Wege durch Venedig
Das Herz der Serenissima
Tour 1
Staunend, immer wieder staunend steht man auf der Piazza San Marco, Herz und Kopf der glanzvollen Serenissima. Der Detailreichtum der Markuskirche und des Dogenpalastes ist überwältigend, wie auch der Gesamteindruck der Piazza mit vorgelagerter Piazzetta zum Wasser hin.
Campanile, herrliche Aussicht vom höchsten Gebäude der Stadt Museo Correr, ein so abwechslungsreiches wie hochkarätiges Museum Der Markusplatz
Piazza San Marco
Mit der einzigartigen Piazza San Marco hat sich der venezianische Löwe eine unvergleichlich prachtvolle Arena geschaffen: Allen voran strahlt die Fassade der Basilica di San Marco detailgewaltig in morgenländischem Gepränge. In den Bogenfeldern über den Portalen künden farbenprächtige Mosaiken von der Herrlichkeit der Lagunenstadt. Elegante Türmchen und Statuen krönen die Fassade. Golden glänzen Heiligenscheine, Engelsflügel und natürlich der Löwe in der Sonne. Nahtlos schließt der monumentale und doch elegante Dogenpalast an. Hier öffnet sich die Piazza San Marco über die Piazzetta zur Lagune hin, während sich gegenüber dem Hauptportal der Basilica der weite Platz mit den schier endlos langen Portiken der Prokuratien nach hinten ein wenig verengt und dadurch noch länger wirkt. Über einem Zugang zum Sestiere San Marco erhebt sich der schmucke Uhrturm. Alles aber wird vom kolossalen Campanile überragt, dem höchsten Bauwerk der Stadt.
Das Herz der Durchlauchtigsten präsentiert sich als Marmor gewordenes Gesamtkunstwerk. Was es eigentlich nicht ist. Vielmehr ergänzen sich viele unterschiedliche Baustile zu einem wunderbar harmonischen Ganzen: In byzantinischem Stil erstrahlt die Markuskirche, späte Gotik beherrscht den Dogenpalast, während die Prokuratien sowie der Uhrturm der Frührenaissance entgegenstreben und der Napoleonische Flügel dem Klassizismus. Auf die besondere Bedeutung, die dem Markusplatz in Venedig zukommt, deutet bereits die exklusive Bezeichnung Piazza San Marco hin (da konkurrenzlos, auch kurz: La Piazza). Alle anderen Plätze der Stadt müssen sich seit jeher damit begnügen, Campo oder gar Campiello genannt zu werden (eine moderne Ausnahme bildet der Piazzale Roma). Ebenso verhielt es sich lange Zeit mit dem majestätischen Dogenpalast, dem die Stadtoberen den exklusiven Titel Palazzo verliehen, während alle Adelspaläste der Stadt schlicht Ca’ (venezianisch für Casa, Haus) genannt werden mussten, egal wie groß und prächtig sie sich im Wasser spiegelten.
Wie jede italienische Piazza (und jeder venezianische Campo) war der Markusplatz immer auch ein volkstümlicher Platz. In mediterraner Manier versammelten die Venezianer sich hier am Abend, um beim geselligen Beisammenstehen die neuesten Nachrichten auszutauschen, bis die Glocken des Campanile die Nacht einläuteten. Hier hat die herrliche venezianische Tradition der Ombra, die bis heute sehr lebendig ist, ihren Ursprung, als die Weinhändler und ihre Fässer mit dem kühlenden Schatten des Campanile von San Marco mitwanderten. Auch Venedigs Festplatz war die Piazza San Marco, viele wichtige Feierlichkeiten fanden hier statt oder nahmen, so sie - wie die Festa della Sensa - aufs Wasser führten, hier ihren Anfang. Die Gemälde der großen venezianischen Maler zeigen den Markusplatz jedenfalls in einem ständigen Festrausch, geschmückt mit Bannern und Fahnen der eroberten mittelmeerischen Besitzungen, überfüllt mit kostümierten Prozessionsteilnehmern und festlich gekleideten Gesandtschaften, die am Dogenpalast und der Basilika vorbeiziehen. Empfangen werden sie von einem großen Aufgebot an Senatoren und Prälaten, in deren Mitte der Doge seine Position als oberster Vertreter der Stadtrepublik feierlich eingenommen hat. Und die Piazza war regelmäßiger Marktplatz, auf dem nicht selten turbulente, basarähnliche Märkte abgehalten wurden, zu denen die Händler von weither angereist kamen, um die edelsten Waren anzupreisen. Die eckigen weißen Markierungen auf der Piazza kennzeichnen noch heute, wo die einzelnen Händler ihre Stände und Marktzelte aufbauen durften. Als dann im 18. Jh. die ersten Kaffeehäuser unter den Arkaden der Prokuratien eröffneten, erhielt die Piazza ihre legendäre Salonatmosphäre. Bis zum Bau des Dammes war dieses einzigartige Ensemble der wichtigste Zugang zur Lagunenstadt. Man kann sich gut vorstellen, wie Händler und Gesandte, die über das Meer und den Bacino di San Marco, das Markusbecken, ankamen, in ungläubiges Staunen versetzt wurden und vielleicht auch gehörig eingeschüchtert waren. Heute sind es vor allem die Touristen aus aller Welt, die sich nicht minder staunend auf der Piazza San Marco tummeln.
Natürlich gehört zur nie zu Ende fotografierten Erfolgsgeschichte dieses marmornen Wunders auch, dass Menschen aus aller Welt diese unfassbar schöne Piazza San Marco besuchen möchten. Viele Menschen. Wer kann es ihnen verdenken? Ein Sprachengewirr babylonischen Ausmaßes kann hier herrschen - und Gedränge, zuweilen schon Enge, in dieser oder jener Ecke des riesigen Platzes. Schiffsladungen von Tagesbesuchern tappen bunten Fähnchen hinterher, die in den wolkenlosen Himmel gereckt werden. Mehrfach gewundene Warteschlangen schlängeln sich träge (sehr träge!) vor den weltberühmten Portalen. Entsprechend gibt es Tageszeiten, da meiden Venezianer tunlichst die „area pazza“, den „verrückten Bereich“, der sich auf der Piazza San Marco und in den umliegenden Gassen in den Sestieri San Marco und Castello verdichtet - und weiter stockt und staut Richtung Rialto, die Strada Nova entlang und bis zum Bahnhof.
Soll man auf einen Besuch der Piazza San Marco verzichten? Natürlich nicht! Wer diesen Platz nicht gesehen hat, hat Venedig nicht gesehen - und Italien nicht besucht. Aber man muss ja nicht unbedingt gehen, wenn alle gehen. Früh morgens beispielsweise kann es herrlich ruhig und sogar menschenleer sein: ein paar Jogger vielleicht, Venezianer auf dem Weg zur Arbeit, hier und da ein fassungsloser Fotograf. Den ein oder anderen Hinweis, wie man Warteschlangen umgehen oder zumindest den Aufenthalt dort minimieren kann, haben wir auch bei den jeweiligen Sehenswürdigkeiten aufgeführt. Notfalls aber muss man sich eben in den Strom der Besucher einreihen und geduldig warten, bis man an der Reihe ist, um einen Blick werfen zu können auf die weltberühmten Goldmosaiken der Basilika, in die prächtigen Säle des Dogenpalasts und von der Glockenstube des Campanile hinab über die ganze Lagunenstadt. Am Abend, wenn die Kirchen und Museen geschlossen sind und die Tagestouristen die Stadt bereits verlassen haben, sollte man noch einmal zum Markusplatz zurückkehren, um seine einzigartige Magie auf sich wirken zu lassen.
Eine Karte und nützliche Adressen rund um den Markusplatz finden Sie in Tour 3 - Il Sestiere di San Marco. Sehenswertes auf der Piazza San Marco
Dem Evangelisten zu Ehren
Basilica di San Marco
Eine ungemein faszinierende Kirche: in orientalischem Gepränge, überbordend üppig, verspielt und kostbar verziert, vielgestaltig, einzigartig, ein Blickfang selbst auf dieser unvergleichlichen Piazza. Zweifellos zählt San Marco zu den berühmtesten Gotteshäusern der Welt, auf einer prachtvollen Stufe stehend mit St. Peter in Rom und der Hagia Sophia in Istanbul, ein Kunstdenkmal von Weltrang.
Der Kreuzkuppelbau beherrscht die Stirnseite der Hauptpiazza vollständig, und schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass es sich um kein gewöhnliches Gotteshaus handelt: Es ist die Staatskirche Venedigs, das selbstbewusste Sinnbild venezianischer Macht, Größe und Herrlichkeit. Mit diesem schillernden Prachtbau verherrlichte Venedig sich selbst, seine glorreiche Geschichte und natürlich seinen Stadtheiligen, den Evangelisten Markus.
Baugeschichte
In der ersten Hälfte des 9. Jh. überführten venezianische Kaufleute die Reliquien des heiligen Markus unter abenteuerlichen Bedingungen aus Alexandria nach Venedig. Der elfte Doge Giustiniano Partecipazio veranlasste umgehend den Bau einer angemessenen repräsentativen Kirche für einen solch kostbaren Schatz: den Bau von San Marco.
Venedig im Kasten
Die Markusreliquien - staatstragende Beutestücke
Alles begann, als der geflügelte Löwe in die Lagune kam, Anfang des 9. Jh.: Ganz langsam nahm das Stadtbild am rivus altus Konturen an, und die zaghaft aufstrebende Stadt wollte mehr sein als ein Haufen Hütten auf morastigen Inseln im brackigen Wasser. Der Seehandel begann zu florieren, mit dem Warenfluss wuchs auch das Selbstbewusstsein, Ostrom war weit und Venedig relativ unabhängig - und...