E-Book, Deutsch, 431 Seiten
T. A. Hoffmann Die Elixiere des Teufels
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7368-1439-4
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 431 Seiten
ISBN: 978-3-7368-1439-4
Verlag: BookRix
Format: EPUB
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Ein böses Verhängnis in Gestalt eines Teufelselixiers treibt den Kapuzinermönch zu wahnsinniger Liebe und Mord. Fantastisch, metaphysisch und gruselig, aber mitunter auch lustig geht es zu in diesem Meisterwerk deutscher Romantik. Coverbild: © brullikk / Shutterstock.com
Autoren/Hrsg.
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Das Geheimnis erhöhte den Reiz dieses Bundes, und unsere scheinbare Trennung diente nur dazu, unserer fantastischen Laune Raum zu geben, die wie zu unserer Ergötzlichkeit mit den untergeordneten Verhältnissen des gemeinen Alltagslebens spielte. Ist nicht unser jetziges Beisammensein das kühnste Wagstück, das, im höheren Geiste gedacht, der Ohnmacht konventioneller Beschränktheit spottet? Selbst bei deinem so ganz fremdartigen Wesen, das nicht allein die Kleidung erzeugt, ist es mir, als unterwerfe sich das Geistige dem herrschenden, es bedingenden Prinzip und wirke so mit wunderbarer Kraft nach außen, selbst das Körperliche anders formend und gestaltend, sodass es ganz der vorgesetzten Bestimmung gemäß erscheint. Wie herzlich ich nun bei dieser tief aus meinem Wesen entspringenden Ansicht der Dinge alle konventionelle Beschränktheit verachte, indem ich mit ihr spiele, weißt du. Der Baron ist mir eine bis zum höchsten Überdruss ekelhaft gewordene Maschine, die, zu meinem Zweck verbraucht, tot daliegt wie ein abgelaufenes Räderwerk. Reinhold ist zu beschränkt, um von mir beachtet zu werden, Aurelie ein gutes Kind – wir haben es nur mit Hermogen zu tun. Ich gestand dir schon, dass Hermogen, als ich ihn zum ersten Male sah, einen wunderbaren Eindruck auf mich machte. Ich hielt ihn für fähig, einzugehen in das höhere Leben, das ich ihm erschließen wollte, und ich irrte mich zum ersten Mal. Es war etwas mir Feindliches in ihm, was in stetem regem Widerspruch sich gegen mich auflehnte, ja der Zauber, womit ich die andern unwillkürlich zu umstricken wusste, stieß ihn zurück. Er blieb kalt, düster, verschlossen und reizte, indem er mit eigner wunderbarer Kraft mir widerstrebte, meine Empfindlichkeit, meine Lust, den Kampf zu beginnen, in dem er unterliegen sollte. Diesen Kampf hatte ich beschlossen, als der Baron mir sagte, wie er Hermogen eine Verbindung mit mir vorgeschlagen, dieser sie aber unter jeder Bedingung abgelehnt habe. Wie ein göttlicher Funke durchstrahlte mich in demselben Moment der Gedanke, mich mit dem Baron selbst zu vermählen und so mit einem Mal all die kleinen konventionellen Rücksichten, die mich oft einzwängten auf widrige Weise, aus dem Wege zu räumen; doch ich habe ja selbst mit dir, Viktorin, oft genug über jene Vermählung gesprochen, ich widerlegte deine Zweifel mit der Tat, denn es gelang mir, den Alten in wenigen Tagen zum albernen zärtlichen Liebhaber zu machen, und er musste das, was ich gewollt, als die Erfüllung seines innigsten Wunsches, den er laut werden zu lassen kaum gewagt, ansehen. Aber tief im Hintergrunde lag noch in mir der Gedanke der Rache an Hermogen, die mir nun leichter und befriedigender werden sollte. Der Schlag wurde verschoben, um richtiger, tötender zu treffen. Kennte ich weniger dein Inneres, wüsste ich nicht, dass du dich zu der Höhe meiner Ansichten zu heben vermagst, ich würde Bedenken tragen, dir mehr von der Sache zu sagen, die nun einmal geschehen. Ich ließ es mir angelegen sein, Hermogen recht in seinem Innern aufzufassen, ich erschien in der Hauptstadt, düster, in mich gekehrt, und bildete so den Kontrast mit Hermogen, der in den lebendigen Beschäftigungen des Kriegsdienstes sich heiter und lustig bewegte. Die Krankheit des Oheims verbot alle glänzenden Zirkel, und selbst den Besuchen meiner nächsten Umgebung wusste ich auszuweichen. Hermogen kam zu mir, vielleicht nur um die Pflicht, die er der Mutter schuldig, zu erfüllen, er fand mich in düstres Nachdenken versunken, und als er, befremdet von meiner auffallenden Änderung, dringend nach der Ursache fragte, gestand ich ihm unter Tränen, wie des Barons missliche Gesundheitsumstände, die er nur mühsam verheimliche, mich befürchten ließen, ihn bald zu verlieren, und wie dieser Gedanke mir schrecklich, ja unerträglich sei. Er war erschüttert, und als ich nun mit dem Ausdruck des tiefsten Gefühls das Glück meiner Ehe mit dem Baron schilderte, als ich zart und lebendig in die kleinsten Einzelheiten unseres Lebens auf dem Lande einging, als ich immer mehr des Barons herrliches Gemüt, sein ganzes Ich in vollem Glanze darstellte, sodass es immer lichter hervortrat, wie grenzenlos ich ihn verehre, ja wie ich so ganz in ihm lebe, da schien immer mehr seine Verwunderung, sein Erstaunen zu steigen. Er kämpfte sichtlich mit sich selbst, aber die Macht, die jetzt wie mein Ich selbst in sein Inneres gedrungen, siegte über das feindliche Prinzip, das sonst mir widerstrebte; mein Triumph war mir gewiss, als er schon am andern Abend wiederkam. Er fand mich einsam, noch düstrer, noch aufgeregter als gestern, ich sprach von dem Baron und von meiner unaussprechlichen Sehnsucht, ihn wiederzusehen. Hermogen war bald nicht mehr derselbe, er hing an meinen Blicken, und ihr gefährliches Feuer fiel zündend in sein Inneres. Wenn meine Hand in der seinigen ruhte, zuckte diese oft krampfhaft, tiefe Seufzer entflohen seiner Brust. Ich hatte die höchste Spitze dieser bewusstlosen Exaltation richtig berechnet. Den Abend, als er fallen sollte, verschmähte ich selbst jene Künste nicht, die so verbraucht sind und immer wieder so wirkungsvoll erneuert werden. Es gelang! Die Folgen waren entsetzlicher, als ich sie mir gedacht, und doch erhöhten sie meinen Triumph, indem sie meine Macht auf glänzende Weise bewährten. Die Gewalt, mit der ich das feindliche Prinzip bekämpfte, das wie in seltsamen Ahnungen in ihm sich sonst aussprach, hatte seinen Geist gebrochen, er verfiel in Wahnsinn, wie du weißt, ohne dass du jedoch bis jetzt die eigentliche Ursache gekannt haben solltest. Es ist etwas Eignes, dass Wahnsinnige oft, als ständen sie in näherer Beziehung mit dem Geiste, und gleichsam in ihrem eignen Innern leichter, wiewohl bewusstlos angeregt vom fremden geistigen Prinzip, oft das in uns Verborgene durchschauen und in seltsamen Anklängen aussprechen, sodass uns oft die grauenvolle Stimme eines zweiten Ichs mit unheimlichem Schauer befängt. Es mag daher wohl sein, dass, zumal in der eignen Beziehung, in der du, Hermogen und ich stehen, er auf geheimnisvolle Weise dich durchschaut und so dir feindlich ist, allein Gefahr für uns ist deshalb nicht im Mindesten vorhanden. Bedenke, selbst wenn er mit seiner Feindschaft gegen dich offen ins Feld rückte, wenn er es ausspräche: Traut nicht dem verkappten Priester, wer würde das für was anderes halten als für eine Idee, die der Wahnsinn erzeugte, zumal da Reinhold so gut gewesen ist, in dir den Pater Medardus wiederzuerkennen? Indessen bleibt es gewiss, dass du nicht mehr, wie ich gewollt und gedacht hatte, auf Hermogen wirken kannst. Meine Rache ist nun erfüllt und Hermogen mir nun wie ein weggeworfenes Spielzeug unbrauchbar und um so überlästiger, als er es wahrscheinlich für eine Bußübung hält, mich zu sehen und daher mit seinen stieren lebendigtoten Blicken mich verfolgt. Er muss fort, und ich glaubte dich dazu benutzen zu können, ihn in der Idee, ins Kloster zu gehen, zu bestärken und den Baron sowie den ratgebenden Freund Reinhold zu gleicher Zeit durch die dringendsten Vorstellungen, wie Hermogens Seelenheil nun einmal das Kloster begehre, geschmeidiger zu machen, dass sie in sein Vorhaben willigten. Hermogen ist mir in der Tat höchst zuwider, sein Anblick erschüttert mich oft, er muss fort! Die einzige Person, der er ganz anders erscheint, ist Aurelie, das fromme kindische Kind; durch sie allein kannst du auf Hermogen wirken, und ich will dafür sorgen, dass du in nähere Beziehung mit ihr trittst. Findest du einen schicklichen Zusammenhang der äußern Umstände, so kannst du auch Reinholden oder dem Baron entdecken, wie dir Hermogen ein schweres Verbrechen gebeichtet, das du natürlicherweise deiner Pflicht gemäß verschweigen müsstest. Doch davon künftig mehr! Nun weißt du alles, Viktorin, handle und bleibe mein. Herrsche mit mir über die läppische Puppenwelt, wie sie sich um uns dreht. Das Leben muss uns seine herrlichsten Genüsse spenden, ohne uns in seine Beengtheit einzuzwängen.“ Wir sahen den Baron in der Entfernung und gingen ihm, wie im frommen Gespräch begriffen, entgegen. Es bedurfte vielleicht nur Euphemiens Erklärung über die Tendenz ihres Lebens, um mich selbst die überwiegende Macht fühlen zu lassen, die wie der Ausfluss höherer Prinzipien mein Inneres beseelte. Es war etwas Übermenschliches in mein Wesen getreten, das mich plötzlich auf einen Standpunkt erhob, von dem mir alles in anderm Verhältnis, in anderer Farbe als sonst erschien. Die Geistesstärke, die Macht über das Leben, womit Euphemie prahlte, war mir des bittersten Hohns würdig. In dem Augenblick, dass die Elende ihr loses unbedachtes Spiel mit den gefährlichsten Verknüpfungen des Lebens zu treiben wähnte, war sie hingegeben dem Zufall oder dem bösen Verhängnis, das meine Hand leitete. Es war nur meine Kraft, entflammt von geheimnisvollen Mächten, die sie zwingen konnte im Wahn, den für den Freund und Bundesbruder zu halten, der, nur ihr zum Verderben die äußere zufällige Bildung jenes Freundes tragend, sie wie die feindliche Macht selbst umkrallte, sodass keine Freiheit mehr möglich. Euphemie wurde mir in ihrem eitlen selbstsüchtigen...