E-Book, Deutsch, Band 7
Reihe: Soul Screamers
Vincent Soul Screamers 5: Berühre meine Seele
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7337-8168-2
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 7
Reihe: Soul Screamers
ISBN: 978-3-7337-8168-2
Verlag: HarperCollins
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kaylee ist eine Banshee, die mit ihrem Schrei den Tod besiegen kann. Aber auch den eigenen?
In der Highschool ist der Teufel los. Alle Mädchen stehen auf den neuen Mathelehrer Mr Beck. Alle außer Kaylee. Denn sie erkennt, was hinter der starken Anziehungskraft des Lehrers steckt: Beck ist ein Inkubus, der sich von der Lust und Leidenschaft ihrer Mitschülerinnen nährt. Kaylee muss ihre ahnungslosen Freundinnen retten - bevor Beck hinter ihr Geheimnis kommt. Doch da entdeckt Todd ihren Namen auf der Todesliste der Reaper ... Selbst wenn es Kaylee gelingt, Beck loszuwerden, gibt es scheinbar nichts, was ihren Tod verhindern kann.
New York Times-Bestsellerautorin Rachel Vincent lebt in San Antonio, Texas. Als Älteste von vier Geschwistern ist sie selten um Worte verlegen - was sicher auch dazu geführt hat, dass sie Schriftstellerin geworden ist. Vincent teilt sich ein Büro mit zwei schwarzen Katzen und ihrem Fan der ersten Stunde. Wenn sie nicht gerade schreibt oder vor Tornados flüchtet, liest sie oder geht ins Kino.
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1. KAPITEL
Ich hatte immer gedacht, der Tod wäre das Schlimmste, was jemandem zustoßen könnte. Außerdem war ich immer davon ausgegangen, es wäre auch das Letzte, was demjenigen passieren könnte. Doch wenn ich etwas begriffen hatte, seitdem ich mit Reapern, lebendigen Albträumen und anderen Banshees rumzuhängen pflegte, dann dies: Ich lag mit beiden Annahmen daneben, und zwar auf ganzer Linie …
„Was tust du denn schon hier?“, fragte ich, während ich mich vier Minuten vor Beginn der ersten Stunde auf meinen Platz setzte. „Überpünktliches Erscheinen zur Mathestunde. Also wenn das kein sicheres Anzeichen für eine dramatische Verschiebung des Raum-Zeit-Gefüges ist. Wie viel Zeit bleibt uns noch bis zum Weltuntergang?“
„Keine Ahnung. Aber falls die Welt untergeht, dann bitte jetzt. Mit dieser herrlichen Aussicht stirbt es sich bestimmt leichter.“ Emma seufzte und zog ihr Übungsbuch aus der Tasche auf ihrem Schoß.
Ich folgte dem verklärten Blick meiner besten Freundin zum vorderen Teil des Klassenraums, wo Mr Beck – der neu eingestellte Ersatz für unseren erst kürzlich verstorbenen Lehrer Mr Wesner – gerade dabei war, verschiedene mathematische Fragestellungen an die Tafel zu schreiben. Die Zahlen waren absolut perfekt nebeneinander angeordnet, wie mit einem Lineal ausgemessen. Dieser Mann besaß unter allen Lehrern an der Eastlake High eindeutig die sauberste Handschrift, die ich je gesehen hatte. Emmas Aufmerksamkeit orientierte sich jedoch einen halben Meter unterhalb der Zahlenreihen auf die Rückseite von Mr Becks Jeans, die dank einer als „lockerer Freitag“ bezeichneten Änderung der sonst strengen Kleidervorschriften neuerdings erlaubt war. Zweifelsohne schien Mr. Beck überdies auch sehr viel mehr Wert auf körperliche Fitness zu legen als der durchschnittliche Lehrer an unserer Schule.
„Und dein plötzlich entbranntes Interesse an Mathematik ist natürlich rein wissenschaftlicher Natur, richtig?“
Emmas Lächeln wurde zu einem verschmitzten Grinsen, während sie das Buch vor sich auf den Tisch legte und es an der mit einem lilafarbenen Lesezeichen markierten Seite aufklappte. „Ich weiß nicht, ob ‚rein‘ der treffende Ausdruck ist. Sagen wir mal so: Mir ist leider noch keine Möglichkeit eingefallen, mich dem akademischen Teil in diesem auf Wissensvermittlung fixierten Umfeld komplett zu entziehen. Und das Beste, worauf wir armen Schüler hoffen können, ist etwas Hübsches zum Anschauen, das uns ein bisschen über den Schmerz des alltäglichen Lernprozesses hinwegtröstet.“
Ich lachte. „Bravo. Gesprochen wie ein Lernmuffel aus Überzeugung.“
Emma hätte eine glatte Einserschülerin sein können, würde sie mit etwas mehr Elan an die Sache herangehen. Aber sie war völlig zufrieden mit ihrem Zweierdurchschnitt, für den sie nicht viel tun musste. Abgesehen von Französisch und Mathematik. Die beiden einzigen Fächer, in denen sie nicht einfach alles aus dem Ärmel schüttelte. Und die Anwesenheit des scharfen neuen Mathelehrers hatte bisher auch nicht dabei geholfen, ihre Noten zu verbessern. Im Gegenteil. Dank der Ablenkung in Person war ihre Begeisterung für das, was an der Tafel und im Buch stand, an einem neuen Tiefpunkt angelangt.
Nicht, dass ich es ihr verübeln konnte. Mr Beck gehörte eindeutig zu den Leckerbissen der Männerwelt; mit seinen dunklen, leicht verwuschelten Haaren, den strahlenden grünen Augen und ausgelatschten Turnschuhen, die er immer trug, sogar zu ordentlich gebügelten schwarzen Hosen.
„Er ist erst zweiundzwanzig“, informierte Em mich, als sie meinen unbeabsichtigt schmachtenden Blick bemerkte. „Frisch vom College. Ich wette, das hier ist seine erste richtige Anstellung als Lehrer.“
„Woher weißt du, wie alt er ist?“, tuschelte ich, während Mr Beck den Stift absetzte, die Schublade seines Schreibtisches aufzog und suchend darin herumkramte.
„Hat mir ein Vögelchen gezwitschert. Danica Sussman. Irgendwie ist sie in den Genuss gekommen, Einzelnachhilfe bei ihm zu haben, damit sie in Mathe nicht durchfällt und im Softball-Team bleiben kann.“
„Wo ist sie überhaupt?“, fragte ich über den gerade verhallenden letzten Ton der Glocke hinweg, die den Beginn der ersten Stunde ankündigte. Danica hatte in den vergangenen paar Tagen wegen Krankheit gefehlt, was so weit nichts Außergewöhnliches war. Aber dass sie auch heute zu Hause blieb, wunderte mich. Wenn ein Spiel stattfand, zu dem sie aufgestellt war, kroch sie normalerweise sogar noch auf dem Zahnfleisch in die Schule.
„Liegt anscheinend noch flach“, vermutete Em, als Mr Beck die Anwesenheitsliste aus der Schublade hervorzog und anfing, sie durchzugehen. Emma faltete ein nur zur Hälfte beschriebenes Blatt Papier auseinander und sah mich hoffnungsvoll an. „Hast du zufällig die Hausaufgaben gemacht?“
Ich verdrehte die Augen und holte mein Heft aus der Tasche. „Wie war das gleich noch mit deiner brennenden Leidenschaft für die wunderbare Welt der Zahlen?“
„Das ist echt eigenartig, weißt du? Die erlischt einfach, sobald ich durch das Schultor gehe und den süßen Duft der Freiheit einatme. Puff, weg.“
„Kaylee Cavanaugh?“, hörte ich Mr Beck meinen Namen sagen. Erschrocken blickte ich hoch, davon überzeugt, wir seien beim Schummeln erwischt worden. Doch er stand einfach nur neben seinem Tisch, die Anwesenheitsliste in der Hand, und wartete auf meine Antwort.
„Oh. Hier“, meldete ich mich hastig, und er war bereits drei Namen weiter, als plötzlich die Tür aufging und Danica Sussman den Klassenraum betrat. Sie sah elend aus, das Gesicht ganz blass, bis auf die dunklen Ringe unter ihren Augen, die sie nicht einmal versucht hatte zu kaschieren.
„Danica, ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Mr Beck besorgt, doch sie nickte tapfer und ging mit einem blauen Entschuldigungszettel zu ihm nach vorn.
„Mir geht’s gut.“ Sie gab ihm den Zettel, woraufhin Mr. Beck ihn zusammenknüllte und die Papierkugel in den Mülleimer warf.
„Ich habe dich noch gar nicht aufgerufen, also kommst du rein technisch gesehen auch nicht zu spät“, erklärte er, wobei sein Stirnrunzeln verriet, dass er Danicas Beteuerung, sie sei okay, nicht so recht glaubte.
„Danke, Mr B.“, sagte sie lächelnd. Sobald sie sich jedoch umgedreht hatte und zu ihrem Platz ging, presste sie mit schmerzerfülltem Gesicht heimlich die Hand auf den Bauch.
Ungefähr eine halbe Stunde später, während Emma die letzten Sätze ihrer Hausaufgaben hinkritzelte, ohne dabei auch nur für eine Sekunde ihre Augen von Mr Beck loszureißen, spürte ich auf einmal einen bekannten, stechenden Schmerz tief in meinem Hals aufkommen.
Nein! Mein Herz begann so heftig zu pochen, dass ich das Gefühl hatte, mein ganzer Körper würde vibrieren. Das konnte nicht wahr sein! Nicht hier, nicht jetzt. Nicht, nachdem vor gerade mal sechs Wochen drei Lehrer dieser Schule innerhalb von zwei Tagen aus dem Leben geschieden waren. Der vergangene Winter war für mich wie eine nahtlose Aneinanderkettung schrecklicher Todesfälle gewesen, die ich aufgrund meiner Gabe als Einzige voraussah, kurz bevor sie eintraten. Ich fand, ich hätte wirklich eine kleine Frühlings-Auszeit verdient gehabt.
Doch der Schrei einer Banshee entstand niemals grundlos, blinden Alarm gab es da leider nicht. Wann immer jemand in meiner Nähe kurz davor war zu sterben, stieg dieser unwiderstehliche Drang zu schreien in mir auf. Genau genommen bedeutete es, dass ich für die Seele des Sterbenden sang, was sich für Menschen aber leider wie schrilles Gekreische anhörte. Und der gellende Schrei, der sich in diesem Augenblick einen Weg die Kehle emporbahnte, konnte nur eines bedeuten.
Angestrengt biss ich die Zähne aufeinander, um den Schrei nicht nach außen dringen zu lassen. Mit den Fingern krallte ich mich rechts und links an den Ecken meines Tisches fest. So krampfhaft, dass ich ihn ungewollt ein Stück nach hinten zog und Emma verwundert hochsah, als sie das Quietschen hörte.
Sie warf einen kurzen Blick auf mein verkniffenes Gesicht und runzelte die Stirn. Schon wieder?, fragte sie lautlos, und ich antwortete ebenso still mit einem knappen Nicken. Zu mehr wäre ich in diesem Moment auch nicht fähig gewesen. Emmas Gesichtsausdruck wurde ernst. Sie hatte mich oft genug dabei beobachtet, wie ich den Drang niederkämpfte, für die Seele eines Sterbenden zu singen, und kannte die Anzeichen dafür. Zuerst war das Ganze ziemlich erschreckend für sie gewesen, was sich meiner Ansicht nach nicht hätte ändern müssen. Es gefiel mir nicht, dass sie diesen unsichtbaren Kokon des Todes, der mich und alles in meiner Nähe zu umgeben schien, mehr und mehr als Normalität empfand.
Und doch musste ich gestehen, dass es natürlich durchaus Vorteile hatte, wenn die beste Freundin Bescheid wusste. Wie zum Beispiel der Umstand, dass sie nicht in Panik geriet, während sie meinem nervösen Blick folgte, der über die Tischreihen huschte, auf der Suche nach der dunklen Aura, die sich um einen meiner Mitschüler formen und mir zeigen würde, wer in Kürze das Zeitliche segnete. Aber es geschah nichts dergleichen. Der Schrei verweilte im Stadium eines gleichmäßigen, schmerzhaften Drucks im Inneren meines Halses, gerade oberhalb des Kehlkopfes – wo ich ihn verhältnismäßig leicht stoppen konnte, seit ich gelernt hatte, wie das ging. Kurz gesagt, es fühlte sich an, als wäre der unglückliche Todeskandidat ein ganzes Stück weit entfernt, jedenfalls nicht mit mir im selben Raum. Nach dieser Feststellung schaffte ich es immerhin, mich genügend zu entspannen,...




