Tandefelt | Lauf, Helin, lauf! | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 486 Seiten

Tandefelt Lauf, Helin, lauf!


1. Auflage 2015
ISBN: 978-87-11-32027-3
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 486 Seiten

ISBN: 978-87-11-32027-3
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



'Es gibt einen neuen Stern am schwedischen Krimihimmel: Henrik Tandefelt, der mit seinem eigenen, ironisch-amüsanten Stil eine Nische zwischen all den anderen schwedischen Krimiautoren entdeckt hat.' - Smålandstidningen Der Tau spiegelte die nachte Haus in tausend kleinen Splittern. Die Enten im Kanal schwammen ruhig unter der Brücke im Stadtpark hindurch. Dort war die Leiche hängen geblieben... Selten hatte sich Kriminalkommissar Knut Lindström so auf die Sommerferien gefreut. Gemeinsam mit seiner Frau Ingebritt und Freund Josef Friedmann nebst Hund beginnt er mit der Renovierung ihres Landhauses. Ansonsten wollen sie sich ganz dem Müßiggang hingeben. Doch die Beschaulichkeit in der südschwedischen Provinz findet rasch ein Ende: Beim Tapetenablösen stößt Ingebritt auf eine fast dreißig Jahre alte Zeitungsnotiz, die von einem mysteriösen Unfall berichtet, der bis heute nicht aufgeklärt scheint. Ingebritt beginnt zu recherchieren - und muss sich beeilen, denn der Fall könnte bald verjährt sein. Dann geht es Schlag auf Schlag: Ein kurdisches Mädchen und seine Mutter verschwinden. Wenige Wochen später wird im Kanal der Kleinstadt Ekemåla eine stark verweste Leiche gefunden. Jetzt ist es endgültig vorbei mit der Sommerruhe: unfreiwillig geraten Lindström, seine Frau und Friedmann mitten hinein in die polizeilichen Ermittlungen ... REZENSIONEN 'Stoff, der das Zeug auch für zwei weitere Kriminalromane hätte.' berlinkriminell.de 'Henrik Tandefelt spinnt stilistisch gekonnt ein feines Netz aus verschiedenen Handlungssträngen. Außerdem sorgt der 56-jährige Schwede für tolle Krimi-Unterhaltung vor einer ländlichen skandinavischen Kulisse.' - Brigitte 'Tandefelt folgt nicht dem gängigen Muster eines Kriminalromans. Er füllt mit seinem ironisch-amüsanten Stil eine Lücke zwischen den anderen schwedischen Krimiautoren.' - Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln 'Tandefelts Kriminalromane folgen überhaupt nicht dem gängigen Muster. Seine Romane leben davon, daß sie männliche Eitelkeiten, Korruption, Kleinlichkeit, Rassismus und Politik gleichermaßen vorführen und den Leser über die Absurditäten des Lebens zum Lachen bringen. Ein Krimiautor, der ganz eigene Spuren hinterläßt. Lesen Sie ihn!' - Tidningen Ångermanland 'Tandefelt zeigt ein Schweden der Vorurteile, des Rassismus, der männlichen Eitelkeiten. Die Schwermut eines Mankells geht ihm ab, doch das stört nicht wirklich.' - Buchkultur

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1


Still fließen

die Morgensterne des Frühlings

wie Tropfen von Milch

in dunklem Wasser

Sie trieb im Morgengrauen durch den Park, unter hölzernen Fußgängerbrücken hindurch bis in den unterirdischen Stadtkanal. Dort blieb sie hängen. Die Leiche hatte sich in einem weggeworfenen Fahrrad verhakt.

Studienrat Brunström spazierte mit seinem strammen Mops Darling stromaufwärts. Ein früher Morgen im Juli. Unter Missachtung der Stadtparkverordnung preschte der Hund plötzlich davon. Als Darling mit einem glänzenden Spitzenhöschen zurückkam, kommandierte Studienrat Brunström: »Aus!«, sah sich verschämt um und manövrierte das Höschen mit dem Schuh unter einen dichten Rosenbusch.

*

Aber ich will nicht klagen. Stelle bloß fest, dass ich teilnahmslos und erschöpft bin, fahrig und deprimiert. Nachdem ich fast ein Jahr lang Schikanen und Morddrohungen ausgesetzt war, brauche ich meine besten Freunde. Es ist ja alles vorbei jetzt, aber die Erinnerungen sind allgegenwärtig. Schlafe schlecht, habe Magenschmerzen, muss mein Leben wieder in den Griff bekommen, mich um meinen Beruf kümmern. Er ist es wert. Soll man dankbar sein?

Vielleicht wäre ich zerbrochen, hätte sich Lindström in seiner Eigenschaft als Kriminalkommissar nicht des rassistischen Mobs angenommen, die Sorgen mit mir geteilt, mich gestützt ... Gemeinsam sind wir mit ihnen fertig geworden. So haben wir uns kennen gelernt. Auf Lindström war Verlass gewesen. Zwar hegte er in der Mordsache einen gewissen Anfangsverdacht gegen mich, und das nicht einmal grundlos, aber wir wurden Freunde. Gute Freunde.

Ein bisschen neidisch bin ich natürlich doch. Auch mir würde es gut tun, eine Weile auf dem Land zu wohnen: neue Kraft schöpfen, ein normales Leben führen, mir die Wunden lecken und allmählich mein altes Leben als Josef Friedmann, freiberuflicher Fotograf und Journalist, wieder aufnehmen. Mich auf eine interessante Arbeit konzentrieren, im Chor singen, mein Saxofon blasen, Basketball spielen ... Davon träume ich jetzt.

Träume haben wir alle. Ingbritt träumt schon lange davon, auf den Hochebenen Smålands zu wohnen. Jetzt, nachdem sie gekündigt hat, soll es so weit sein. Abende lang haben sie und Lindström am Küchentisch Landkarten studiert, Fotos verschiedener Traumhäuser angesehen und geredet, geredet, geredet.

Lindström ist kein Freund breiter Straßen.

Ingbritts Wurzeln liegen in der Nähe von Ingatorp. Die Eltern ihrer Mutter haben dort gelebt. Vom Hof und den glücklichen Sommererinnerungen an Himbeersaft in der Gartenlaube ist nichts geblieben; schnell wachsende Fichten ziehen sich in langen Reihen über Wiesen und Äcker. Ein überwucherter Backsteinhaufen. Verwilderte Rosen. Ein Aluminiumblech auf einem rostigen Eisenrohr berichtet dem Wanderer, dass sich an dieser Stelle einst ein kleiner Bauernhof befand. Mehrere Generationen arbeiteten hier im Steinbruch. , steht auf dem Schild. In den Wäldern Smålands gibt es viele solcher Schilder. Durch einen Zufall hörte Ingbritt eines Tages von einem Hof in dieser Gegend, der zum Verkauf stand.

Direkt vom Eigentümer Gut Finneryd zwischen Ingatorp und Rumskulla

Rostrotes Holzhaus mit weißen Verzierungen und Schnitzereien. Gewisser Renovierungsbedarf. Großes, frei gelegenes Grundstück mit 7.200 m2. Eingewachsener Garten. Äpfel- und Kirschbäume sowie Stachelbeersträucher. Besondere Lage. Sickergrube und eigener Brunnen vorhanden. Erdgeschoss: Diele, Wohnküche mit Feuerstelle, großes Wohnzimmer, kleiner Arbeitsraum, WC und Bad. Offener Kamin und Kachelofen. Obergeschoss: Diele, zwei Schlafzimmer, Kleiderkammer und WC, Kachelöfen.

Kleiner Stall, Schuppen mit Ziegelofen, Holzverschlag, früherer Hühnerstall und Garage in gutem Zustand. An handwerklich geschickte Person günstig abzugeben. 205.000 Kronen oder gegen höchstes Gebot.

»Wie kannst du nur einen Hof für 205.000 Kronen kaufen, ohne ihn dir vorher angesehen zu haben«, maulte Lindström, als er von ihrem Coup erfuhr.

»Ich weiß doch, wie er aussieht, bin als Kind oft dort gewesen. Außerdem habe ich den Preis runtergehandelt«, erklärte Ingbritt treuherzig.

»Hört, hört! Und was hast du schließlich bezahlt?«, brummte Lindström.

»135.000. Das ist er in jedem Fall wert, selbst wenn ein paar Reparaturen anfallen. Und weil du doch so geschickt bist, so gerne tischlerst und selbst gesagt hast, dass du eine Beschäftigung brauchst, bei der du richtig abschalten kannst ...« Ingbritt legte den Kopf zur Seite und blinzelte ihm unter ihrem blonden Pony liebevoll zu. Sie wusste genau: damit hatte sie ihn.

Und natürlich freute er sich. Es würde ganz wunderbar werden, sich tischlernderweise im Wald zu verstecken, jetzt, da er endlich sämtliche Überstunden und angesparten Urlaubswochen in lange, zusammenhängende Ferien umwandeln konnte. Die Polizei in Boköping musste bis auf weiteres ohne ihn klarkommen. Kriminalkommissar Lindström hatte sich freigenommen!

Die Würfel sind gefallen. Das Haus gehört Ingbritt. Er tröstet sich mit dem Gedanken, dass man nicht zwangsläufig übers Ohr gehauen wird, nur weil man ein gutgläubiger Mensch ist. Seine Skepsis verbucht er als Berufskrankheit; gut fünfundzwanzig lange Jahre bei der Polizei in Boköping haben ihre Spuren hinterlassen.

Doch solche Gedanken schüttelt er schnell wieder ab.

Das werden unsere zweiten Flitterwochen, lange Flitterwochen, sagt sich Lindström und legt seine rechte Hand liebevoll auf Ingbritts Oberschenkel.

Das ist genau das, was ich brauche, denkt er, als sie bei Silverån über die Bezirksgrenze fahren. Ein paar Kilometer weiter parkt er den Wagen in der Auffahrt vor ihrem Traumhaus. Ein Blick auf das rostrote Gebäude und Lindströms Laune bessert sich schlagartig.

Hier und jetzt beginnt ein neuer Lebensabschnitt.

Auf den Fahrradwegen und Straßen, die zum Bahnhof führen, drängen sich die Jugendlichen. Auch eine halbe Stunde nach Unterrichtsbeginn sind noch vereinzelt Schüler unterwegs. Zweiunddreißig von ihnen haben in der ersten Stunde Schwedisch bei Arvid Lönnholm.

Elf der zweiunddreißig sind abwesend, was an einem Montagmorgen nicht ungewöhnlich ist. Lönnholm spürt, wie sein Adrenalinspiegel schon um 8.15 Uhr in die Höhe schnellt. Das kann einfach nicht gesund sein. Doch er fährt fort, die Namen aufzurufen und auf der Klassenliste abzuhaken. Die softwaregestützte Anwesenheitskontrolle funktioniert wie üblich: überhaupt nicht.

Dreißig Jahre im Schuldienst wiegen schwer. Ein Sabbatjahr würde Arvid Lönnholm gut tun, aber das kann er sich nicht leisten. Lönnholm ist vielleicht ein bisschen altmodisch, etwas verstaubt, doch sobald ihn die Schüler besser kennen lernen, begreifen sie in der Regel, welches Glück sie mit ihm haben. Sein Spitzname »Onkel« erfüllt Lönnholm zu Recht mit Stolz.

Nach Unterrichtsschluss geht er in sein Büro, das er sich mit seinem Kollegen Brunström teilt, um ein paar Unterlagen zu holen.

Das Schulhalbjahr beginnt zäh, und unter dem neuen Rektor verspricht nichts einfacher zu werden. Ein Pedant, der gern Pädagogik mit Budget verwechselt. Euripides und Dante sind ihm fremd, aber jede Krone umdrehen, das kann er.

Auf dem Weg zu seinem Fahrrad wird Lönnholm von nagender Unruhe befallen; er macht sich Sorgen um die Schüler, die seit Beginn des Halbjahres noch kein einziges Mal zum Unterricht erschienen sind. Sicher, das kommt schon mal vor ...

Vielleicht sollte ich früher in Rente gehen, denkt er und sichert seine Hosenbeine mit Wäscheklammern.

Nachdem er ein paar kräftige Haken in die Wand geschlagen und sein neues Trainingsgerät, ein Crescent Decca Rennrad, aufgehängt hat, widmet er sich den buckligen Innenwänden, die er mit Isolierpappe, Holzlatten, Steinwolle, Bauplatten sowie neuen unifarbenen Tapeten ausstatten will, die Ingbritt mit einer alten Bürste verzieren wird. Als er die Tapeten entfernt, kommt zunächst mit Heftzwecken befestigte Wellpappe zum Vorschein, hinter der sich schichtweise Zeitungspapier, weitere Pappen und Tapeten verbergen. Wie Jahresringe. Isolation: Fehlanzeige, und in den Ritzen nichts als Moos. Lindströms Laune sinkt bei dem Gedanken an den nächsten Winter beträchtlich.

Die geräumige Küche wird von einer Siebziger-Jahre-Tapete verunstaltet. Ingbritt weigert sich, auch nur einen Fuß in die Küche zu setzen, falls die dunkelrote Tapete mit ihren aufgedruckten Weinflaschen und Bastkörben, den stilisierten Reben und vollbusigen, halb nackten Weinstampferinnen nicht auf der Stelle verschwindet. Die unangenehme Aussicht, künftig sämtliche Küchenarbeiten allein verrichten zu müssen, lässt Lindström auch hier aktiv werden.

Unter der verhassten Tapete befinden sich mehrere Lagen der Zeitungen ›Vimmerby Tidning‹ und ›Dagen‹. Lindström gönnt sich eine Pause und wirft einen Blick auf die spröden, vergilbten Seiten der ›Vimmerby Tidning‹ vom 29. April 1977:

Landwirt von hydraulischer Holzschneidemaschine tödlich verletzt

Ein schweres Unglück ereignete sich am Samstag in Mariannelund. Aus bisher ungeklärter Ursache geriet der Landwirt Bertil Svärd mit dem Kopf in eine automatische Holzschneidemaschine. Er war auf der Stelle tot.

Das leise Schnarchen, das aus dem Schlafzimmer im ersten Stock dringt, ist auf der überdachten Veranda nicht zu hören. Ingbritt trinkt ihren zweiten Whisky und raucht einen langen, schmalen Zigarillo. Um die Mücken zu verscheuchen. Das Abendlicht schwindet. Die dunkle Wildnis erwacht zum Leben, und es gibt hier so viel mehr Sterne als in der Stadt. Genau wie bei ihren...



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