E-Book, Deutsch, Band 1, 400 Seiten
Reihe: Dunkelwelten
Thurner Dunkelwelten 1: Schwarze Saat
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8453-5100-1
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 1, 400 Seiten
Reihe: Dunkelwelten
ISBN: 978-3-8453-5100-1
Verlag: Perry Rhodan digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Seit die Onryonen in der Milchstraße aufgetaucht sind, weiß man über dieses Volk nicht viel - bekannt ist vor allem, dass die Onryonen ihre Zivilisation auf weit verstreuten Dunkelwelten errichtet haben. Dort sind sie vor dem Zugriff der großen Sternenreiche sicher. Die Onryonen auf der Dunkelwelt Jolyona wünschen sich bessere Beziehungen zur Erde, man hofft auf enge Wirtschaftsbeziehungen. Aus diesem Grund reist Perry Rhodan nach Jolyona, er kennt die Onryonen am besten. Auf der Dunkelwelt haben sich seltsame Lebensformen entwickelt, die teilweise in den Tiefen des Planeten existieren. Es stellt sich heraus, dass es Verbindungen zur Erde gibt - und diese reichen Jahrzehntausende in die Vergangenheit. Perry Rhodan stößt auf eine Gefahr, die er selbst vor langer Zeit durch eine Zeitreise ausgelöst hat ...
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Kapitel 2:
Der Schüler
Kahoyte folgte der Herde, und die Herde folgte ihm.
Auf seinem Pfad in die Tiefe des Leuchtdorfes war er umgeben von grün leuchtenden Anuupi der großen Hauptherde. Sie benahmen sich mustergültig und blieben stets in seiner Nähe. So, wie sie es immer taten.
Weil er ein guter Schüler war. Weil er die Bedürfnisse der Tiere verstand und starke Verbundenheit mit ihnen empfand.
Der Pfad wand sich in engen Serpentinen hinab ins Tal, das beinahe unberührt zwischen den Ausläufern des Sagamoyo-Gebirges lag. Der Weg war mühsam zu begehen. Deshalb überließ ihm sein Ausbilder Obanundi immer öfter diese Aufgabe. Nur die Anuupi gaben Licht auf seinem Weg über losen Untergrund.
Hier wuchs kaum etwas. Allein die Wurzeln der allgegenwärtigen Kara-Disteln fanden zwischen den Felsen Halt. Ihre scharfen Blattränder reichten bis zu Kahoytes Hüfte. Hätte er nicht den traditionellen Lederschurz getragen, hätte er längst einige Narben davongetragen.
»Nicht so schnell«, wisperte er, an Dualles gerichtet, dem führenden Anuupi seiner kleinen Flugherde. »Ich verstehe, dass ihr es eilig habt und hungrig seid. Aber ich kann unmöglich mit euch Schritt halten. Bitte habt Verständnis, bitte bleibt bei mir.«
Es waren rituelle Worte, die er zu Dualles sprach. Viele Hüter verwendeten sie gedankenlos. Sie wiederholten sie wie ein Mantra, stetig und ohne den Sinn zu begreifen. Kahoyte hingegen richtete sie bewusst an das Leittier. Und er war sich sicher, dass Dualles ihn verstand.
Er rutschte auf einem Geröllhaufen aus, nur mit Mühe wahrte er das Gleichgewicht. Mehrere Steine klackerten links von ihm in die Tiefe. Erst nach langen Sekunden blieben sie liegen, unten, in der lichtgebenden Heiligkeit des Tals.
Kahoyte erreichte die nächste Spitzkehre, atmete kurz durch und setzte dann seinen Weg fort. Weitere sieben steile Abschnitte lagen vor ihm. Er würde ein breites Feld mit Kara-Disteln queren müssen, dann ein schmales, aber reißendes Bachbett und mehrere heimtückische Geröllfelder. Die schlimmsten Teilstrecken hatte er allerdings bereits hinter sich gebracht.
Das Armbandkom gab Laut. Widerwillig nahm Kahoyte das Gespräch an und blickte ins ernste, alterszerfurchte Gesicht seines Lehrmeisters. Das Holo-Bild Obanundis leuchtete gespensterhaft in der Beinahe-Dunkelheit. Augenblicklich näherten sich einige neugierige Anuupi.
»Du hast es bald geschafft, nicht wahr?«, fragte der alte Mann. »Du solltest dir mehr Zeit für deine Wege nehmen und die Gelegenheit zur Kontemplation nutzen.«
»Ich denke immer an die Arbeit, Herr«, gab Kahoyte zur Antwort. »Es vergeht keine Minute, keine Sekunde, in der ich nicht in Gedanken bei den Tieren meiner Herde bin.«
»Dann hast du den Sinn des Abstiegs nicht verstanden, Sohn. Du sollst über dich selbst nachdenken. Entlasse die Anuupi ruhig für eine Weile aus deiner Kontrolle. Du wirst sie im Leuchtdorf wiederfinden – und sie werden bereits satt sein, wenn du unten ankommst. Umso leichter wirst du sie beim Aufstieg kontrollieren können.«
Kahoyte hasste es, wenn ihn der Alte »Sohn« nannte. Sie waren nicht verwandt. Sie waren ein ungleiches Paar, das von der Hüter-Kammer miteinander verbunden worden war. Damals, als er seine Ausbildung begonnen hatte.
»Verzeih, Obanundi«, sagte Kahoyte und senkte ehrerbietig seinen Kopf in Richtung des Holos. »Aber ich möchte mit meinen Tieren üben, wann immer ich die Gelegenheit dazu finde.«
»Du bist der ehrgeizigste Schüler, den ich jemals hatte. Das freut mich. Aber du musst auch auf dich achten. Du darfst dich als Person nicht verleugnen. Du musst zu dir selbst finden. Nur dann wirst du ein wirklich guter Hüter werden.«
Einige Anuupi der Hauptherde gerieten ins Blickfeld der dreidimensionalen Aufnahme. Der Alte vertrieb sie mit einigen lässigen Handbewegungen, sie entfernten sich mit eleganten Bewegungen ihrer Flugnesseln.
Wie machte er das bloß? Wie schaffte er es, diese neugierigen Tierchen einfach so zu bändigen und sie mithilfe improvisierter Bewegungen zu beeinflussen?
»Ich erwarte dich in sechs Stunden zurück«, sagte Obanundi.
»Ich kann bereits in drei Stunden bei dir sein, Herr.«
»Nein, Kahoyte. Ich verlange, dass du dir im Leuchtdorf eine Pause gönnst. Dass du ruhst. Dass du die Anuupi für eine Weile aus dem Herdenverbund entlässt. Auch sie brauchen ein wenig individuellen Freiraum.«
»Aber Herr ...«
»Keine Widerrede! Du wirst dir diese Zeit nehmen.«
Das Holo über dem Armbandkom erlosch, die Anuupi rings um Kahoyte wichen ein Stück zurück.
Er schaltete das verdammte neumodische Ding aus und blickte zu Boden. Es war zwar niemand in der Nähe. Doch auch vor sich selbst wollte er das Zornesrot seines Emots verbergen. Es leuchtete grell zwischen seinen Augen, und nicht zum ersten Mal verfluchte er seine Unfähigkeit, die Farbe des Gefühlsorgans verbergen oder verfälschen zu können.
Er mochte Obanundi nicht. Hatte ihn immer verachtet. Verabscheute seine progressiven Ansichten.
Wie kam der alte Hüter nur dazu, ihm ein Armbandkom aufzuzwingen? Dieses moderne technische Zeug, das mit dem Zuzug der Emotlosen auf Jolyona immer breitere Verwendung fand?
Die Anuupi gehörten so gelenkt, wie es schon immer geschehen war. Ein Hüter hatte im Einklang mit den biolumineszierenden Tieren zu sein, immer und jederzeit. Die Herde hatte kein Anrecht auf Phasen der Unkontrolliertheit, wie es Obanundi vorschlug. Und er als Hüter musste jederzeit über die Anuupi herrschen. So, wie es seit Ewigkeiten geschah.
Kahoyte setzte seinen Weg fort. Dualles wirkte ein wenig irritiert, doch er fing sich rasch und setzte sich an die Spitze der kleinen Flugherde.
Er erreichte das Leuchtdorf weit vor der Zeit und ließ sich zwischen schroffen Felsen nieder. Wie es ihm befohlen worden war, gab er den Anuupi Freiraum. Dualles war allerdings angehalten, die Flugherde nicht weiter als fünfzig Schritte von Kahoyte wegzusteuern.
Er beugte sich hinab, hielt eine Hand vor den Mund und aß ein wenig vom Süßbrot. Hier unten war die Gefahr denkbar gering, beobachtet zu werden. Aber auch im Tal galten die üblichen Konventionen. Nahrungsaufnahme war eine überaus intime Tätigkeit, die nicht einmal die Anuupi zu sehen brauchten.
Seine Herde kreiste aufgeregt über einer der vielen röhrenförmigen Öffnungen des Leuchtdorfes. Sie strahlten allesamt hell in der immerwährenden Dunkelheit Jolyonas und gaben dabei eine fast unangenehme Hitze ab. Kahoyte hielt sich so gut es ging von den Schloten fern, die tief in den Boden reichten und vulkanischen Ursprungs waren.
Seit der Ankunft der Onryonen auf dieser Dunkelwelt und deren Urbarmachung hatten die Hüter die Leuchtdörfer aufgesucht und ihre Tiere gefüttert. Aus einer Laune der Natur war der Schwefeldioxid- und Ammoniakgehalt im Umfeld der Leuchtdörfer gering. Stattdessen gab es vermehrt Fluorwasserstoffe und Edelgase, die nahe den Röhren die Ansiedlung von Bakterien förderten. Solche, die den Anuupi besonders gut mundeten und sie dick und fett werden ließen.
Kahoyte beendete seine Mahlzeit und packte das übriggebliebene Süßbrot weg. »Dualles!«, flüsterte er leise, tat eine Fingerbewegung – und augenblicklich kam das Leittier mit eleganten Bewegungen seines Steuerschirms herangeschwebt.
Kahoyte streckte seine Rechte aus, der Anuupi ließ sich sachte darauf nieder. Wie immer war ein leichtes Kribbeln zu spüren. Geringste Verätzungen und Verbrennungen waren die Folge. Ein jeder Hüter besaß Ätzspuren auf den Handinnenflächen. Ein aufmerksamer Beobachter konnte anhand dieser Narben einen Hüter erkennen.
»Du bist so schön«, sagte Kahoyte leise – und augenblicklich reagierte das Tier. Das Grün bekam einen Gelbstich, der von einem Kranz kräftigen Rots ergänzt wurde. Dualles bewies ihm seine Zuneigung.
Mehr als jedem anderen Hüter, den Kahoyte kannte. Niemand war so gut wie er im Umgang mit diesen wunderbaren Tieren, die dem Volk der Onryonen so viel bedeuteten und auch so viel schenkten.
Licht. Wärme. Zuneigung. Nähe. Respekt ...
Die Liste ließ sich beinahe endlos lange fortsetzen – und doch wurde sie in letzter Zeit von jenen Onryonen in Frage gestellt, die in den Betonburgen der großen Städte saßen. Sie ignorierten die uralten Traditionen. Sie passten sich stattdessen dem Pulsschlag wirtschaftlichen und politischen Lebens in der heimatlichen Milchstraße an.
Dualles spürte seinen Zorn. Der Anuupi zog den Körperschirm zusammen, bis er wie ein verrunzelter Reinigungsschwamm aussah, und stieß sich durch einen explosiven Ausstoß von Luft von ihm ab. Sofort blähte sich der Schirm wieder auf. Der körpereigene Chemiebaukasten ließ gespeichertes Helium frei, das dem Tier Auftrieb gab. Dualles trieb davon, seiner Herde entgegen.
Kahoyte schloss die Augen. Er hatte wieder einmal einer Stimmungsschwankung nachgegeben und damit einen der schlimmsten Fehler als angehender Hüter begangen. Je weniger man seine negativen Gefühle über das Emot ausdrückte, desto besser gehorchten die Anuupi.
Obanundi hatte in mancherlei Hinsicht recht. Er musste sich um die eigene Entwicklung kümmern und sich selbst kontrollieren lernen. Doch die Arbeit mit diesen wundersamen und wunderbaren Wesen war ihm nun einmal wichtiger! Er wollte die Anuupi besser kennenlernen, als es jemals einem Bewohner Jolyonas gelungen war.
Kahoyte blickte auf die Uhr des Armbandkoms. Er musste noch zwei Stunden in der Ansiedlung verbringen, wollte er dem Wunsch seines Lehrherrn entsprechen.
Er stand auf und begann eine...




