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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 329 Seiten

Reihe: Mord am Hellweg

Tursten / Adler-Olsen / Wollenhaupt Mords.Metropole.Ruhr

Mord am Hellweg V

E-Book, Deutsch, Band 5, 329 Seiten

Reihe: Mord am Hellweg

ISBN: 978-3-89425-818-4
Verlag: GRAFIT
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Alle zwei Jahre lädt das Krimifestival 'Mord am Hellweg' Top-Autoren der Krimiszene ein, für einen Geschichtenband exklusiv Mordtaten zu ersinnen. Im Jahr 2010 mit einem besonderen Akzent, denn 'wir' waren Kulturhauptstadt. So ist die internationale Crème de la Crème der Spannungsliteratur der Einladung gefolgt und hat Orte wie Fröndenberg, Bönen, Lüdenscheid, aber auch Bochum, Gelsenkirchen und Essen aufgesucht, um diesen Städten verbrecherisch ein Denkmal zu setzen. Aus 17 Ländern sind angereist: Jussi Adler-Olsen, Esmahan Aykol, Luc Deflo, Osman Engin, Bernhard Jaumann, Aevar Örn Josepsson, Andrej Kurkow, Petros Markaris, Thomas Raab, Taavi Soininvaara, Helene Tursten, Domingo Villar, Louise Welsh und viele mehr.
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Weitere Infos & Material


Jussi Adler-Olsen: Der Spalt von Lünen
Xavier-Marie Bonnot: Die Femerichter von Ahlen
Louise Welsh: Das Spiegelbild von Unna
Domingo Villar: Die Bestie von Oelde
Maj Sjöwall & Jürgen: Alberts Tod in Essen oder: Killerjagd auf Zollverein - Ein Krimi in zwei Stimme
Anne Chaplet: Countdown in Selm
Raoul Biltgen: Wallfahrt nach Werl
Gabriella Wollenhaupt: Bochumer Rösselsprung
Petros Markaris: Bergkamen - auf vertrautem Boden
Taavi Soininvaara: Vanakkam in Hamm!
Petra Ivanov: Der Schwanzhammer von Lüdenscheid
Thomas Hoeps & Jac. Toes: Die Salzleiche von Werne
Bernhard Jaumann: Hagen, Ebene 2
Helene Tursten: Die Kellerjungen von Unna
Aevar Örn Josepsson: Wildwest in Wickede
Tatjana Kruse: Holzwickedeli cs
Doris Gercke: Der Bulle von Gelsenkirchen
Andrej Kurkow: Die Geheimnisse von Kamen
Esmahan Aykol: Die toten Mädchen von Bönen
Oliver Bottini: Tödlicher Traum in Menden
Thomas Raab (aus Ö): Soest mit ö
Jaroslav Kutak: Letzter Abschlag Fröndenberg
Osman Engin: Schwerter zu Pflugscharen!
Luc Deflo: Der Dortmunder Fall oder: Zwischen Dortmund und Gelsenkirchen
Ralf Kramp: Der Warstein-Code oder: Im Bier liegt die Wahrheit


Jussi Adler-Olsen
Der Spalt von Lünen   Deutsch von Stefanie Bergmann Mein Gott, was für ein Konzert! Das war der Hansesaal at it’s best! Bernd Schmidt war in Gedanken beim gestrigen Konzert. Den Spießbürgern eins auf die Mütze! Tolle Frauen, die in dem blauen Licht wie Frühlingshasen umhersprangen, während die Männer ihr Bier kippten und sich von Candy Dulfer auf ihren turmhohen Stilettos verrückt machen ließen. Das war Jazz, wenn es Funk war, und Funk, wenn es Jazz war. Warum New York, wenn es das auch in Lünen gab?, pflegte er zu sagen. Also gingen die Kinder jetzt in die Leoschule und seine Frau saß im fünften Stock im Rathaus, also blieben sie hier, auch wenn sein Arbeitsplatz in Dortmund war, fünfzig Minuten Autobahnstau von hier entfernt. Schmidt versuchte, seinen Kater zu ignorieren, als das Telefon klingelte. Die Einsatzzentrale. Es war 6.35 Uhr und die Botschaft simpel: Der Berufsverkehr musste heute ohne Kriminalkommissar Bernd Schmidt auskommen, denn dieses Mal wartete die Arbeit nur sechshundert Meter entfernt auf ihn. In Lünen, am Ende der Borker Straße. Zwei alte Menschen mit durchgeschnittenen Kehlen. »Eine Streife aus der Merschstraße ist schon da«, sagte der Kollege am Telefon. »Das Paar, das die Leichen gefunden hat, ist außer sich.« Mord, sagten sie. Abgesehen von einer zweifelhaften Affäre um eine überfahrene Person war es Jahre her, dass es in Lünen ein Gewaltverbrechen gegeben hatte. Was Bernd wunderte, als er am Tatort stand, war nicht die Tatsache, dass die Leichen übereinander auf dem eingedrückten Dach eines Lieferwagens hinter der alten Stadtsparkasse lagen. Wenn man den Kopf in den Nacken legte, sah man im obersten Stock ein Fenster offen stehen. Er war auch nicht überrascht von der Identität der beiden – man hatte sie rasch als freundliches Paar in den Achtzigern identifiziert, das sehr lange in genau dieser Wohnung gelebt hatte. Nein, was ihn wunderte, waren die Umstände: Wie sollte es möglich sein, sich selbst die Kehle durchzuschneiden und sich danach noch aus dem Fenster zu stürzen? Nach Selbstmord sah das nicht aus. Die Frage war also, wer den beiden Alten so übel mitgespielt hatte, wo ihre Wohnung doch so unberührt wirkte. Dass die Tat dort begangen worden war, stand außer Zweifel, die Blutflecken sprachen eine eindeutige Sprache. Aber es gab keinerlei Spuren eines Einbruchs oder Kampfes. Zwar fand man ein paar nicht zu identifizierende Fingerabdrücke in der Wohnung und deutliche Fußspuren auf der Treppe, aber weitere Erkenntnisse brachten die kriminaltechnischen Ermittlungen nicht. Die Tochter des Paares ging schockiert durch die Wohnung und bestätigte, dass nichts gestohlen worden war und auch sonst alles aussah wie immer. So hatten sie nicht mal ein Motiv. Bis zum Abend waren Bernd und seine Kollegen kein Stück weitergekommen. Nein, das war keiner von Kriminalkommissar Bernd Schmidts besten Tagen. Die Erinnerung an Candy Dulfers Auftritt verblasste schnell.   Es war in der Zeit, in der die Leichen sich am Ufer des Gniloy Tikich häuften und Soldaten mit zu Totenmasken erstarrten Gesichtern im Wasser trieben. Das hier war Uwe Puppels dritter Feldzug, und das waren schon zwei zu viel. Ewigkeiten war es her, dass ihn seine SS-Uniform mit Stolz erfüllt hatte. Der Rausch, in den ihn Hitlers donnernde Reden im Radio versetzt hatten, war längst verflogen. Aufgestützt auf sein Gewehr saß er da und blickte über zerschmetterte Panzerwagen und endlose Rauchwolken, während die Granaten um ihn herum einschlugen und alles Leben mit sich rissen. Als die Nachhut ihn auffand, war er völlig paralysiert. Man überlegte, seinem elenden Leben einfach rasch ein Ende zu setzen, zerrte ihn dann aber doch auf den Lastwagen und karrte ihn weg. Manchmal lohnte es sich bei den Kameraden mit Granatenschock doch noch, sie wieder zusammenzuflicken. Als er im Lazarettzug zurück nach Deutschland saß, begriff er, dass er seinen letzten Schuss abgefeuert hatte. Der Schmerz und die Angst hatten in ihm die Oberhand gewonnen; der Uwe, der mit ausgestrecktem Arm unterm Hakenkreuz gestanden hatte, existierte nicht mehr. »Wir kriegen euch schon wieder hin, Jungs«, hatte eine Krankenschwester zu ihnen gesagt. »Einen Monat zu Hause und schon seid ihr wieder hier. Die Bolschewiken sollen wissen, dass wir so leicht nicht aufgeben.« Das waren die Worte, die ihn kurz vor Dortmund aus dem Zug springen ließen. Er stürzte sich im Kugelhagel der Feldjäger die Böschung hinunter und schlich sich hungernd und unter Schmerzen nachts zurück nach Lünen, wo seine geliebte Sigrid auf ihn wartete. Der Ausdruck, der über ihr Gesicht glitt, als sie ihm die Tür öffnete, drückte keine Freude aus. Er zog sie dennoch an sich und versprach, dass er sie von nun an nie wieder verlassen würde. Dass für ihn der Krieg vorbei war. Er hatte damit gerechnet, dass sie erleichtert sein, dass ihm ihre ganze Freude entgegenschlagen würde. Stattdessen fragte sie nur: »Hast du etwa vor, dich hier zu verstecken?« Er sah sie verständnislos an. »Sigrid. So, wie es jetzt läuft, ist der Krieg bald vorbei. Ich bleibe auf dem Dachboden. Dort habe ich alles, was ich brauche, du musst mir nur zu essen bringen.« »Wenn sie dich finden, richten sie uns beide hin, ist dir das klar? Und selbst wenn sie mich am Leben lassen: Wo soll ich denn hin, wenn ich die Wohnung verliere?« Er schüttelte den Kopf. Nein, sie würden ihn nicht finden. Die Luke zum Dachboden konnte man von unten nicht sehen. Dort oben, unterm Dach, hatte sein Vater sich ein Fotoatelier eingerichtet. Ordentlich isoliert mit Zeitungsschnipseln und Holzplatten. Über hundert Quadratmeter, unter dicken Dachbalken. Dunkelkammer, Leseecke, Teeküche und Samowar. Sogar eine Toilette gab es. Hier hatte er in der knappen Freizeit seiner Leidenschaft für Fotos von seiner Geburtsstadt Lünen gefrönt. Einzigartige Alben aus den letzten Jahrzehnten hatte er zusammengestellt, die Uwe schätzen gelernt hatte. Erinnerungen an eine Zeit, in denen das Leben einfach und unbeschwert gewesen war. Sein Vater war ein tüchtiger Handwerker gewesen, ein angesehener Mann, über den man nur Gutes gesagt hatte. Dann hatte ihn die Wirtschaftskrise in den Ruin getrieben, und nur weil der Sparkassendirektor, mit dem er Geschäfte gemacht hatte, ein Ehrenmann gewesen war, hatte er das Nutzungsrecht für die große Wohnung über der Bank bekommen. »Sie und nach Ihnen Ihr Sohn und seine Familie können hier wohnen«, hatte er zu Uwes Vater gesagt und war mit seinem Büro in die Geschäftsräume im Parterre gezogen, damit oben Platz geschaffen wurde. Bei den Luftangriffen im Mai 43 waren Uwes Eltern im Haus der Großeltern an der Münsterstraße ums Leben gekommen und Uwe hatte mit seiner Frau das Wohnrecht übernommen. Natürlich hatte Sigrid recht. Wenn sie ihn fanden, würden sie ihn hinrichten und sie würde die Wohnberechtigung verlieren, denn sie hatten keine Nachkommen, so weit war es zwischen ihnen nie gekommen. Noch nicht einmal eine Hochzeitsnacht hatten sie gehabt. Sigrid war ein gutes katholisches Mädchen, deshalb hatte sie ihn vor der Ehe auch nicht an sich herangelassen. Und nachdem sie in aller Eile in St. Marien getraut worden waren, war er umgehend an die Front geschickt worden. Aber ein paar süße Erinnerungen an Küsse auf dem Tanzboden der Lichtburg hatte er doch, und an feuchte Hände im Kinosaal, wenn sie sich zusammen einen Film angesehen hatten. Sie waren schon lange umeinander herumscharwenzelt. »Ich zeig dir was«, hatte er eines Tages gesagt und sie die Wendeltreppe in der Stadtkirche St. Georg hinaufgezogen, in den geheimen Raum hinter der Orgel. Als sie sich an den Blasebalg gelehnt hatten, hatte er ihr, obwohl sie sich zunächst zierte, unter den Rock fassen dürfen. Köstliche Sekunden. Das war das Gefühl, das in ihm aufkam, als sie jetzt hinter ihm die Treppe zum Dachboden der Wohnung hinaufstieg. Er zog die Uniform aus, fand die Arbeitskleidung seines Vaters, zog sie an und richtete sich in dem Raum zwischen den fast endlosen Regalreihen mit den Fotoalben seines Vaters ein. 1940–41 stand auf dem letzten. Der Krieg und der Mangel an Fotomaterial hatten seinem Hobby ein Ende bereitet. In der ersten Nacht auf dem Dachboden hörte er das Dröhnen der Bomben, die auf Dortmund fielen, aber er betete nicht zu Gott. An der Ostfront hatte er zu viele vergebliche Gebete gehört. Nein, es gab keinen Gott mehr. Nicht für sie. Und die Bomben fielen und der Lärm schien ewig.   In den Monaten danach, wenn Sigrid ihm das Essen brachte, sah sie ihn aus kalten Augen an, fast so, als hätten sie sich nie geliebt. Die Erinnerung an schwere Arbeit saß ihr noch in den Knochen, Feldarbeit, draußen bei den Zechen. Der Husten ihres Vaters, als er mit fünfundvierzig aufgab. Die schwarzen Mundwinkel ihres Bruders, wenn er aus dem Pütt kam. Dorthin wollte sie auf keinen Fall zurück. Jetzt wohnte sie in einem der feinsten Häuser Lünens, und dort wollte sie auch bleiben. Deshalb musste sie sich mit dem abfinden, was sie war: die Frau eines Deserteurs. Ein paarmal versuchte er es bei ihr. Umfasste ihre Taille und berührte sanft ihre Brust, aber sie schüttelte ihn ab wie ein lästiges Insekt. Wer sollte denn der Vater des Kindes sein, falls sie schwanger würde? Wie sollte sie das erklären? Aber das war es nicht allein. Die Liebe war tot. So tot wie die Leidenschaft. Zum ersten Mal sah Uwe sie lächeln, da war ein Jahr vergangen und sie kam mit seinem Vetter zu ihm hinauf...


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