Warzel / Petersen | Lost im Homeoffice | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Warzel / Petersen Lost im Homeoffice

Die großen Probleme und noch größeren Versprechen des mobilen Arbeitens
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-96267-460-1
Verlag: REDLINE
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die großen Probleme und noch größeren Versprechen des mobilen Arbeitens

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-96267-460-1
Verlag: REDLINE
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Neuerfindung der Arbeitswelt Die Coronazeit und die Pflicht zum Home-Office machten deutlich: Mobiles Arbeiten und flexiblere Arbeitsregelungen funktionieren meist besser als befürchtet. Zu den Risiken kommen neue Chancen, um das Verhältnis von Arbeit und Privatleben wieder ausgewogener zu gestalten. Es gilt, die Arbeit so zu organisieren, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Unternehmer von der neuen Flexibilität profitieren können - denn das größte Problem ist keinesfalls, wo wir arbeiten. Dieses Buch beleuchtet auf Basis vieler Erfahrungsberichte von Angestellten und Führungskräften die größten Probleme, neuen Möglichkeiten und Fragen dieser New-Work-Debatte: von Vertrauen über Nachund Vorteile von mobilen Arbeitsplätzen bis hin zu Gleichberechtigung und Fairness. Und es zeigt, wie alle etwas davon haben, wenn Arbeit und Leben zum Vorteil aller miteinander mehr in Einklang sind.

Charlie Warzel war als freier Autor für die New York Times tätig und arbeitete als Technologiereporter bei BuzzFeed News. Für sein Berichterstattung über die Datenschutzprobleme von Facebook erhielt er 2019 den Mirror Award. Anne Hendersen war leitende Kulturredakteurin bei BuzzFeed News. Die promovierte Medienwissenschaftlerin ist Autorin von vier Büchern und schreibt den Newsletter Culture Study.
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Einleitung


Was immer Sie während der Pandemie und in der noch nicht wieder ganz normalen Zeit danach getan haben – im Homeoffice gearbeitet haben Sie sicherlich nicht.

»So ein Quatsch«, werden Sie vielleicht einwenden und dabei an die vielen Stunden denken, die Sie in Ihrem Behelfsbüro im Schlafzimmer zugebracht haben – nach Ihren Möglichkeiten so umgestaltet, dass es bei Zoom-Calls halbwegs professionell wirkte. Die rund 42 Prozent der Amerikaner, die während der Pandemie nicht in der Firma arbeiten mussten, verbrachten ihre Zeit vermutlich größtenteils zu Hause vor dem Bildschirm, wo sie sich jeden Morgen pünktlich einloggten.1 Sie erledigten ihren Job von zu Hause aus.

Das mag auch auf Sie zutreffen, heißt aber noch lange nicht, dass Sie im Homeoffice gearbeitet haben. Sie haben isoliert und unter besonderer Belastung gearbeitet. Man könnte auch sagen, Sie haben am Arbeitsplatz gewohnt. Sie haben hektisch E-Mails getippt und gleichzeitig versucht, das Mittagessen auf den Tisch zu bringen und den Distanzunterricht Ihrer Kinder zu überwachen. Sie haben wochenlang in einer beengten Wohnung festgesessen, konnten weder Freunde noch Angehörige sehen, waren erschöpft und standen so unter Druck, wie Sie es nie für möglich gehalten hätten. Die Arbeit wurde zum Leben, das Leben zur Arbeit. Man lebte nicht wirklich, man überlebte irgendwie.

Und hier das Albtraumszenario: So könnte die Zukunft der Arbeit aussehen. Noch vor Kurzem glich die Vorstellung, dass generell von zu Hause aus gearbeitet wird, mehr einem Gedankenexperiment aus der Harvard Business Review als einer realistischen Möglichkeit. Doch die Pandemie zwang Millionen ins Homeoffice und die Unternehmen fanden das interessant. Eine teure Immobilie in der Innenstadt aus der Bilanz zu streichen, ist für einen Finanzchef eine verlockende Aussicht – umso mehr, wenn man die niedrigeren Lebenshaltungskosten für Beschäftigte einkalkuliert, die dann aus teuren Städten wegziehen können. Hinzu kommen die Effizienzvorteile: Wer nicht mehr pendeln muss, kann mehr E-Mails beantworten! Ein paar der größten Unternehmen der Welt haben mobiles Arbeiten bereits auf absehbare Zeit als Option vorgesehen. Wie fast jede unternehmerische Entscheidung bedeutet auch diese, dass sich dadurch aus betriebswirtschaftlicher Sicht das Ergebnis verbessern lässt. Doch was der Arbeitgeber spart, müssen Sie drauflegen.

Das ist die düstere Wahrheit des mobilen Arbeitens, wie wir es heute kennen: Es verspricht, Beschäftigte von der Bürokette zu lassen, schlägt in Wirklichkeit aber Kapital daraus, dass deren Work-Life-Balance total zusammenbricht.

Wir sprechen aus Erfahrung. 2017 hatten wir uns überlegt, dass wir als Reporter außerhalb der Stadt vermutlich besser arbeiten könnten. Wir luden in Brooklyn das Auto voll und zogen nach über zehn Jahren Bürodasein nach Montana ins Homeoffice. Anne, die besser organisiert und vom Wesen her introvertierter ist als ich, hatte sich schnell eingefunden. Bevor sie in den Journalismus wechselte, war sie an der Uni tätig und bekleidete einen Lehrstuhl. Ins Büro zu gehen, war für sie stets fremder und zwanghafter, als am Küchentisch zu arbeiten. Doch die »Flexibilität« in Forschung und Lehre – und nun als Journalistin – bedeutete für sie im Grunde, dass sie so flexibel war, ständig zu arbeiten. Träume von täglichen Wanderungen durch die Berge zerplatzten schnell. Sie arbeitete mindestens so viel wie in New York, wenn nicht mehr. Nur vor einer schöneren Kulisse.

Charlie albert gern mit Kollegen herum. Pünktlichkeit ist nicht sein Ding. Er lebt von der Interaktion. Er bekam in der Pandemie prompt Probleme. Die ersten Monate verunsicherten und zermürbten ihn. Er schrieb und mailte viel und hielt vom Sofa aus über Slack-Nachrichten (Slack ist ein Messaging-Dienst aus den USA, Anm. d. Übers.) laufend mit allen Kontakt, sodass ihm der kalte Schweiß ausbrach, wenn er sich abends dort hinsetzte, um zu entspannen. Auf Dauer zu Hause zu arbeiten, verursachte Kurzschlüsse in seinem Gehirn. Er konnte weder körperlich noch geistig verarbeiten, wie es möglich war, gleichzeitig im Büro und vor Netflix zu sitzen.

Charlie war sicher: Dieser Schritt würde seiner Karriere schaden. Er wäre isoliert, für Vorgesetzte unsichtbar und würde bei der Vergabe von Projekten übergangen. Er befürchtete, von der Arbeitswelt abgehängt zu werden, wenn er keine Gelegenheit zu Begegnungen und Gesprächen mehr hatte, die ihn auf neue Ideen brachten. Deshalb stürzte er sich wie besessen in die Arbeit und seine Vorgesetzten ernteten die Früchte – oftmals unbemerkt. Wochenendarbeit? Warum nicht? Er war schließlich schon im Büro. Dass er nicht mehr pendeln musste, verschaffte ihm morgens und abends nicht etwa mehr Freizeit – nein, es bedeutete, gleich nach dem Aufstehen zum Handy zu greifen und sich einzuloggen. Er schrieb mehr denn je, geriet aber nach wenigen Wochen an den Rand eines Burn-outs – und suchte verzweifelt nach Beschäftigungen, die ihm helfen würden, Arbeit und Freizeit voneinander abzugrenzen.

So konnte es nicht weitergehen. In unsere Jahre vor Ausbruch der Pandemie angestellten Überlegungen dazu, wie wir auf Dauer von zu Hause aus arbeiten könnten, mussten wir die Frage einbeziehen, wie wir ein abwechslungsreiches Privatleben führen und unseren Job darin unterbringen konnten, nicht umgekehrt. Das bedeutete nicht nur, dass wir öfter offline gehen mussten, sondern auch, dass wir unseren Tagesablauf verändern und die starren Strukturen abschaffen mussten, die uns die moderne Arbeitswelt eingebläut hatte.

Als wir die nötigen Änderungen vorgenommen hatten, wurde uns eines sofort klar: Ein Büro kann einen Menschen ganz schön tyrannisieren. Es zwingt uns, unseren Alltag auf Verkehrsverbindungen auszurichten. Es beansprucht unsere Aufmerksamkeit durch (manchmal durchaus erfreuliche!) ungeplante spontane Besprechungen. Es erhebt das Gefühl, produktiv zu arbeiten, über die Produktivität. Es ist eine Brutstätte für Mikroaggressionen und toxische hierarchische Verhaltensschleifen. Kein Wunder, dass die Menschen, die im Büro aufblühen, fast immer dieselben sind, die auch im Privatleben eine Menge identitätsbezogener Privilegien erworben oder in die Wiege gelegt bekommen haben.

Das Homeoffice kann zum maßgeblichen Akt der Kontrolle und des Widerstands werden. Ein Allheilmittel ist es aber nicht. Ebenso wenig stellt es eine Lösung für die Fäulnis im Mark des modernen Kapitalismus in Aussicht. Sämtliche der angesprochenen toxischen Entwicklungen sind nämlich ins Homeoffice übertragbar. Das gilt umso mehr, wenn Sie oder Ihr Arbeitgeber darunter verstehen, dass Sie künftig zuhause abarbeiten, was zuvor im Büro erledigt wurde – mit dem kleinen Unterschied, dass Sie fortan die Miete und die Nebenkosten übernehmen. Ziel dieses Buches ist es daher, herauszufinden, wie wir uns von den schädlichsten, abschreckendsten und frustrierendsten Aspekten des Büroalltags befreien können. Und zwar nicht, indem wir einfach nur den Arbeitsplatz verlagern, sondern vielmehr, indem wir unsere Arbeit und die Zeit, die wir dafür vorsehen, ganz neu denken.

Dieses Buch ist kein Leitfaden für die Praxis. Auch kein Ratgeber – jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne. Wir behaupten nicht, schon alles zu wissen. Auch für uns ist die Work-Life-Balance nach wie vor ein Kampf, den wir immer wieder verlieren – unter anderem, weil wir in unserer Arbeit Erfüllung finden. Dieses Buch richtet sich insbesondere an den beachtlichen Anteil der Erwerbstätigen (in den USA: 42 Prozent), deren Aufgaben sich von zu Hause aus erledigen lassen: also längst nicht an alle. Doch für diese 42 Prozent (in den USA) (die ständig mehr werden) wollen wir herausfinden, was mit dieser Beschäftigung nicht stimmt, die so viele unserer wachen Stunden beansprucht, und versuchen, das in Ordnung zu bringen.

Deshalb sehen wir dieses Buch eher als Orientierungshilfe. Es zeigt Ihnen, wie wir an den Punkt gekommen sind, an dem unser Verhältnis zur Arbeit gestört wurde, und welche Wege wir nun einschlagen können. Wir können kehrtmachen und wieder dieselben ausbeuterischen Kräfte walten lassen, die im Büro herrschen und uns die Seele aussaugen – nur eben zu Hause. Jeder Einzelne kann sich, wie schon seit Jahren, selbst seinen Weg abseits der Hauptstraße bahnen und darum kämpfen, angesichts der Unternehmensnormen im Gleichgewicht zu bleiben. Wer so selbstbewusst und privilegiert ist, dass er zu seinen Bedingungen ins Homeoffice wechseln kann, wird davon Vorteile haben. Andere werden zu Bürobürgern zweiter Klasse. Wir können aber auch einen dritten Weg wählen und den Arbeitstag an sich – und die Erwartungen der Arbeitnehmenden – neu konzipieren. Das ist aber nicht mit einer Happy Hour auf Zoom getan oder mit dem unternehmensweiten Hinweis, es sei nicht so schlimm, wenn mal ein Kind in die Telko platzt, weil es einen Keks möchte. Solche...


Charlie Warzel war als freier Autor für die New York Times tätig und arbeitete als Technologiereporter bei BuzzFeed News. Für sein Berichterstattung über die Datenschutzprobleme von Facebook erhielt er 2019 den Mirror Award.

Anne Hendersen war leitende Kulturredakteurin bei BuzzFeed News. Die promovierte Medienwissenschaftlerin ist Autorin von vier Büchern und schreibt den Newsletter Culture Study.



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