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E-Book

E-Book, Deutsch, 310 Seiten, Format (B × H): 165 mm x 240 mm

Thomas Interkulturelle Psychologie

Verstehen und Handeln in internationalen Kontexten

E-Book, Deutsch, 310 Seiten, Format (B × H): 165 mm x 240 mm

ISBN: 978-3-8409-2660-0
Verlag: Hogrefe Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Internationale Projekte, berufliche Auslandsaufenthalte, Betreuung und Beratung von Migranten: In vielen Bereichen ist es wichtig, angemessen mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis umzugehen. Um diese Herausforderung erfolgreich zu meistern, sind interkulturelles Verständnis und interkulturelle Handlungskompetenz erforderlich. Die Interkulturelle Psychologie liefert hierfür grundlegendes Wissen, auf dessen Basis Handlungsstrategien abgeleitet werden können.
Dieses Buch beleuchtet auf der Grundlage von psychologischen Theorien und Forschungsergebnissen die psychischen Prozesse, die beim Aufeinandertreffen von Menschen aus verschiedenen Kulturen beteiligt sind: Wie entstehen Selbst- und Fremdbild? Wie entwickeln sich Fremdverstehen und interkulturelles Lernen? Welche Aspekte der interpersonalen Interaktion, wie soziale Vergleiche, Gerechtigkeit, Macht und soziale Netzwerke beeinflussen das Verhalten? Anhand von Fallbeispielen werden typische interkulturelle Begegnungssituationen geschildert und analysiert. Weitere Kapitel thematisieren, wie interkulturelle Handlungskompetenz entsteht, und zeigen Möglichkeiten auf, diese anhand von interkulturellen Trainings zu fördern.
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Zielgruppe


Psychologen, Studierende und Lehrende der Psychologie, Fach- und Führungskräfte mit interkulturellen beruflichen Kontakten, Personen, die in Bereichen mit interkulturellen Begegnungen tätig sind


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Interkulturelle Psychologie;1
1.1;Vorwort;7
1.2;Inhaltsverzeichnis;9
2;1Einführung: Kultur und interkulturelle Interaktion;13
2.1;1.1Zwei Beispiele;13
2.2;1.2 Kultur als bedeutungshaltiges und sinnstiftendes Orientierungssystem;19
2.3;1.3Interkulturelles Verstehen;21
2.4;1.4Interpersonale Begegnung als interkulturelles Handeln;24
2.5;1.5Interkulturelle Handlungskompetenz;26
2.6;1.6Kulturstandards;32
3;2 Interkulturelles Handeln und psychologische Prozesse;47
4;3 Entwicklung des Selbstbildes, des Fremdbildes und des vermuteten Fremdbildes;61
4.1;3.1Soziale Wahrnehmung;62
4.2;3.2Fallbeispiel: Vorbereitung wissenschaftlicher deutsch-französischer Symposien;65
4.3;3.3Eindrucksbildung und Attribution;80
4.4;3.4Soziale Orientierung: Stereotype, Vorurteile, Stigmatisierung, Diskriminierung;88
4.5;3.5Theorie der sozialen Identität;92
4.6;3.6Schemata-basierte Informationsverarbeitung;95
4.7;3.7Reaktionen auf interpersonale Interaktionen;99
4.8;3.8Theorie des überlegten Handelns;108
4.9;3.9Selbstwahrnehmung;110
4.10;3.10Selbstdarstellung und Impression Management;112
5;4Entwicklung des Fremdverstehens;118
5.1;4.1Fallbeispiele zum interkulturellen Verstehen;118
5.2;4.2 Probleme und Möglichkeiten des interkulturellen Verstehens;125
5.3;4.3Interkulturelle Lernmotivation;129
5.4;4.4Interkulturelles Lernen und Lernstrategien;132
5.5;4.5Perspektivenübernahme;143
5.6;4.6Gemeinsame Wissenskonstruktion;147
6;5Entwicklung und Wirkungen interpersonaler Interaktionsprozesse in interkulturellen Kontexten;150
6.1;5.1Grundlegende Prozesse sozialer Interaktion;150
6.2;5.2Sozialer Vergleich;163
6.3;5.3Gerechtigkeit;174
6.4;5.4Soziale Interdependenz;184
6.5;5.5Macht und soziale Dominanz;193
6.6;5.6Soziale Netzwerke;208
6.7;5.7Personale und soziale Konflikte;221
6.8;5.8Soziale Minoritäten;231
7;6 Stress und Stressbewältigung im Kontext interkulturellen Handelns;236
7.1;6.1Stress als Folge interkulturellen Handelns;236
7.2;6.2 Fallbeispiele im Kontext interkulturell bedingten Stresses;241
7.3;6.3 Copingstrategien;246
8;7Entwicklung interkultureller Handlungskompetenz;257
8.1;7.1Arten interkultureller Handlungskompetenz;257
8.2;7.2Fallbeispiel: Eventplanung;260
8.3;7.3Aufbau interkultureller Handlungskompetenz;263
8.4;7.4Lernschritte bei der Entwicklung interkultureller Handlungskompetenz;264
9;8Interkulturelle Trainings;271
9.1;8.1Konzepte und Methoden interkultureller Trainings;272
9.2;8.2Beispiel für ein Trainingsmodul;277
9.3;8.3Weitere Inhalte interkultureller Trainings;281
9.4;8.4Einsatz von interkulturellen Trainings;284
9.5;8.5Interkulturelle Expertise;286
10;9Interkulturelle Psychologie in der Praxis;288
10.1;9.1Praxisfelder;289
10.2;9.2Aneignung von interkultureller Kompetenz;292
11;Nachwort;297
12;Weiterführende Literatur;298
13;Literatur;302


3 Entwicklung des Selbstbildes, des Fremdbildes und des vermuteten Fremdbildes (S. 59-60)

Eine zentrale Fähigkeit des Menschen, die schon von früher Kindheit an erworben wird, besteht darin, sich immer wieder sehr schnell ein klares, möglichst realistisches und stimmiges Bild von seiner Umwelt zu verschaffen. Der Handelnde selbst, seine Mitmenschen und seine belebte und unbelebte Umwelt sind ständig in Änderung und Wandlung begriffen. Viele dieser Veränderungen vollziehen sich nur relativ langsam, z. B. Haarfarbe, Längenwachstum, und oft unbemerkt, z. B. Veränderungen der inneren Organe; andere verändern sich sehr schnell, wie z. B. Mimik und Stimmlage. In der Regel bietet sich jedem Menschen zu jeder Zeit eine solche Fülle von Informationen, dass er darin hilflos jede Orientierung verlieren müsste. Aber selbst in Situationen, in denen uns alles unbekannt ist, z. B. das Betreten der Lobby eines Hotels, in dem wir noch nie waren, und das durch Klingeln Herbeirufen des Rezeptionisten, den wir noch nie im Leben gesehen haben, irritiert uns die Informationsfülle in keiner Weise. Wir sind Herr der Lage, und uns wird nach wenigen Minuten ein Gästezimmer zur Übernachtung gezeigt. Dieses Ritual des Eincheckens im Hotel funktioniert sogar weltweit meist problemlos und verläuft fast immer in gleicher Weise ab. Möglich wird dieses sehr effektive Handeln dadurch, dass wir aufgrund eigener Erfahrungen oder vom Hörensagen ein Hotel-Eincheck-Skript/Schema verinnerlicht und soweit abstrahiert haben, dass es, falls nötig, sofort aktiviert werden kann. Es lässt uns deshalb handlungsfähig werden, weil wir in der Lage sind, eine Fülle von Informationen zu registrieren, aber gleichzeitig sehr schnell Wichtiges von weniger Wichtigem und Unwichtigem unterscheiden und uns nur noch auf die Informationen konzentrieren können, die uns zur Erreichung des Handlungsziels bedeutsam erscheinen. Im Zusammenhang mit dem Prozess der interpersonalen Begegnung zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen spielt eine Fülle sozialpsychologischer Vorgänge eine bedeutsame Rolle, die mit den Begriffen soziale Wahrnehmung, Eindrucksbildung, soziale Orientierung, soziale Attraktion und Identität firmieren und die für die Entwicklung des Selbstbildes, des Fremdbildes und des vermuteten Fremdbildes sowie der Interdependenzen zwischen diesen Bildern für das soziale Handeln wichtig sind. Diese Vorgänge werden in den folgenden Abschnitten erläutert.

Begriffsklärung: Selbstbild, Fremdbild, vermutetes Fremdbild • Das Selbstbild (Selbstkonzept) enthält all diejenigen Kognitionen und Emotionen, die das Individuum sich selbst zuschreibt.
• Das Fremdbild (Fremdkonzept) enthält alle Kognition und Emotionen, die das Individuum fremden Personen, also solchen, die nicht zum vertrauten sozialen Umfeld gehören, zuschreibt.
• Das vermutete Fremdbild enthält alle Kognition und Emotionen, von denen das Individuum annimmt, dass sie das Bild bestimmen, dass sich sein Gegenüber von ihm macht.

3.1 Soziale Wahrnehmung

Interkulturelles Handeln im hier diskutierten Sinne ist immer soziales Handeln, und dies unter spezifischen Kontextbedingungen: Handeln in kulturellen Überschneidungssituationen. Wenn auch, wie bereits bemerkt, im Handlungsvollzug Vieles gleichsam automatisch abläuft, also nicht mehr bewusstseinspflichtig ist, und die einzelnen Ablaufprozesse in der Regel keiner besonderen Aufmerksamkeit mehr bedürfen, kommt es doch häufig zu Irritationen mit der Folge, dass ein Vorgang, der zunächst normal verläuft, sich zu einer kritischen Interaktionssituation entwickelt. Das allein ist Grund genug, einmal genauer zu untersuchen, wie die strukturellen, besonders aber auch die prozessualen Bedingungen der sozialen Wahrnehmung und der sie begleitenden Kognition beschaffen sind. Dabei wird nicht so sehr der Wahrnehmungsvorgang selbst betrachtet, sondern die Beziehungen zwischen der Kognition und den erfahrungsrelevanten und handlungsrelevanten Aspekten aufseiten des Handelnden und der von ihm wahrgenommenen Situation.

Wahrnehmungsvorgänge vollziehen sich nicht zufällig oder beliebig, sondern beginnen mit einer Erwartungshypothese, die der Beobachter aufgrund seiner im Gedächtnis abgespeicherten Erfahrungen aktiviert. Die Erwartungshypothese entscheidet darüber, was aus der Vielzahl an verfügbaren Informationen aufgenommen wird. Es können mehrere Hypothesen aktiviert werden, die dann in eine Rangordnung gebracht werden. Die Erwartungshypothesen können zudem unterschiedliche Stärken aufweisen. Je stärker eine Hypothese ist, desto weniger Informationen bedarf es zu ihrer Bestätigung. Von entscheidender Bedeutung für den Wahrnehmungsvorgang ist also die Hypothesenstärke. Starke Hypothesen werden eher aktiviert, ihre Dominanz ist besonders groß, sie sind resistent gegen Änderungsversuche und es bedarf vieler Reizinformationen, um sie zu widerlegen. Auch die Motivationslage wird im Sinne Hypothesen-unterstützender Tendenzen beeinflusst. Sind keine Hypothesen-unterstützenden Informationen aus der Situation ableitbar, können auch soziale Bindungen, z. B. an eine Gruppe, Hypothesen-unterstützend wirken. Jede interpersonale Begegnung im Rahmen einer kulturellen Überschneidungssituation wird aus der Sicht beider Partner bestimmt von Erwartungshypothesen, die sie in die Wahrnehmungssituation mit einbringen, und damit werden alternative Hypothesen auf eine Alternative reduziert, was dann zur Unterstützung oder Widerlegung der Wahrnehmungshypothese führt.


Prof. em. Dr. Alexander Thomas, geb. 1938. Studium der Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaft an den Universitäten Köln, Bonn und Münster. 1979-2005 Professor für Sozialpsychologie und Organisationspsychologie an der Universität Regensburg. Forschungsschwerpunkte: internationales Management, Ausbildung und Förderung von Auslandspersonal (interkulturelles Training und Beratung), Teamarbeit und Teamentwicklung.


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