Strindberg / Hoffmann | Inferno und Legenden | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Strindberg / Hoffmann Inferno und Legenden


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7364-2967-3
Verlag: Andhof
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-7364-2967-3
Verlag: Andhof
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Wahn oder Wahrheit? Vision oder Albtraum? Mit Inferno legt August Strindberg kein gewöhnliches Buch vor - es ist ein Seelenprotokoll, ein fiebriger Bericht aus den Tiefen eines geistigen Abgrunds. Geschrieben in einer Zeit, in der der Autor sich selbst am Rande des Wahnsinns wähnte, ist dieses Werk eine beispiellose Selbstanalyse, ein verzweifeltes Ringen um Erkenntnis und Erlösung. Strindberg, einst gefeierter Dramatiker, lebt in Paris, isoliert und von inneren Dämonen gejagt. Er experimentiert mit Alchemie, glaubt sich von dunklen Mächten verfolgt, sieht Zeichen und Botschaften in den alltäglichsten Dingen. In fiebriger Prosa beschreibt er Halluzinationen, religiöse Visionen und Paranoia - mal als literarischer Bericht, mal als Beichte eines Getriebenen. Was ist real, was Einbildung? Strindberg selbst gibt keine Antwort. Inferno ist ein Dokument radikaler Selbsterforschung, das bis heute fasziniert und verstört. Wer sich darauf einlässt, begibt sich auf eine Reise ins Ungewisse - in die Schattenwelt eines Mannes, der zwischen Erleuchtung und Zusammenbruch taumelt. In Legenden werden wir entführt in eine Welt, in der Realität und Mythos, Glaube und Zweifel miteinander verschmelzen; ein faszinierender Mix aus Erzählkunst und tiefster Selbsterforschung, in dem Strindberg seine eigene Vision von Geschichte, Religion und Menschlichkeit erkundet. Es sind poetische und philosophische Auseinandersetzungen mit der Welt und dem Universum, die von mystischen und metaphysischen Überlegungen durchzogen sind. Der Autor, der selbst in einem ständigen inneren Kampf mit seinen eigenen Dämonen stand, lässt in Legenden seine persönlichen Krisen in die Figuren und Szenen einfließen, die zwischen Traum und Albtraum, zwischen Erleuchtung und Wahnsinn pendeln. Jede 'Legende' ist ein Spiegelbild seines eigenen unruhigen Geistes, der stets auf der Suche nach Wahrheit und Sinn in einer chaotischen Welt ist. Dieses Werk ist ein literarisches Meisterwerk und ein aufregendes Experiment zugleich, in dem die Grenzen zwischen Fiktion und Realität, zwischen dem Individuum und dem Universum aufbrechen. Wer sich einlässt, betritt eine Welt, in der jede Geschichte sowohl die Tiefen des menschlichen Daseins als auch die Geheimnisse des Unbegreiflichen berührt.

Rebell, Visionär, Getriebener Wenige Schriftsteller haben ihre Zeit so herausgefordert und gequält wie August Strindberg (1849-1912). Dramatiker, Romancier, Maler, Alchemist - ein Getriebener, der zwischen Genie und Wahnsinn wandelte. Seine Werke sind Feuerstürme aus Wut, Sehnsucht und schonungsloser Selbstanalyse. Geboren in Stockholm als Sohn eines Kaufmanns und einer streng religiösen Mutter, erlebte er früh die Konflikte zwischen Pflicht und Leidenschaft. Er lehnte sich auf gegen Konventionen, gegen die bürgerliche Moral, gegen Gott und oft auch gegen sich selbst. Seine Werke - ob das skandalöse Fräulein Julie oder das düstere Inferno - sind Schlachtfelder zwischen Mann und Frau, Herr und Diener, Individuum und Gesellschaft. Strindberg war kein einfacher Mensch, aber genau das macht ihn unvergesslich. Er hasste Frauen und liebte sie. Er verfluchte Religion und suchte nach Gott. Er wollte sich befreien - von Zwängen, Klassen, Konventionen - und erkannte doch, dass Freiheit ein Trugbild ist. Sein Leben war ein Drama, seine Werke sind es bis heute.
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Sechster Akt


DER HIMMEL

Gott und Uriel.

URIEL:

Wehe uns, Lucifer hat seinen Sohn gesandt, der den Menschen die Wahrheit lehrt....

GOTT:

Was sagt er?

URIEL:

Geboren von einer Jungfrau, will dieser Sohn gekommen sein, um die Menschen zu befreien, und durch seinen eigenen Tod will er den Schrecken des Todes aufheben.

GOTT:

Was sagen die Menschen?

URIEL:

Die einen sagen, der Sohn sei Gott, die andern, er sein der Teufel.

GOTT:

Was verstehen sie unter dem Teufel?

URIEL:

Lucifer!

GOTT:

(zornig). Mich reut, den Menschen auf Erden geschaffen zu haben; er ist stärker geworden als ich, und ich weiss nicht mehr, wie ich diese Menge von Toren und Dummen lenken soll. Amaimon, Egyn, Paymon, Oriens, nehmt mir diese Last ab; stürzt den Ball in die Abgründe. Fluch auf das Haupt der Rebellen! Pflanzt auf der Stirn des verwünschten Planeten den Galgen auf, das Zeichen des Verbrechens, der Züchtigung und des Leidens.

(Egyn und Amaimon erscheinen.)

EGYN:

Herr! Euer grausamer Wille und das ausgesprochene Wort haben ihre Wirkung getan! Die Erde stürmt auf ihrer Bahn dahin; die Berge stürzen ein, die Wasser überschwemmen das Land; die Achse zielt nach Norden; Kälte und Finsternis, Pest und Hunger verheeren die Völker; die Liebe ist in tödlichen Hass verwandelt, die kindliche Ehrerbietung in Elternmord. Die Menschen glauben in der Hölle zu sein, und Ihr, Herr, Ihr seid entthront!

GOTT:

Zu Hilfe! Ich bereue meine Reue!

AMAIMON:

Zu spät! Alles geht seinen Gang, seit Ihr die Kräfte entfesselt habt....

GOTT:

Ich bereue! Ich habe Funken meiner Seele in unreine Geschöpfe gelegt, deren Hurerei mich erniedrigt, wie die Gattin ihren Gatten besudelt, wenn sie ihren Körper besudelt.

EGYN (zu Amaimon):

Der Alte redet irre!

GOTT:

Meine Tatkraft erschöpft sich, wenn sie sich von mir entfernen; ihre Verderbnis ergreift mich; die Torheit meiner Nachkommenschaft steckt mich an. Was habe ich begangen, Ewiger? Habe Erbarmen mit mir! Weil er den Fluch geliebt hat, falle der Fluch auf ihn zurück; und weil er kein Wohlgefallen am Segen gehabt hat, weiche der Segen von ihm.

EGYN:

Welcher Wahnsinn!

GOTT:

(wirft sich nieder). Herr, Ewiger, es gibt unter den Göttern keinen, der dir ähnlich ist! Deine Werke sind unvergleichlich. Denn du bist gross und du tust Wunder; und du allein bist Gott, du allein!

AMAIMON:

Wahnsinn!

EGYN:

Das ist der Lauf der Welt: wenn die Götter sich vergnügen, die Sterblichen sie drum betrügen!...

INFERNO


1894—1897

Motto

Beuge dein Haupt, stolzer Recke
Bete an, was du verbrannt hast;
Verbrenne, was du angebetet hast!

Und will mein Angesicht wider ihn setzen
und ihn mit Schauder schlagen,
dass er zum Zeichen und Sprichwort wird.
Hesekiel 14,8.

Unter welchen ist Hymenäus und Alexander,
welche ich habe dem Satan übergeben,
dass sie gezüchtigt werden, nicht mehr zu lästern.
1. Timotheus I,20.

1.

Die Hand des Unsichtbaren.

Mit einem Gefühl wilder Freude kehrte ich vom Nordbahnhof zurück, wo ich meine liebe Frau verlassen hatte; sie fuhr zu unserm Kind, das in fernem Land erkrankt war. Vollbracht war also das Opfer meines Herzens! Die letzten Worte: "Wann sehen wir uns wieder?—Bald!" klangen mir noch im Ohr, wie Lügen, die man sich nicht eingestehen will; eine Ahnung sagte mir: "Niemals!" Und wirklich, diese Abschiedsworte, die wir in November 1894 wechselten, waren unsere letzten, denn bis zu diesem Augenblick, im Mai 1897, habe ich meine geliebte Gattin nicht wiedergesehen.

Als ich ins Café de la Régence kam, setzte ich mich an den Tisch, an dem ich mit meiner Frau zu sitzen pflegte, meiner schönen Gefangenenwärterin, die Tag und Nacht meine Seele belauerte, meine geheimen Gedanken ahnte, den Flug meiner Ideen bewachte, auf mein Forschen im Unbekannten eifersüchtig war....

Durch die wiedergewonnene Freiheit dehnt sich mein Ich aus und ich werde hinausgehoben über die kleinen Sorgen der grossen Stadt. Auf diesem Schauplatz geistiger Kämpfe hatte ich eben einen Sieg davongetragen, der an sich wertlos, für mich aber über die Massen gross war, da er die Erfüllung meines Jugendtraumes ausmachte, von allen meinen Landsleuten geträumt, aber allein von mir verwirklicht: auf einer Pariser Bühne gespielt zu sein. Das Theater stiess mich ab, wie alles, was man erreicht hat, und die Wissenschaft zog mich an. Zwischen Liebe und Wissen wählen müssend, hatte ich mich dafür entschieden, nach der höchsten Erkenntnis zu streben; und da ich selber meine Liebe opferte, vergass ich das unschuldige Opfer, das ich meinem Ehrgeiz oder meinem Beruf brachte.

Sobald ich in mein schlechtes Studentenzimmer im lateinischen Viertel zurückkehre, durchsuche ich meinen Koffer und ziehe aus ihrem Versteck sechs Tiegel aus feinem Porzellan hervor; die habe ich längst gekauft, obwohl sie mir für meine Verhältnisse zu teuer waren. Eine Zange und ein Paket reinen Schwefels vollenden die Einrichtung des Laboratoriums.

Ein Schmelzofenfeuer ist im Kamin angezündet, die Tür geschlossen und die Vorhänge heruntergelassen; denn drei Monate nach der Hinrichtung Caserios ist es nicht klug, in Paris chemische Werkzeuge in die Hand zu nehmen.

Die Nacht sinkt herab, der Schwefel brennt wie höllische Flammen, und gegen Morgen habe ich Kohlenstoff in diesem für ein Element gehaltenen Körper festgestellt. Damit glaube ich das grosse Problem gelöst, die herrschende Chemie gestürzt und die Sterblichen vergönnte Unsterblichkeit erworben zu haben.

Aber die Haut meiner Hände, die von dem starken Feuer fast gebraten ist, schält sich in Schuppen ab, und der Schmerz, den ich beim Auskleiden an den Händen leide, zeigt mir, welchen Preis ich für meinen Sieg gezahlt habe. Doch als ich allein im Bette liege, das noch nach der Frau duftet, fühle ich mich selig. Ein Gefühl seelischer Reinheit, männlicher Jungfräulichkeit empfindet das vergangene Eheleben als etwas Unreines; und ich bedaure nur, niemand zu haben, dem ich für meine Befreiung aus seinen schmutzigen, nun ohne viel Worte zerrissenen Fesseln danken könnte. Ich bin nämlich im Lauf der Jahre Atheist geworden, da die unbekannten Mächte die Welt sich selber überlassen haben, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben.

Jemand, dem ich danken könnte! Es ist niemand da, und meine mir aufgedrängte Undankbarkeit bedrückt mich!

Auf meine Entdeckung eifersüchtig, tue ich keine Schritte, um sie bekannt zu machen. In meiner Schüchternheit wende ich mich weder an Autoritäten noch an Akademien. Während ich meine Experimente fortsetze, verschlimmern sich meine aufgesprungenen Hände, die Schrunden brechen auf und füllen sich mit Kohlenstaub; das Blut sickert hervor und die Schmerzen werden so unerträglich, dass ich nichts mehr anfassen kann. Diese Qualen, die mich rasend machen, möchte ich den unbekannten Mächten zuschreiben, die mich seit Jahren verfolgen und meine Anstrengungen vereiteln. Ich meide die Menschen, versäume die Gesellschaften, lehne Einladungen ab, entfremde mich den Freunden. Schweigen und Einsamkeit breiten sich um mich. Es ist die feierliche und furchtbare Stille der Wüste, in der ich aus Trotz den Unbekannte herausfordere, um mit ihm zu ringen Leib an Leib, Seele an Seele.

Dass der Schwefel Kohlenstoff enthält, habe ich nachgewiesen; jetzt will ich Wasserstoff und Sauerstoff entdecken, denn die müssen ebenfalls darin vorhanden sein. Doch meine Apparate reichen dazu nicht, mir fehlt Geld, meine Hände sind schwarz und blutend, schwarz wie das Elend, blutig wie mein Herz. Denn während dieser Zeit stand ich im Briefwechsel mit meiner Frau. Ich erzählte ihr von meinen Erfolgen in der Chemie; sie antwortet mit Berichten über die Krankheit unseres Kindes, in die sie hier und dort einstreut, dass meine Wissenschaft eitel sei, und dass es töricht sei, dafür Geld fortzuwerfen.

In einer Anwandlung gerechten Stolzes, in dem leidenschaftliches Verlangen, mir selber ein Leid anzutun, begehe ich den Selbstmord, in einem nichtswürdigen, unverzeihlichen Briefe Weib und Kind von mir zu stossen, indem ich zu verstehen gebe, dass ein neues Liebesverhältnis meine Gedanken beschäftige.

Der Hieb sitzt. Meine Frau antwortet mit einer Klage auf Scheidung.

Allein, des Selbstmordes und Meuchelmordes schuldig, vergesse ich das Verbrechen über den Kummer und die Sorgen. Niemand besucht mich, und ich kann niemand sehen, da ich alle gekränkt habe.

Über die Fläche eines Meeres treibe ich allein dahin; den Anker habe ich gelichtet, doch ich habe keine Segel.

Aber die Not, in der Form einer unbezahlten Rechnung, unterbricht meine wissenschaftlichen Arbeiten und meine metaphysischen Spekulationen und ruft mich auf die Erde zurück.

Weihnachten nähert sich. Die Einladung einer skandinavischen Familie, deren Atmosphäre mir wegen ihrer peinlichen Unregelmässigkeiten missfällt, habe ich schroff abgelehnt. Als aber der Abend da ist und ich allein bin, reut es mich und ich gehe doch hin.

Man setzt sich zu Tisch, und das Nachtmahl beginnt mit grossem Lärm und ausgelassener Freude, denn die jungen Künstler fühlen sich hier wie zu Hause. Eine mich abstossende Vertraulichkeit der Gebärden und Mienen, ein Ton, der nicht nach Familie klingt, drückt mich in einer Weise nieder, wie ich sie nicht beschreiben kann. Mitten in den Saturnalien lässt meine Traurigkeit vor meinem Innern das friedliche Haus meiner Frau erscheinen. Der Salon ruft eine plötzliche Vision in mir...



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