Stroud | Die Eisfestung | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Stroud Die Eisfestung


1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-641-02353-9
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-641-02353-9
Verlag: cbj
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der knisternde Psychothriller des umjubelten Bartimäus-Starautors

Eigentlich wissen Emily und Simon so gut wie nichts über Marcus. Es war Zufall, dass sie einander auf dem gesperrten Burggelände begegneten; und es war nur eine fixe Idee, einzusteigen und in der Ruine zu übernachten. Einfach so, als kleiner Nervenkitzel inmitten öder Ferien. Doch Marcus verwandelt die Burg in eine Festung mit vereisten Treppen und bereit liegenden Wurfgeschossen. Emily und Simon sind bei ihm, als er schwört, nie mehr nach Hause zurückzugehen – die beiden machen sich ihren eigenen Reim auf die blauen Flecken in Marcus’ Gesicht. Währenddessen rücken sie draußen vor: zunächst nur Marcus’ Vater, dann der Burgwächter, Polizei, eine Sozialarbeiterin, Feuerwehr mit Gerät – die Belagerer, der FEIND, der Markus herausholen will! Was als übermütiges Spiel begann, schlägt still, heimlich und leise um in einen Albtraum.

• Atmosphärisch dicht, unglaublich fesselnd – Hochspannung, die den Atem verschlägt
• Mit Kartenmaterial der Burgruine
Stroud Die Eisfestung jetzt bestellen!

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1


Emilys erstes Verbrechen war klein und hatte mit dem Schnee zu tun.
Wurzeln versperrten ihr den Weg, ihre Stiefel versanken tief im Boden. Winzige Lawinen aus Pulverschnee donnerten ihr auf die Mütze, die Stirn und die Schultern herunter. Sie spürte die Kälte. Mit vorsichtigen Bewegungen quetschte sie sich durch das Loch in der dicken Hecke. Die schneebedeckten Zweige schlugen und kratzten gegen ihren Anorak. Schneeflocken fielen ihr in die Augen und machten sie blind. Hinter ihr blieb der Schlitten irgendwo hängen. Sie zerrte heftig an dem Seil und mit einem Ruck kam er wieder frei.
Noch ein Schritt und sie hatte es auf das Gelände der Burg geschafft. Mit klopfendem Herzen spähte sie umher, ob Gefahr drohte. So weit, so gut. Es war niemand zu sehen.
Sie stand bis zu den Knien in einer niedrigen Schneeverwehung, die sich an der Hecke gebildet hatte. Rechts in der Ferne flog ein Schwarm Vögel in den grauen Himmel über dem Wald hoch. Die Hecke hob sich als unregelmäßiger schwarzer Strich von dem Weiß ab. Der Schnee hatte alles geglättet, nur ein dunkler Schatten weiter vorne ließ erkennen, dass dort die Biegung des Burggrabens sein musste. Auf der gegenüberliegenden Seite des Grabens erhoben sich Reste eingestürzter Mauern.
Im Hintergrund ragte die eigentliche Burg wie ein schwarzer Fels empor.
Emily drehte sich noch einmal um und zerrte an dem Seil. Der Schlitten tauchte ruckartig auf. Dann klemmte er wieder in dem Dickicht aus Zweigen und dornigen Ranken fest. Sie beugte sich hinunter, hob den gelben Plastikschlitten hoch und drehte ihn so, dass er freikam. Dann bugsierte sie ihn aus der Hecke heraus und ließ ihn in den Schnee fallen.
Sie lauschte. Vom Burggraben hallte Gelächter herüber, abgedämpft durch die Entfernung und die Schneedecke. Das war gut, andere waren schon vor ihr hier eingedrungen und niemand hatte sie verjagt. Sie konnte ruhig bleiben.
Sie stapfte durch den Schnee. Bei jedem Schritt versanken ihre Beine in dem weißen Pulver. Die Kälte stach durch ihre Jeans. Später würde es nass und ungemütlich werden, aber jetzt fühlte sie sich stark und lebendig. Jeder Schritt ein eiskalter Nadelstich, aber die stickige Langeweile der letzten Tage, immer nur im Zimmer, hatte ein Ende.
Es ging einen leichten Abhang hinunter. Sie konnte die Burg jetzt nicht mehr sehen, nur noch einen Teil der äußeren Ringmauer, grau und mit Eis überzogen. Der Himmel war dick und schwer, bald würde es wieder schneien. Ihr Atem stieg in zottigen kleinen Wolken empor.
Die Stimmen kamen von da, wo der Burggraben am tiefsten war. Emily bahnte sich langsam ihren Weg dorthin. Es kam ganz darauf an, wer es war. Karen hatte gesagt, dass sie in der Woche vielleicht mal hingehen würde, und Emily mochte Karen eigentlich ganz gern. Wenn sie da war, würde Emily bleiben. Wenn nicht …
Mehrere Gestalten kletterten aus dem steilen Graben hoch, eine zog einen kleinen roten Schlitten hinter sich her. Zwei Mädchen und vier Jungs – alle rutschten immer wieder ab und keuchten und fluchten. An ihren Anoraks und Hosen klebte der Schnee. Karen war nicht dabei.
Als sie alle oben angekommen waren, fingen drei der Jungs sofort an, sich zu stoßen und zu schubsen. Sie johlten und brüllten, während sie miteinander rauften, alles nur, um die Aufmerksamkeit der beiden Mädchen auf sich zu lenken. Aber die beachteten sie überhaupt nicht und schauten dem vierten (und größten) Jungen zu, der den Schlitten in die richtige Position brachte. Dann ließ sich das eine Mädchen mit einem Plumpser darauffallen, das andere Mädchen quetschte sich mühsam dahinter und der größte Junge schmiss sich noch vorne quer darüber. Die Mädchen kreischten entzückt. Der Schlitten ächzte langsam ein Stück abwärts und blieb dann stehen, ein Wirrwarr aus Armen und Beinen ragte auf beiden Seiten heraus. Mit einem Mal kippten der Junge und das vordere Mädchen zur Seite, und das zweite Mädchen raste allein auf dem Schlitten den steilen Abhang hinunter, vor Schreck laut aufschreiend, bis sie unten im Graben durch die Schneeverwehung gebremst wurde. Sie landete kopfüber im Schnee. Die anderen Jungs hatten noch etwas weitergekämpft, aber ohne große Begeisterung, jetzt hörten sie ganz auf, schauten auf den großen Kerl, der mitten am Hang ausgestreckt auf dem Mädchen lag, und lachten neidisch.
Deirdre Pollard, Katie Fern und die Allen-Brüder. Emily verzog das Gesicht und kehrte um. Sie würde lieber allein Schlitten fahren. Deirdre und Katie waren blöde Hühner und mit den Allen-Brüdern wollte sie nichts zu tun haben. Nur Simon, der Jüngste, ging noch auf die Schule; die anderen machten nichts anderes, als irgendwo rumzuhängen und die Zeit totzuschlagen. Martin Allen, der Älteste, war ein richtiger Schlägertyp, aber man hatte ihn im Dorf schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen. Emily hatte gehört, dass er im Gefängnis war.
Als sie sich von der Gruppe wieder ein gutes Stück entfernt hatte, hielt sie an. Sie drehte den Schlitten in die richtige Stellung, auf den oberen Rand des Burggrabens, und setzte sich darauf. Unter ihr fiel der Boden steil ab, ein trügerisches, weiches Weiß, das alle Felsvorsprünge und Löcher verdeckte. Emily hielt kurz inne, biss die Zähne zusammen und stieß sich ab.
Aufstäubender Pulverschnee, eiskalter Fahrtwind, ein weißer Wirbel. Dann verlangsamte sich der Schlitten und kam mit einem Ruck auf der gegenüberliegenden Seite, wo der Graben wieder anstieg, zum Stillstand, ihr Körper schnellte nach vorne, und ihre ausgestreckten Stiefel bohrten sich in den Schnee.
Reglose Stille. Das alles hatte nur drei Sekunden gedauert.
Emily saß da, schnappte nach Luft, spürte das Adrenalin im Blut. Lächelte.
Dann traf sie etwas im Gesicht.
Es stieß ihren Kopf zur Seite und ließ sie aufschreien, als ihr der spitze kalte Schmerz in die Wange fuhr. Dass das so plötzlich kam, verwirrte sie. Sie wusste, dass es ein Schneeball war, aber er fühlte sich an wie ein Faustschlag.
Lautes Gelächter. Vor ihrem Gesicht flog pfeifend noch ein Schneeball vorbei. Ein weiteres Wurfgeschoss prallte gegen ihr Bein, zersplitterte in Schneescherben, ein paar davon trafen sie in die Augen.
Emily kämpfte sich auf die Füße hoch, verhedderte sich in der Schlittenleine, halb blind von den Tränen, die ihr bei dem ersten Treffer in die Augen geschossen waren. Wie durch regennasse Scheiben sah sie die Angreifer auf dem Grund des Wassergrabens stehen, nicht weit weg von ihr. Noch mehr Schneebälle sausten durch die Luft, einer traf ihren Brustkorb, ein anderer ihren Magen. Sie bückte sich nach dem Seil, drehte sich um und begann, durch den tiefen Schnee davonzustapfen.
Sie rutschte aus, wäre fast hingefallen, richtete sich wieder auf – und dann bekam sie einen fürchterlichen Schlag auf den Hinterkopf, dass es ihre Mütze herunterriss, Eisstückchen prasselten herab, und sie spürte, dass sie jetzt gleich losheulen würde.
Sie stapfte tapfer weiter und ließ die Mütze einfach liegen. Davonrennen war nicht möglich, dafür waren die Schneeverwehungen viel zu hoch, aber allmählich wurde der Kugelhagel spärlicher, und das Hohngelächter wurde schwächer. Noch einmal traf sie ein Wurfgeschoss am Bein, ein anderes zischte an ihrem Ohr vorbei, dann war der Angriff vorbei.
Emily setzte ihren Weg in der Senke des Burggrabens fort, vor Zorn und Verzweiflung liefen ihr Tränen die Wangen herunter. Endlich wagte sie es, einen Blick nach hinten zu werfen, und merkte, dass sie längst um die Kurve des Burggrabens gebogen war und die anderen sie nicht mehr sehen konnten.
Sie trottete langsam vor sich hin. Der Graben war auf beiden Seiten zu steil, um hochklettern zu können, aber sie wusste, wenn sie weiterging, würde sie bald zu der Stelle kommen, wo Stufen zur Brücke hinaufführten. Danach konnte sie oben zu dem Loch in der Hecke zurück und dann nach Hause.
Ein Bruchstück der äußeren Ringmauer erhob sich über der rechten Böschung des Grabens aus dem Schnee. Emily wünschte, sie könnte die Mauer auf die Idioten herabstürzen lassen, die sie gerade angegriffen hatten. Sie hatte aufgehört zu weinen und stieß bei jedem Schritt wütend gegen den Schnee. Katie Fern, Deirdre Pollard – das würden die beiden noch bereuen, da konnten sie Gift drauf nehmen. Aber bei den Jungs war nichts zu machen, keine Chance – die waren einfach zu stark, sogar dieser dämliche Simon war stärker als sie.
Sie hasste sie! Sie hasste das ganze Dorf! Alle dort waren dumm und beschränkt, sie fühlte sich immer total einsam, und es gab nichts, womit man sich halbwegs die Zeit vertreiben konnte. Schlittenfahren war die einzige Möglichkeit, um der Langeweile der Weihnachtsfeiertage zu entkommen- und jetzt hatte sie dafür Prügel bekommen! Sie konnte auch nirgendwo anders hin. Im Umkreis von 20 Meilen war hier alles flach – ein endloses, langweiliges Tischtuch aus grauweißen Feldern, durchzogen von Eisfurchen, Gräben und Bächen. Überall gefrorener Schlamm und Wasser, nirgendwo ein Hügel in Sicht. Der Burggraben war der einzige Ort, wo man mit seinem Schlitten hinkonnte, und von dort wurde sie jetzt vertrieben, zurück nach Hause und zu ihren Eltern, wo alles stickig und muffig war.
Sie war so überwältigt von ihrer hilflosen Wut, dass sie ihn erst bemerkte, als sie nur noch ein paar Meter von ihm entfernt war. Eine plötzliche Bewegung ließ sie aufschauen. Und da sah sie ihn. Er stand an der tiefsten Stelle des Grabens. Ein Junge, den sie nicht kannte.
Er wirkte etwas älter als sie, vielleicht fünfzehn, dünn, dicke schwarze Haare, die unter der dunkelblauen Pudelmütze in alle Richtungen...


Ott, Bernadette
Bernadette Ott begeistern die Wortspiele und der Drive in Jugendromanen, aber auch die Erzählfantasie und poetische Verwandlung der Wirklichkeit in Kinderbüchern. Ihr Dank gilt allen Autor*innen, in deren Sprache, Gedanken, Gefühle und Lebenswelten sie als Übersetzerin eintauchen darf.

Stroud, Jonathan
Jonathan Stroud wurde in Bedford geboren. Er arbeitete zunächst als Lektor. Nachdem er seine ersten eigenen Kinderbücher veröffentlicht hatte, beschloss er, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Er wohnt mit seiner Frau Gina und den gemeinsamen Kindern Isabelle, Arthur und Louis in der Nähe von London.Berühmt wurde er durch seine weltweite Bestseller-Tetralogie um den scharfzüngigen Dschinn Bartimäus, dessen Abenteuer in »Das Amulett von Samarkand«, »Das Auge des Golem«, »Die Pforte des Magiers« und »Der Ring des Salomo« erzählt werden.



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