E-Book, Deutsch, 141 Seiten
Stein Zum Problem der Einfühlung
2. Auflage 2016
ISBN: 978-80-268-6618-3
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Wesen der Einfühlungsakte, Die Konstitution des psychophysischen Individuums & Einfühlung als Verstehen geistiger Personen
E-Book, Deutsch, 141 Seiten
ISBN: 978-80-268-6618-3
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses eBook: 'Zum Problem der Einfühlung' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: 'Wir haben bisher immer vom reinen Ich als dem sonst unbeschreiblichen qualitätlosen Subjekt des Erlebens gesprochen. Wir haben bei verschiedenen Autoren - z. B. bei Lipps - die Auffassung gefunden, daß dies Ich kein 'individuelles' sei, sondern es erst werde im Gegensatz zum 'Du' und 'Er'.Was besagt diese Individualität? Zunächst nur, daß es 'es selbst' ist und kein anderes. Diese 'Selbstheit' ist erlebt und Fundament alles dessen, was 'mein' ist. Zur Abhebung gegenüber einem anderen kommt es natürlich erst, wenn ein anderes gegeben ist. Dieses ist von ihm zunächst nicht qualitativ unterschieden - da ja beide qualitätlos sind -, sondern nur dadurch, daß es eben ein 'anderes' ist. Und diese Andersheit bekundet sich in der Art der Gegebenheit; es erweist sich als ein anderes als ich, indem es mir anders gegeben ist als 'ich': darum ist es 'Du'; aber es erlebt sich so, wie ich mich erlebe, und darum ist das 'Du' ein 'anderes Ich'. So erfährt das Ich keine Individualisierung, indem ihm ein anderes gegenübertritt, sondern seine Individualität, oder, wie wir lieber sagen wollen, (weil wir die Bezeichnung 'Individualität' noch für etwas anderes aufsparen müssen) seine Selbstheit kommt zur Abhebung gegenüber der Andersheit des andern.' Inhalt: Das Wesen der Einfühlungsakte Die Konstitution des psychophysischen Individuums Einfühlung als Verstehen geistiger Personen Edith Stein (1891-1942), war eine deutsche Philosophin und Frauenrechtlerin.
Autoren/Hrsg.
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§ 3. Auseinandersetzung mit anderen Deskriptionen der Einfühlung – besonders der von Lipps – und Fortsetzung der Analyse
Inhaltsverzeichnis
Mit dieser allgemeinen Herausstellung des Wesens »Einfühlung überhaupt« ist natürlich wenig geleistet, es muß vielmehr jetzt untersucht werden, wie es sich differenziert als Erfahrung von psychophysischen Individuen und ihrem Erleben, von Persönlichkeit usw. Doch schon von den gewonnenen Resultaten aus läßt sich Kritik üben an einigen historischen Theorien über die Erfahrung von fremdem Bewußtsein und an Hand dieser Kritik ist die ausgeführte Analyse noch nach manchen Richtungen zu vervollständigen. Die Beschreibung, die Lipps von dem Einfühlungserlebnis gibt (von der kausal-genetischen Hypothese über den Hergang der Einfühlung – der Theorie der inneren Nachahmung –, die bei ihm fast überall mit der reinen Beschreibung verquickt ist, sehen wir ab), stimmt in vielen Punkten mit der unsern überein. Er führt seine Untersuchung allerdings nicht in reiner Allgemeinheit, sondern hält sich an das Beispiel des psychophysischen Individuums und den Fall der »Symbolgegebenheit«, aber die Resultate, die er dabei erzielt, sind doch zum Teil zu verallgemeinern. a) Übereinstimmende Punkte Er schildert die Einfühlung als ein »inneres Mitmachen« der fremden Erlebnisse, was wohl der von uns geschilderten höheren Vollzugsstufe der Einfühlung – wo wir »bei« dem fremden Subjekt und mit ihm seinem Objekt zugewendet sind – gleichkommt. Er betont die Objektivität oder den »Forderungs«charakter der Einfühlung und drückt dasselbe damit aus wie wir, wenn wir sie als eine Art erfahrender Akte bezeichnen. Er weist ferner auf die Verwandtschaft der Einfühlung mit Erinnerung und Erwartung hin. Dabei kommen wir aber gleich an einen Punkt, wo sich unsere Wege scheiden. b) Die Tendenz zum vollen Erleben Er spricht davon, daß jedes Erlebnis, von dem ich weiß – das erinnerte und erwartete wie das eingefühlte –, dazu »tendiert«, ein voll erlebtes zu werden, und es auch wird, wenn sich ihm in mir nichts widersetzt, womit zugleich das Ich, das bisher Objekt war, sei es das vergangene oder künftige eigene oder das fremde Ich, zum erlebten wird. Und dieses volle Erleben des fremden Erlebnisses nennt er ebenfalls Einfühlung, ja er sieht darin erst die volle Einfühlung, wozu jene andere die unvollkommene Vorstufe ist. Es ist nun zunächst zu erwägen, was unter dieser »Tendenz« zu verstehen ist. Nach Prof. Geiger hat Lipps hier einen kausalpsychologischen Faktor im Auge, vermöge dessen jede »Vorstellung« zur »Wahrnehmung« (in unserer Terminologie können wir dafür wohl sagen: jedes nicht-originäre zum originären Erleben) wird und so auch jede Einfühlung zu originärem Erleben. Über kausalpsychologische Hypothesen wollen wir hier nicht diskutieren, sondern nur auf das eingehen, was an aufweisbarem Gehalt darin steckt. So finden wir im Auftauchen einer Erinnerung, Erwartung oder Einfühlung die –erlebte- Tendenz zum Vollzug dieses Erlebnisses, in dem sein Subjekt nicht mehr im eigentlichen Sinne Objekt ist, in dem wir »bei« ihm sind, ohne doch restlos »eins« mit ihm zu sein. Dieses Hineingezogenwerden in das zunächst objektiv gegebene Erlebnis und das Erfüllen der implizierten Tendenzen darf mit dem Übergang von nicht-originärem zu originärem Erleben nicht verwechselt werden. Eine Erinnerung ist voll erfüllt und ausgewiesen, wenn man allen Explikationstendenzen nachgegangen ist und die Erlebniskontinuität bis zur Gegenwart hergestellt hat. Damit ist aber nicht das erinnerte zu einem originären Erlebnis geworden. Es kann ferner von einer »Tendenz zum vollen Erleben« nicht in einem zweiten Sinne die Rede sein. Jede Stellungnahme, die ich einmal vollzogen habe, »tendiert« dazu, sich unverändert zu erhalten, falls die Motivationsgrundlagen sich nicht geändert haben. Wenn wir ein Objekt wahrgenommen haben, so behalten wir den Glauben an die Existenz bei, auch wenn die Wahrnehmung vorüber ist, und erinnern wir uns seiner, so »nehmen« wir den Glauben »wieder auf«. Und ebenso pflegen // wir in der Einfühlung – wenn keine Gegenmotive bestehen – die Stellungnahmen anderer zu »übernehmen«, in dem wir z. B. ihren Wahrnehmungen Glauben schenken. Aber mit der Übernahme des »belief«, der der Wahrnehmung innewohnenden Setzung, wird die erinnerte oder eingefühlte nicht zur originären Wahrnehmung, sie bleibt Vergegenwärtigung. Und die Übernahme des »Glaubens« gehört nicht notwendig zur Vergegenwärtigung als solcher, sie entfällt, sobald Gegenmotive eingetreten sind. Ich kann mich einer Wahrnehmung erinnern und jetzt überzeugt sein, daß ich damals einer Täuschung unterlag. Ich kann mich meines Unbehagens in einer peinlichen Situation erinnern und mich jetzt köstlich über diese Situation amüsieren. Die Erinnerung ist in diesem Falle nicht unvollkommener, als wenn ich wieder dieselbe Stellungnahme vollziehe wie damals. Wir geben zu, daß ein Umspringen vom erinnerten, erwarteten, eingefühlten zum eigenen originären Erlebnis möglich ist – aber wir bestreiten, daß nach der Erfüllung jener Tendenz noch Erinnerung, Erwartung, Einfühlung vorliegt. Betrachten wir den Fall näher. Ich vergegenwärtige mir lebhaft eine vergangene Freude, z. B. über ein bestandenes Examen, ich versetze mich in sie hinein, d. h. ich wende mich in ihr dem erfreulichen Ereignis zu, male es mir in all seiner Erfreulichkeit aus – und plötzlich bemerke ich, daß ich, das originäre sich erinnernde Ich voller Freude bin; ich erinnere mich an das freudige Ereignis und habe an dem erinnerten Ereignis originäre Freude – aber die erinnerte Freude und das erinnerte Ich sind verschwunden oder bestehen höchstens neben der originären Freude und dem originären Ich fort. Diese originäre Freude an vergangenen Ereignissen ist natürlich auch direkt durch bloße Vergegenwärtigung des Ereignisses möglich, ohne daß ich mich der damaligen Freude erinnere und ohne daß erst der Übergang vom erinnerten zum originären Erlebnis statthat. Es besteht schließlich die Möglichkeit, daß ich an der vergangenen originäre Freude habe, wobei gerade der Unterschied beider besonders deutlich hervortritt. Nun das parallele Einfühlungserlebnis: Mein Freund tritt freudestrahlend zu mir herein und erzählt mir, daß er sein Examen bestanden hat. Einfühlend erfasse ich seine Freude und indem ich mich in sie hineinversetze, erfasse ich die Erfreulichkeit des Ereignisses und habe nun selbst originäre Freude daran. Auch diese Freude ist möglich, ohne daß ich erst die Freude des andern erfasse: tritt der Examenskandidat in den gespannt harrenden Familienkreis und teilt das erfreuliche Resultat mit, so wird man sich zunächst originär an diesem Ergebnis freuen und erst, wenn man sich selbst »genug gefreut« hat, wird man sich seiner Freude zuwenden und eventuell – die dritte Möglichkeit – an seiner Freude freuen, wodurch uns aber seine Freude gegeben ist, das ist weder die originäre Freude an dem Ereignis, noch die originäre Freude an seiner Freude, sondern jener nicht-originäre Akt, den wir früher als Einfühlung bezeichneten und näher beschrieben haben. Setzen wir uns dagegen in der früher bei der Erinnerung beschriebenen Weise an die Stelle des fremden Ich, indem wir es verdrängen und uns mit seiner Situation umgeben, so gelangen wir zu einem dieser Situation »entsprechenden« Erlebnis und indem wir dann dem fremden Ich seine Stelle wieder einräumen und ihm jenes Erlebnis zuschreiben, zu einem Wissen um sein Erleben. (Nach Adam Smith ist dies die Art der Gegebenheit von fremdem Erleben.) Dies Verfahren kann ergänzend eintreten, wenn die Einfühlung versagt, ist aber nicht selbst Erfahrung. Dieses Surrogat der Einfühlung könnte man wohl den »Annahmen« zurechnen, nicht aber – wie Meinong will – die Einfühlung selbst. Und soll Einfühlung den von uns streng definierten Sinn: Erfahrung von fremdem Bewußtsein haben, dann ist nur das nicht-originäre Erlebnis, das ein originäres bekundet, Einfühlung, das originäre aber wie das »angenommene« nicht. c) Einfühlung und Mitfühlen Besteht neben der originären Freude an dem freudigen Ereignis die Einfühlung – d. h. das Erfassen der Freude des anderen – fort und ist ferner das Ereignis als eigentlich für ihn erfreulich bewußt (eventuell kann es auch für mich erfreulich sein, z. B. wenn jenes bestandene Examen Vorbedingung für eine gemeinsame Reise ist und ich mich an ihm als Mittelwert freue), so können wir den betreffenden originären Akt als Mitfreude oder allgemeiner Mitfühlen bezeichnen. Mitgefühlte und eingefühlte Freude brauchen keineswegs dem Gehalt nach dieselbe zu sein (der Qualität nach sind sie es ja nicht, da die eine originäres, die andere nicht-originäres Erlebnis ist): die Freude des Nächstbeteiligten wird im allgemeinen intensiver sein als die Mitfreude der andern, meist auch andauernder; es ist aber auch möglich, daß die Mitfreude der anderen intensiver ist – sei es, daß sie ihrer Natur nach intensiverer Gefühle fähig sind als er, sei es, daß sie »Altruisten« sind, denen »Werte für andere« eo ipso mehr bedeuten als »Werte für sie selbst«, sei es schließlich, daß jenes Ereignis durch den andern unbekannte Umstände an Wert verloren hat. Die Einfühlungsfreude dagegen ist ihrer Prätention nach jedenfalls und in dem idealen Falle (wo keinerlei Täuschung statthat) tatsächlich in jeder Beziehung der erfaßten Freude gleich, hat denselben Gehalt und nur einen anderen Gegebenheitsmodus. Es ist näher darauf einzugehen, was unter dem »selben Gehalt« zu verstehen ist:...