Stein | Eine Untersuchung über den Staat | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 116 Seiten

Stein Eine Untersuchung über den Staat

Die ontische Struktur des Staates & Der Staat unter Wertgesichtspunkten
2. Auflage 2016
ISBN: 978-80-268-6619-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die ontische Struktur des Staates & Der Staat unter Wertgesichtspunkten

E-Book, Deutsch, 116 Seiten

ISBN: 978-80-268-6619-0
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses eBook: 'Eine Untersuchung über den Staat' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Inhalt: Die ontische Struktur des Staates: Die staatliche Gemeinschaft Staat und Recht Das konkrete Staatsgebilde in seiner Bedingtheit durch andere Faktoren als die Struktur des Staates Der Staat unter Wertgesichtspunkten: Bedeutung des Staates für die Individuen, die ihm angehören Staat und Gerechtigkeit Bedeutung des Staates für die Gemeinschaft als solche und besonders für die Volksgemeinschaft Staat und sittliche Werte Der Staat als Träger des historischen Geschehens Staat und Religion Aus dem Buch: 'Das Volk kann in der Eigentümlichkeit seines Gemeinschaftslebens unberührt bleiben, wenn es durch eine äußere Macht der Möglichkeit beraubt wird, nach eigenen Gesetzen zu leben (Beispiel: die Zerstörung des polnischen Staates hat den Fortbestand des polnischen Volkes nicht aufgehoben; es ist sogar vielleicht danach in höherem Grade Nation geworden, als es vorher war). Das müßte noch weiter erleuchtet werden durch eine Untersuchung der besonderen Eigentümlichkeit der Volksgemeinschaft als solcher. Doch wenden wir uns zuvor noch der anderen Seite der aufgeworfenen Frage zu: ob eine staatliche Gemeinschaft auch fortbestehen kann bei Aufhebung der Volksgemeinschaft...' Edith Stein (1891-1942), war eine deutsche Philosophin und Frauenrechtlerin.

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§ 2. Staat und Recht


Alle bisherigen Betrachtungen lassen den Staat in einem merkwürdigen Zwitterlicht erscheinen: er bedarf der Volksgemeinschaft nicht als Fundament seiner Existenz, aber er kann darauf ruhen und erscheint eigentümlich hohl und schemenhaft, wenn es nicht der Fall ist. Diese Verhältnisse werden sich aufklären, wenn wir versuchen, den Punkt zu erhellen, der uns als der zentrale im Aufbau des Staates erschien: die Eigentümlichkeit der Souveränität. Wir stellen die Frage allgemeiner, indem wir die Frage der Souveränität in dem Zusammenhang nehmen, in den sie hineingehört: als das Problem des Verhältnisses von Staat und Recht.

a) Reines und positives Recht

Als Voruntersuchung wird hier eine Erörterung der Idee des Rechtes erforderlich. Man kann von Recht in doppeltem Sinne sprechen: es gibt Rechtssachverhalte, die unabhängig von aller Willkür bestehen und unabhängig davon, ob sie von irgendwelchem »geltendem Recht« anerkannt werden oder nicht – »reine« Rechtsverhältnisse: daß ein Anspruch, der durch ein Versprechen erwächst, durch Erfüllung erlischt; daß es unrecht ist, eine Schuld nicht zurückzuerstatten usw. Daneben besteht das geltende Recht, das sogenannte positive. Das reine Recht ist zu allen Zeiten und bei allen Völkern dasselbe; denn es ist ewig und tritt nicht irgendwo und irgendwann ins Dasein. Das positive Recht wird durch Willkürakte geschaffen oder in Kraft gesetzt und kann darum beliebig mannigfaltig sein. Darin liegt beschlossen, daß es vom reinen Recht abweichen kann. Man wird fragen, warum dennoch für beide die Bezeichnung »Recht« verwendet werde. Ob es sich nicht um eine bloße Äquivokation handele. Darauf ist zu sagen: die mögliche Diskrepanz zwischen reinem und positivem Recht betrifft nur den Inhalt der einzelnen Rechtsverhalte. Darüber hinaus gibt es aber etwas, was man gegenüber diesem Inhalt als die Form des Rechts bezeichnen könnte, die apriorische Struktur des Rechts als solchen. Und die ist reinem und positivem Recht gemeinsam. Alles Recht beansprucht, das Verhalten von Personen zu normieren. »Geltung« des Rechts bedeutet, daß dieser Anspruch anerkannt wird. Diese Geltung ist von dem Bestehen des reinen Rechts durchaus zu scheiden. Sie bezeichnet ein zeitliches Sein, das anfängt und aufhört und überdies an einen Geltungsbereich gebunden ist. Reines Recht und geltendes Recht desselben Inhalts verhalten sich wie Wesen und Faktum. Damit das Recht sich »realisieren«, d. h. geltendes Recht werden kann, muß jener Anspruch zunächst einmal erhoben werden. Das kann im Namen seines Inhalts geschehen – beim reinen Recht nämlich oder auch z. B. bei ethischen Normen, die in die Form des Rechts gekleidet werden. Es kann auch ohne solche Begründung geschehen – stat pro ratione voluntas. Auf jeden Fall gehört dazu eine Person, die den Anspruch »geltend macht«, und ein Bereich von Personen, an die er sich richtet und durch deren Anerkennung das betreffende Recht geltendes Recht wird. Den Anspruch geltend machen heißt Recht setzen oder Rechtsbestimmungen ergehen lassen. Das erste Recht, das gesetzt und anerkannt werden muß, damit weiteres Recht Geltung erlangen kann, ist das Recht, Recht zu setzen. Jede Person, die Recht setzt, nimmt damit dieses erste Recht in Anspruch, und zwar für den Bereich von Personen, an die sie ihre Rechtsbestimmungen adressiert und der durch jene erste Bestimmung abgegrenzt wird. Sie kann es von sich aus tun oder, indem sie es als ein Recht, das ihr übertragen wird, annimmt. Im ersten Fall ist der Bereich, in dem ihr Recht gilt, ihre Herrschaftssphäre, sie selbst ist souveräne Staatsgewalt, und die Herrschaftssphäre mit der sie »regierenden« Staatsgewalt ist ein Staat.

Alle diese Feststellungen lassen noch Fragen offen. Vor allem wird zu prüfen sein, in welchem Sinn und mit welchem Recht wir die Person als Quelle des geltenden Rechts in Anspruch nehmen. Vorbereitend suchen wir noch den Charakter der Rechtssetzungen etwas näher zu umschreiben. – Sie weisen zurück auf ein Subjekt, das sie gesetzt hat, und vorwärts auf etwas, was sein soll. Diesen Charakter von »Bestimmungen« haben sie auch dann, wenn sie nicht in die Form von Sollenssätzen gekleidet sind. Der Satz z. B. »Hochverrat wird mit dem Tode bestraft« ist seiner Form nach rein theoretisch, er schließt aber seinem Sinne nach, abgesehen von dem, was darin behauptet wird, eine Norm für das Verhalten der Individuen ein, die zu seinem Geltungsbereich gehören, und noch speziell für das Verhalten derer, die für die Wahrung des Rechts Sorge zu tragen haben. Will man dem Satz einen theoretischen Gehalt zugestehen, so kann es einmal der einer empirischen Feststellung sein: daß das, was das Recht vorschreibt, auch tatsächlich geübt wird. In den Sachverhalt, dem damit Ausdruck gegeben würde, gehörte dann die stillschweigend mitintendierte Angabe des Geltungsbereichs des Rechtes mit hinein (dort und dann ist diese Rechtspraxis üblich). Diese Feststellung hat die Rechtsbestimmung zur Voraussetzung. Ganz anders stände es, wenn dem Satz der Charakter eines reinen Rechtssatzes zugesprochen werden sollte: auf Hochverrat gehört Todesstrafe. Auch das wäre eine theoretische Feststellung, aber nicht die eines Faktums, sondern eines Wesensverhalts; und aus ihr wäre eine normative Bestimmung und eine danach gestaltete Praxis abzuleiten, nicht umgekehrt. – Wie bereits erwähnt, können die Bestimmungen damit begründet werden, daß sie ihrem Inhalt nach mit einem einsichtigen Rechtsverhalt zusammenfallen. Tatsächlich sind aber im positiven Recht die Bestimmungen weitgehend von jeder theoretischen Grundlage abgelöst; sie verdanken ihren Inhalt keiner Einsicht, sondern reiner Willkür. Demnach bedeutet die »Anerkennung« einer Rechtsbestimmung keine theoretische Zustimmung. Es hat bei ihr keinen Sinn, nach Richtigkeit oder Falschheit zu fragen. Sie anerkennen heißt sich ihr bzw. dem Recht setzenden Willen unterwerfen.

b) Das Wesen der Recht setzenden Akte

Um die Möglichkeit dieser Ablösung des positiven vom reinen Recht, der Bestimmung von ihrer theoretischen Grundlage zu verstehen, müssen wir uns kurz auf das Wesen der Recht setzenden oder bestimmenden Akte besinnen. Es handelt sich hier um einen Spezialfall jener Akte, die wir an anderer Stelle als freie oder »willentliche« bezeichnet haben. Der freie Akt ist charakterisiert als ein spontaner Vollzug des Ich – spontan in dem Sinne, daß er sein Dasein dem Ich selbst verdankt und nicht in ihm und doch gewissermaßen unabhängig von ihm sich regt und erwächst, wie es bei allen Kenntnisnahmen und Stellungnahmen der Fall ist. In dem, was man als Willensakt zu bezeichnen pflegt, sind in der Regel eine Stellungnahme und ein spontaner Vollzug – Willensstellungnahme und Vorsatz – miteinander verbunden. Und so ist es überhaupt die Eigentümlichkeit der freien Akte, sich auf Erlebnisse anderer Art – in letzter Linie auf Stellungnahmen zu stützen, sie zu sanktionieren und ihre praktische Wirksamkeit einzuleiten oder umgekehrt, sie zu inhibieren. Das Ich erscheint darin als Zentralstelle, bis zu der die Wellen des seelischen Lebens – letztlich meist von irgendeiner Berührung mit der Umwelt ausgehend – heranströmen können und von der nun eine rückläufige, nach außen drängende Bewegung ihren Ausgang nimmt. Das ganze Geschehen kann sich auch abspielen, ohne daß die Bewegung bis zum Zentrum vordringt und ohne daß die Spontaneität des Ich eingreift. Auf der anderen Seite hat die Spontaneität nur Sinn inmitten einer solchen seelischen Bewegung. Ein absolut »willkürlicher« Willensvorsatz ohne jegliches anders geartete Fundament ist undenkbar. Aber das Fundament kann verschieden geartet sein. Es kann ein Willensvorsatz sich aufbauen auf eine klare (selbst wiederum in einem Fühlen verankerte) Erkenntnis eines Wertverhalts, der nach Realisierung verlangt. In diesem Fall tritt das wollende Ich als Vollstrecker absoluter Normen auf, in deren Dienst es sich von sich aus stellt. Dahin gehört es auch, wenn ein Gesetzgeber als Rechtsbestimmung ergehen läßt, was reines Recht ist. Der Unterschied zum einfachen Willensvorsatz liegt in der Form der Auswirkung, die hier einmal sozialer Natur ist und außerdem (im Gegensatz zu anderen Gruppen sozialer Akte, wie Bitte, Befehl u. dgl.) nicht direkt auf ein Verhalten bestimmter Personen abzielt, sondern nur für mögliche Verhaltungsweisen innerhalb eines Bereichs von Personen eine Regel vorschreibt. Der willentlichen Sanktionierung des kraft reinen Rechts Gebotenen steht gegenüber das Sich-Einsetzen für etwas, was nicht in sich selbst wertvoll, sondern nur als für mich bedeutsam, verlockend o. dgl. gefühlt und begehrt wird. Auch das, wohin mich das Begehren treibt, kann ich mir als Willensziel vorsetzen und kann es auch zum Inhalt einer Rechtsbestimmung machen, was dann freilich kein Wert- und speziell kein reiner Rechtsverhalt zu sein braucht. Man könnte sich denken, daß »ein Recht«, d. h. ein Inbegriff von Rechtsbestimmungen, rein von der Idee eines begehrten oder auch nur als begehrenswert vorgestellten Zweckes aus geschaffen würde. Ein Staatsrecht z. B. von der Idee her, daß es in dem Staat, den es zu normieren bestimmt ist, einer bestimmten Klasse von Menschen besonders wohlgehen solle. Die Rechtsbestimmungen würden dann alle Staatseinrichtungen und das Verhalten der Bürger so regeln, daß jenes Ziel dadurch möglich gemacht würde. Die Möglichkeit eines solchen um alle reinen Rechtsverhältnisse gänzlich unbekümmerten positiven Rechts ist nicht zu...



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