Verne | Das Reisebüro Thompson & Comp. | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 600 Seiten

Verne Das Reisebüro Thompson & Comp.


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-1384-6
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 600 Seiten

ISBN: 978-3-8496-1384-6
Verlag: Jazzybee Verlag
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Dies ist die illustrierte Version dieses Klassikers. Eines der letzten Werke von Jules Verne und nach seinem Tode von seinem Sohn Michel veröffentlicht.

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Zweites Kapitel. Ein öffentlicher Wettbewerb.



Morgans erste Sorge am folgenden Morgen, am 26. April, war es, das Plakat wieder aufzusuchen, das ihm am Tage vorher gleichsam als Dolmetscher der Vorsehung in die Augen gefallen war. Ja, diesen Weg mußte er unbedingt machen.

Die Straße fand er leicht wieder, ebenso die Strecke der düstern Mauer und die Stelle, wo er vom Platzregen so tüchtig eingeweicht worden war, das Plakat selbst war aber schwerer wieder zu erkennen. Obwohl sein Format noch dasselbe war, hatte es doch ein ganz verändertes Aussehen. Der vorher graue Grund sah jetzt schreiend blau aus und die früher schwarzen Buchstaben leuchteten in blendendem Scharlachrot. Das Bakersche Reisebureau hatte es jedenfalls erneuert, da die Anstellung Morgans die letzte Zeile mit dem Gesuch eines sprachkundigen Führers überflüssig gemacht hatte.

Er suchte danach nahe dem untern Rande des großen Blattes. Plötzlich schnellte er erstaunt in die Höhe.

Eine angefügte Zeile fand sich da nämlich auch heute, sie lautete jedoch wesentlich anders, denn sie meldete, daß ein Begleiter, der »aller Sprachen mächtig« sei, für die Lustreise gewonnen wäre.

»Aller Sprachen! rief Morgan; davon habe ich doch kein Sterbenswörtchen gesagt!«

Da wurde er schon in der Kundgebung seiner Unzufriedenheit durch eine weitere Entdeckung unterbrochen: als er die Blicke über den obern Teil des Plakates schweifen ließ, bemerkte er da die Firma eines Kompagniegeschäftes, auf der der Name Bakers nicht vorkam.

»Agentur Thompson and Co.«, las der junge Mann voller Erstaunen, und erkannte nun, daß die Mitteilung wegen des Dolmetschers sich nicht auf ihn beziehen konnte.

Das vorliegende Rätsel sollte er bald lösen. Wenn ihm die Sache überhaupt einen Augenblick rätselhaft erschienen war, lag das daran, daß die Farben, die dieser Thompson gewählt hatte, auf Kosten der Umgebung unwiderstehlich die Augen auf sich zogen. Zur Seite dieser neuen Ankündigung befand sich, Rand an Rand, noch immer das Plakat Bakers.

»Schön, sagte Morgan für sich, als er die Blicke wieder dem andern weitleuchtenden Maueranschlag zuwendete. Warum habe ich den aber gestern nicht bemerkt? Na, wenn zwei Plakate vorhanden sind, werden wohl auch zwei Lustfahrten geplant sein.«

Durch eine flüchtige Vergleichung kam er darüber bald ins Reine. Außer der Firmenangabe, dem Namen des Schiffes und dem des Kapitäns waren die beiden Plakate einander völlig gleich: der vorzügliche Dampfer The Seamew trat hier an Stelle des ausgezeichneten Dampfers The Traveller, und der tüchtige Kapitän Pip folgte hier, d. h. auf dem neuen Plakate, dem erprobten Kapitän Mathews, das war der ganze Unterschied. Im übrigen war das zweite Plakat nur ein Nachdruck des ersten.

Es handelte sich also um zwei, von verschiedenen Unternehmern in Aussicht genommene Fahrten.

»Etwas auffällig und merkwürdig,« dachte Morgan, ohne recht zu wissen warum.

Seine Unruhe wuchs aber noch, als er auch noch einen vierten und letzten Unterschied der beiden Ankündigungen entdeckte.

Während Baker and Co. von ihren Passagieren 78 Pfund Sterling verlangten, begnügten sich Thompson and Co. mit 76.1 Der geringe Preisunterschied von zwei Pfund Sterling (40 M. oder 49 K 40 h österr. W.) konnte aber doch in den Augen vieler Leute die Wagschale zugunsten dieser Seite senken. Man sieht, Morgan vertrat schon die Interessen seiner »Chefs«.

Die Sache beschäftigte ihn dermaßen, daß er schon am Nachmittage die Zwillingsplakate wieder aufsuchte. Was er da sah, beruhigte ihn jedoch: Baker nahm den Kampf auf.

Sein weniger auffallendes Plakat war durch ein neues ersetzt, das jedermann noch mehr in die Augen stach, als das der konkurrierenden Agentur. Was den Fahrpreis betraf, war der Thompsons nicht nur erreicht, sondern sogar noch unterboten. Baker verkündigte urbi et orbi, daß er die Vergnügungsreise nach den Archipelen für 75 Pfd. Sterl. (1500 M. = 1765 K österr. W.) anböte.

Morgan legte sich daraufhin sorglos zum Schlummer nieder. Nichtsdestoweniger war der Wettstreit noch nicht zu Ende. Thompson and Co. konnte ja auf die letzte Ankündigung mit einer weitern Herabsetzung des Fahrpreises antworten.

Am nächsten Morgen erkannte er auch wirklich, daß seine Befürchtungen begründet waren. Schon früh um acht war quer über das Plakat Thompsons ein weißer Papierstreifen geklebt, der nur die Worte enthielt:

»Preis der Fahrt, alle Unkosten inbegriffen, 74 Pfd. Sterl.«2

Die neue Herabsetzung erschien jedoch weniger beunruhigend. Da Baker den Fehdehandschuh einmal aufgenommen hatte, würde er sich ja auch weiter verteidigen. Und richtig, während Morgan im Laufe des Tages die Plakate sorgsam im Auge behielt, sah er, wie immer wieder nur weiße Streifen aufgeklebt wurden, deren letzter stets die frühern bedeckte.

Halb elf Uhr erniedrigte die Agentur Baker ihren Preis bis auf 73 Pfund Sterling, fünfzehn Minuten nach zwölf verlangte Thompson nur noch 72 Pfd., um ein Uhr vierzig Minuten erklärte Baker, daß eine Summe von 71 Pfd. völlig hinreichen werde, an der Lustfahrt teilnehmen zu können, und Punkt drei Uhr versicherte Thompson, 70 Pfd. (1400 M. = 1647 K) wären dazu übrig genug.

Allmählich singen alle Vorübergehenden an, sich, belustigt durch die Schlag auf Schlag erfolgenden Unterbietungen, für den Wettkampf zu interessieren. Sie blieben ein paar Augenblicke stehen, warfen einen Blick auf die großen Anschlagzettel, lächelten und gingen dann weiter.

Der Kampf, bei dem Angriff und Abwehr einander die Wage hielten, ging inzwischen lustig weiter, der Tag endete jedoch mit einem Siege der Agentur Baker, die zuletzt nicht mehr als 67 Pfd. (1340 M. = 1576 K 50 h österr. W.) verlangt hatte.

Nun bemächtigten sich die Tageszeitungen der Angelegenheit, die sie übrigens ziemlich verschieden beurteilten. Die Times z. B. tadelten das Reisebureau Thompson and Co., diesen wilden Krieg veranlaßt zu haben. Die Pall Mall Gazette und mit ihr das Daily Chronicle billigten dessen Vorgehen. Zuletzt hätte ja doch das Publikum den Nutzen von dieser scharfen Konkurrenz.

Doch, wie dem auch sein mochte: ungemein vorteilhaft mußte die seltsame Reklame für die der beiden Firmen ausfallen, die den endlichen Sieg davontragen würde. Das wurde schon vom Morgen des 28. an offenbar. Die Plakate waren an diesem Tage ununterbrochen von einer dichten Menschenmenge belagert, unter der schlechte Witze hin- und herflogen.

Der Kampf ging inzwischen nur noch hitziger, man könnte sagen, zum Handgemenge ausgeartet weiter. Jetzt verlief nicht mehr als eine Stunde zwischen Angriff und Gegenangriff, und die weißen Streifen häuften sich allmählich zu ansehnlicher Dicke übereinander.

Gegen Mittag konnte die Agentur Baker auf Grund ihres letzten Angebotes ruhig frühstücken. Ihrer Berechnung nach konnte die Reise nun schon für den Preis von 61 Pfd. (1220 M. = 1435 K österr. W.) bestritten werden.

»Ich dächte gar! So viel Geld! rief ein rassereiner Londoner, ich nehme mein Billett nicht eher, als bis es für eine Guinee (21 M. 45 Pf. = 25 K österr. W.) zu haben ist. Merken Sie meine Adresse: 175, White Chapel, Toby Laupher... Esquire!« setzte der Mann, die Backen aufblasend, hinzu.

Ein schallendes Gelächter belohnte den Possenreißer. Besser unterrichtete Leute, als dieser Londoner Pflastertreter, hätten jedoch, gleich ihm und mit größerem Rechte, wohl auf einen solchen Preissturz rechnen können. Dafür lieferte ja z. B. der wütende Wettbewerb amerikanischer Eisenbahnen, wie die der Lake-, Shore- und Nickel-Plate-Gesellschaft, schlagende Beweise, vorzüglich aber der verzweifelte Kampf zwischen den Trunklinien, bei dem die Gesellschaften zuletzt den Fahrpreis über die 1700 Kilometer lange Strecke zwischen New York und Saint-Louis bis auf einen einzigen Dollar (4 M. 20 Pf. = K österr. W.) herabgesetzt hatten!

Wenn die Agentur Baker auf Grund ihres letzten Vormittagsangebotes ruhig frühstücken konnte, so konnte das Reisebureau Thompson sich am Abend ebenso ruhig zum Schlafe niederlegen. Doch, um welchen Preis! Zu dieser Stunde konnte sich an der Reise beteiligen, wer nur 56 Pfd. (1120 M. = 1300 K österr. W.) im Vermögen...



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