Stanzl | Ball der Mörder | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 228 Seiten

Stanzl Ball der Mörder

Commissario Vossi ermittelt
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7099-3817-1
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Commissario Vossi ermittelt

E-Book, Deutsch, 228 Seiten

ISBN: 978-3-7099-3817-1
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Er tötet mit archaischen Mitteln. Er schickt verschlüsselte Botschaften. Er folgt seiner Überzeugung. Und er hat ein Ziel...

Beim Sonnenaufgang über Cormons läuten die Glocken eines Morgens Sturm und die Stadt wird Zeuge einer Steinigung per Fernbedienung. Willkommenes Futter für die Medien, die aufgrund der Grausamkeit rasch auf islamische Dschihadisten schließen. Zumal in der Folge noch mehr achtbare Katholiken sterben müssen. Dass ein Papstbesuch bevorsteht und Ferragosto das Land lahmlegt, erschwert die Ermittlungen für Bruno Vossi und sein Team. Schon bald sieht sich der Commissario in einem undurchsichtigen Netz aus Interessen und Interventionen verstrickt. Was bezweckt der geheimnisvolle Mörder? Und wer zieht die Fäden beim finalen Showdown wirklich?

Ersterscheinung unter dem Titel "Hinrichtung".

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II. Das Scripsi
Was Freunde und Kollegen über Commissario Bruno Vossi sagten, war nicht von der Hand zu weisen: Er ähnelte der Werbefigur auf den Plakaten für Birra Moretti, als ob er dafür Modell gesessen hätte. Optisch entsprach er jedenfalls nicht dem gängigen Bild, das man sich ganz allgemein von einem Italiener machte. Eher hätte er ein Bauer von jenseits der ein paar Häuserblocks entfernten Grenze zu Slowenien sein können oder ein Austriaco des Nordens. Mit Vorliebe trug er seinen dunklen Hut mit weiter Krempe und grünem Band, vor allem im Winter den dunkelgrauen Lodenanzug mit Knöpfen aus Hirschhorn und stets hohe Schnürschuhe. In den üblichen Halbschuhen oder Schlüpfern schmerzten ihn schon nach kürzerem Fußweg die Knöchel. Vossis Welt waren die Colli, die Hügel zwischen Gorizia und Cormons, mit ihren Weinbergen und Obstspalieren zwischen den schmucken, niemals aber protzigen Häusern, Gassen und Plätzen. Gleichwohl blickte man in seiner Familie mehr nach Südost, der verlorenen Heimat Istrien. Vater und Mutter hatten sie unter dem Diktat der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs und Marschall Titos verlassen müssen. Bruno war da noch nicht geboren. Umso weiter hatten sich die Erinnerungen an das alte Zuhause von der bescheidenen, ja kargen Wirklichkeit entfernt. Dazu trug auch die unfreundliche Aufnahme der italienischen Landsleute bei, als man mittellos hier in Gorizia ankam. In Triest, wo der Vater eigentlich hinwollte, waren die Flüchtlingslager ja überfüllt. Andächtig hatte Bruno der Mutter zugehört, wenn sie von den Schönheiten des istrischen Heimatdorfes schwärmte. Sie erzählte auch von dem Grabstein auf dem alten Friedhof, der noch den alten Familiennamen trug, den die Faschisten 1928 vom österreichischen Voss auf Vossi zwangsitalienisiert hatten. Die Familie wurde nicht gefragt. Widerstand, Beschwerden, ja selbst Nachfrage bei den Behörden hätten äußerst unangenehme Folgen haben können. Als Bruno das Dorf ihrer Herkunft als frisch gebackener Gymnasiast erstmals besuchen konnte, zeigte ihm der Großvater den Platz, auf dem ihr Haus und das der Nachbarn gestanden hatten. Jetzt erhob sich darauf frech ein schmieriger Plattenbau mit einer schmutzigen Kneipe im Erdgeschoß, die nie Besseres als Betontristesse gesehen hatte. Statt Coca-Cola gab es Jugo-Cola, nicht bei Agip, sondern bei einer schmutzstarrenden Tankstelle mit der Aufschrift Jugopetrol. Den erwähnten Grabstein konnte der Großvater auf dem alten Friedhof nicht mehr finden. Trotz all dieser Geschichten war Bruno stolz, Italiener zu sein. Es regte sich etwas wie Patriotismus für die Republik Italien in ihm, so glaubte er zumindest. In Wahrheit war er bloß froh, dass er nicht in diesem Kaff hatte aufwachsen müssen. Stolz war er auf sein Zuhause, das Land zwischen Triest, Gorizia, Palmanova und Cividale, das Land mit den Alpen im Norden, der Küste von Duino im Süden und den Ufern des Isonzo. Oft blieb er auf der Straße zu den Weinorten dieses Fleckens Heimat stehen, um sich am Anblick der Rebstöcke zu erfreuen. In Reih und Glied bewachten sie die sanften Hänge wie in Habachtstellung. So musste es dem Preußenkönig beim Anblick seiner langen Kerle ergangen sein, von dem Großvater in einer der vielen Stunden erzählt hatte, in denen Bruno Deutsch eingetrichtert bekommen hatte. Brunos Deutschkenntnisse waren über die Jahre recht ordentlich angewachsen. Sein Großvater wäre stolz gewesen. Dazu kam mit der Zeit noch ein respektables Slowenisch. Diesen zusätzlichen Sprachschatz verdankte er Jelena, seiner Frau, die aus der Gegend von Kobarid stammte – Kobarid am Oberlauf der Soca, wie der Isonzo in Slowenien hieß. Dort hatte er sie kennengelernt. Er war damals auf der Polizeischule gewesen. Einige Kameraden hatten ihn dazu überredet, bei einer Kajakfahrt mitzumachen. Er war entsetzt, wie wenig diese Soca mit seinem Isonzo gemein hatte. Während sich der italienische Teil des Flusses gemächlich durch die Landschaft schlängelte, in den Windungen mit Sandhaufen spielte, die er da abgrub, um sie an anderer Stelle wieder aufzuschütten, gebärdete sich diese Soca wie ein Stier, der es nicht ertragen konnte, dass ihn überhängende Felswände in ein enges Kleid zwängten und ihm an einigen Stellen gar völlig den Weg verstellten. Mit weißer Gischt bäumte der Fluss sich zornig und unversöhnlich dagegen auf. Noch nie hatte Bruno Wildwasser live erlebt. Kein Wunder, dass der in Eskimorollen Ungeübte schon nach der ersten Stromschnelle Kopf unter im Kajak steckte und Wasser schluckte. Hatte ihn der Fels, an dem er sich festklammern konnte, tatsächlich vor dem Ertrinken gerettet? Vermutlich, jedenfalls kam er sehr gelegen und irgendwie gelang es ihm schließlich, das Boot abzustreifen wie eine Raupe ihre Haut bei der Schmetterlingswerdung. Noch immer nach Luft schnappend, erreichte er eine Sandbank, auf der er sich ausruhen und einen gewagten Aufstieg nach oben zur Straße ausmachen konnte. Die wenigen Wildwasserspezialisten, die voll konzentriert an ihm vorbeiflitzten, hatten mit den Launen der Soca zu tun und keinen Blick für ihn frei. Und die Freunde waren längst stromabwärts außer Sichtweite, also blieb ihm gar nichts anderes übrig, als sich noch etwas aufzuwärmen und den Aufstieg zu wagen. Mit letzten Kräften erreichte er die Kante der Wand zur vorbeiführenden Straße und blickte hilflos nach rechts und links. Da stand sie, sah ihn und lachte lauthals auf. Bruno ärgerte sich über die Kuh und kam sich derart erniedrigt vor, dass er automatisch ein paar Schritte zurück und dazu noch den Fehler machte, nach unten zu schauen – in diesem Fall in eine Leere, auf deren Grund sich der eiskalte Fluss laut rauschend mit der Topographie maß. So hielt er sich krampfhaft an ein paar Wurzeln fest und starrte regungslos auf die junge Frau, die endlich den Ernst der Lage begriffen hatte und Hilfe herbeirief. Und tatsächlich, aus dem Nichts griffen vier starke Männerhände von oben nach ihm und zogen ihn auf die Straße. Als er wieder klar denken konnte, befand er sich im nahen Dorfgasthaus. Wortlos trank er den Glühwein, den ihm die Wirtin, seine spätere Schwiegermutter, kredenzte. „Nach Hausrezept“, sagte Jelena neben ihm auf Italienisch und goss nach. Ein paar Tische weiter saßen drei Männer. Zwei erkannte er an den Hemdsärmeln als seine Retter. Heftig klopften sie dem Dritten, den sie in ihre Mitte genommen hatten, auf die Schulter und tranken ihm unablässig zu. „Ist Polizist, will machen sich wichtig mit Protokoll. Besser er trinkt und kein Protokoll“, meinte Jelena verschwörerisch. Nach dem vierten oder fünften Glühwein nach Hausrezept wankte der Polizist durch die Wirtsstube, drehte sich vor dem Ausgang noch einmal um und lallte: „Protokoll morgen, morgen Protokoll.“ Dann war es still in der Stube. Von draußen hörte man den Schlag der Wagentür, das Starten des Motors und die Abfahrt des Polizeiwagens mit quietschenden Reifen. Brunos fragendem Blick erwiderte Jelena beschwichtigend: „Nema problema, Polizeistube gleich um die Ecke.“ Von seinen Kameraden erfuhr Bruno später, warum der arme Dorfpolizist mit Glühwein arbeitsunfähig gemacht werden musste: Das Befahren der Soca war seit Tagen verboten, weil sie Hochwasser führte. „Habt ihr das nicht gewusst?“, fragte er. „Natürlich, deshalb sind wir ja losgezogen. Bei Niederwasser einfach so zu paddeln ist doch was für Bubis.“ Weil sie wussten, dass er angesichts des Verbots und der erhöhten Gefahren nie mitgekommen wäre, hatten sie das Hochwasser mit keinem Wort erwähnt. Aber er war ihnen nicht ernsthaft böse. Denn was sich später bewahrheiten sollte, ahnte er bereits: dass nämlich an diesem Sonntag das Schicksal gleich mehrmals entscheidend die Weichen für ihn gestellt hatte. Erstens, weil das kurze Hängen in der Wand mit Blick auf die unter ihm tosende Soca genügte, um für alle Zeiten sportliche Betätigung nur noch passiv als Zuseher zu genießen. Zweitens, weil er sich seither ein Leben ohne Jelena nicht mehr vorstellen konnte, und drittens, weil er in den Besitzern der vier lebensrettenden Hände mit Schwiegervater und Schwager brüderliche Freunde gewonnen hatte, die ihm Werte erschlossen, von denen er als Einzelkind bis dahin keine Ahnung gehabt hatte. „Bruno, dein Telefonino.“ Jelenas Stimme kam aus der Küche, wo sie das Frühstück zubereitete. Und da er sich nicht rührte, folgte der Stimme alsbald die Person, schon in Jeans, die Gartenhandschuhe im Gürtel, während er sich noch nicht einmal den Sandmann aus den Augen gerieben hatte. Sie warf ihm das läutende Handy zu. Bruno klappte es auf, doch er hielt es schlecht und es schnappte gleich wieder zu. „Pronto“, sagte er laut und verärgert, doch seine Ungeschicklichkeit hatte die Leitung gekappt. Zufällig sah sich Bruno dabei im Schminkspiegel seiner Frau. Noch vor zehn Jahren hätte er jeden für anstaltsreif erklärt, der „Pronto“ in seine Faust rief, die ein schwarzes Etwas umschlossen hielt, und auf eine Antwort daraus wartete. Das schwarze Etwas begann wieder zu läuten. „Morgen, Chef“, wünschte ein putzmunterer Roberto Vialli, sein sizilianischer Assistent. „Ich glaube, wir haben eine Leiche.“ „Was heißt das, du glaubst?“ „Auf der Piazza in Cormons wurde ein Mann von einer LKW-Ladung Felsbrocken verschüttet. Sie haben ihn gerade erst ausgebuddelt. Könnte sein, dass er noch lebt.“ „Und was geht das uns an?“ Bruno registrierte, dass Jelena inzwischen für das Frühstück auf der Terrasse aufgedeckt hatte, und hoffte auf eine Antwort, die ihm die ersten Freuden des neuen Tages nicht verderben würden. „Es sieht...


Werner Stanzl, geboren 1941 in Mödling, startete 1962 seine Laufbahn bei Reuters in London und arbeitete als erfolgreicher Journalist und Dokumentarfilmer unter anderem für den Stern, STANDARD, Profil, ORF, ZDF und die BBC und berichtete von den Brennpunkten Europas. Seit 1995 lebt und arbeitet er als freischaffender Journalist, Serienautor und Schriftsteller. Über Jahre hinweg hatte er seinen Lebensmittelpunkt in Sistiana in der Provinz Triest. Seiner Begeisterung und Leidenschaft für Triest entspringt seine Krimis rund um Commissario Vossi.



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