E-Book, Deutsch, 544 Seiten
Reihe: Narr Studienbücher
Thormann Tatort Syntax
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-381-12103-8
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Authentizitätsfeststellung in der forensischen Linguistik
E-Book, Deutsch, 544 Seiten
Reihe: Narr Studienbücher
ISBN: 978-3-381-12103-8
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dieses Buch versteht sich einerseits als Lehrbuch für die forensische Linguistik. Zugleich ist es ein praxisorientierter Leitfaden zur Identifizierung anonymer Textverfasser:innen über ihre Sprachmuster. Anhand vieler Beispiele wird veranschaulicht, welch vielschichtige Informationen Texte und Sätze über ihre Verfasser:innen preisgeben. Im Vordergrund stehen qualitative Verfahren, in deren Rahmen auch eine sinnvolle Kodierung vorgestellt wird, die sich in der langjährigen Praxis der Autorin als öffentlich bestellte und vereidigte Gutachterin bewährt hat. Dieser verständliche und unverzichtbare Leitfaden enthält ein umfangreiches Glossar der Fachbegriffe, befasst sich auch mit der aktuellen Frage nach KI-generierten Texten und wendet sich nicht nur an Linguist:innen, sondern auch an Leser:innen aus den Rechtswissenschaften (insbesondere Richter:innen), der Informatik, Psychologie, Kriminologie und Kriminalistik.
Dr. Isabelle Thormann ist seit 2010 öffentlich bestellte und vereidigte (öbuv) Sachverständige für forensische Linguistik, lehrt an der TU Braunschweig forensische Linguistik und ist Verfasserin diverser Veröffentlichungen, u. a. zur forensischen Linguistik und Rechtssprache.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Nomenklatur, Farben, Zeichen, Kästen
Die Nomenklatur, die für das Arbeiten in der forensischen Linguistik empfohlen und im Kapitel zum Markierungssystem bzw. zur Kodierung erklärt wird, wird für alle Arten von Untersuchungen und Gutachten empfohlen und auch in diesem Buch verwendet. Somit macht sich der/die Leser:in beim Lesen dieses Buches gleich – gewissermaßen ohne bewusste Mühe – damit vertraut. Es wird oft um die sog. inkriminierten Texte gehen (die, die mit einer Straftat zu tun haben oder eine Straftat darstellen und/oder von einer Person geschrieben wurden, die anonym bleiben möchte), außerdem um Vergleichstexte. Ich kürze sie ab mit INKR und VGL – ggf. VGL1, VGL2, VGL3 (ohne Leerzeichen zwischen dem „L“ und der Zahl). In diesem Buch gibt es viele Stellen, an denen sich der/die Leser:in entscheiden kann, wie weit er/sie linguistisch in die Tiefe gehen möchte, auch weil sich dieses Buch sowohl an studierte Linguist:innen als auch an andere Berufsgruppen wie Jurist:innen, Polizist:innen, Psycholog:innen, Softwareentwickler:innen usw. richtet. Daher gibt es bestimmte Textteile, welche zwei „Les-Arten“ ermöglichen, und zwar grün für schnelles Erfassen eines linguistischen Phänomens und blau für tieferen Einblick in die syntaktischen Eigenschaften einer Textsequenz Wenn bei einer Textuntersuchung spezielle sprachliche Phänomene festgestellt werden, heißen diese Funde Inzidenzen. Wenn es jedoch wichtig ist zu unterscheiden, ob ein sprachliches Phänomen, z. B. das Plusquamperfekt, in einem untersuchten Text a) überhaupt vorkommt und b) in welcher Weise es vorkommt, wird zusätzlich der Terminus Vorkommensfälle verwendet. Ein Vorkommensfall bedeutet, dass das Phänomen überhaupt vorkommt, und die Inzidenzen sind die einzelnen Fälle, die auch in einer Tabelle mit einer Zahl angegeben werden. Meist genügt jedoch die Angabe der Inzidenzen, und das Wort Vorkommensfall wird gar nicht verwendet. Es kann auch den Fall der Synonymität geben, wenn beispielsweise festgestellt wird: In diesem Text gibt es keinen Vorkommensfall bzw. keine Inzidenz eines freien Dativs oder eines modalen Adverbialsatzes. Wenn bei einer Textanalyse festgestellt wird, dass in einem Text das Plusquamperfekt vorkommt und es beispielsweise einen Fall des Normverstoßes der Art „Plusquamperfekt statt Perfekt“ gibt und einen der Art „Präteritum statt Plusquamperfekt“, wird gesagt, dass es „den Vorkommensfall“ des Plusquamperfekts gibt, und zwar zwei Inzidenzen. Wenn es um die Verwendung eines bestimmten Wortes geht, wird von dem Wort oft – eher linguistisch – als Lexem gesprochen. Wort, Lexem, Lemma Wort ist das umgangssprachliche Wort für das linguistische Wort Lexem. Außerdem gibt es das Wort Lemma (Plural Lemmata), das der wissenschaftliche Ausdruck für die Grundform, die Nennform, das Stichwort (etwa in einem Wörterbuch) ist. Die Unterscheidung zwischen Lemma und Lexem ist in der Lexikografie wichtig; in diesem Buch hingegen wird das Wort Lemma – auch aus Vereinfachungsgründen – selten verwendet. Aber auch in der forensischen Linguistik, nämlich speziell bei den u. a. in der Authentizitätsfeststellung eingesetzten quantitativen Verfahren, ist die Unterscheidung wichtig (? Kap. 1.12.1). Dort werden – hier etwas vereinfacht erklärt – die Lemmata als Token (in Beschreibungen von Texten und in diesem Buch auch als Inzidenzen) bezeichnet und die Lexeme als Types (in Beschreibungen von Texten und in diesem Buch auch als Vorkommensfälle) bezeichnet. Zur Unterscheidung des Plurals Worte und Wörter siehe Kapitel 3.20.5. Wenn ein Beispiel für eine Normabweichung gegeben wird, steht vor dem Satz ein Asterisk (Achtung: nicht „Asterix“!), ein kleines hochgestelltes Sternchen, das in der Linguistik für die Anzeige von etwas Normabweichendem verwendet wird. Wenn innerhalb eines solchen Satzes – fehlerhaft oder auch nur ambig – ein bestimmtes Wort oder eine Wortfolge wichtig ist, ist es/sie rot geschrieben, z. B.: *Das hier ist unser Haupkonzept. *Du hast mir gesagt, dass du dir das wünscht. Sie waren stundenlang draußen, wonach sie sich erst einmal aufwärmen mussten. Das Grillen ist ausgefallen, weil es geregnet hat. Wenn innerhalb einer roten Wortfolge in einem Beispielsatz ein weiteres Wort oder eine Wortfolge wichtig ist (wie im folgenden Beispielsatz die Linksattribution innerhalb der [roten] Apposition), ist dies/e dunkelrot, z. B.: Die Gelenkerkrankung Arthrose, ein das altersübliche Maß übersteigender Gelenkverschleiß, wird oft durch eine übermäßige Belastung wie zum Beispiel Übergewicht ausgelöst. Wenn ein Beispielsatz verkürzt wiedergegeben wird, wird – wie in der wissenschaftlichen Literatur allgemein üblich – das Ausgelassene mit einem in eckigen Klammern stehenden Dreipunkt (auch Auslassungspunkte genannt) wie folgt dargestellt: […]. Was die Schreibweise von Zahlen betrifft, so gab es früher eine Buchdruckerregel, nach der die Zahlen von 1 bis einschließlich 12 als Wörter (also eins, zwei, drei, zwölf) und nicht als Ziffern geschrieben werden sollten, die heute nicht mehr gilt; allerdings halten sich viele ältere Schreiber noch daran. In diesem Buch werden alle Zahlen als Ziffern geschrieben (also 1, 2, 3, 12). Von den Leser:innen dieses Buches wird keine Kenntnis bestimmter Grammatik-Termini erwartet, schon gar nicht einer bestimmten Grammatiktheorie oder gar mehrerer (z. B. Dependenz, Valenz, generative Transformations-, Phrasenstruktur- bzw. Konstituentengrammatik, Chomsky, Glinz, Bondzio, Helbig/Buscha, Flämig, Montague und/oder Saussure, Kopenhagener, Genfer und Prager Schule oder Sprachdidaktik-Theorien). Dieses Buch wird oft anmuten, es wäre ein Grammatik-Lehrbuch – wie ein Grundkurs mit einem Überblick über alles, was in der Grammatik vorkommt. Da es aber ein Buch über die forensische Linguistik mit einem besonderen Fokus auf qualitativen Verfahren zum Zweck der Authentizitätsfeststellung und die wichtige Rolle der Syntax ist, werden nur die für diese Zwecke wichtigen Aspekte beleuchtet. Es wird eine vereinfachte Terminologie verwendet, und das Buch enthält eine vereinfachte Darstellung der Grammatik und speziell der Syntax. Beispielsweise werden die Bezeichnungen Hauptsatz und Nebensatz verwendet. Innerhalb des Themas Nebensätze gibt es wiederum den großen, wichtigen Typ der Inhaltssätze, von denen eine Unterart die – für die Zwecke der Authentizitätsfeststellung – besonders wichtigen (selbsterklärend so genannten) Dass-Sätze sind. Die für das Verstehen der Ausführungen über syntaktische (und morphologische und morphosyntaktische) Phänomene notwendigen Darstellungen und Erläuterungen der Strukturen finden sich in den Kapiteln 3.18.3.2, 5.21 und 8.12.7. Für die Zwecke dieses Buches gibt es FÜNF Satzteile (Subjekt, Prädikat, Adverbial, Objekt und Prädikativ). Von der Bezeichnung Satzteil (maskulin, also der Satzteil) ist zu unterscheiden das Wort „Satzelement“ (welches in einem Satz wie z. B. „Bei der Verbklammer in diesem Satz stehen die Satzelemente weit auseinander.“ vorkommen kann, denn bei den hier genannten Satzelementen kann es sich z. B. um ein Adverbial und ein Verb in einem Nebensatz handeln [z. B. Bei dieser Tat sieht man, dass sie absichtlich, d. h. mit Vorsatz, also trotz der Kenntnis darüber, dass sie verboten bzw. rechtswidrig ist und dass auch jemand verletzt werden könnte, begangen wurde.]). Die Wortarten sind – ebenfalls für die Zwecke dieses Buches etwas vereinfacht – in die folgenden ZEHN Arten unterteilt: Substantiv (auch „Nomen“; Jahr, Haus, Thema, Sand, …), Verb (sehen, lesen, …), Artikel (die, dem, ein, einem, …), Pronomen (ich, Sie, sein, jener, alle, sich, nichts, …), Adjektiv (gut, klein, …), Adverb (die auf Englisch auf -ly endenden; gern, schnell, leider, hier, …), Präposition (in, mit, gegen, wegen, …), Konjunktion (auch „Junktor“; weil, wenn, ob, dass, aber, …), Partikel (ja, doch, aber, hat, nicht, nur, ziemlich, so, sehr), Interjektion (tja, okay, ach, …). Da...