E-Book, Deutsch, 368 Seiten
Steininger Die USA und China
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7065-6468-7
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Von der Empress of China 1784 bis zur Gegenwart
E-Book, Deutsch, 368 Seiten
ISBN: 978-3-7065-6468-7
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
O. Univ.-Prof. Dr. Rolf Steininger, geb. 1942 in Plettenberg/Westfalen; Studium in Marburg, Göttingen, München, Lancaster und Cardiff; 1971 Promotion, 1976 Habilitation; bis 1983 Professor an der Universität Hannover, anschließend bis zur Emeritierung 2010 Leiter des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck, von 2008-2018 auch an der Freien Universität Bozen; seit 1989 Senior Fellow des Eisenhower Center for American Studies der University of New Orleans, seit 1995 Jean Monnet-Professor; Gastprofessor in Tel Aviv, Queensland (Australien) und New Orleans, Gastwissenschaftler in Ho Chi Minh-Stadt (Saigon), Hanoi, Kapstadt und Arcata (Humboldt State University); 1993 Ruf an die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2007 an die Freie Universität Bozen; 2011 Tiroler Landespreis für Wissenschaft.
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Einleitung
„Deutschland. 3mal werden wir noch wach.“ So lautete die Schlagzeile der -Zeitung am 29. September 1990. In drei Tagen, in der Nacht zum 3. Oktober, würde die deutsche Wiedervereinigung Realität werden. Die Zeitung lag in der Abflughalle der im Flughafen von Hongkong, wo wir uns auf den Rückflug nach Frankfurt vorbereiteten. Wir, das war eine Gruppe von 15 Professoren und einer Kollegin, die vier Wochen die Volksrepublik China bereist hatten. Die Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn hatte die Reise organisiert, nachdem die chinesischen Behörden zugestimmt hatten, dass wir auch Oppositionelle treffen konnten. Das war umso erstaunlicher, weil wir damit die erste internationale Gruppe waren, die nach dem Tiananmen-Massaker vom Juni 1989 China besuchen konnte.
Es war eine aufregende Reise. Unausgesprochen stand überall Tiananmen im Raum, jeder unserer Schritte wurde „unauffällig“ verfolgt; ging bei einem Taxi in Peking einmal ein Reifen kaputt, boten „spontan“ fünf Männer ihre Hilfe an. Bei allen Gesprächen war besonders hilfreich, dass einer der drei Begleiter der Bundeszentrale Chinesisch sprach und uns anschließend sagen konnte, was manchmal tatsächlich übersetzt worden war. Am letzten Tag der Reise sagten die Chinesen ein weiteres Treffen dann ab. Wir hatten offensichtlich zu viele kritische Fragen gestellt.
Das Sightseeing-Programm war überwältigend. Wir standen an jenem Ort (merkwürdigerweise bei Glenn-Miller-Musik), an dem Mao am 1. Oktober 1949 den Sieg der Kommunisten verkündet und die Volksrepublik China ausgerufen hatte. Und gleich daneben der Tiananmen-Platz mit seiner schrecklichen Vergangenheit – und daneben dann das Mausoleum, in dem der einbalsamierte Mao zu besichtigen war. Das Mausoleum war damals noch geschlossen, für uns wurde es geöffnet! Da lag er, den Henry Kissinger in seinen „Memoiren“ „eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in der modernen Geschichte“ genannt hat.1 Ich muss gestehen, ich war nicht ganz so beeindruckt.
Dann die obligatorische Chinesische Mauer und die beeindruckende Terrakotta-Armee, die erst wenige Jahre vorher entdeckt und teilweise ausgegraben worden war. Auf dem riesigen Parkplatz stand nur ein Touristenbus – das war unser Bus. Die Souvenirverkäuferinnen waren zu bedauern, sie boten verzweifelt Terrakottakrieger für einen US-Dollar an. Einen Abendspaziergang in der nahegelegenen Stadt Xian mussten wir abbrechen und ins Hotel zurückgehen: Die Luftverschmutzung nahm uns den Atem.
Auch in Peking keine Touristen, fast leere Hotels. Kaum Autos, dafür viele Fahrräder. „Wenn die demnächst alle Auto fahren“, fragte fast schon prophetisch mein Kollege Christoph Kleßmann, mit dem ich vier Wochen in diversen Hotels freundschaftlich ein Zimmer geteilt hatte. Schanghais Uferpromenade – – hatte noch etwas von dem kolonialen Touch behalten. Nur 30 Jahre später kann man Schanghais Skyline leicht mit jener von Manhattan verwechseln. Christophs Frage beantworteten die Chinesen ziemlich schnell: 2023 waren allein 293 Millionen PKW gemeldet. China wurde Weltmacht. Und das mithilfe der USA, dessen Geschichte vielfach verbunden ist mit jener Chinas.
Dabei ist die aktuelle Lage voller Dramatik und voller Gefahren. Die chinesisch-amerikanischen Beziehungen sind auf einem absoluten Tiefpunkt. China fordert die USA als Weltmacht und als die Nummer 1 im Pazifik heraus und ist für viele zum Feind der USA geworden.2 Wie konnte es so weit kommen? Und wie war es vorher? Das herauszufinden war ein Grund für mich, dieses Buch zu schreiben. Das Ergebnis ist die erste deutschsprachige Gesamtdarstellung zur Geschichte dieser Beziehungen.
Alles begann vor 240 Jahren, genau im Jahr 1784. Wie so oft in der Geschichte war auch hier die Wirtschaft der Vorreiter der politischen Entwicklung. In diesem Fall war es die , das erste amerikanische Segelschiff, das in jenem Jahr auf der Suche nach neuen Märkten von New York nach China fuhr. Dort gab es bereits seit Jahrhunderten ein Kaiserreich, während die USA selbst noch „Entwicklungsland“ waren. Die Amerikaner folgten daher der damaligen Weltmacht, dem British Empire, schlossen, wenn es ging, bessere Verträge mit China ab, nahmen 1796 erst konsularische, 1844 quasi-diplomatische, 1862 dann offizielle Beziehungen auf. Amerikanische Missionare brachten das Christentum nach China, Chinesen kamen nach Kalifornien, um Gold zu suchen, halfen nach dem amerikanischen Bürgerkrieg beim Bau der waren aber dennoch nicht gern gesehen. Die Rede war von der „gelben Gefahr“.
1898 annektierten die USA Hawaii; im selben Jahr siegten sie in dem nur 112 Tage dauernden gegen Spanien, eroberten Kuba, Guam und die Philippinen und wurden so Kolonialmacht mit Interessen in Asien – nachdem sie schon 1853 Japan „geöffnet“ hatten. Bis zum Ersten Weltkrieg erlebten die USA dann eine gewaltige Entwicklung. So wuchs die Einwohnerzahl von 75 Millionen im Jahr 1900 auf 92 Millionen im Jahr 1913; im selben Jahr stiegen sie zum größten Stahlproduzenten der Welt auf. Sie besaßen eine starke Flotte, vermittelten 1905 den Frieden zwischen Russland und Japan und 1906 auf Bitten Deutschlands im Streit zwischen Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien und Österreich-Ungarn wegen Marokko.
Die USA waren zur Großmacht geworden und wurden eine Art Schutzmacht für das chinesische Kaiserreich, das inzwischen schwächer und zum Spielball der imperialistischen Mächte geworden war. Besser als alles andere beschreibt eine Karikatur des amerikanischen Satiremagazins „Puck“ die damalige Situation (s. S. 27).
Das Kaiserreich zerfiel, die neue Republik China blieb schwach, Japan machte 1932 aus der Mandschurei einen Vasallenstaat und überfiel 1937 China, während die USA die außenpolitische Handlungsfähigkeit der eigenen Regierung mit Neutralitätsgesetzen einschränkten.
Mit Japans Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 begann in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen eine neue Phase. US-Präsident Roosevelt betrachtete China anstelle Japans als einen der großen Player für die Nachkriegszeit an der Seite des Westens und der Sowjetunion und formte die Kriegsallianz mit Chinas Führer Chiang Kai-shek.
Es kam anders: China ging 1949 an Mao Tse-tungs Kommunisten „verloren“. Es folgte die totale Isolierung der „gottlosen“ Volksrepublik China bis zum Besuch von US-Präsident Nixon in China 1972. China und die USA wurden zu „heimlichen Verbündeten“ (Kissinger: ) der USA im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion. Aus dem Armenhaus Asiens wurde mit amerikanischer Hilfe das Powerhouse Asiens: Produkte waren preiswert und beliebt in den USA. Aber China wurde keine Demokratie. Dafür steht u. a. das Massaker auf dem Tiananmen-Platz 1989.
Madeleine Albright, Außenministerin unter Bill Clinton, hat das China des Jahres 1999 in ihrer Autobiographie einmal so beschrieben: „China ist eine Kategorie für sich – das Land ist zu groß, um es zu ignorieren, zu repressiv, um es mit offenen Armen aufzunehmen, zu schwer zu beeinflussen, und sehr, sehr stolz.“3 Die Beziehungen der USA mit diesem Land waren nicht immer einfach, ihre Bedeutung für die USA – und nicht nur für die – ist allerdings unbestritten und inzwischen größer denn je.
Angesichts dieser Sachlage verwundert es nicht, dass die chinesischamerikanischen Beziehungen in der US-Historiographie schon immer ein gewesen sind. Es gibt außerordentlich viele Arbeiten zu diesem Thema. Dong Wang listet in ihrem 2021 erschienenen Buch ca. 800 Titel auf.4
Es werden aber fast ausschließlich Titel zu Einzelaspekten genannt. Gesamtdarstellungen, und das ist schon etwas verwunderlich, sind Mangelware;5 sie zu schreiben ist offensichtlich eine Herausforderung; das Thema ist in der Tat sehr komplex.
Und da verwundert es dann auch nicht, dass es im deutschen Sprachraum gar keine Gesamtdarstellung über diese Beziehungen gibt,6 Beziehungen, die ja auch in vielfältiger Weise Einfluss auf Deutschland hatten und haben, denkt man nur an die Wirtschaft und da insbesondere an die Autoindustrie. China ist bekanntlich der zweitgrößte Handelspartner der Bundesrepublik. Diese Lücke zu schließen, war für mich ein weiterer Grund, dieses Buch zu schreiben.
Es gab allerdings noch einen weiteren Grund. In meiner wissenschaftlichen Tätigkeit habe ich mich u. a. intensiv mit der Geschichte der USA beschäftigt und zahlreiche Arbeiten vorgelegt: über die USA und Deutschland, die USA im Koreakrieg, im Vietnamkrieg, im Nahen Osten, in der Kubakrise, in Europa, im Kalten Krieg, schließlich über die USA als globale Führungsmacht.7 Mir fehlte bislang ein Aspekt, um dieses Bild zu vervollständigen: die USA und deren Blick nach China. Das wollte ich nachholen.
Als Weltmacht haben die USA immer global agiert, in ihrer Außenpolitik laufen viele Dinge parallel ab. Das wird schon deutlich, wenn...




