E-Book, Deutsch, Band 78, 346 Seiten
Reihe: Junge Liebe
Strauß Meine Heimlichkeiten
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-86361-538-3
Verlag: Himmelstürmer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
First-Love-Erzählungen
E-Book, Deutsch, Band 78, 346 Seiten
Reihe: Junge Liebe
ISBN: 978-3-86361-538-3
Verlag: Himmelstürmer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
„Meine Heimlichkeiten“ umfasst drei in sich abgeschlossene, mittellange Erzählungen.
Jayden trifft einen Jungen von einer magisch verborgenen Insel, einem Ort, der in der Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Wegen all der technischen Errungenschaften fühlt er sich Seliân überlegen. Doch der fordert ihn auf ganz andere Weise, denn dort scheint die Liebe unter Jungen etwas ganz Normales zu sein.
Ein Jahr später bricht er zum Gegenbesuch nach Loron auf. Er ahnt nicht, dass diese Reise sein Leben komplett auf den Kopf stellen wird.
Die titelgebende Erzählung enthält die Tagebuchaufzeichnungen von Henrik, der mit seiner Familie umziehen muss. Er hat zwar eine erste Freundin, doch auch seinen besten Freund Chris in der alten Heimat. Als dieser später Opfer einer Schlägerei wird und ins Koma fällt, tut Henrik alles, um bei ihm sein zu können. Ihm wird bewusst, dass das stärkste Gefühl aus seiner Sorge und Verzweiflung um dessen Überleben herrührt: Liebe.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Es gibt Tage im Leben eines jungen Menschen, auf die man sich freut; Geburtstage, Weihnachten, sonstige Bescherungstage, ja, und nicht zuletzt die, an denen es endlich wieder Schulferien gibt – was ja auch irgendwie einer Bescherung gleichkommt. Und dann gibt es die vielen Tausend stinknormalen Tage, die kaum das Papier eines Tagebuchs wert sind, das man mit diesen Bedeutungslosigkeiten quält. Aber außerdem gibt es noch ein paar ganz wenige Tage, vor denen man nichts als nackte Angst hat – und das meist zurecht – Tage, die man, wenn man vorausschauend genug ist, am besten im kuscheligen Bett verbringt und auf morgen verschiebt. Dem Himmel sei Dank dafür, dass dies aber nur äußerst wenige Tage sind. Was jedoch nicht von der Tatsache ablenken kann, dass heute genau solch ein schrecklicher Tag war: Jayden Fisher hatte es nicht eilig. Er wusste, was ihn erwartete. Vielleicht trat seine böse Vorahnung nicht direkt ein, doch spätestens am Abend würde er seinen Eltern Rede und Antwort stehen müssen. Davor konnte er nicht davonlaufen. Davor konnte niemand davonlaufen. Er erreichte mit seinem leuchtend grünen Rennrad gerade die ersten Häuser des kleinen Küstendorfs, in dem er wohnte. Auf dem weißen Ortseingangsschild stand in großen, schwarzen Lettern Castney, doch er beachtete es nicht. Es gehörte zu seinem Schulweg, weshalb er es schon beinahe Tausend Male in beide Richtungen passiert hatte. Jayden war jetzt 16 Jahre alt, schlank, und er hatte dunkelblonde und recht kurze Haare. Seine alten Bluejeans vom letzten Jahr, die nun ohnehin zu kurz geworden wären, hatte er selbst unterhalb des Knies abgeschnitten. Inzwischen waren sie leicht ausgefranst. Über einem roten T-Shirt mit dem Aufdruck „It wasn’t me“ trug er einen schwarzen Rucksack, in dem er seine Schulsachen verstaut hatte. Er sah angespannt aus, doch das war kein Wunder. Er hatte seine dunkelbraunen Brauen über den blauen Augen zusammengezogen, und er verzog den Mund. Etwas Flaum stand kaum sichtbar darüber und unter einer, wie er fand, viel zu kleinen Nase. Irgendjemand hatte ihn vor über einem Jahr mal vor dem Unterricht damit aufgezogen, dass man an der Nasengröße erkennen könnte, wie groß das beste Stück wäre. Da hatten ihm alle ins Gesicht gesehen und begonnen offen über ihn zu lachen, während er peinlichst berührt knallrot geworden war. Doch dann hatte er den Schulkameraden voller Wut kurzerhand und wuchtig gegen die Klassenraumtür geschubst, und das Thema war nie wieder aufgekommen. Dafür hatte er zwei Stunden nachsitzen müssen, was er als unfair empfunden hatte, weil der andere ohne Strafe davon gekommen war. Doch diese gemeine Beleidigung hatte Jayden verunsichert. Nun maß er alle Vierteljahr nach und schrieb sich die Ergebnisse auf einen winzigen Zettel, den er seitdem in der Joshua Tree Schallplattenhülle von U2 sicher vor Entdeckungen aufbewahrte. Von dem, was er heimlich las oder hinter vorgehaltener Hand aus seinem Freundeskreis hörte, lag er im Durchschnitt, und das beruhigte ihn dann doch wieder. Nachdem er noch um ein paar Ecken gebogen war, erreichte er ein doppelstöckiges Reihenhaus. Er lehnte sein Rad an die Hauswand und schloss es sorgfältig ab. Es war sein größter, fast sein einziger Stolz. Umständlich kramte er einen Hausschlüssel aus seiner Hosentasche und schloss die Eingangstür auf. Dabei bemühte er sich, möglichst kein Geräusch zu machen, auch als er die Wohnung betrat und die Tür beinahe lautlos schloss. Er konnte das Donnerwetter jetzt wirklich noch nicht gebrauchen. Erleichterung spielte um sein Gesicht, als er registrierte, dass noch niemand sonst zu Hause war. Ellie, seine kleine Schwester, wurde gewiss von ihrer Mutter am letzten Tag ihrer Grundschulzeit von ihrer Schule im Ort abgeholt. Er erinnerte sich, dass darüber am frühen Morgen gesprochen worden war. Und sein, wie er fand, strenger Vater würde noch bis zum Nachmittag arbeiten. Verschweigen konnte er es ohnehin nicht. Deshalb, so hatte er schon auf dem Rückweg überlegt, würde er sein Zeugnis einfach kommentarlos auf dem Esstisch hinterlassen. Dann war die Schockwirkung vielleicht schon verpufft, wenn seine Eltern ihn mit der Enttäuschung konfrontierten, die er ihnen ganz sicher bereitet hatte und die er, so fürchtete er, vermutlich dadurch auch geworden war. Obwohl ihm sein Unterbewusstsein immer wieder erklärte, dass er alleine im Haus war, verhielt sich Jayden nach wie vor, als wolle er niemanden wecken, der eventuell gerade schlief. Er zog die Schuhe aus und schlich auf Socken in die Küche. Tief durchatmend legte er sein Zeugnis auf eine Kante des Tisches und schüttelte den Kopf. Wenn es doch nur einen Ausweg gäbe. Er wandte sich nach links, öffnete den Kühlschrank und sah für gut dreißig Sekunden unschlüssig hinein. Dann nahm er sich eine der wirklich guten Frikadellen vom Vortag heraus, legte sie auf einen kleinen Teller und kippte reichlich Ketchup darüber. Kurz schien er zu überlegen, wie er sie nun noch mit den Fingern anfassen könnte, verzog dann den Mund und zog eine Gabel aus einer Schublade. Aus einem großen Fach im Kühlschrank nahm er noch eine Plastikflasche Limonade heraus und machte sich auf den Weg nach oben in sein Zimmer. Da er keine zweite Hand frei hatte, öffnete er die Flasche bereits auf der Treppe mit den Zähnen. Nach der Rückfahrt hatte er wirklich Durst. Oben warf er sich auf sein Bett und zog eine Jugendzeitschrift aus dem ungeordneten Stapel unter dem Bett hervor. Er aß die Frikadelle während er darin blätterte und auf einem Konzertbericht von Iron Maiden hängen blieb. Seine Augen wanderten zur Decke und er lächelte kurz. Von den Maiden, den Jungfrauen, wie er sie nannte, hing ein Poster zwischen einigen anderen, mit denen er sein Jugendzimmer zugepflastert hatte. Als er zu Ende gegessen hatte, trank er den Rest aus der Flasche in einem Zug aus und legte sich gemächlich auf den Rücken. Dann atmete er tief durch und dachte einen langen Augenblick lang nach. Mit einer gewissen Entschlossenheit, die er sonst nicht allzu oft zu Tage treten ließ, blätterte er nur drei Seiten weiter. Es war ihm sehr bewusst, was er hier finden würde. Auch wenn er anderen gegenüber behauptete, dass er die Zeitschrift wegen der Musikberichte las, waren doch genau die Aufklärungsseiten der eigentliche Grund, weshalb er sie kaufte und die Seiten, die er vor allen anderen durchsah. Im Übrigen glaubte er auch fest, dass seine Klassenkameraden die gleiche Lüge verbreiteten, sie kauften sie nur wegen der Reportagen über die Bands. Meist las er diese Seiten zwei- oder dreimal, und so kannte er die, wie seine Freunde glaubten, gefakten Fragen und Antworten oder die Portraits von Jugendlichen, die über ihre ersten sexuellen Erfahrungen berichteten, schon beinahe auswendig. Er nahm nicht wahr, dass er trotzdem vor gespannter Aufregung mit geöffnetem Mund las. Unbewusst fuhr Jayden sich mit seiner Zunge über die Lippe, als er nur Momente später auf die sich langsam aber deutlich abzeichnende Beule in seiner Jeans sah. Vielleicht wurde der Tag ja doch nicht ganz so schlimm. Doch schon als seine Hand den Gürtel zu lösen begann, hörte er unten die Haustür und die vertraute, helle Stimme seiner Schwester. „War ja klar“, dachte er enttäuscht. „Heute geht alles daneben.“ Kopfschüttelnd schlug er das Heft wieder zu und legte es sorgfältig unter sein Bett zurück. Es würde zu warten haben. Dann griff er sich sein Paar Kopfhörer, setzte sie auf und machte Musik an. Obwohl sie laut war, entspannte er sich, als er die Augen schloss, und seine Erregung war ebenso schnell verpufft wie sie gekommen war. Dass es eine gute Stunde später an seiner Tür klopfte, nahm er nicht wahr. Zu laut war die Musik, die er inzwischen auf sich eindröhnen ließ, um sich abzulenken und um seinen Frust nicht zu stark durchkommen zu lassen. Doch er hatte die Augen geöffnet und starrte ins Leere, als nun sein Vater eintrat. Randy Fisher war Anfang vierzig, groß, glatt rasiert, und er trug noch seine Arbeitskleidung. In seinem Fall als Controller einer Bank war dies ein dunkler Anzug, dessen Jackett er unten jedoch abgelegt hatte, zudem Hemd und Krawatte. Auch er war blond, allerdings dunkler als sein Sohn. „Jayden?“ Gemächlich setzte sein Sohn sich auf und nahm fast provozierend langsam die Kopfhörer ab. „Was ist?“ „Das ist.“ Er wedelte mit einem Papier vor seiner Nase umher, von dem Jayden nur zu genau wusste, was darauf verzeichnet war. „Es lief nicht sonderlich gut dies Jahr”, sagte er ruhig. „Nicht sonderlich gut?“, hakte sein Vater mit tiefer Stimme nach. „Das ist wohl stark untertrieben. Deine Noten sind eine absolute Frechheit“, redete er sich langsam in Rage. „Was tust du eigentlich den ganzen Tag in der Schule?“ Noch schaffte es Jayden, ruhig zu bleiben. „Reg dich ab. Ich habe die Versetzung ohne Probleme gepackt, also, was willst du?“ „Ohne Probleme? Um Haaresbreite meinst du wohl.“ Und noch lauter werdend fragte er: „Was ich will? Ich will, dass du uns wie früher Zeugnisse...