Stevenson | Dr. Jekyll und Mr. Hyde | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 110 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

Stevenson Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Erzählung
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-10-401918-5
Verlag: S. Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Erzählung

E-Book, Deutsch, 110 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

ISBN: 978-3-10-401918-5
Verlag: S. Fischer
Format: EPUB
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Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Das Böse und Unheimliche ist nicht irgendwo da draußen, sondern Teil von uns selbst: Kein Text hat die Beunruhigung, die von dieser Erkenntnis ausgeht, eindrucksvoller geschildert als Robert Louis Stevensons Erzählung ?Dr. Jekyll und Mr. Hyde?. Wie spannend so ein Klassiker der Weltliteratur sein kann - bei Stevensons berühmter Doppelgänger-Geschichte, ohne die Romane wie ?American Psycho? oder Filme wie ?Fight Club? nicht denkbar wären, kann man es erleben.

Robert Louis Stevenson (1850-1894) lebte aufgrund gesundheitlicher Probleme auf Samoa und schrieb weltbekannte Abenteuerromane. Bekannt geworden ist er durch die Romane ?Die Schatzinsel?, ?Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde?, ?Die Entführung? und die ?Südseegeschichten?.
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Die Geschichte von der Tür


Mr. Utterson, der Rechtsanwalt, war ein Mann mit markanten Gesichtszügen, die nie von einem Lächeln aufgehellt wurden, kühl, wortkarg und verlegen im Gespräch, von trägem Gemüt, hager und hochgewachsen, fade und farblos und doch auf seine Weise liebenswert. Bei Geselligkeiten unter Freunden, und wenn der Wein nach seinem Geschmack war, strahlte etwas unbedingt Menschliches aus seinem Blick; etwas allerdings, das nie in seinen Worten zum Ausdruck kam, aber nicht nur aus diesen stummen Zeichen des Gesichts nach Tische, sondern öfter und vernehmlicher noch aus den Taten seines Lebens sprach. Er war streng mit sich selbst, trank Gin, wenn er alleine war, um seine Vorliebe für einen guten Tropfen Wein abzutöten, und hatte, obwohl er gern ins Theater ging, seit zwanzig Jahren die Schwelle zu keinem mehr übertreten. Anderen gegenüber war er jedoch für seine Nachsicht bekannt, wobei er mitunter, nicht ganz frei von Neid, über die hohe geistige Anspannung staunte, die in ihren Missetaten zum Ausdruck kam, und in der äußersten Not eher dazu neigte, zu helfen, als zu verurteilen. »Ich neige zu Kains Ketzerei«, lautete eine wunderliche Wendung, zu der er öfter griff: »Ich lasse meinen Bruder auf seine eigene Fasson zum Teufel gehen.« Bei dieser Charakteranlage war es ihm immer wieder beschieden, die letzte seriöse Bekanntschaft und der letzte gute Einfluss im Leben von Männern zu sein, mit denen es bergab ging. Und solange diese Männer in seiner Kanzlei aufkreuzten, zeigte er ihnen gegenüber ein völlig gleichmütiges Benehmen.

Zweifellos war das keine große Leistung für Mr. Utterson, denn er war schon normalerweise unaufdringlich, und selbst seine Freundschaften schienen auf einer ähnlich gutmütigen Vorurteilslosigkeit zu beruhen. Man erkennt einen bescheidenen Mann daran, dass er seinen Freundeskreis fix und fertig aus den Händen des Schicksals entgegennimmt, und so hielt es auch der Anwalt. Seine Freunde gehörten zur Familie oder waren einfach die Menschen, die er am längsten kannte; seine Zuneigung war, dem Efeu gleich, ein Spross der Zeit und besagte nichts über die Eignung des Objekts. Von daher erklärt sich zweifellos seine Verbindung mit Mr. Richard Enfield, einem entfernten Verwandten und stadtbekannten Lebemann. Was diese beiden ineinander sehen konnten oder welches gemeinsame Interesse sie wohl haben mochten, war eine Nuss, die zu knacken mancher sich bemühte. Von denen, die ihnen bei ihren Sonntagsspaziergängen begegneten, wurde berichtet, dass sie sich nicht unterhielten, seltsam trübe aus der Wäsche guckten und mit offensichtlicher Erleichterung jeden Freund zu begrüßen pflegten, der ihnen über den Weg lief. Trotz alledem legten die beiden Männer den größten Wert auf diese Ausflüge, betrachteten sie als die Krönung jeder Woche und ließen nicht nur Vergnügungen aller Art aus, sondern widerstanden sogar dem Ruf des Geschäfts, um sie ungestört genießen zu können.

Auf einem dieser Streifzüge führte sie der Zufall einmal in eine Nebenstraße in einem lebhaften Viertel Londons. Die Straße war schmal, und was man so ruhig nennt, obwohl hier an den Wochentagen ein blühendes Geschäftsleben herrschte. Die Anwohner schienen es ausnahmslos gut getroffen zu haben und eifrig darum bemüht zu sein, sich weiter zu verbessern und den Überschuss ihrer Gewinne kokett zur Schau zu stellen, so dass die Schaufenster entlang der Straße einladend wie Reihen lächelnder Verkäuferinnen aufeinanderfolgten. Selbst am Sonntag, wenn sie ihren etwas schwülstigen Charme verhüllte und vergleichsweise verkehrsarm dalag, stach die Straße aus ihrer schäbigen Umgebung hervor wie ein Feuer im Wald, und mit ihren frisch gestrichenen Fensterläden, blitzblank polierten Messingschildern, ihrer betonten Reinlichkeit und ihrer heiteren Note zog sie sofort den Blick des Passanten an und erfreute sein Auge.

Zwei Türen von einer Straßenecke entfernt, auf der linken Seite in östlicher Richtung, unterbrach ein Hofeingang die Häuserfront, und an ebendieser Stelle schob ein düsterer Block von Gebäude seinen Giebel auf die Straße. Er war zwei Stockwerke hoch, hatte keine Fenster, nur eine Tür im Erdgeschoss und darüber eine blinde Fassade von verblichenem Mauerwerk, und zeigte alle Anzeichen dauerhafter und schmutziger Vernachlässigung. Von der Tür, die weder über Glocke noch Klopfer verfügte, blätterte der verblasste Lack ab. Stadtstreicher kauerten auf ihrem Absatz und entzündeten Streichhölzer an ihr; Kinder hatten sich auf den Stufen einen Verkaufsstand eingerichtet, ein Schuljunge hatte sein Messer an der Zierleiste ausprobiert; und seit nahezu einer Generation war niemand erschienen, der diese zufälligen Besucher vertrieben oder ihre Verwüstungen repariert hätte.

Mr. Enfield und der Anwalt gingen auf der anderen Seite des Sträßchens. Doch als sie sich auf der Höhe des Eingangs befanden, hob Enfield seinen Stock und deutete hinüber.

»Ist dir jemals diese Tür aufgefallen«, fragte er und fügte, als sein Begleiter dies bejaht hatte, hinzu: »Ich verbinde mit ihr eine sehr merkwürdige Geschichte.«

»Tatsächlich?«, sagte Mr. Utterson in leicht verändertem Tonfall, »und was für eine Geschichte?«

»Also, das war so«, erwiderte Mr. Enfield: »Ich war auf dem Heimweg von einem Ort am anderen Ende der Welt, ungefähr um drei Uhr an einem finsteren Wintermorgen, und mein Weg führte durch einen Teil der Stadt, in dem außer Laternen buchstäblich nichts zu sehen war. Straße um Straße, und alles schläft – Straße um Straße beleuchtet wie für einen Festzug und dabei leer wie eine Kirche –, bis ich schließlich in jene Gemütsverfassung verfiel, in der man horcht und horcht und den Anblick eines Polizisten herbeizusehnen beginnt. Plötzlich sah ich zwei Gestalten: die eine ein kleinwüchsiger Mann, der strammen Schritts ostwärts stapfte, die andere ein Mädchen von vielleicht acht oder zehn Jahren, das so schnell es konnte eine Querstraße hinunterrannte. Nun, Sir, wie sich denken lässt, stießen die beiden an der Ecke zusammen; und dann kam der grässliche Teil der Angelegenheit; denn der Mann trampelte in Seelenruhe über den Leib des Mädchens hinweg und ließ es schreiend auf dem Boden liegen. Das hört sich vielleicht nicht sehr dramatisch an, aber es war ein scheußlicher Anblick. Als wäre er kein Mensch, sondern irgend so ein verfluchter Moloch. Ich also rief Horrido, nahm die Beine in die Hand, schnappte mir den feinen Herrn und brachte ihn dorthin zurück, wo sich schon eine ziemliche Menschenansammlung um das weinende Kind gebildet hatte. Er blieb absolut kühl und leistete keinen Widerstand, warf mir aber einen Blick von solcher Hässlichkeit zu, dass mir der Schweiß in Strömen ausbrach. Die Umherstehenden gehörten zur Familie des Mädchens; und sehr bald schon tauchte der Arzt auf, nach dem sie geschickt worden war. Tja, dem Kind ging es leidlich, es war vor allem der Schreck, wie der Knochensäger sagte; und das wär’s dann gewesen, sollte man meinen. Aber eines war merkwürdig. Ich hatte vom ersten Anblick an Abscheu vor jenem feinen Herrn empfunden. Der Familie des Kinds ging es nicht anders, was nur natürlich war. Nur mit dem Arzt war es doch etwas Besonderes. Er war ein Apotheker, wie er im Buche steht, von unbestimmbarem Alter und Aussehen, mit starkem Edinburgher Akzent und ungefähr so gefühlsbetont wie ein Dudelsack. Nun, mein Lieber, es ging ihm wie uns allen; jedes Mal, wenn er einen Blick auf meinen Gefangenen warf, sah ich diesen Knochensäger ganz krank werden vor Verlangen, ihn zu töten. Ich wusste, was ihm durch den Kopf ging, so wie er wusste, was mir durch den Kopf ging; und nachdem wir ihn ja nicht einfach umbringen konnten, taten wir das Nächstbeste. Wir sagten dem Mann, wir könnten und würden aus dieser Geschichte einen solchen Skandal machen, dass sein Name in ganz London zum Himmel stänke. Wir versprachen ihm, wenn er irgendwelche Freunde oder auch nur den geringsten Ruf habe, würde er beides verlieren. Und die ganze Zeit, während wir ihm dies in den wärmsten Farben ausmalten, hielten wir die Frauen von ihm fern, so gut wir konnten, denn sie waren wild wie Furien. Noch nie habe ich einen Kreis so hasserfüllter Gesichter gesehen; und in der Mitte dieser Mensch mit einer gewissermaßen finsteren, hämischen Kaltschnäuzigkeit – auch verängstigt, so viel konnte ich sehen –, aber mit einer Seelenruhe, Sir, wie der Teufel höchstpersönlich. ›Wenn Sie aus diesem Unfall Kapital zu schlagen belieben‹, sagte er, ›bin ich natürlich machtlos. Welcher Gentleman wollte nicht Aufsehen vermeiden‹, sagt er. ›Nennen Sie mir Ihre Zahl.‹ Tja, wir trieben ihn auf hundert Pfund für die Familie des Kinds hoch; es war klar, dass er nicht gerne nachgab; aber irgendwie strahlten wir alle zusammen etwas Bedrohliches aus, und schließlich schlug er ein. Als Nächstes galt es, an das Geld zu kommen, und wohin, glauben Sie, führte er uns, wenn nicht hierher zu dieser Tür? – wo er blitzschnell einen Schlüssel zuckte, hineinging und sogleich mit zehn Pfund in Gold sowie einem Scheck über den Rest wieder herauskam, ausgestellt auf die Coutts-Bank, zahlbar an Überbringer und unterschrieben mit einem Namen, den ich nicht nennen kann, obwohl er eine der Pointen meiner Geschichte ist, aber so viel wenigstens: Es war ein überaus bekannter und oft gedruckter Name. Der Betrag war ordentlich, aber die Unterschrift wäre mehr wert gewesen, wenn sie nur echt war. Ich erlaubte mir, den feinen Herrn darauf hinzuweisen, dass die ganze Sache etwas merkwürdig wirkte und dass ein Mann im wirklichen Leben nicht um vier Uhr morgens durch eine Kellertür geht und mit dem Scheck eines anderen über fast hundert Pfund wieder herauskommt....


Stevenson, Robert Louis
Robert Louis Stevenson (1850-1894) lebte aufgrund gesundheitlicher Probleme auf Samoa und schrieb weltbekannte Abenteuerromane. Bekannt geworden ist er durch die Romane ›Die Schatzinsel‹, ›Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde‹, ›Die Entführung‹ und die ›Südseegeschichten‹.

Robert Louis StevensonRobert Louis Stevenson (1850-1894) lebte aufgrund gesundheitlicher Probleme auf Samoa und schrieb weltbekannte Abenteuerromane. Bekannt geworden ist er durch die Romane ›Die Schatzinsel‹, ›Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde‹, ›Die Entführung‹ und die ›Südseegeschichten‹.

Robert Louis Stevenson (1850-1894) lebte aufgrund gesundheitlicher Probleme auf Samoa und schrieb weltbekannte Abenteuerromane. Bekannt geworden ist er durch die Romane ›Die Schatzinsel‹, ›Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde‹, ›Die Entführung‹ und die ›Südseegeschichten‹.



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