E-Book, Deutsch, 704 Seiten, E-Book
Voeth / Herbst Marketing-Management
2. aktualisierte und überarbeitete Auflage 2021
ISBN: 978-3-7910-3885-8
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Grundlagen, Konzeption und Umsetzung
E-Book, Deutsch, 704 Seiten, E-Book
ISBN: 978-3-7910-3885-8
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prof. Dr. Markus Voeth, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing & Business Development der Universität Hohenheim, daneben seit 2019 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Verhandlungsforschung e.V. (DGVF), seit 2016 Direktor der Negotiation Academy Potsdam (NAP), seit 2007 Visiting Lecturer der European School of Management & Technology (ESMT) Berlin, seit 2007 Gründungsgesellschafter der Voeth Herbst Managementberatung.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Teil 1: Was ist Marketing?
Teil 2: Bestandteile einer Marketing-Konzeption
Teil 3: Marketing-Implementierung
Literatur
Sachregister
B Marketing – Das Management von Komparativen Konkurrenzvorteilen (KKV®)
I Der KKV als Marketing-Navigator
Wenn es zukünftig verstärkt die Aufgabe des Marketing sein muss, die Weiterentwicklung von Märkten (Business Development) anzustreben, dann ist die Hauptaufgabe des Marketing umso mehr darin zu sehen, sich am Engpassfaktor Kunde zu orientieren. Denn letztlich muss es auch bei der Weiterentwicklung von Märkten das Ziel sein, Management-Aktivitäten zu initiieren, die sicherstellen, dass die Leistungen so an Kunden herangetragen werden, dass Kunden die Leistungen des Unternehmens dem Wettbewerb vorziehen. Hierbei ist es hilfreich, sich vor Augen zu führen, wie Nachfrager in wettbewerblichen Systemen ihre Kaufentscheidungen treffen. Da Nachfrager auf Käufermärkten zwischen Leistungen verschiedener Anbieter wählen können, ist davon auszugehen, dass Kaufentscheidungen grundsätzlich im Rahmen eines Abwägungsprozesses zwischen den verschiedenen wahrgenommenen Leistungen getroffen werden. Im Hinblick auf die Frage, welche der angebotenen Leistungen Nachfrager letztlich auswählen, liegt die Vermutung auf der Hand, dass stets diejenige Leistung gewählt wird, die aus Sicht des Nachfragers als »besser« eingestuft wird. Eine solche Einschätzung kann dabei auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden. Neben Preisvorteilen können ebenso Qualitätsvorteile oder auch logistische Vorteile bzw. Verfügbarkeitsvorteile exemplarisch angeführt werden. In jedem Fall besteht allerdings die zentrale entscheidungsbezogene Aufgabe des Marketing darin, sich auf den Kaufentscheidungsprozess des Kunden einzustellen und diesen so zu beeinflussen, dass die vom Unternehmen angebotenen Leistungen von relevanten Nachfragern als besser im Vergleich zu Wettbewerbsleistungen eingestuft werden.
Orientierung am Engpassfaktor »Kunde«
Zentrale Aufgabe von Marketing
Was dabei genau unter »besser« zu verstehen ist, war lange Zeit nicht vornehmliches Erkenntnisziel der Marketing-Wissenschaft. Die Kaufverhaltensforschung der 1960er- und 1970er-Jahre rückte stattdessen eine Vielzahl von intervenierenden Variablen (z. B. Einstellungen, Image, Kultur etc.) in den Mittelpunkt, um die Reaktion (Response) von Nachfragern auf anbieterseitige Leistungsangebote (Stimuli) zu erklären. In diesen sogenannten Stimulus-Organism-Response (S-O-R)-Ansätzen lag der Schwerpunkt allerdings eher auf nachfragerseitigen Prädispositionen und nicht auf dem eigentlichen Bewertungsprozess des Nachfragers. Stattdessen wurde der im Organism ablaufende Bewertungsprozess von Nachfragern als Black-Box aufgefasst und nicht weiter analysiert. Erst seit den 1990er-Jahren findet sich in der Kaufverhaltensforschung des Marketing vermehrt der Versuch, den Bewertungsprozess des Nachfragers näher zu beleuchten. Ein solcher Ansatz, der darüber hinaus auch dem im Marketing seit den 1990er-Jahren beobachtbaren Trend der Rückbesinnung auf ökonomische Grundzusammenhänge Rechnung trägt, stellt der nachfragerseitige Nutzen dar. In einer Vielzahl von Arbeiten, die vor allem in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre publiziert wurden, ist herausgearbeitet worden, dass der Nutzen ein geeignetes Erklärungskonstrukt ist, um den individuellen Bewertungs- und Entscheidungsprozess von Nachfragern abbilden und erklären zu können. In Arbeiten wie denen von Voeth (2000), Perrey (1998), Hahn (1997) oder Gutsche (1995) wird unterstellt, dass Nachfrager wahrgenommene Kaufalternativen im Rahmen einer objektbezogenen Gesamtbewertung anhand des empfundenen Nutzens bewerten, durch diesen Nutzenvergleich Objektpräferenzen herausbilden und entsprechend den so gebildeten Präferenzrangfolgen Kaufentscheidungen treffen.
Kundenverhalten als Blackbox
Nutzenkonstrukt zur Erklärung von Kaufverhalten
Beim Nutzen handelt es sich allerdings allein um ein hypothetisches Konstrukt. Dies bedeutet, dass sich Nutzen nicht etwa empirisch beobachten, sondern letztlich allein aus dem (Wahl-)Verhalten von Individuen ableiten lässt. Darüber hinaus wird der Nutzen von Produkten nicht durch das Produkt an sich, sondern durch dessen Eigenschaften sowie dessen geplante Verwendung determiniert. Anders als von der (klassischen) mikroökonomischen Haushaltstheorie angenommen, verfügen Güter demnach nicht über einen generellen Nutzen. Stattdessen hängt der Nutzen von den nachfragerseitig wahrgenommenen Produkteigenschaften (z. B. Funktionalität, Design, Preis etc.) ab (Eigenschaftsnutzen). Da einige Produktmerkmale jedoch nicht zu Nutzen, sondern zu Nutzenentgang führen (z. B. Preis), ist zusätzlich noch zwischen Brutto-Nutzen und Netto-Nutzen zu differenzieren. Der Brutto-Nutzen einer Leistung wird durch alle nutzenstiftenden Merkmale des Angebotes hervorgerufen. Wird von diesem Brutto-Nutzen der Nutzenentgang abgezogen, der durch bestimmte Leistungsmerkmale wie Preis oder Zahlungskonditionen hervorgerufen wird, so ergibt sich der Netto-Nutzen. Diesem Nutzenverständnis folgend ist es nun Aufgabe des Marketing, dafür Sorge zu tragen, dass die Kunden angebotenen Leistungspakete zu einem positiven Netto-Nutzen führen. Damit Kunden allerdings ein Produkt nicht nur als kaufenswert einschätzen, sondern dieses auch Wettbewerbsprodukten vorziehen, muss der positive Netto-Nutzen in den Augen von Nachfragern zudem größer als bei den vom Kunden wahrgenommenen Wettbewerbern sein.
Brutto-Nutzen vs. Netto-Nutzen
Allerdings ist zu beachten, dass eine alleinige Fokussierung auf die Nutzenentstehung bei Kunden nicht zwangsläufig sicherstellt, dass hiermit gesamtunternehmerische Ziele wie Gewinn- oder Wertsteigerung unterstützt werden. So würde etwa Kunden ein maximaler Nutzen verschafft, wenn ein Produkt viele nutzenstiftende Merkmale aufweist, gleichzeitig jedoch zu einem sehr geringen Preis angeboten wird, auch wenn dies für das Unternehmen nicht kostendeckend möglich ist. Daher muss mit Marketing darüber hinaus die Aufgabe der gleichzeitigen Erreichung von gesamtunternehmerischen Zielen verbunden sein. Verfolgen Unternehmen dabei Gewinnziele, so ist seitens des Marketing zusätzlich sicherzustellen, dass alle Versuche, sich besser bzw. nutzensstiftend in den Augen von Nachfragern zu platzieren, dazu beitragen müssen, Gewinne oder andere übergeordnete Ziele für das betroffene Unternehmen zu realisieren.
Beitrag zum Erreichen gesamtunternehmerischer Ziele
Abb. 2
Ausgewählte Marketing-Definitionen in der Literatur
Marketing fällt demnach in Unternehmen quasi eine Mehrfachaufgabe zu: Zunächst muss das Marketing sicherstellen, dass Unternehmen auf Märkten tätig sind, auf denen die Chance besteht, Kunden von den eigenen Leistungen zu überzeugen. Darüber hinaus fällt dem Marketing die Aufgabe zu, auf diesen Märkten sicherzustellen, dass Nachfragerbedürfnisse umfassender als bei Konkurrenten befriedigt werden. Schließlich hat das Marketing zur Wertsteigerung von Unternehmen beizutragen, indem mit den oben aufgeführten Aufgaben ein Beitrag zu übergeordneten Unternehmenszielen geliefert wird. Diese Mehrfachrolle findet sich auch in Marketing-Definitionen jüngeren Datums wieder. Die in Abbildung 2 zusammengestellten Marketing-Definitionen aus der Literatur verdeutlichen, dass dem Marketing zumeist nicht mehr allein die Aufgabe der kundenseitigen Bedürfnisbefriedigung zugesprochen wird.
Marketing-Definitionen betonen Mehrfachaufgabe
KKV-Ansatz von Backhaus
Die beschriebene »doppelte« Aufgabe des Marketing fasst Backhaus im Konstrukt des Komparativen Konkurrenzvorteils (KKV®) zusammen. Dieses von ihm in den 1980er-Jahren entwickelte Konstrukt, das er später mehrfach verfeinert hat, sieht die Aufgabe des Marketing darin, durch Generierung neuer Lösungen vorhandene oder latente Bedürfnisse von aktuellen oder potenziellen Nachfragern umfassender als Wettbewerber zu befriedigen, um hieraus einen eigenen ökonomischen Vorteil zu ziehen. Backhaus bezeichnet einen solchen nachfragerseitig wahrgenommenen und anbieterseitig ökonomisch relevanten Vorteil als KKV. Entsprechend dem oben dargestellten Nutzenkonstrukt geht er dabei davon aus, dass Nachfrager im Wettbewerb angebotene Leistungen nicht nur in ihrer Gesamtheit, sondern auch im Hinblick auf einzelne relevante Bedürfnis- und Nutzendimensionen miteinander vergleichen. Hierbei ist es entscheidend, nicht bei allen, sondern vor allem bei den für Nachfrager besonders relevanten Nutzendimensionen über Vorteile zu verfügen. Da der Anbieter zudem nur jene möglichen Vorteile für den Nachfrager verfolgen sollte, die ihm zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen realisierbar erscheinen, weisen KKVs folglich eine Effektivitätsdimension und eine Effizienzdimension auf.
Dimensionen des KKV
Effektivitätsdimension
Effektivität = »die richtigen Dinge tun«
Damit Unternehmen über KKVs auf den von ihnen definierten Märkten verfügen, ist es von zentraler Bedeutung, dass ihre Leistungen von relevanten...