Watzlawick / Nardone | Kurzzeittherapie und Wirklichkeit | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Reihe: Piper Taschenbuch

Watzlawick / Nardone Kurzzeittherapie und Wirklichkeit

Eine Einführung
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-492-97427-1
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Einführung

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Reihe: Piper Taschenbuch

ISBN: 978-3-492-97427-1
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
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Viele Geistes- und Verhaltensstörungen können in kurzer Zeit geheilt werden, so die Vertreter der Kurzzeittherapie. Ihre Grundfrage lautet: Wie verhalten sich Menschen zu der von ihnen selbst konstruierten Wirklichkeit, und wie nehmen sie diese wahr? Der international renommierte Psychotherapeut Paul Watzlawick und Giorgio Nardone geben in diesem Band gemeinsam mit weiteren Experten eine umfassende Einführung in Theorie und Praxis der Kurzzeittherapie.

Paul Watzlawick, geboren 1921 in Villach/Kärnten, studierte Philosophie und Sprachen. Psychotherapeutische Ausbildung am C.G. Jung-Institut in Zürich. 1957 bis 1960 Professor für Psychotherapie in El Salvador, später lehrte er an der Stanford University. Er starb 2007 in Palo Alto, Kalifornien. Zahlreiche Veröffentlichungen, darunter Anleitung zum Unglücklichsein.
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Prolog


Gib nach, und du wirst unnachgiebig sein. Beuge dich, und du wirst siegen. Leere dich, und du wirst voll sein. Das Harte und das Unbeugsame werden von der Veränderung zerbrochen; das Biegsame und das Nachgiebige biegen sich und werden überlegen sein.

RAY GRIGG,

Das Tao der Beziehungen

Der strategische Ansatz ist nicht eine einfache Theorie und Praxis auf dem Gebiet der Psychotherapie, sondern eine echte Denkschule, die sich mit der Frage beschäftigt, »wie« die Menschen sich zur Wirklichkeit verhalten oder, besser, wie jeder von uns sich zu sich selbst, zu den anderen und zur Welt in Beziehung setzt.

Die Grundannahme lautet: Die Wirklichkeit, die wir wahrnehmen und auf die wir reagieren, einschließlich der Probleme und der psychischen Störungen, ist das Ergebnis der Wechselwirkung zwischen dem Beobachtungsstandpunkt, den wir einnehmen, den Mitteln, die wir verwenden, und der Sprache, die wir benutzen, um diese Wirklichkeit mitzuteilen. Es gibt daher keine »wahre« Wirklichkeit, sondern nur so viele mögliche Wirklichkeiten, wie es mögliche Wechselwirkungen zwischen Subjekt(en) und Wirklichkeit gibt.

Aus dieser Annahme ergibt sich, daß jede geistig gesunde oder geistesgestörte Verfassung, in der wir uns befinden, das Produkt einer aktiven Beziehung zwischen uns und dem, was wir erleben, ist. Mit anderen Worten, jeder konstruiert die Wirklichkeit, die er dann erfährt.

Aus dieser Perspektive erscheinen die Geistesstörungen als Produkt einer dysfunktionalen Art der Wahrnehmung und Reaktion in der Konfrontation mit der Wirklichkeit, die das Subjekt durch seine Dispositionen und Handlungen buchstäblich selbst konstruiert hat. Dies ist ein »Konstruktionsprozeß«, in dem sich mit den Wahrnehmungsweisen des Subjekts auch seine Reaktionen verändern.

Das Konzept des strategischen problem solving, auf dem die Kurzzeittherapie beruht, wird von dieser scheinbar so einfachen Logik gesteuert, die sich in der klinischen Praxis darin äußert, daß der Patient, häufig mit Hilfe von Tricks (Stratagemen) und Formen raffinierter Suggestion, die seine Widerstände unterlaufen, veranlaßt wird, alternative Wahrnehmungen seiner Wirklichkeit zu erproben. Solche neuen und korrigierenden Wahrnehmungserfahrungen sollen ihn dazu bringen, seine früheren dysfunktionalen emotionalen und kognitiven Dispositionen und Verhaltensmuster zu ändern.

Dennoch hatten es die strategischen Ansätze der Psychotherapie, obwohl sie sich in der konkreten Anwendung als die wirksamsten und leistungsfähigsten Modelle für die kurzfristige Lösung der meisten Geistes- und Verhaltensstörungen erwiesen haben (Nardone, 1991; de Shazer, 1991; Bloom, 1995), von ihrer ersten Formulierung (Weakland, Fisch, Watzlawick, Bodin, 1974) an sehr schwer, von der Gemeinschaft der Psychotherapeuten anerkannt zu werden. Denn diese, in ihrer Mehrheit in den psychodynamischen Langzeittherapiemodellen geschult, hatten, was hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Rolle paradox scheint, die Vorstellung verworfen, daß es möglich sein könnte, die menschlichen Probleme innerhalb kurzer Zeit zu lösen, auch wenn dies konkret bewiesen werden konnte (Bloom, 1995).

Die Wissenschaftsgeschichte weist im übrigen so viele Beispiele von Widerstand gegen eine Veränderung der für »wahr« gehaltenen Theorien auf, daß es sich erübrigt, die erwähnte feindselige Haltung gegenüber dem Neuen und anderen mit der Haltung zu vergleichen, die die Heilige Inquisition gegenüber den Entdeckungen Galileis einnahm: Wenn die Tatsachen nicht mit der Theorie (oder dem Glauben) übereinstimmen, um so schlimmer für die Tatsachen. Wir brauchen uns nur zu erinnern, wie schwer es Einsteins Relativitätstheorie und Heisenbergs Quantenmechanik hatten, die früheren positivistischen Formulierungen in der Physik abzulösen, obwohl sie experimentell bewiesen worden waren. Wenn die anwendungstheoretischen Formulierungen autoimmunisierende Theorien werden, ist es in der Tat natürlich, daß sie sich tapfer ihrer eigenen Veränderung widersetzen, da sie als »autoreferentielle« Systeme (von Foerster, 1973) auf der Grundlage des Mechanismus der »Autopoiesis« (Maturana, Varela, 1980) funktionieren und vor allem für die Personen, die an sie »glauben«, die Grundlage ihrer persönlichen Identität darstellen (Salvini, 1995), deren Stabilität zu schützen ist, denn wenn die Theorie, an die sie glauben, in sich zusammenbricht, bricht auch ihre persönliche Identität auseinander. Und vergessen wir nicht, daß Milton H. Erickson wegen seiner »unorthodoxen« Therapieansätze zu Beginn seiner brillanten Karriere aus der American Psychiatry Association ausgeschlossen wurde.

Um all dem vorzubeugen, haben die Forscher und Autoren der strategischen Kurzzeittherapie im Laufe von mehr als zwanzig Jahren jedoch eine solche Fülle von wissenschaftlichen Arbeiten vorgelegt, daß dieser Ansatz in seinen verschiedenen Formulierungen eine fast inflationäre Verbreitung gefunden hat.

Die strategische Therapie ist eine in der Regel kurze therapeutische Intervention, deren Ziel die Beseitigung der Symptome und die Lösung des vom Patienten dargestellten Problems ist. Dieser Ansatz ist weder eine Verhaltenstherapie noch eine oberflächliche Symptomtherapie, sondern eine Umdeutung und Veränderung der Wirklichkeitswahrnehmung und der sich daraus ergebenden Verhaltensweisen des Patienten.

Der Grundgedanke ist folgender: Die Beseitigung der Störung erfordert das Durchbrechen des zirkulären Systems von Wechselwirkungen zwischen Individuum und Wirklichkeit, das die problematische Situation aufrechterhält, die Neudefinition der Situation und die entsprechende Veränderung der Wahrnehmungen und Auffassungen der Welt, die die Person zu gestörten Reaktionen zwingen.

Aus dieser Perspektive ist der Rückgriff auf Notizen oder Informationen über die Vergangenheit oder die sogenannte »klinische Geschichte« des Patienten nur ein Mittel, um bessere Lösungsstrategien für die gegenwärtigen Probleme entwickeln zu können, und kein therapeutisches Verfahren wie in den traditionellen Formen der Psychotherapie.

Anstatt die Vergangenheit seines Patienten zu erforschen, konzentriert der Therapeut von der ersten Begegnung mit dem Patienten an seine Aufmerksamkeit und die Bewertung auf folgende Punkte:

  1. Was geschieht innerhalb der drei interdependenten Beziehungen, die der Patient mit sich selbst, mit den anderen und mit der Welt unterhält?
  2. Wie funktioniert das präsentierte Problem in einem solchen Beziehungssystem?
  3. Wie hat der Patient bis jetzt versucht, das Problem zu bekämpfen oder zu lösen (versuchte Lösungen)?
  4. Wie kann diese problematische Situation auf die wirksamste und rascheste Weise verändert werden (Nardone, Watzlawick, 1990, S. 48)?

Nachdem gemeinsam mit dem Patienten auf der Grundlage der ersten therapeutischen Interaktionen (Diagnose) die Ziele der Therapie festgelegt worden sind, werden eine oder mehrere Hypothesen über die genannten Punkte gebildet und die Strategien zur Lösung des präsentierten Problems entwickelt und in die Praxis umgesetzt. Wenn die Intervention erfolgreich ist, beobachtet man beim Patienten in der Regel vom Anfang der Behandlung an eine deutliche Besserung der Symptome und eine schrittweise Veränderung der Art und Weise, wie er sich selbst, die anderen und die Welt wahrnimmt. Das bedeutet, daß sich die Perspektive, aus der heraus er die Wirklichkeit wahrnimmt, allmählich von der für das perzeptiv-reaktive System, das die problematische Situation aufrechterhält, typischen Starrheit zu einer flexibleren Wirklichkeitswahrnehmung und Einstellung zur Wirklichkeit hin verschiebt, verbunden mit einer allmählichen Stärkung der persönlichen Unabhängigkeit und des Selbstwertgefühls aufgrund der Feststellung, daß eine Lösung des Problems möglich ist.

Die erste Formulierung der strategischen Kurzzeittherapie verdanken wir der Forschungsgruppe des Mental Research Institute (MRI) in Palo Alto (Watzlawick, Weakland, Fisch, 1974; Weakland, Fisch, Watzlawick, Bodin, 1974). Diese Autoren verknüpften ihre systematische Perspektive mit den technischen Beiträgen der Hypnotherapie von Milton H. Erickson, wodurch sie vom Standpunkt der Formulierung systemischer Modelle aus in der Lage waren, Ericksons strategischen Therapieansatz von reiner Kunst oder Magie zu einem wiederholbaren klinischen Verfahren weiterzuentwickeln.

Doch die pragmatische Tradition und die Philosophie des Stratagems als Schlüssel zur Lösung von Problemen hat eine sehr viel ältere Geschichte. Denn strategische Ansätze, die immer noch modern wirken, finden wir beispielsweise in der Überzeugungskunst der Sophisten, in der alten Praxis des Zen oder im Buch der 36 Stratageme aus dem alten China.

Parallel zur Entwicklung des MRI-Modells entwickelte Jay Haley, der ebenfalls ein Mitglied der bekannten Gruppe für Kommunikationsforschung von Bateson war und zusammen mit John Weakland jahrelang die Charakteristika von Ericksons Therapiestil studiert hatte, eine eigene Formulierung der strategischen Therapie mit ähnlichen Ergebnissen wie das MRI.

Anfang der achtziger Jahre tauchte dann ein drittes Modell der Kurzzeittherapie auf systemisch-strategischer Grundlage auf, formuliert von Steve de Shazer und seiner Gruppe in Milwaukee (de Shazer, 1982a, 1982b, 1984, 1985, 1988a, 1988b). Die von dieser Gruppe vorgelegten Ergebnisse scheinen hinsichtlich Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit noch bedeutsamer zu sein.

Danach entwickelten andere Autoren, die jeweils einer der drei Gruppen angehören, die Grundmodelle (Madanes, 1990; Berg, 1993; O’Hanlon, 1987; O’Hanlon und Wilk, 1987; O’Hanlon und Weiner-Davis, 1989;...


Nardone, Giorgio
Giorgio Nardone, geboren 1958 in Arezzo, ist Psychotherapeut und Professor für Psychotherapie an der Universität von Siena. Außerdem ist er Repräsentant des Mental Research Institute in Italien und Direktor des Centro di Terapia Strategica in Arezzo.

Watzlawick, Paul
Paul Watzlawick, geboren 1921 in Villach/Kärnten, studierte Philosophie und Sprachen. Psychotherapeutische Ausbildung am C.G. Jung-Institut in Zürich. 1957 bis 1960 Professor für Psychotherapie in El Salvador, später lehrte er an der Stanford University. Er starb 2007 in Palo Alto, Kalifornien. Zahlreiche Veröffentlichungen, darunter Anleitung zum Unglücklichsein.



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