E-Book, Deutsch, 173 Seiten
Reihe: Ben und Lasse
Voß Ben und Lasse - Agenten außer Rand und Band
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-95568-313-9
Verlag: Bibellesebund
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 173 Seiten
Reihe: Ben und Lasse
ISBN: 978-3-95568-313-9
Verlag: Bibellesebund
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Harry Voß, geboren 1969, ist seit 1995 als Referent für die Arbeit mit Kindern (und inzwischen als Leiter des Bereichs Arbeit mit Kindern) beim Bibellesebund tätig. Er ist zu Lesetouren, Kinderbibeltagen, Kinderfreizeiten und Bibel-Action-Tagen unterwegs. Als Schriftsteller wurde er vor allem durch die Schlunz-Serie bekannt (7 Bücher, Hörspiele, Verfilmung), außerdem stammen die Abenteuer von 'Ben & Lasse' von ihm, ebenso wie zwei Jugendbücher ('13 Wochen', 'Gefangen in Abadonien'). Harry Voß ist verheiratet mit Iris Voß und hat zwei Kinder. Er engagiert sich in der evangelischen Kirchengemeinde in Gummersbach, arbeitet ehrenamtlich im Christlichen Verein junger Menschen (CVJM) mit und lebt mit seiner Familie in Gummersbach (NRW).
Weitere Infos & Material
1
Eine Kunstausstellung! Wen, bitte, soll das interessieren? Ich habe keine Ahnung von Kunst. Und ich habe auch nicht wirklich Lust, mir fünfhundert Jahre alte Gemälde anzuschauen. Aber ich weiß, dass die Erwachsenen, besonders die Lehrer unserer Schule, große Fans davon sind. Darum wünschen sie sich natürlich, uns Schülern würde das auch gefallen. Ich könnte nie Lehrer werden, wenn man dafür alte Gemälde schön finden muss. Tja. Ich werde aber sowieso nicht Lehrer, das weiß ich jetzt schon. Wenn ich groß bin, werde ich Polizist und fange Schmuggler, Einbrecher und andere Ganoven. Denn im Beobachten, Befragen und Kombinieren bin ich sehr gut. Wie mein Papa übrigens. Der ist nämlich schon Polizist.
Heute gibt es zur Eröffnung der Bilder-Ausstellung eine Einführung von unserem neuen Rektor. In der dritten Stunde müssen wir alle in die Turnhalle kommen. Mit „alle“ meine ich wirklich alle. Alle Schüler unserer Schule von der fünften bis zur zehnten Klasse strömen in die Turnhalle. Und nicht nur die. Um die Kunstausstellung besonders wichtig erscheinen zu lassen, sind obendrein auch noch alle Schüler der Grundschule eingeladen. Schon witzig, wie die Kleinen zu uns stoßen: Während wir Großen wie die Wilden in die Halle gestürzt sind und uns auf den aufgestellten Stühlen verteilt haben, kommen die Grundschüler ganz ordentlich Klasse für Klasse hereinspaziert. Immer zwei und zwei aufgereiht. Ja, so bin ich früher auch ganz brav hinter meiner Lehrerin her gewatschelt. Damals, als ich noch klein war. Jetzt bin ich bereits elf Jahre und gehe in die fünfte Klasse. Da gelten andere Regeln. Logisch.
Schon höre ich ein Geschrei aus der Erstklässler-Meute: „Hallo Ben! Ich seh dich! Hallo, hier bin ich!“
Mir ist sofort klar, wer mich da gerufen hat: mein kleiner Bruder Lasse, der im ersten Schuljahr ist. Er hält mit dem Jungen neben sich Händchen, wie es die Lehrerin angeordnet hat. Mit der freien Hand winkt er wie ein Verrückter. Und er hört nicht auf zu brüllen: „Das wird super hier, Ben! Jetzt bin ich mit euch zusammen in derselben Halle! Klasse, was? Leider kann ich nicht neben dir sitzen! Wir müssen alle zusammen bleiben, hat Frau Aust gesagt!“
Einige von denen, die in meiner Nähe sitzen, kichern laut. Ich schaue beschämt vor mich auf den Boden und tue so, als hätte ich diese Rufe nicht gehört. Mein kleiner Bruder kann super peinlich sein.
Aber dann höre ich einen anderen Jungen ebenfalls laut rufen: „Sina! Komm hier her! Hier habe ich einen Platz für dich frei gehalten!“ Vorne vor der ersten Reihe steht Jonathan aus meiner Klasse. Er hat an der Ecke einen Stuhl zur Seite geschoben und winkt mit beiden Armen: „Komm hier her, Sina!“ Eine erwachsene Frau, die hinter Lasses Schulklasse hergeht, schiebt ein Mädchen im Rollstuhl. Die Frau lächelt und gibt mit einem Handzeichen zu verstehen, dass sie Jonathan entdeckt hat. Sie schiebt das Mädchen im Rollstuhl an die Stelle, an der Jonathan den Stuhl beiseitegeschoben hat. Das Mädchen strahlt Jonathan an. Jonathan hilft der Frau, den Rollstuhl in die richtige Position zu bringen, und zieht die Bremse an den Reifen fest. Dann lächelt er das Mädchen an, sagt ihr etwas, das ich nicht verstehe, klopft ihr kurz auf die Schulter und läuft zurück auf seinen Platz in der fünften Reihe. „Wer ist das?“, frage ich Felix, der neben mir sitzt.
„Die Schwester von Jonathan“, weiß Felix. „Sie kann nicht laufen und kann auch ihre Hände nicht so gut benutzen. Aber mehr weiß ich auch nicht.“
Ich nicke und schaue wieder betreten auf meinen Schoß. Ein bisschen schäme ich mich dafür, dass mir mein Bruder so peinlich ist. Jonathan hat eine Schwester im Rollstuhl und er schämt sich kein bisschen. Vielleicht sollte ich mal wieder netter zu Lasse sein.
Die Veranstaltung beginnt. Herr Hohmann, unser neuer Schuldirektor, geht ans Mikrofon und hebt seine Hand. Tatsächlich wird es sofort einigermaßen leise hier in der überfüllten Turnhalle. Ich glaube, die meisten an unserer Schule sind ganz zufrieden mit ihm. Unser eigentlicher Schulleiter, Herr Schöller, ist für längere Zeit unterwegs, hat man uns erklärt. Kur oder Auszeit oder so was. Als Herr Hohmann vor ein paar Wochen hier angefangen hat, hat er gleich eine große Party für die ganze Schule gegeben. Alle haben Brötchen mit Schokokuss bekommen, und er hat angeordnet, dass an diesem Tag kein Lehrer Hausaufgaben aufgeben durfte. Da war allen klar: Dieser Mann steht auf unserer Seite.
„Heute ist ein großer Tag“, beginnt er feierlich seine Rede. „Denn wir dürfen in dieser Woche eine der bedeutendsten Kunstausstellungen Deutschlands in unserer Schule präsentieren.“ Er schwärmt von dem berühmten Maler, dessen Kunstwerke wir hier bewundern dürfen, von seinen gemalten Predigten, in denen er all die wichtigen Dinge dargestellt hat, die er von der Botschaft der Bibel verstanden hat. Gerade das Bild „Christus am Kreuz“, meint er, bringe das ganz besonders zum Ausdruck.
Die Lehrerinnen und Lehrer in der ersten Reihe nicken zustimmend. Besonders unser Kunstlehrer, Herr Hartmann, kommt aus dem Nicken gar nicht mehr raus. Wenn er weiter so heftig nickt, fürchte ich, dass ihm gleich der Kopf von seinem Hals abbricht und über den Boden kullert.
„Diese Ausstellung ist nicht nur wichtig für die Schülerinnen und Schüler unserer Schule“, erklärt Herr Hohmann mit kräftiger Stimme, „sondern für alle Kinder in unserer Stadt. Darum bin ich sehr froh, dass sich auch die Schülerinnen und Schüler der Grundschule bereit erklärt haben, die bedeutenden Gemälde zu bewundern.“
Ich seufze leise. Mir ist es eindeutig zu anstrengend, dieser langen Rede zuzuhören. Aufmerksam werde ich erst wieder, als Herr Hohmann erzählt, wie viel diese Gemälde wert sind: „Das Bild ‚Venus mit Amor als Honigdieb‘ ist das wertvollste Stück unserer Ausstellung. Lange Zeit wusste niemand, wo sich dieses Gemälde befindet. Vor etwa einhundert Jahren wurde es bei einem Kunstsammler in Frankfurt entdeckt. Seitdem ist es immer wieder an verschiedene Personen oder auch Museen weiterverkauft worden. Zuletzt wurde es im Jahr 2013 für mehr als zwei Millionen Euro in London versteigert.“
„Boooah!“, machen gleich ein paar Schüler, die noch zugehört haben.
„Ich bin besonders stolz darauf“, fährt Herr Hohmann fort, „euch dieses Bild als wirkliches Original in unserer Ausstellung für zwei Wochen zeigen zu dürfen. Der heutige Besitzer, Herr Ferdinand von und zu Liechtenfels, hat unserer Schule freundlicherweise das Gemälde zur Verfügung gestellt.“
Die Lehrer klatschen Beifall.
„Das haben wir unter anderem der Vermittlung von unserem Landesschulminister, Herrn Hofenseher, zu verdanken, der ein persönlicher Freund von Herrn von und zu Liechtenfels ist. Er hat ihm sein Ehrenwort gegeben, alles dafür zu tun, dass dem kostbaren Bild kein Schaden zugefügt wird. Das Schulministerium hat sich darum obendrein mit einer nicht unbeträchtlichen Summe an einer extra Versicherung beteiligt“, betont Herr Hohmann. „Selbstverständlich hängt das millionenschwere Bild hinter Panzerglas, das mit Alarm gesichert ist. Der Verlust dieses Kunstschatzes wäre für uns als Schule überhaupt nicht zu verkraften.“
In der ersten Reihe schnellt ein Erstklässler-Ärmchen nach oben und meldet sich aufgeregt. Herr Hohmann bemerkt das und schaut freundlich in die erste Reihe: „Ja, mein Kind? Was möchtest du sagen?“
„Sie brauchen keine Angst zu haben, dass das Bild gestohlen wird!“, höre ich einen Jungen laut und fröhlich quaken, und sofort ist mir klar, dass es sich um keinen anderen handelt als um meinen vorlauten Bruder Lasse. „Mein Bruder und ich sind Agenten! Wir schnappen jeden Dieb oder Schmuggler! Auf uns können Sie sich verlassen!“
Herr Hohmann zieht seinen Mund zu einer Schnute zusammen, seine Augen blitzen. Ich kann erkennen, dass er sich sehr bemühen muss, um nicht laut loszulachen. „Wie alt ist denn dein Bruder?“
„Der ist schon richtig groß! Der ist schon elf! Aber zusammen sind wir die besten Agenten dieser Stadt!“
„Ach, wirklich?“ Herr Hohmann lacht so laut auf, als hätte jemand den Witz des Jahrhunderts erzählt. „Wie heißt du, Junge?“, fragt er, als er sich wieder beruhigt hat.
„Lasse! Lasse Baumann!“
Herr Hohmann verlässt sein Rednerpult, geht auf die erste Reihe zu und schüttelt ihm die Hand. „Du gefällst mir, Lasse Baumann. Mutig, entschlossen und voller Tatendrang, um die Welt vom Bösen zu befreien. Solche Burschen wie dich sollte es öfter geben!“ Er geht wieder zurück an das Mikrofon und hebt seine Hand als Zeichen, dass die Schüler wieder ruhig sein sollen.
„Damit euer Interesse an unserer bedeutenden Ausstellung noch mehr gesteigert wird“, fährt Herr Hohmann fort, „fordere ich euch hiermit zu einem tollen Malwettbewerb auf!“ Herr Hartmann und ein paar andere Lehrer nicken wieder heftig. Gleich macht es in irgendeinem Hals knack. Wetten? „Schaut euch die Bilder in der Ausstellung an. Besonders das bedeutende Werk ‚Christus am Kreuz‘. Und dann malt etwas zu dem Thema: ‚Was habe ich von der Botschaft der Bibel verstanden?‘ Oder: ‚Was ist mein persönlicher Glaube?‘ Auch diejenigen unter euch, die nicht so sehr mit der Bibel vertraut sind, können sicher etwas dazu malen, woran sie glauben.“
Oha. Malen gehört nun wirklich nicht zu meinen...




