Steinhauer | Last Exit | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 560 Seiten

Steinhauer Last Exit


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-641-08114-0
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 560 Seiten

ISBN: 978-3-641-08114-0
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



James Bond kann einpacken, hier kommt Milo Weaver

Nachdem ihn der letzte Einsatz fast das Leben gekostet hat, spielt Agent Milo Weaver mit dem Gedanken, endgültig auszusteigen, doch der CIA entkommt man nicht. Weaver wird erneut für den aktiven Dienst rekrutiert. Um seine Loyalität zu beweisen, soll er ein 15-jähriges Mädchen töten. Weaver weigert sich und verschafft dem Mädchen heimlich eine neue Identität. Als die Aktion auffliegt, gerät er in tödliche Gefahr.

Milo Weaver ist Tourist, Agent einer geheimen Unterorganisation der CIA. Touristen arbeiten allein, sie haben keine Heimat, keine Identität, keine Moral. Weaver, seit vielen Jahren im Dienst, ist längst nicht mehr hundertprozentig dabei. Er hat das Agentendasein satt, will ein bürgerliches Leben führen, doch den Fängen der CIA entkommt man nicht. Weaver lässt sich erneut für den aktiven Dienst rekrutieren, muss jedoch zunächst seine Loyalität beweisen. Kein Problem, denkt Weaver, bis er den Auftrag erhält, die 15-jährige Adriana Stanescu zu töten. Für Milo Weaver ein Ding der Unmöglichkeit. Er entführt Adriana und gibt sie in Obhut seines Vaters, um ihr ein Leben unter neuer Identität zu ermöglichen. Unterdessen versucht er herauszufinden, warum sie sterben soll. Doch wenig später wird Adriana ermordet aufgefunden, und der Verdacht fällt auf Weaver. Er gerät ins Visier der Company, und keiner weiß besser als Milo Weaver, was das bedeutet.

Olen Steinhauer ist in Virginia aufgewachsen, hat mehrere Jahre in Kroatien, Tschechien, Italien und Ungarn verbracht und lebt zurzeit mit seiner Familie in New York und Budapest. Für seine Bücher wurde er für den Edgar Award nominiert und mit dem Dashiell Hammett Award ausgezeichnet. Auf Deutsch erschien von Steinhauer bereits die Milo-Weaver-Trilogie Der Tourist, Last Exit und Die Spinne. Die Kairo-Affäre, sein zuletzt bei Blessing erschienenes Buch, stand monatelang auf der KrimiZEIT-Bestenliste.

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HENRY GRAYS LETZTER FLUG


MONTAG, 6 . AUGUST BIS DIENSTAG, 11. DEZEMBER 2007


1


Als DJ Jazzy-G das Intro von »Just Like Heaven« auflegte, dieser Cure-Hymne seiner Jugend, genoss Henry Gray einen Augenblick reiner Euphorie. War ihm das im Ausland schon jemals passiert? In den zehn Jahren in Ungarn hatte er bereits Ahnungen davon empfunden, aber erst in diesem Moment – kurz nach zwei Uhr morgens beim Tanzen im Club ChaChaCha auf der Margit-Insel, als er Zsuzsas sanfte Zunge auf seinem schweißnassen Ohrläppchen spürte –, erst jetzt wurden ihm die ganze Wucht und das Glück seiner herrlichen Existenz in Europa bewusst.

Eighties-Abend im ChaChaCha. Jazzy-G las seine Gedanken. Zsuzsa saugte an seiner Zunge.

Trotz der Frustrationen und Enttäuschungen während seines Aufenthalts in dieser mitteleuropäischen Metropole wurde er in Zsuzsanna Papps Armen auf einmal von der Liebe zu dieser Stadt und den kerts gepackt – den Biergärten, die die Ungarn öffneten, sobald der lange, dunkle Winter überstanden war.

Hier im Club legten sie die Kleider ab und tranken, tanzten und arbeiteten sich durch die Stadien des Vorspiels, bis selbst ein Außenseiter wie Henry den Eindruck hatte, dazuzugehören.

Trotzdem hätten all diese Sinnesfreuden nicht ausgereicht, um Henry Gray ein derartiges Hochgefühl zu bescheren. Es war die Story, die ihm der unberechenbare ungarische Postdienst vor zwölf Stunden zugestellt hatte. Die größte Story seiner noch jungen Karriere.

Bisher beruhte sein Erfolg als Journalist allein auf dem Bericht über den Luftwaffenstützpunkt Taszár, wo die US Army in einer abgelegenen ländlichen Gegend Ungarns heimlich die Free Iraqi Forces ausgebildet hatte, als der endlose Golfkrieg noch am Anfang stand. Das war vor vier Jahren gewesen, und in der Zwischenzeit war Henry Grays Karriere ins Stocken geraten. Die geheimen Verhörzentren der CIA in Rumänien und der Slowakei hatte er verschlafen. Sechs Monate hatte er mit den ethnischen Unruhen an der serbisch-ungarischen Grenze vergeudet, nur um festzustellen, dass die amerikanischen Zeitungen desinteressiert abwinkten. Und letztes Jahr, als die Washington Post enthüllte, dass die CIA Taliban-Gefangene zur Ernte von afghanischem Heroin einsetzte, das dann nach Europa verkauft wurde, steckte Henry Gray gerade wieder in einer schwarzen Phase, in der er nach Wodka und Unicum stinkend aufwachte und nicht wusste, was in der vergangenen Woche vorgefallen war.

Doch jetzt hatte ihm die ungarische Post die Rettung gebracht, etwas, das keine Zeitung ignorieren konnte. Das Schreiben war von einer Anwaltskanzlei in Manhattan mit dem merkwürdigen Namen Berg & DeBurgh abgeschickt worden und stammte von einem ihrer Mandanten: Thomas L. Grainger, einem ehemaligen Angestellten der Central Intelligence Agency. Für Henry Gray war das Ganze ein Neuanfang.

Wie um das zu unterstreichen, schien Zsuzsa, die ihn so lang auf Abstand gehalten hatte, endlich seinem Werben nachzugeben, nachdem er ihr den Brief vorgelesen und ihr desssen Bedeutung für seine Karriere erklärt hatte. Sie war selbst Journalistin und hatte ihm ihre Hilfe versprochen. Zwischen Küssen hatte sie ihm vorgeschlagen, dass sie wie Woodward und Bernstein in der Watergateaffäre zusammenarbeiten sollten, und er hatte ihr zugestimmt.

War es die Gier, die Zsuzsa schwach werden ließ? In diesem Augenblick, der mindestens noch einige Stunden dauern würde, spielte es nicht die geringste Rolle.

»Liebst du mich?«, flüsterte sie.

Er nahm ihr warmes Gesicht in die Hände. »Was glaubst du?«

Sie lachte. »Ich glaube, du liebst mich.«

»Und du?«

»Ich hab dich immer gemocht, Henry. Eines Tages könnte ich dich sogar lieben.«

Zuerst hatte sich Henry nicht an den Namen Thomas Grainger erinnert, doch beim zweiten Lesen dämmerte es ihm allmählich: Sie waren sich nur einmal begegnet, als Gray Hinweisen zu seiner Story über Taszár nachging. Auf der Andrássy út hatte plötzlich ein Wagen neben ihm gehalten, das hintere Fenster fuhr nach unten, und ein alter Mann bat ihn um ein Gespräch. In einem Café versuchte Thomas Grainger dann mit einer Mischung aus patriotischen Floskeln und nackten Drohungen, Gray dazu zu bewegen, seinen Bericht erst in einer Woche abzugeben. Gray weigerte sich und fand bei seiner Rückkehr eine demolierte Wohnung vor.

11. Juli 2007

Sehr geehrter Mr. Gray,

es überrascht Sie wahrscheinlich, einen Brief von jemandem zu erhalten, mit dem Sie in der Vergangenheit wegen Ihrer journalistischen Arbeit aneinandergeraten sind. Ich darf Ihnen versichern, dass ich nicht die Absicht habe, mich für mein Verhalten zu entschuldigen. Im Gegenteil, ich bin noch immer der Auffassung, dass Ihre Artikel über Taszár äußerst unverantwortlich waren und den ohnehin eher bescheidenen Kriegsanstrengungen hätten schaden können. Dass dies nicht der Fall war, spricht für meine Fähigkeit, ihr Erscheinen hinauszuzögern, oder für die Bedeutungslosigkeit Ihrer Zeitung – das können Sie selbst entscheiden.

Trotz allem bewundere ich Ihre Hartnäckigkeit. Sie haben sich nicht beirren lassen in einer Situation, in der viele Journalisten klein beigegeben hätten, und genau aus diesem Grund wende ich mich jetzt an Sie. Sie sind ein Journalist, wie ich ihn brauche.

Dass Sie diesen Brief in Händen halten, ist der Beleg für ein entscheidendes Faktum: Ich bin inzwischen tot. Ich schreibe diesen Brief, damit mein Tod – den Auftrag dazu wird vermutlich mein eigener Arbeitgeber erteilt haben – nicht unbeachtet bleibt.

Eitelkeit? Gewiss. Aber wenn Sie mein Alter erreichen, werden Sie diesen Umstand wohl mit mehr Nachsicht betrachten. Vielleicht können Sie darin sogar die gleiche idealistische Motivation erblicken wie ich.

Nach offiziellen Quellen hatte Grainger vor seinem tödlichen Herzinfarkt im Juli eine Finanzaufsichtsabteilung der CIA in New York geleitet. Doch solche Daten sind nicht umsonst so mühelos einzusehen: Sie enthalten die vom Staat gewünschte Darstellung.

Gegen drei schoben sie sich von der Tanzfläche, sammelten ihre Sachen auf – der siebenseitige Brief steckte noch immer in seiner Umhängetasche – und überquerten die Margit-Brücke zurück nach Pest. Sie nahmen ein Taxi zu Zsuzsas kleiner Wohnung im achten Bezirk, und nach einer Stunde hatte er das Gefühl, kein Bedauern empfinden zu müssen, sollte sein Leben noch an diesem Morgen enden.

»Gefällt dir das?« Zsuzsas Stimme drang durch die schwüle, nach ihren Vogue-Zigaretten riechende Dunkelheit.

Er hielt die Luft an und brachte kein Wort hervor. Sie machte etwas mit der Hand, irgendwo zwischen seinen Schenkeln.

»Das ist Tantra.«

»Ach?« Ächzend klammerte er sich am Laken fest.

Es war wirklich die beste aller möglichen Welten.

Ich erzähle Ihnen jetzt eine Geschichte. Sie dreht sich um den Sudan, die von mir geleitete CIA-Abteilung und China. Jemanden wie Sie wird es nicht erstaunen, dass es auch um Öl geht, wenn auch nicht in der Weise, wie Sie sich das vorstellen.

Außerdem möchte ich nicht verschweigen, dass es gefährlich ist, von dieser Sache zu wissen. Das beweist allein schon mein Tod. Von jetzt an sind Sie auf sich selbst gestellt. Wenn Ihnen dieser Gedanke unerträglich ist, sollten Sie den Brief sofort verbrennen und ihn vergessen.

Hinterher, als auf den Straßen Stille herrschte, lagen sie erschöpft zwischen den Laken und starrten hinauf zur Decke. Zsuzsa rauchte, und das Vertraute an dieser Gewohnheit vermischte sich mit etwas Neuem: ihrer Sexualität. Schließlich sagte sie: »Du lässt mich mitmachen, okay?«

Den ganzen Tag war ihr nicht aufgefallen, dass die Story nicht das Geringste mit Ungarn zu tun hatte, dem einzigen Land, wo ihre Sprachfähigkeiten nützlich waren. Er musste nach New York fliegen, und sie hatte nicht einmal ein Visum. »Natürlich«, log er, »aber vergiss nicht, was in dem Brief steht – es ist gefährlich.«

Sie prustete vor Lachen.

»Was ist?«

»Terry hat recht. Du bist paranoid.«

Gray stützte sich auf den Ellbogen und schaute sie lange an. Terry Parkhall war ein Schreiberling, der schon immer auf sie gestanden hatte. »Terry ist ein Trottel. Er lebt in einer Traumwelt. Wenn man nur die geringste Andeutung macht, dass die CIA bei 9/11 die Finger im Spiel hatte, geht er an die Decke. Was soll daran so unglaublich sein in einer Welt, in der es Guantanamo, Folterzentren und einen von der CIA betriebenen Heroinhandel gibt? Terry hat einfach die grundlegende Wahrheit der Verschwörung nicht kapiert.«

»Und was ist die grundlegende Wahrheit der Verschwörung? «

»Wenn man es sich vorstellen kann, dann hat es auch schon jemand ausprobiert.«

Das hätte er lieber nicht sagen sollen. Warum, wusste er nicht, denn sie war zu keiner Erklärung bereit, doch zwischen ihnen entstand plötzlich eine fühlbare Kälte, und er brauchte lange, bis er endlich einschlief. Es war ein stakkatoartiger Schlaf, unterbrochen von aufblitzenden Unruhen im Sudan unter einer staubigen Sonne, von ölverschmierten Chinesen und Killern aus Graingers geheimer Dienststelle, der Abteilung Tourismus. Um acht war er wieder wach und rieb sich in dem trüben, von der Straße einfallenden Licht die Augen. Zsuzsa atmete tief und gleichmäßig, und er blinzelte Richtung Fenster. In der Leistengegend spürte er ein angenehmes Ziehen. Sollte er es sich nicht...


Steinhauer, Olen
Olen Steinhauer ist in Virginia aufgewachsen, hat mehrere Jahre in Kroatien, Tschechien, Italien und Ungarn verbracht und lebt zurzeit mit seiner Familie in New York und Budapest. Für seine Bücher wurde er für den Edgar Award nominiert und mit dem Dashiell Hammett Award ausgezeichnet. Auf Deutsch erschien von Steinhauer bereits die Milo-Weaver-Trilogie Der Tourist, Last Exit und Die Spinne. Die Kairo-Affäre, sein zuletzt bei Blessing erschienenes Buch, stand monatelang auf der KrimiZEIT-Bestenliste.



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