. Von Guillaume de Lorris und Jean de Meung existierte der 22 000 Verse umfassende Rosenroman. Das gewaltige Werk zur Liebeskunst wurde vom Adel und vor allem der Geistlichkeit eifrig gelesen.

Die noch ziemlich junge Eidgenossenschaft tat sich schwer mit den Habsburgern. Dass in der Schlacht am Morgarten 1500 Urner, Schwyzer und Unterwaldner ein habsburgisches Heer von 7000 Kämpfern zu Fuß und 2000 Rittern in eine Falle lockten, fast alle Berittenen in brutalen Nahkämpfen mit ihren Hellebarden abschlachteten und dabei selber nur zwölf Mann verloren, konnte das stolze Habsburg nicht auf sich sitzen lassen. Im Laupenkrieg im Sommer 1339 erfuhr ein aus verschiedenen Adelsgeschlechtern zusammengewürfeltes Heer professioneller Ritter durch ein weit kleineres Heer der Stadt und Republik Bern eine ähnliche Abfuhr.

Nach einem von Agnes von Ungarn vermittelten Frieden zwischen Bern und seinen Herausforderern feierten in Düdingen oder Guin, nahe der habsburgischen Stadt Freiburg im Üechtland, die Landadeligen De Guin die Hochzeit eines ihrer Söhne mit der Tochter eines Burgherrn aus dem Greyerzerland. Geladen war auch die Familie von Schernelz, ein Ableger des bernischen Patriziats.

«Komm!», sagte Véronique de Guin zu Fritz von Schernelz und zog den gerade sechzehn oder vielleicht auch erst vierzehn Jahre alten Knaben von der mit schwerverdaulichen Speisen überladenen Tafel durch den Blumen- und Gemüsegarten hinter dem Bergfried derer von Düdingen zum von Holunderbüschen überwucherten Gewächshaus.

Obwohl Fritz lieber noch etwas von den in süße Dickmilch eigelegten Pflaumen und Kirschen gegessen hätte, löste er sich nicht aus dem festen Griff seiner gut zehn Jahre älteren, noch nicht verheirateten Kusine. In der längst übersatten und betrunkenen Hochzeitsgesellschaft rülpste niemand Fritz oder Véronique hinterher.

«Willst du meine Rose sehen?», fragte Véronique ihren Vetter.

Fritz sah sich im Schuppen um. Außer einem modrigen Heuhaufen gab es da nichts.

Als er sich wieder seiner Kusine zuwandte, hatte sie ihre Bluse aufgerissen, zog den verdutzten Fritz mit beiden Händen an sich, bettete seinen Kopf zwischen ihre Brüste.

«Mon cher Frédéric!», hauchte sie, zog Fritz nieder ins Heu, entkleidete ihn schneller, als sie selber nackt neben ihm lag.

Ihre Zunge fuhr wie ein in sauren Wein eingelegtes Stück Fleisch in seinen Mund, drohte ihn zu ersticken. Es gelang ihm, sich zumindest von der Hüfte her von Kusine Véronique etwas zu lösen. Untendurch fühlte er ihre Beine wie ein Nest voller Schlangen.

Mit den freigewordenen Händen leerte sie sich aus einer Tüte Fenchel- und Anissamen gegen ihren widerwärtigen Atem in den Mund, verschluckte sich.

«Besser?», keuchte sie.

Fritz fühlte, wie er sich als Frédéric de Cergnaux schnell und heftig genötigt sah, in den Düdinger Rosengarten Richtung Guin einzudringen.

«Noch nicht!», hielt ihn Véronique zurück. «Zuerst musst auch du etwas gegen deinen Mundgeruch tun. Erst dann erlaube ich dir, den Kelch meiner Rose bis in die Tiefe zu erforschen.»

Fritz von Schernelz hatte den Rosenroman, diese monströse Liebesfibel, weder gelesen noch hatte er ihn nacherzählt bekommen. Nun zerkaute auch er Fenchel- und Anissamen, bevor er weiteren Aufforderungen Véroniques Folge leistete.

Dass der Rose ein Kind entspringen konnte, hatte er ebenso gesehen wie die immer gleichen und doch so unterschiedlichen Erforschungen des Kelches.

Sein Vater, seine Mutter, die Mägde, die Knechte, alle paarten sich ohne Scheu und Scham, wo immer sich eine Gelegenheit dazu ergab, und noch bevor ihn seine Mutter darauf aufmerksam machte, er sei wieder ein Jahr älter geworden, wurden aus den dicken Bäuchen mit blutbesudelten Händen verschrumpelte Wesen mit geschlossenen Augen und aufgerissenen Mündern gehoben. Meistens schrien die Neugeborenen nicht sehr lange. Antworteten sie auch nach Klapsen auf den Hintern nicht, wurden sie wie totgeborene Ferkel, Kälber oder Fohlen weggeworfen.

Nach oft weniger als einem Jahr begann das Geschrei von Neuem.

Wie oft seine Mutter vor ihm fast so laut geschrien hatte, wie er es vor drei, zwei und zum letzten Mal vor einem Jahr gehört hatte, wusste er nicht. Er hatte drei Schwestern und drei Brüder. Einer von ihnen war groß wie ein junger Stier und hatte nie gelernt auf zwei Beinen zu gehen. Er kannte keine Wörter, meckerte manchmal wie eine Ziege und wenn man ihn kitzelte, grunzte er wie ein Wurf Ferkel.

Die nicht allzu große Burg, in der er geboren wurde, stand hoch über einem See. Durch Rebberge sah man hinunter auf eine lang gezogene Insel. Darüber hinaus erstreckte sich ein weites hügeliges Land bis zu den mit ewigem Eis und Schnee bedeckten Alpen.

Dass er schon lange gehen und sogar noch schneller vor der aufgezogenen Hand seines jähzornigen Vaters fliehen konnte, als er verständliche Worte über seine Zunge und Lippen zu bringen imstande war, mochte damit zusammenhängen, dass die paar Häuser rund um die Festung nicht nur Schernelz, sondern oft im gleichen Atemzug auch Cergnaux genannt wurden. Dann aber, mit fünf Jahren, sprach er fast von einem Tag zum andern fließend und mit erstaunlich vielen Wörtern Deutsch und Französisch, sofern man die Laute der Leute auf der Sprachgrenze überhaupt so nennen konnte.

«Mon vatter m’a schlagué avec un steck.»

Unten am See, in La Neuveville, wurden zuerst die Nonnen und bald einmal auch die Mönche in ihren Klöstern auf das Phänomen des Jungen mit Wurzeln bis hinüber ins bernische Patriziat aufmerksam, und sowohl Vater wie Mutter, die beide immer noch heftig damit beschäftigt waren, weitere Kinder zu zeugen, hatten etwas dagegen, dass der ausnehmend gerade gewachsene und mit seinen wie alte Weinstöcke gekrausten dunklen Haaren ebenso hübsche Knabe einer umfassenden christlichen und – von den Mönchen versprochenen – ritterlichen Erziehung unterzogen wurde. Um sicherzugehen, dass die mehr oder weniger hohe Geistlichkeit das Außergewöhnliche Fritzens auch entsprechend einzuschätzen wusste, einigten sich Vater und Mutter darauf, dass sie auf einer Bootsfahrt von Ligerz hinüber zur Insel von einem Gewittersturm ins Schilf beim Hasenhügel getrieben worden seien, beim Warten auf besseres Wetter er von der Fleischeslust und sie von seinem Samenerguss überrascht worden sei und dass sie sich nach der Zeugung geblendet im Ende eines gewaltigen Regenbogens gefunden hätten.

Fritz wurde vom ersten Tag an sowohl von den Nonnen wie den hinter der Gartenmauer sich kasteienden Mönchen Frédéric genannt und in den Büchern als ein de Cergnaux geführt.

Schreiben, lesen und auch mit Zahlen umgehen lernte er so leichtfüßig, dass er einigen seiner Lehrerinnen und Lehrer bald einmal nahezu ebenbürtig war und sie sich, ohne sich untereinander abzusprechen, insgeheim entschlossen, ihn auch in die Geheimnisse der Körperlichkeiten einzuweihen, ihm Anschauungsunterricht im Baden, Waschen und anschließendem Einölen der geschrubbten Haut zu erteilen.

Frédéric, unschuldig, wie die der Keuschheit verpflichteten Nonnen und Mönche sich in Gebeten versicherten, schien den Gefühlsäußerungen und Ausdünstungen der unter seinen Händen dahinschmelzenden erwachsenen Gotteskinder in keiner Art und Weise ausgesetzt zu sein. Wenn sie sich zu stark räkelten, aufbäumten, ihre Hände und Lippen nicht mehr ihrem Gelübde gemäß unter Kontrolle hatten, dachte er sich seinen sprachlos gebliebenen, aber stark wie ein Stier gewachsenen Bruder zwischen sich und die in Versuchung Geratenen.

«Statt wie über einen Regenbogen zu ihm vorzustoßen, fallen meine Hände bleischwer auf mich zurück», beichtete eine Nonne, und von hinter dem Trenngitter vernahm sie einen verständnisvollen Stoßseufzer.

Bevor Vater und Mutter ihren Fritz vollends vergaßen, besuchten sie ihn im Kloster und fanden den Knaben ein paar Jahre älter, größer und, wie die Mutter fand, entschieden hübscher.

Der Vater vermisste nicht die Muskeln, wohl aber um den Mund herum den Mann, und als Frédéric seinen Eltern auch noch in einem schier unverständlich schönen Französisch in erschreckender Unschuld erzählte, dass seine Lehrerinnen und Lehrer sich in der Badestube immer öfter nicht viel anders verhielten als der sprachlose Bruder, fragte die Mutter erschrocken:

«Wie kommst du auf so etwas?»

Der Vater machte die Faust im Sack.

«Wenn ich sie beim Baden, Waschen und Einölen kitzle ...»

«Es reicht!», schrie der Vater und zerrte seinen Sohn fluchend aus dem Kloster.

Als sich die Frau Oberin und...


Heinz StalderGeb. 1939 in Allenlüften (BE), Lehre als Bau- und Kunstschlosser an den Lehrwerkstätten der Stadt Bern, Abendgymnasium, Lehramtskurs in Luzern, Lehrer in Kriens und freischaffend in London und Finnland. Autor mehrerer Romane, Theaterstücke, Hörspiele und Reportagen für die ‹NZZ›, ‹Du› und ‹Das Magazin›.



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