Uhl | Die intersektionale Wirkung von Geschlecht und Gender bei Französisch- und Spanischlernenden in Jahrgangsstufe 9 | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 10, 700 Seiten

Reihe: Multilingualism and Language Teaching

Uhl Die intersektionale Wirkung von Geschlecht und Gender bei Französisch- und Spanischlernenden in Jahrgangsstufe 9

Eine empirische Studie zu multiplen Einflussfaktoren auf die fremdsprachliche Leistung
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8233-0493-7
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine empirische Studie zu multiplen Einflussfaktoren auf die fremdsprachliche Leistung

E-Book, Deutsch, Band 10, 700 Seiten

Reihe: Multilingualism and Language Teaching

ISBN: 978-3-8233-0493-7
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In der quantitativen Studie werden 92 Französisch- und 94 Spanischlernende der 9. Jahrgangsstufe des Gymnasiums hinsichtlich der multiplen Einflussfaktoren auf deren fremdsprachliche Leistung im Hören, Lesen und Schreiben unter besonderer Berücksichtigung der Variablen Geschlecht und Gender miteinander verglichen. Dabei wird ersichtlich, dass die fremdsprachlichen Leistungen der Jungen und Mädchen je nach Zielsprache und Teilkompetenz teilweise stark variieren. Während in Französisch signifikante Geschlechterunterschiede zugunsten der Mädchen gefunden werden, sind in Spanisch schwache, nicht signifikante Effekte zugunsten der Jungen messbar. Einen erhöhten Erkenntnisgewinn erbringt jedoch die Erforschung der Erklärungsansätze für diese Ergebnisse, wobei die Rolle der kognitiven, affektiven und sozialen Leistungsprädiktoren berücksichtigt wird.

Dr. Patricia Uhl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Fremdsprachendidaktik der FAU Erlangen-Nürnberg und lehrt dort Fachdidaktik der romanischen Sprachen.

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1 Einleitung
Seit mehreren Jahrzehnten stellt sich innerhalb verschiedener Forschungsdisziplinen immer wieder die Frage, inwieweit Bildungsungleichheiten und -chancen an Schulen in Deutschland auch mit dem Geschlecht der Lernenden zusammenhängen (vgl. Faulstich-Wieland/Horstkemper 2012: 25). Während in der BRD in den 1960/70er Jahren bezüglich der Qualität der Bildungsabschlüsse die „katholische Arbeitertochter vom Lande“ (Dahrendorf 1965) als Prototypin für eine potenzielle Bildungsverliererin galt, stellen Mädchen innerhalb des Schulsystems aktuell keine benachteiligte Gruppe mehr dar (vgl. Wieland/Horstkemper 2012: 27). Seit den 1990er Jahren wird in der Forschung sogar immer wieder die Tendenz aufgezeigt, dass die Mädchen die Jungen zunehmend überholen (vgl. Horstkemper 1995: 189; Aktionsrat Bildung 2009: 95). Insbesondere seit den 2000er Jahren wird zunehmend vom „Migrantensohn bildungsarmer Eltern aus der Großstadt“ (Geißler 2013: 95) als prototypischem Bildungsverlierer gesprochen. Man findet sogar seit den 2000er Jahren bezüglich der Merkmalsgruppe der Jungen den Begriff „Risikogruppe“ (vgl. Buchmann et al. 2008; Aktionsrat Bildung 2009; Martino et al. 2009; OECD 2009; Diefenbach 2010; Quenzel/Hurrelmann 2010; Hannover/Kessels 2011): Mädchen werden häufiger als Jungen vorzeitig eingeschult und Jungen werden häufiger von der Einschulung zurückgestellt (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018: 7); bei den Übergangsempfehlungen treten Unterschiede zugunsten der Mädchen auf, die sich später auch an den Besuchsquoten der verschiedenen Schularten und dem Geschlechteranteil der Bildungsabschlüsse festmachen lassen: Im Jahr 2016 lag beispielsweise der Anteil der Frauen mit Hochschulreife unter den 20- bis 25- Jährigen mit 55.6% deutlich über demjenigen der Männer (47.6%) (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018: 55, 276). Diese sehr allgemeinen Tendenzen sind jedoch wenig aussagekräftig, da sie nicht pauschal auf alle Kontexte zutreffen und differenziert nach Alter der Lernenden, Ausprägung verschiedener kognitiver und affektiver Faktoren, Lernbiographie, Schulart, Schulfach und soziokulturellem Kontext infrage gestellt werden müssen. In der vorliegenden Studie stehen die Schulfächer Französisch als zweite Fremdsprache und Spanisch als dritte Fremdsprache im Vordergrund und der Fokus liegt auf der Erforschung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Jungen und Mädchen in der 9. Jahrgangsstufe bezüglich der Leistung in den beiden Fächern sowie der Erforschung möglicher Erklärungsansätze und Wechselwirkungen. In internationalen Leistungsstudien wie TIMSS und PISA wird oftmals in sprachlichen Fächern tendenziell ein Leistungsvorteil der Mädchen und in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern hingegen tendenziell eine Überlegenheit der Jungen nachgewiesen (vgl. Faulstich-Wieland/Horstkemper 2012: 27; Stürzer 2003), was teilweise in der Öffentlichkeit zu stereotypen Vorstellungen von dichotom zuzuweisenden Begabungsbereichen führt. Vielmehr weisen jedoch die uneinheitlichen Ergebnisse der Spracherwerbs- und Fremdsprachenlernforschung bezüglich der Variable Geschlecht darauf hin, dass pauschale Aussagen wie etwa, dass Mädchen und Frauen beim Erlernen von Fremdsprachen stets und in allen Teilkompetenzen Vorteile haben würden, nicht haltbar sind (vgl. Piske 2017: 45): Es gibt Studien, bei denen Mädchen besser abschnitten als Jungen, aber auch liegen Studien vor, bei denen Jungen besser abschnitten als Mädchen oder bei denen keinerlei Geschlechterunterschiede zu beobachten waren. Oft kommt es zudem vor, dass die Unterschiede innerhalb der Gruppe der Mädchen und innerhalb der Gruppe der Jungen deutlich größer ausfallen als dies zwischen den beiden Gruppen der Fall ist. Diese uneinheitlichen Ergebnisse variieren nach bestimmten Einflussfaktoren, wie zum Beispiel das Alter der Lernenden, die zu erlernende Zielsprache, die untersuchten fremdsprachlichen Teilkompetenzen, die Sprachlernbibliographie, der Lehr-Lern-Kontext, das soziokulturellen Umfeld und nicht zuletzt bezüglich der in verschiedenen Studien eingesetzten Testformate. Einige der Studien, die bisher durchgeführt wurden, nehmen allerdings lediglich ein bis zwei Faktoren in den Blick, beispielsweise Geschlecht und fremdsprachliche Leistung (vgl. Winkelmann/Groeneveld 2010), Geschlecht und affektive Faktoren (vgl. Fuchs 2013, 2014), Geschlecht und Einstellungen (vgl. Venus 2017a, 2017b), Geschlecht, kognitive und neuronale Faktoren (vgl. z. B. Wallentin 2008), Geschlecht, Identitätsbildungsprozesse und Sprachenlernen (vgl. Norten 2001) oder Geschlecht und Fächerwahl (vgl. Grein 2015). Um einen umfassenderen Blick auf diesen komplexen Themenbereich zu erlangen wird daher in der vorliegenden Studie im Sinne der Berücksichtigung der Faktorenkomplexion (vgl. López Rúa 2006) ein intersektionaler Ansatz verfolgt. Außerdem ist zu beobachten, dass sich die Erforschung von schulischen sprachlichen Leistungen von Jungen und Mädchen in Deutschland oftmals auf die Fächer Deutsch und Englisch beschränkt (vgl. z. B. Bos/Gröhlich 2010; DESI-Konsortium 2006). Eher selten wird Französisch (vgl. Böhme et al. 2016a; Winkelmann/Groeneveld 2010) und noch seltener Spanisch als Forschungsgegenstand gewählt, wenn es darum geht, die Wirkung von Geschlecht und Gender bezüglich der fremdsprachlichen Leistung zu erforschen (vgl. Übersichtsdarstellungen in Grein 2012; Uhl 2019: 207). Bei den Fächern Französisch als zweite Fremdsprache und Spanisch als dritte Fremdsprache handelt es sich um zwei ähnliche und doch teilweise stark unterschiedliche Forschungsgegenstände: Spezifisch bezüglich des Faches Französisch ist das Stereotyp, es handle sich um ein „Mädchenfach“ in der deutschen Gesellschaft weit verbreitet (vgl. Budde 2011: 104). Die Begründungen für diese Bezeichnung reichen vom angeblich femininen Klang des Französischen (vgl. Leupold 2007: 15; Williams et al. 2002) über den Hinweis auf die Überzahl an weiblichen Schülerinnen und weiblichen Lehrkräften in den Französischklassen (vgl. Grein 2012: 173, 175), den Vorwurf des zu stark an Mädchen ausgerichteten Französischunterrichts (vgl. Grein 2012: 171) bis hin zum Verweis auf höhere Leistungen der weiblichen Schülerinnen in Schulleistungsstudien, wie beispielsweise in der IQB-Ländervergleichsstudie von 2009 (vgl. Winkelmann/Groeneveld 2010). Dementsprechend werden Postulate nach einer spezifischen „Jungenförderung“ bzw. einem Boy Turn innerhalb der Französischdidaktik immer lauter (vgl. Bonin 2009; Braun/Schwemer 2013; Nieweler 2017b: 16-17). Für das Fach Spanisch wurden hingegen bisher kaum geschlechtsspezifische Stereotypen gefunden (vgl. Kissau et al. 2010: 714) und durch seine Stellung als oftmals dritte schulische und meist zweite romanische Fremdsprache eignet es sich gut um einen Vergleich zum Fach Französisch zu ziehen: Sowohl beim Französischen als auch beim Spanischen handelt es sich um romanische Sprachen, wodurch die Leistungen in den beiden Fächern sehr gut verglichen werden können. Außerdem scheint es einen Moment zu geben, bei dem, obwohl Französisch bereits früher einsetzt als Spanisch, sich die Leistungen in beiden Fächern stark annähern, da am Ende der mittleren Reife in jedem der beiden Fächer das Niveau B1 des GeR erreicht werden muss, was bedeutet, dass die Progression in der dritten Fremdsprache steiler verläuft als in der zweiten. Dennoch muss dieser Vergleich mit Vorsicht vollzogen werden, da beispielsweise das Fächerwahlverhalten für die zweite Fremdsprache Französisch und für die dritte Fremdsprache genuin unterschiedlich sind: In Baden-Württemberg kann beispielsweise als Alternative zur zweiten Fremdsprache Französisch lediglich Latein gewählt werden, während in der 8. Jahrgangsstufe entschieden werden kann, ob mit Spanisch eine dritte Fremdsprache gelernt, oder aber ein weiteres naturwissenschaftliches Fach belegt wird, was ein hohes Maß an Selektion bei der dritten Fremdsprache zur Folge hat. Nach der Definition von Geschlecht und Gender (vgl. Kapitel 2) und einer Erläuterung des intersektionalen Forschungsansatzes dieser Arbeit (vgl. Kapitel 3) wird zunächst ein Überblick über den Stand der Forschung bezüglich Geschlecht und fremdsprachlicher Leistung (vgl. Kapitel 4) gegeben, um anschließend eine genaue Identifikation der Variablen vorzunehmen, die mit den fremdsprachlichen Leistungen und dem Geschlecht in interdependenter Beziehung stehen und daher als Erklärungsansätze für Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Jungen und Mädchen in der fremdsprachlichen Leistung herangezogen werden können (vgl. Kapitel 5). Am Ende dieses Prozesses steht die Konzeption eines theoretischen Lernendenmodells, welches alle relevanten Faktoren beinhaltet (vgl. Kapitel 6). Auf Grundlage dessen wird eine empirische quantitative Studie mit einer Stichprobe von Schülerinnen und Schüler des Französischen als zweite Fremdsprache und einer zweiten mit Schülerinnen und Schülern des Spanischen als dritte Fremdsprache in Jahrgangsstufen 9 in Baden-Württemberg durchgeführt, welche sowohl die fremdsprachlichen Leistungen im Hörverstehen, Leseverstehen und Schreiben misst als auch kognitive Grundfertigkeiten über standardisierte Tests (vgl. d2-R und SPM) erhebt und schließlich mittels eines Schülerfragebogens die Mehrheit der mit der Variable Geschlecht interagierenden Variablen ermittelt (vgl. Kapitel 7 bis 10). Schließlich werden die dadurch erzielten Ergebnisse hinsichtlich folgender Forschungsfragen ausgewertet (vgl. Kapitel 11): In welchen fremdsprachlichen Leistungen treten bezüglich des...



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