Steinert | Der Seerosencode | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 216 Seiten

Reihe: CRiMiNA

Steinert Der Seerosencode


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-89741-962-9
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 216 Seiten

Reihe: CRiMiNA

ISBN: 978-3-89741-962-9
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Drei Leichen werden innerhalb weniger Wochen in Berlin gefunden. Was verbindet sie miteinander? Zunächst nicht mehr als die Tatsache, dass alle drei Männer sind. Dann aber auch, dass neben jedem Opfer eine Seerose liegt. Das Team des Berliner LK1 steht vor einem Rätsel. Seine tastenden Ermittlungen führen ins Dickicht der Lebenslügen: Wie weit passe ich mich an, um geliebt und respektiert zu werden? Wo beginnt die Selbstaufgabe? Fragen grundlegender Art, wie sie auch im Alltag der Hauptkommissarin und ihrer beiden Kollegen eine Rolle spielen ...

SONJA STEINERT lebt als Literaturwissenschaftlerin und Autorin in Berlin. Nach 'Cantando' (2002) und 'Maschas Geschichten' (2007) ist 'Der Seerosencode' ihr dritter Roman.
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Donnerstag, 10. April


Das Erste, was ihr ins Auge fiel, war eine cremeweiße Seerose, die wie verloren auf dem Weg lag, kaum größer als die Innenfläche ihrer Hand. Sie spürte Lust, sie anzufassen.

Der Polizist grüßte und hielt das rot-weiß gestreifte Absperrband hoch, sodass Hauptkommissarin Judith Rabe darunter durchschlüpfen konnte, während sie ihm zunickte. Sie war sofort voll konzentriert auf die Situation, alle ihre Sinne arbeiteten auf Hochtouren. Der Tote lag bäuchlings auf dem Weg, der südöstlich um die Krumme Lanke herumführte.

»Ein Jogger – steht dort drüben – hat ihn gegen halb sieben gefunden.«

Judith sah kurz hinüber, wo ihr Kollege Simon Bacher mit dem Mann sprach. Sie vertiefte sich wieder in den Anblick des Toten, dessen Kopf nach rechts gedreht war, der rechte Arm war etwas höher, so als wollte er sein Gesicht berühren, der linke lag, ebenfalls leicht angewinkelt, unter dem Körper. Während das linke Bein durchgestreckt war, lag das rechte angezogen, das Knie berührte die Erde.

Auf dem Hinterkopf konnte Judith die Spuren von Schlägen erkennen, vermutlich mit einem Ast, denn es gab kleine krümelige Reste von Erde oder Rinde. Der Mann war etwa Mitte vierzig. Er trug einen hellgrauen, teuer aussehenden Anzug, ein schwarzes Hemd, keine Krawatte, schwarze Lederschuhe. Sein rasierter Schädel war leicht beschattet vom nachwachsenden Haar, seine Wangen zeigten dunklen Bartwuchs. Judith streifte Handschuhe über, zog einen Folienbeutel aus der Jackentasche und beugte sich hinunter. Tastete Jacken- und Hosentaschen ab, ließ Schlüssel, Brieftasche, eine geöffnete Packung Papiertaschentücher und ein fingerlanges Schweizermesser in die Tüte fallen und richtete sich wieder auf. Ein knacksendes Geräusch. Sie griff sich ins Kreuz und hielt einen Moment die Luft an.

»Der Mann, der ihn gefunden hat«, sagte Simon neben ihr mit einer Kopfbewegung in Richtung des Joggers, der jetzt hinüber zur Fischerhüttenstraße ging, »hat niemanden gesehen und nichts angefasst.«

Judith zog den Personalausweis aus der Brieftasche und hielt ihn so, dass ihr Kollege mitlesen konnte.

»Ach – kein Handy, kein Autoschlüssel?«, meinte Simon mit Blick auf den Beutel. Judith schüttelte den Kopf. »Nee, nichts. Vielleicht hat der Mörder Handy und Schlüssel mitgenommen. Kann ein missglückter Autoverkauf gewesen sein.«

Sie schaute um sich, ihr Blick ging zum Wasser und über den Weg, der zwischen See und Wald hindurchführte und normalerweise von Spaziergängern mit und ohne Hund, von Joggern, Radfahrern und Kindergruppen belebt war. »Einen Ast oder Knüppel suchen wir auch noch. Mit so was wurde er niedergeschlagen.«

Von der Fischerhüttenstraße her kamen ihre Kollegen von der KTU, sie grüßten einander wortlos mit leicht erhobener Hand oder einem kurzen Nicken.

Während die Kriminaltechniker mit der Untersuchung des Fundorts begannen, startete Judith den weißen Mégane und Simon gab telefonisch die Daten des Toten, erste Fotos und was sie sonst noch an Informationen hatten, an Olaf Lehnert, ihren Teamkollegen im LK1 in der Keithstraße, durch.

»Stübbenstraße. Sagt dir das was?«, fragte Judith, während sie in die Clayallee einbog.

Simon schrieb mit. »Verstanden.« Während er seine Notizen überflog, ließ er das Handy in die Jackentasche gleiten. »Na, Schöneberg, Nähe Bayerischer Platz. Also, Hartmut Wilhelmi, Doktor der Biologie, arbeitet im Botanischen Garten, ist verheiratet mit Katja Schönau, Journalistin, keine Kinder.«

»Zuerst in die Wohnung, danach in den Botanischen Garten?« Trotz des Verkehrs wären sie sicherlich noch vor acht Uhr am Bayerischen Platz. Simon nickte.

»Die Seerose«, begann Judith. .

»Die ist unsere Direktverbindung zum Botanischen Garten, oder?«, meinte Simon. Er fuhr sich mit der flachen Hand übers Gesicht und gähnte.

»Müde?« Judith wusste, dass ihr jüngerer Kollege sich durchaus auch mal eine Nacht mitten in der Woche um die Ohren schlug. Simon antwortete nicht. Judith wunderte sich über seine ungewohnte Schweigsamkeit. »Hier schon links?« Ohne seine Antwort abzuwarten, war sie bereits abgebogen. Sie fuhren langsam an der Stübbenstraße 18 vorbei, parkten dann eine Ecke weiter und gingen zurück. Das Haus, in dem Wilhelmis Wohnung lag, war einer der typischen Berliner Altbauten aus der Zeit um 1900. Die Fassade war geschmackvoll restauriert und wirkte mit ihren dezenten Reliefs und Ornamenten, den feinziselierten schmiedeeisernen Balkongittern und der zweiflügeligen Eingangstür mit blauem und rotem Überfangglas ziemlich nobel. Auf ihr Klingeln erfolgte keine Reaktion.

Sie warteten. Simon trat einen Schritt zurück und schaute an der Fassade des Hauses hoch. Im zweiten Stock links stand ein Fenster offen. Er klingelte, kurz darauf summte der Türöffner. Hintereinander stiegen sie die mit einem hellen Sisalläufer belegte Treppe hoch, die ebenso wie das Treppenhaus in einem warmen Rotbraun gestrichen war. In der offenen Tür im zweiten Stock stand ein alter Herr, der ihnen freundlich entgegenschaute.

»Hauptkommissarin Rabe von der Berliner Kripo«, stellte Judith sich vor und hielt ihrem Gegenüber den Dienstausweis vors Gesicht, »und das ist Kommissar Bacher. Wir möchten zu Frau Schönau. Wissen Sie vielleicht, ob sie das Haus schon verlassen hat?«

»Ernst Bruck mein Name«, der Herr neigte leicht den Kopf, nachdem er Judiths Dienstausweis in Augenschein genommen hatte. »Jetzt wo Sie mich fragen – sie ist gestern Abend fortgegangen, noch bevor er wieder zurück war von der Arbeit. Und heute Morgen habe ich weder sie noch ihn gehört oder gesehen. Eigentlich komisch.«

»Wieso komisch?«

»Na ja, ich bin doch oft schon vor sechse wach und meistens bis Mitternacht, ich kann doch nicht mehr so lange schlafen, und dann höre ich natürlich, wer durchs Treppenhaus geht. Ich erkenne schon an den Schritten, wer von den Nachbarn das ist, das können Sie mir glauben. Ja, und den Herrn Wilhelmi, den habe ich gestern Morgen früh um halb acht die Treppe hinuntergehen hören, wie immer. Aber gestern kam er nicht wie sonst meistens gegen sieben nach Hause. Vielleicht kam er ja erst spät in der Nacht. Aber heute Morgen, wie gesagt, da habe ich keinen von beiden gehört. Schon komisch.«

»Wo arbeitet denn Frau Schönau, können Sie uns das sagen?«

»Na ja, die Frau Schönau, die schreibt für den Tagesspiegel, die ist viel unterwegs, ja und der Herr Wilhelmi, der ist Botaniker und hat den ganzen Tag Pflanzen um sich. So ein schöner Arbeitsplatz!« Herr Bruck lachte mit blitzenden Augen hinter den starken Gläsern seiner Brille. »Der ist auch viel unterwegs. Aber warum wollen Sie das denn alles wissen?«

»Das können wir Ihnen leider nicht sagen«, lächelte Judith verbindlich. »Vielen Dank jedenfalls.«

Herr Bruck nickte und schloss langsam seine Wohnungstür.

Eine knappe halbe Stunde später standen Judith und Simon vor dem Mitarbeitereingang des Botanischen Gartens, wiesen sich aus und ließen sich den Weg zum Büro des Direktors erklären.

Im Sekretariat von Professor Aschersleben, der jeden Moment erwartet wurde, blätterten sie bei einem Kaffee mit Keks in den auf dem Tisch liegenden Broschüren.

Es war einige Jahre her, dass Judith zum ersten und bisher einzigen Mal den Garten besucht hatte, zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Hanna und deren Tochter Fanny. Die an gläserne Kirchenschiffe erinnernde Jugendstil-Architektur der Gewächshäuser hatte sie ebenso fasziniert wie die verschiedenen Landschaftsgärten – sie erinnerte sich vor allem an den »Kaukasus« – im weitläufigen Park. Der Anlass für den Besuch damals war eine Hausaufgabe, die Fanny für den Biologie-Unterricht erledigen sollte und die sie auch gewissenhaft ausführte. Aber was genau war das noch mal gewesen? Hanna jedenfalls, die auf sämtlichen Fensterbrettern alle möglichen Arten von Kräutern zog und sie für Tees und beim Kochen verwendete, war zielstrebig zum Apothekergarten marschiert und Fanny peilte geradenwegs ihren Zielort an. Judith hingegen ließ sich von Landschaft zu Landschaft treiben, verlor sich hier und dort im Anblick einer üppigen Blütenpracht oder eines wild wuchernden Strauchs und stand lange vor den Seerosen, von denen etwas Anziehendes ausging, ein In-sich-Ruhen und zugleich eine leichte Beweglichkeit. Solchermaßen versunken, fühlte Judith sich heftig gestört, als Hanna und Fanny sie mit lautem, fröhlichem Geplauder überfielen. Sie hatten gesehen, was sie sehen wollten, und wollten nun ins Café. Was, so fragte Judith sich heute,...


SONJA STEINERT lebt als Literaturwissenschaftlerin und Autorin in Berlin. Nach "Cantando" (2002) und "Maschas Geschichten" (2007) ist "Der Seerosencode" ihr dritter Roman.



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