E-Book, Deutsch, 296 Seiten
Tesch-Römer / Wahl / Weyerer Soziale Beziehungen alter Menschen
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-17-022776-7
Verlag: Kohlhammer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 296 Seiten
ISBN: 978-3-17-022776-7
Verlag: Kohlhammer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Älter werden wir nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen Menschen. Im Verlauf des Lebens sind wir in ein Netz sozialer Beziehungen eingebettet: zu Eltern, Freunden, Partnern, Kindern und Nachbarn. Dieses Netz verändert sich mit dem Älterwerden. Seit einigen Jahrzehnten wandelt sich das gesellschaftliche Umfeld: In Zukunft wird es mehr hochaltrige Familienmitglieder und möglicherweise mehr zur gleichen Zeit lebende Generationen geben, als dies heute der Fall ist. Um die sozialen Beziehungen alter Menschen geht es in diesem Buch. Theoretische Überlegungen und Befunde der Forschung werden verständlich dargestellt, um einen Einstieg in dieses spannende und berührende Thema zu geben. Dabei kommen gegenseitige Unterstützung, Pflege in der Familie sowie Konflikte mit anderen Menschen zur Sprache.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Titel;1
2;Inhalt;6
3;Vorwort;14
4;Teil I: Einführung;16
4.1;1 Bedeutung sozialer Beziehungen im Alter;17
4.1.1;1.1 Einleitung;17
4.1.1.1;1.1.1 Typen sozialer Beziehungen;18
4.1.1.2;1.1.2 Alter und Altern;19
4.1.2;1.2 Bedeutung von Familienbeziehungen im Lebenslauf;20
4.1.2.1;1.2.1 Familien als Beziehungsnetze;21
4.1.2.2;1.2.2 Phasen des Familienzyklus;22
4.1.2.3;1.2.3 Vielfalt der Familienbeziehungen;24
4.1.3;1.3 Familienbeziehungen im historischen Wandel;25
4.1.3.1;1.3.1 Familiengröße;27
4.1.3.2;1.3.2 Lebenserwartung und Generationenabstand;28
4.1.3.3;1.3.3 Funktionen der Familie;30
4.1.3.4;1.3.4 Stellung alter Menschen in der Familie;31
4.1.3.5;1.3.5 Resümee;33
4.1.4;1.4 Ausblick auf das Buch;33
4.1.5;Zusammenfassung;35
5;Teil II: Theorien und Methoden;36
5.1;2 Was sind Theorien?;37
5.1.1;2.1 Über Theorien;37
5.1.2;2.2 Güte von Theorien;38
5.1.3;2.3 Theorien über soziale Beziehungen im Alter;41
5.1.4;Zusammenfassung;43
5.2;3 Soziologische Theorien zu sozialen Beziehungen;44
5.2.1;3.1 Anspruch soziologischer Theorien;44
5.2.2;3.2 Disengagement-Theorie;47
5.2.2.1;3.2.1 Darstellung der Disengagement-Theorie;47
5.2.2.2;3.2.2 Einschätzung der Theorie;51
5.2.2.3;3.2.3 Aktivitäts- und Kontinuitätstheorie;53
5.2.3;3.3 Theorie des sozialen Austauschs;55
5.2.3.1;3.3.1 Darstellung der Theorie;55
5.2.3.2;3.3.2 Einschätzung der Theorie;58
5.2.4;3.4 Die Modelle der intergenerationalen Solidarität und Ambivalenz;61
5.2.4.1;3.4.1 Das Modell der intergenerationalen Solidarität;61
5.2.4.2;3.4.2 Das Modell der intergenerationalen Ambivalenz;63
5.2.4.3;3.4.3 Einschätzung der Modelle;68
5.2.5;Zusammenfassung;69
5.3;4 Psychologische Theorien zu sozialen Beziehungen;72
5.3.1;4.1 Anspruch psychologischer Theorien;72
5.3.2;4.2 Bindungstheorie;75
5.3.2.1;4.2.1 Darstellung der Theorie;75
5.3.2.2;4.2.2 Bindung im Erwachsenenalter;78
5.3.2.3;4.2.3 Einschätzung der Theorie;79
5.3.3;4.3 Sozioemotionale Selektivitätstheorie;81
5.3.3.1;4.3.1 Darstellung der Theorie;81
5.3.3.2;4.3.2 Einschätzung der Theorie;85
5.3.4;4.4 Modell des sozialen Konvois;89
5.3.4.1;4.4.1 Darstellung des Modells;90
5.3.4.2;4.4.2 Einschätzung des Modells;94
5.3.5;Zusammenfassung;97
5.4;5 Methoden;99
5.4.1;5.1 Zugangswege zu den sozialen Beziehungen einer Person;99
5.4.2;5.2 Wie viele soziale Beziehungen hat eine Person?;100
5.4.3;5.3 Wie sind die sozialen Beziehungen einer Person strukturiert?;104
5.4.4;5.4 Integration und Einsamkeit: Wie gut sind die sozialen Beziehungen einer Person?;108
5.4.5;5.5 Was wird in den sozialen Beziehungen einer Person ausgetauscht?;110
5.4.6;5.6 Anwendung: Diagnostik der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern;113
5.4.7;Zusammenfassung;116
6;Teil III: Beziehungen;118
6.1;6 Ehe und Partnerschaft: »Bis dass der Tod Euch scheidet«;120
6.1.1;6.1 Bedeutung und Struktur von Ehe und Partnerschaft im Alter;120
6.1.1.1;6.1.1 Bedeutung von Ehe und Partnerschaft;120
6.1.1.2;6.1.2 Einige statistische Fakten zu Ehe und Partnerschaft;124
6.1.2;6.2 Ehe und Partnerschaft im Alter: Qualität, Konflikte und Unterstützung;126
6.1.2.1;6.2.1 Qualität der Beziehung;126
6.1.2.2;6.2.2 Sexualität;128
6.1.2.3;6.2.3 Gegenseitige Unterstützung;129
6.1.2.4;6.2.4 Konflikte in der Beziehung;130
6.1.2.5;6.2.5 Wohlbefinden und Gesundheit;131
6.1.3;6.3 Auflösung von Partnerschaften im Alter;132
6.1.3.1;6.3.1 Verwitwung;132
6.1.3.2;6.3.2 Scheidung;134
6.1.4;6.4 Bezug zu theoretischen Positionen: Reziprozität in Ehe und Partnerschaft im Alter;135
6.1.4.1;6.4.1 Wie wichtig ist Reziprozität in der Beziehung?;135
6.1.4.2;6.4.2 Pflege und Reziprozität;136
6.1.4.3;6.4.3 Aushandlung und Reziprozität;137
6.1.5;Zusammenfassung;138
6.2;7 Alte Eltern und erwachsene Kinder: »Aus Kindern werden Leute«;140
6.2.1;7.1 Struktur der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern im Alter;140
6.2.1.1;7.1.1 Bedeutung der Eltern-Kind-Beziehung;140
6.2.1.2;7.1.2 Einige statistische Fakten zur Eltern-Kind- Beziehung;144
6.2.2;7.2 Eltern und Kinder im Alter: Qualität, Konflikte und Unterstützung;148
6.2.2.1;7.2.1 Qualität der Beziehung;148
6.2.2.2;7.2.2 Ambivalenzen und Konflikte in der Beziehung;150
6.2.2.3;7.2.3 Gegenseitige Unterstützung;152
6.2.2.4;7.2.4 Wohlbefinden;153
6.2.3;7.3 Bezug zu theoretischen Positionen: Solidarität und Ambivalenz;154
6.2.3.1;7.3.1 Solidarität oder Ambivalenz in Familiengenerationen?;154
6.2.3.2;7.3.2 Schwächt oder stärkt der Staat die Familie?;155
6.2.3.3;7.3.3 Ambivalenz als Prozess, Solidarität als Ergebnis;157
6.2.4;Zusammenfassung;158
6.3;8 Großelternschaft: Beziehungen eines neuen Typus;160
6.3.1;8.1 Struktur der Beziehung zwischen Großeltern und Enkeln;160
6.3.1.1;8.1.1 Einige statistische Fakten zur Großelternschaft;161
6.3.1.2;8.1.2 Bedeutung;163
6.3.2;8.2 Beziehung zwischen Großeltern und Enkeln: Qualität und Betreuung;167
6.3.2.1;8.2.1 Qualität der Beziehung;167
6.3.2.2;8.2.2 Betreuung der Enkel durch die Großeltern;170
6.3.3;8.3 Bezug zu theoretischen Positionen: Großeltern und Enkel;172
6.3.3.1;8.3.1 Wie wichtig ist Reziprozität in der Beziehung?;172
6.3.3.2;8.3.2 Welche Rolle spielt Ambivalenz in der Beziehung?;173
6.3.4;Zusammenfassung;175
6.4;9 Geschwister: Lebenslange Vertrautheit und Konkurrenz;177
6.4.1;9.1 Struktur der Beziehungen zwischen Geschwistern im Alter;177
6.4.1.1;9.1.1 Geschichtliche Entwicklung;177
6.4.1.2;9.1.2 Einige statistische Fakten zu Geschwister-beziehungen;179
6.4.2;9.2 Geschwister im Alter: Qualität, Konflikte und Unterstützung;181
6.4.2.1;9.2.1 Qualität der Beziehung;181
6.4.2.2;9.2.2 Gegenseitige Unterstützung;184
6.4.2.3;9.2.3 Unterstützung hilfe- und pflegebedürftiger Eltern;186
6.4.3;9.3 Bezug zu theoretischen Positionen: Geschwister im Alter;187
6.4.3.1;9.3.1 Wird die Beziehung im Alter bedeutsamer?;187
6.4.3.2;9.3.2 Wie wichtig ist Bindung in der Beziehung?;188
6.4.4;Zusammenfassung;189
6.5;10 Freunde und Nachbarn;191
6.5.1;10.1 Struktur der Beziehung zwischen Freunden und Nachbarn im Alter;191
6.5.1.1;10.1.1 Bedeutung;191
6.5.1.2;10.1.2 Einige statistische Fakten zu sozialen Netzen im Alter;193
6.5.2;10.2 Beziehung zu Freunden im Alter: Qualität, Konflikte und Unterstützung;195
6.5.2.1;10.2.1 Gegenseitige Unterstützung;195
6.5.2.2;10.2.2 Wohlbefinden und Gesundheit;199
6.5.3;10.3 Bezug zu theoretischen Positionen: Freunde und Nachbarn im Alter;201
6.5.3.1;10.3.1 Reziprozität in Freundschaften und Nachbarschaftsbeziehungen;201
6.5.3.2;10.3.2 Werden Freunde und Nachbarn im Alter in Zukunft bedeutsamer?;201
6.5.4;Zusammenfassung;202
7;Teil IV: Probleme und Interventionen;204
7.1;11 Isolation und Einsamkeit;206
7.1.1;11.1 Begriffe: Alleinleben, Alleinsein, Isolation, Einsamkeit;206
7.1.2;11.2 Entwicklung von Alleinleben, Alleinsein, Isolation und Einsamkeit im Alter;208
7.1.2.1;11.2.1 Alleinleben;208
7.1.2.2;11.2.2 Alleinsein;210
7.1.2.3;11.2.3 Einsamkeit;210
7.1.3;11.3 Kulturvergleichende und historische Perspektiven;212
7.1.3.1;11.3.1 Einsamkeit in unterschiedlichen Gesellschaften;212
7.1.3.2;11.3.2 Einsamkeit im sozialen Wandel;213
7.1.4;11.4 Risikofaktoren und theoretische Modelle der Einsamkeit;214
7.1.4.1;11.4.1 Soziale Beziehungen und soziale Unterstützung;214
7.1.4.2;11.4.2 Gesundheit;215
7.1.4.3;11.4.3 Psychische Ressourcen;216
7.1.4.4;11.4.4 Theoretische Modelle;216
7.1.5;11.5 Interventionsmaßnahmen gegen Einsamkeit;217
7.1.6;Zusammenfassung;220
7.2;12 Pflege;222
7.2.1;12.1 Leistungen familiärer und privater Netzwerke im Bereich Pflege;222
7.2.1.1;12.1.1 Grunddaten;222
7.2.1.2;12.1.2 Häusliche Hilfe- und Pflegearrangements;224
7.2.1.3;12.1.3 Verfügbarkeit und Bereitschaft zur Übernahme von Pflegeverantwortung;227
7.2.1.4;12.1.4 Belastung familiärer und ehrenamtlicher Pflegepersonen;228
7.2.2;12.2 Unterstützungsangebote für familiäre und ehrenamtliche Pflegepersonen;231
7.2.2.1;12.2.1 Inanspruchnahme von Unterstützungs-angeboten;231
7.2.2.2;12.2.2 Ungedeckter Bedarf und unzureichende Nutzung von Angeboten;232
7.2.2.3;12.2.3 Maßnahmen zur Unterstützung familiärer und privater Pflegepersonen;234
7.2.3;Zusammenfassung;236
7.3;13 Konflikt und Gewalt;238
7.3.1;13.1 Entstehung von Gewalt;238
7.3.1.1;13.1.1 Entstehung von Gewalt im öffentlichen Raum;238
7.3.1.2;13.1.2 Entstehung von Gewalt im sozialen Nahraum;240
7.3.1.3;13.1.3 Entstehung von Gewalt in formellen Pflege- und Betreuungssituationen;242
7.3.2;13.2 Interventionsmöglichkeiten angesichts von Konflikt und Gewalt;243
7.3.3;Zusammenfassung;247
8;Teil V: Ausblick;248
8.1;14 Soziale Beziehungen alter Menschen im Kulturvergleich;249
8.1.1;14.1 Kultur- und gesellschaftsvergleichende Forschung;250
8.1.1.1;14.1.1 Grundsätze kultur- und gesellschaftsvergleichender Forschung;250
8.1.1.2;14.1.2 Theoretische Position: kulturelle Syndrome;252
8.1.1.3;14.1.3 Theoretische Position: Wohlfahrtsstaatsvergleich;254
8.1.2;14.2 Kulturvergleichende Forschung und Gestaltung von Rahmenbedingungen;257
8.1.2.1;14.2.1 Rahmenbedingungen für Pflege und Betreuung;258
8.1.2.2;14.2.2 Rahmenbedingungen für Generationensolidarität;260
8.1.3;Zusammenfassung;262
9;Literatur;264
10;Stichwortverzeichnis;294
1 Bedeutung sozialer Beziehungen im Alter
Lernziele In diesem einführenden Kapitel des Buches werden grundlegende Aspekte des Themas erläutert. Dabei wird eine »kontextuelle Entwicklungsperspektive« eingenommen. Entwicklung über den Lebenslauf ist eingebettet in soziale, gesellschaftliche und historische Kontexte. Nach einer kurzen Darstellung der Prinzipien individueller Entwicklung wird die Bedeutung sozialer Beziehungen in unterschiedlichen Lebensabschnitten dargestellt (Perspektive des Lebenslaufs bzw. der Lebensspanne). Danach wird die Bedeutung des historischen Kontextes für die sozialen Netze behandelt. Dabei geht es um die sozialen Beziehungen alter Menschen zu früheren Zeiten (diachronischer Vergleich: Blick zurück in die Geschichte). 1.1 Einleitung
Wenn wir älter werden, werden wir gemeinsam mit anderen Menschen älter. Altern ist zwar in erster Linie ein individueller Prozess, in dessen Verlauf ein Individuum körperliche und psychische Veränderungen erlebt. Individuen sind aber in ein Geflecht von sozialen Beziehungen eingebettet, so dass Altwerden auch ein sozialer Prozess ist. In langjährigen Partnerschaften werden beide Partner gemeinsam älter. Eltern, die ein hohes Alter erreichen, haben Kinder, die im mittleren oder reifen Erwachsenenalter sind und die möglicherweise selbst Kinder haben. Freunde können gemeinsam älter werden und sehen dies sehr deutlich, wenn sie sich nur selten sehen. Wer als »Single« älter wird, ist vielleicht in Beziehungen zu Geschwistern, Nichten und Neffen, Freunden und Nachbarn eingebettet. Und natürlich können Partnerschaften, Freundschaften und Bekanntschaften auch im Lebensabschnitt Alter neu entstehen, vielleicht von Alt zu Alt, vielleicht aber auch von Alt zu Jung. 1.1.1 Typen sozialer Beziehungen
Von den sozialen Beziehungen älter werdender und alter Menschen handelt dieses Buch. Es wird darin um die verschiedenen Formen von Beziehungen gehen, die alte Menschen zu anderen haben, und es wird gezeigt, von welchen Faktoren diese Beziehungen beeinflusst werden. Unterschiedliche Beziehungen haben unterschiedliche Bedeutungen: Gerade in Beziehungen zu älter werdenden Familienmitgliedern geht es um Zuneigung, Vertrauen und gegenseitige Unterstützung. Allerdings sollen nicht allein die guten, positiven und harmonischen Seiten von Beziehungen in den Blick genommen werden. Beziehungen zu anderen Menschen können auch belastend und durch Konflikte gekennzeichnet sein. Die folgenden Fragen werden gestellt: Welche Beziehungstypen sind im Alter wichtig: Beziehungen zu Partnern, Kindern, Enkeln, Geschwistern, Freunden?
Wie funktionieren Beziehungen im Alter: Gelten dieselben Prinzipien wie im Jugendalter oder im mittleren Erwachsenenalter – oder andere?
Und wo liegen Probleme? Sind alte Menschen häufiger einsam als Jüngere? Wie wichtig sind soziale Beziehungen im Fall von Pflegebedürftigkeit?
Wenn in diesem Buch über soziale Beziehungen gesprochen wird, so wird eine sehr einfache Definition zugrunde gelegt. Eine soziale Beziehung liegt dann vor, wenn mindestens zwei Personen ihr Denken, Fühlen und Handeln wechselseitig aufeinander beziehen. Von den sehr unterschiedlichen Arten sozialer Beziehungen werden in dem vorliegenden Buch die folgenden genauer betrachtet werden: Beziehungen zwischen Partnern,
Beziehungen zwischen Eltern und Kindern,
Beziehungen zwischen Großeltern und Enkelkindern,
Beziehungen zwischen Geschwistern sowie
Beziehungen zwischen Freunden, Nachbarn und Bekannten.
Die meisten sozialen Beziehungen beruhen auf sozialen Interaktionen. Beispiele für soziale Interaktionen sind Gespräche, gemeinsame Unternehmungen, gegenseitige Unterstützung, aber auch Konflikte und Streit. Der (eher seltene) Fall der sozialen Beziehung ohne Interaktion (beispielsweise ein Cousin, den wir noch nie gesehen haben) soll nicht berücksichtigt werden. Unterschiedliche Typen von Beziehungen funktionieren nach unterschiedlichen Regeln. Beispielsweise bringt eine Paarbeziehung andere (und stärkere) Verpflichtungen mit sich als die Beziehung zu einem Wohnungsnachbarn. Während wir uns innerhalb von Familien nicht immer dazu verpflichtet fühlen, eine Hilfeleistung sofort »auszugleichen«, gilt das für Freundschaften sehr viel stärker. 1.1.2 Alter und Altern
Da sich dieses Buch mit sozialen Beziehungen alter Menschen beschäftigt, soll in einem ersten Schritt dargelegt werden, was unter den Begriffen »Alter« und »Altern« zu verstehen ist. Altern bezieht sich auf individuelle Veränderungsprozesse im Verlauf der Lebensspanne, während Alter einen Abschnitt im Lebenslauf meint, dessen Beginn und Bedeutung kulturell recht unterschiedlich aussehen kann (Wahl & Heyl, 2004). »Wenn der Begriff Alter verwendet wird, stehen die älteren Menschen und das Resultat des Altwerdens im Vordergrund, das Alter als Lebensperiode und die Alten als Bestandteil der Gesellschaft. Wenn dagegen von Altern gesprochen wird, liegt der Schwerpunkt auf der Untersuchung von Prozessen und Mechanismen, die zum Alter führen und die dem Altwerden zugrunde liegen« (Baltes & Baltes, 1994).
Individuelle Prozesse des Älterwerdens sind in gesellschaftliche Prozesse des sozialen Wandels eingebettet. Ein wichtiger Aspekt des sozialen Wandels sind demographische Veränderungen, bei denen Veränderungen in der Altersstruktur einer Bevölkerung eine zentrale Rolle spielen. Die durchschnittliche Lebensspanne wird in den meisten Ländern der Welt weiter anwachsen, es wird in Zukunft mehr alte, vor allem mehr hochaltrige Menschen geben als heutzutage, und ihr Bevölkerungsanteil wird größer sein als je zuvor. Ab welchem Lebensalter ein Mensch als hochaltrig bezeichnet wird, hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt: Heutzutage werden Altersgrenzen von 80 oder 85 Jahren gewählt, ab der man vom »hohen Alter« spricht (Wahl & Rott, 2002). In Zukunft wird auch der Umfang nachkommender Generationen kleiner werden. Bereits seit längerem ist in diesem Zusammenhang eine grundlegende Änderung der Familienstrukturen zu beobachten, die sich auch weiter fortsetzen wird. In Zukunft wird es mehr hochaltrige Familienmitglieder und möglicherweise mehr zur gleichen Zeit lebende Generationen geben, als dies heute der Fall ist. Zugleich ist ein Wandel in den Lebensläufen und Lebensplanungen zu verzeichnen, der auch Auswirkungen auf die Ausgestaltung und Bedeutung sozialer Beziehungen hat. Nachbarn, Freunde und Bekannte sind wichtige soziale Netzwerkpartner – und ihre Relevanz wird in Zukunft ansteigen. Die hier angedeuteten Veränderungen werden nicht allein für die sozialen Netzwerke älter werdender Menschen von Belang sein. Vielmehr sind sie Ausdruck eines andauernden Prozesses, der in die Gesellschaft insgesamt eingreift und diese nachhaltig verändert. 1.2 Bedeutung von Familienbeziehungen im Lebenslauf
Die Bedeutung sozialer Beziehungen im Lebenslauf soll zunächst anhand des sogenannten »klassischen Familienzyklus« verdeutlicht werden (Schmidt-Denter, 2005), also dem Verlauf des Lebens im Rahmen von Familienbeziehungen. Hierbei ist zu bedenken, dass dieser Familienzyklus aus historischer Perspektive sehr modern ist. Er ist erst im 20. Jahrhundert entstanden, und es ist keineswegs ausgemacht, dass dieser klassische Familienzyklus im 21. Jahrhundert weiterbestehen wird. In den letzten Jahrzehnten sind sehr unterschiedliche Formen des Familienlebens entstanden, so dass der hier skizzierte Verlauf nur als »idealtypisch« bezeichnet werden kann. Viele Lebensläufe sind durch diesen klassischen Familienzyklus nicht zu beschreiben – wir werden später noch einmal darauf eingehen. 1.2.1 Familien als Beziehungsnetze
Wenn ein Kind geboren wird, gehört es sofort zu einem bereits existierenden Netzwerk von Familienmitgliedern: Mutter und Vater, eventuell auch Geschwister und Großeltern, nicht selten auch Tanten und Onkel. Hierbei unterscheiden sich diese Beziehungen in der Bedeutung für das Kind ganz wesentlich. Mutter und Vater sind für das Kind diejenigen Personen, zu denen eine vertraute und sichere Bindung aufgebaut wird, was eine bedeutsame Voraussetzung für aktives Explorationsverhalten und stabile emotionale Bindungen in späteren Abschnitten des Lebenslaufs ist (Grossmann & Grossmann, 2001). Die Eltern versorgen das Neugeborene aber nicht nur, sondern versuchen auch über Lob (und Strafe) das Verhalten des Kindes zu beeinflussen. Eltern kontrollieren Ressourcen, sie erlauben und verbieten. In diesem Sinn sind die Beziehungen zwischen dem Kind und seinen Eltern asymmetrisch und hierarchisch. Im Gegensatz dazu sind die Beziehungen zu Geschwistern mit Blick auf Kompetenzen, Ressourcen und Interaktionen relativ ausgeglichen und symmetrisch. Dies kann auf der einen Seite eine hohe Intimität bedeuten, andererseits aber mit Konkurrenz und Konflikten verbunden sein. Geschwister sind diejenigen Personen, zu denen eine der am längsten dauernden Beziehungen im Lebenslauf besteht. Die Geschwisterbeziehung kann sich im Lauf des Lebens erheblich verändern, was Nähe und Qualität der Beziehung betrifft. Neben die Geschwister treten Gleichaltrige, mit denen ein Kind im Kindergarten, in der Schule oder im Sportverein Kontakt hat und die zu Freunden werden können, bisweilen für ein ganzes Leben. Die Interaktionen zwischen Enkeln und Großeltern zeichnen sich dadurch aus, dass Großeltern in...