E-Book, Deutsch, Band 3508, 224 Seiten
Reihe: Regional Krimi
Voehl Der Regional-Krimi 08: Mörderisches Klassentreffen
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-95719-386-5
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 3508, 224 Seiten
Reihe: Regional Krimi
ISBN: 978-3-95719-386-5
Verlag: Blitz Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Zeit heilt keine Wunden Das Klassentreffen in dem beschaulichen Kurhotel Villa am See steht unter keinem guten Stern. Kurz zuvor wurde Ingo, der stadtbekannte schwarze Schwan, getötet und einem Gast ins Bett gelegt. Auch sonst droht das Klassentreffen zu einem Desaster zu werden, man erinnert sich alter Fehden und Vergehen. Und schließlich kommt zutage, was damals auf der Klassenfahrt im Landschulheim wirklich geschah.
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Kapitel 2 – Frühstück mit Schwänin
Unten in der Halle empfing ihn die gewohnte Geschäftigkeit. Auch bei nur vier Gästen lief die Maschinerie der Villa am See wie geschmiert. Lisa und die zwei anderen Servicekräfte huschten von der Küche und dem Frühstückssaal hin und her, um die schon am Vorabend eingedeckten Tische mit Köstlichkeiten zu bestücken. Lisa warf ihm im Vorübergehen ein dankbares Lächeln zu. Klümchen und Carsten Schwalbe standen hinter der Rezeption und steckten die Köpfe zusammen. Selbst Henkelmann war aufgetaucht. Unter dem Arm klemmte ein Stapel aktueller Tageszeitungen, die er nun in die dafür vorgesehenen Ständer steckte. Percival hatte längst den Kampf aufgegeben, ihm begreiflich zu machen, die Kreuzworträtsel darin den Gästen zu überlassen. Er war nun mal besessen davon und erschien nicht eher aus seinem Keller, bis er auch das letzte Kästchen ausgefüllt hatte. Wenigstens die Silbenrätsel und Sudoku verschonte er. Letzteres war die Leidenschaft Heinrich von Meyrinks, Oberst a. D. und seit Jahren Percivals treuester Dauergast. Er hätte einen Krieg entzündet, hätte Henkelmann auch noch sein geliebtes Sudoku gelöst.
„Chef!“
Klümchen winkte ihn zur Rezeption. Percival runzelte die Stirn. Das Frühstück war ihm heilig. Und vorher, das wusste jeder, war er nicht ansprechbar. Allerdings hatte dieser Tag ja eh schon anders begonnen als üblich. Dennoch überlegte er, nicht einfach den Weg zum Frühstückssaal fortzusetzen.
„Chef!“ Diesmal klang es schon etwas bestimmter. Klümchen ließ einfach nicht locker.
Percival seufzte und änderte die Richtung.
Während Carsten eine gewohnt stoische Miene beibehielt, lächelte Klümchen geradezu euphorisch. So als hätte sie im Lotto gewonnen. Oder zumindest von einer saftigen Gehaltserhöhung erfahren, die sich Percival im Augenblick eh nicht leisten konnte.
„Erst mal einen wunderschönen guten Morgen“, flötete Klümchen, die um die Prioritäten ihres Chefs wusste.
„Guten Morgen“, grummelte Percival.
„Wir haben eine mega Buchung reinbekommen. Dreizehn auf einmal. Und der ganze Verein will schon gleich morgen hier eintrudeln!“
Percival zog die Braue hoch. „Ein Verein? Etwa ein Kegelverein?“
Vor seinem geistigen Auge zog eine wilde Bande über Siebzigjähriger vorbei, die alle schon geimpft waren. Denn sonst dürften sie wohl nicht im Rudel anreisen.
„Natürlich nur im übertragenen Sinne. Und die Impfe haben die auch alle schon bekommen.“
Also doch über Siebzigjährige.
„Allesamt Krankenhauspersonal aus einer Stadt. Die wollen einfach mal ausspannen ...“
„Und das gleich im Rudel?“ Percival zog die Stirn kraus. „Das wird nicht so einfach, die Hygieneregeln einzuhalten.“
„Ach was, Carsten und ich haben das schon ausgetüftelt. Wir separieren sie von den anderen Gästen, indem wir das Frühstück in zwei Schichten fahren. Oder, wenn doch alle zur gleichen Zeit frühstücken wollen, servieren wir im Konferenzraum. Und aus die Maus.“
„Na schön ...“
„Na schön? Super, oder?“
„Äh ja, ihr habt das schon im Griff.“ Das Bauchknurren war nun nicht mehr zu überhören.
Carsten Schwalbe räusperte sich. „Die Freude über die Buchung kommt garantiert mit dem ersten Frühstücksei“, klärte er seine Kollegin auf.
„So ist es“, bestätigte Percival. „Auch der längste Tag beginnt mit einem guten Frühstück. Laotse.“
Und damit begab er sich nun endgültig in den Frühstückssaal.
*
Zum Glück waren nur drei Gäste anwesend. Simone Ljung war nicht darunter. Entweder schlummerte sie noch oder – so hatte sie es erzählt – wandelte sie zu früher Stunde durch den Kurpark und den Landschaftsgarten auf der Suche nach Inspirationen, die ihr manchmal wie ein Vögelchen zuflogen.
Der Oberst a. D. saß schweigend am Fenster und hatte sich über ein Sudoku gebeugt. Er hatte schon gefrühstückt – Schwarzbrot, am liebsten vom Vorvortage, und nur mit Margarine und einer hauchdünnen Käsescheibe belegt. Dazu trank er Wasser. Leitungswasser lauwarm. Das aber musste immer nachgeschenkt werden.
Der zweite Stammgast hieß Augustus Kortekamp. Er war etwas jünger als der hochbetagte Oberst, insofern hieß das nicht viel. Sein Körperumfang war ungefähr dreimal so umfangreich, und auch an diesem Morgen langte er reichlich zu. Gleich mehrere üppig gefüllte Teller mit Schinken, Sülze, Leberwurst, Käse und diversen Kleinigkeiten standen vor ihm auf dem Tisch. Gerade machte er sich über einen riesigen Berg Rührei her.
Obwohl sich der Oberst und Kortekamp nur durch einen leeren Tisch getrennt sich gegenübersaßen, würdigten sie sich keines Blickes. Denn auch Kortekamp war begeisterter Rätselfreund. Er hatte sich beschwert, dass immer schon die Kreuzworträtsel gelöst worden waren, und hatte natürlich den Oberst in Verdacht. Schließlich stand der schon in aller Herrgottsfrühe als Allererster auf und joggte entweder mit bloßem Oberkörper durch den Park oder sprang auch mal nackt in den Kurparksee. Obwohl das Schwimmen darin verboten war. Wenn nicht sogar unmöglich, denn er war selbst an den allertiefsten Stellen nur zwei Meter tief.
Wie auch immer, wenn schon die Kreuzworträtsel gelöst waren, so bestand Kortekamp zumindest darauf, die Sudokus aufzudröseln. Als ehemaliger Mathematiklehrer hatte er, so seine Ansicht, ein natürliches Anrecht darauf.
Und als früherer Lehrer neigte er eh zur Rechthaberei. Und zur Streitlust. Da war er dem Oberst ebenbürtig.
Die beiden waren sich in den letzten Tagen mehrfach in die Haare geraten. Percival hatte zu schlichten versucht, indem er salomonisch vorgeschlagen hatte, die beiden Streithähne mögen doch bitte schön die Tageszeitungen unter sich aufteilen. Das jedoch hatte der Oberst strikt abgelehnt. Mit der Begründung, er habe immerhin zwei Tage vor Kortekamp eingecheckt und habe daher eine Art Gewohnheitsrecht erworben.
Percival war nichts anderes übrig geblieben, als am Kiosk in der Stadt ein Sudoku-Rätselheft zu kaufen und es auf Kortekamps Frühstückstisch zu deponieren. Tatsächlich hatte sich der ehemalige Lehrer ein paar Tage lang damit zufriedengegeben. Nun aber schien er bereits sämtliche Rätsel darin gelöst zu haben, denn er schaute trotz der üppigen Mahlzeit verdrießlicher denn je drein.
Percival beschloss, gleich noch heute Morgen ein weiteres Rätselheft zu kaufen, bevor erneut das Kriegsbeil zwischen den beiden Streithähnen ausgegraben werden würde.
Der dritte Gast, Erwin Dämmer, war ein Mann Ende fünfzig, an dem nicht nur der Anzug und die Haare grau waren. Selbst seine Haut hatte einen grauen Teint. Percival wusste nicht, welche Geschäfte Dämmer betrieb, aber sein Job schien ihn über die Jahre immer unscheinbarer gemacht zu haben. Zu einem grauen Niemand. Es war traurig, mit anzusehen, wie er auch jetzt über irgendwelche Formulare gebeugt dasaß, neben sich nur einen trockenen Zwieback und eine Tasse Schonkaffees – wegen seines nervösen Magens, so hatte Percival erfahren.
Percival grüßte, als er den Saal betrat, und wählte ebenfalls einen Fensterplatz. Wenn das Hotel voll war, begnügte er sich in der Regel mit einem Katzentisch in der hintersten Ecke. Aber nun gönnte er sich den Luxus des herrlichen Anblicks, den der morgendliche Kurpark bot. Es war ein so friedliches Bild. Wenn Lisa in diesem Moment nicht einen Teller mit knusprigen Würstchen und Spiegeleiern serviert hätte, hätte er sich glatt darin vertiefen können. Jetzt aber hatte das Frühstück Vorrang.
Nachdem er gesättigt war, hielt er nach der Landeszeitung auf dem Tisch des Obersts Ausschau. Er gönnte sich da keine Extrawurst, sondern überließ den Gästen den Vortritt. Wie erwartet lag die Landeszeitung schon auf dem Stapel mit den gelösten Sudokus. Percival kam es wie ein stilles Agreement vor, dass sich der Oberst die Landeszeitung immer als Erstes vornahm – weil der schlaue Fuchs natürlich wusste, dass Percival darauf erpicht war.
Nachdem Percival an den Tisch des Obersts gegangen und sich dankend die Zeitung genommen hatte, vertiefte er sich darin. Den Politik- und Wirtschaftsteil überschlug er. Nicht weil es sowieso nur schlechte Nachrichten gab, sondern weil er sich schon in aller Frühe auf welt.de informiert hatte. Die Meldungen in der Tageszeitung waren dagegen Schnee von gestern. Dennoch: Den Kulturteil las er jedes Mal überaus gründlich, und danach vor allem die lokalen Nachrichten – also das, was nicht in der großen Welt, sondern in seiner eigenen kleinen Heimat alles passiert war.
Auf der Lokalseite prangte ihm ein großes Foto vom Kurparksee entgegen. Quasi ein Spiegelbild der Idylle, die er in natura vor Augen hatte. Ein kleines Foto darunter zeigte einen schwarzen Schwan. Das war Ingo, wusste Percival. Angeblich ertränkte der Schwan sämtlichen anderen schwimmenden Nachwuchs auf dem See.
So recht konnte Percival es nicht glauben, als er in die Augen des Tieres blickte. Ingo sah doch eigentlich ganz harmlos aus. Vielleicht hatte er auch nur das Pech, ein schwarzes Gefieder zu haben. Schwarz war in den Augen der Menschen immer schon das Böse gewesen: der Teufel, die Pest ...
Die Überschrift lautete denn auch ungewohnt marktschreierisch: Wann endlich hört das Morden auf?
Percival legte die Zeitung beiseite. Hetze weigerte er sich zu lesen. Sein Blick glitt wieder nach draußen und hin zum See. Meistens ließ sich Ingo dort um diese Zeit sehen und zog seine Runden, während seine Angetraute...