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E-Book

E-Book, Deutsch, 686 Seiten

Weiß Krone der Welt

Historischer Roman

E-Book, Deutsch, 686 Seiten

ISBN: 978-3-7325-9430-6
Verlag: Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Ein großer Historischer Roman über den Ausbau Amsterdams zur Weltmetropole, über Liebe und Hass und den Drang, die Welt zu einem besseren Ort zu machen


Vincent will als Architekt prächtige Stadthäuser bauen. Ruben sehnt sich nach Abenteuern auf hoher See. Betje ist eine begnadete Köchin. Zusammen sind die Geschwister in Amsterdam gestrandet, einem Ort der märchenhaften Möglichkeiten. Doch es ist auch die Zeit der großen Auseinandersetzungen. Katholiken und Calvinisten streiten um den rechten Glauben, Engländer und Spanier um den Einfluss auf das Land am Meer, Kaufleute um die wirtschaftliche Macht. Können sich die Geschwister in dieser schwierigen Situation behaupten?


Folgen Sie Sabine Weiß’ Helden ins spannende 16. Jahrhundert, und erleben Sie Amsterdam, wie Sie es noch nie gesehen haben!
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Prolog
Amsterdam, Februar 1617 Kristallklar floss die Februarsonne in die Gracht. Sie war ein Fingerzeig aus Licht, der die Schönheit des neuen Stadtviertels enthüllte. An dem sanften Bogen, den die Kanalstraße formte, standen die Grachtenhäuser Spalier. In der glatten Oberfläche der Amstel schienen die Häuser sich wie in einem Spiegel zu bewundern. Mit ihren kunstvoll gestalteten Fassaden und den hellen Ziergiebeln, die sich wie blitzsaubere Häubchen in den schneeschweren Himmel reckten, war jedes Gebäude einzigartig. Auch die Menschen hatten sich herausgeputzt. Familien spazierten nach dem sonntäglichen Kirchenbesuch am Grachtengürtel entlang. Die Eltern vorweg, mit gestärkten Halskrausen, auf denen ihr Kopf wie auf einem Tablett thronte. Die Kinder tobten hinterher, warfen von der Kanalkante aus mit Steinen auf die Eisschollen, die von den Mauern in den Fluss hineinkrochen, nur milde ermahnt von ihren Vätern. Der Duft von Sonntagsbraten und Torffeuer stieg dem Architekten in die Nase, als er die Hausreihe passierte. Aus einem offenen Fenster drang das Trillern eines Singvogels; in seinem Käfig schien er den Frühling herbeizusehnen. Wie ruhig Amsterdam sonntags war, wenn das Donnern der Rammen, das den Takt dieser Stadt vorgab, verstummt war, wenn kein Baulärm durch die Gassen dröhnte und kein Höker lautstark seine Waren anpries! Indes: Friedlich war es in Amsterdam derzeit nicht. Besorgt dachte der Architekt an die Diskussionen, die nach dem Gottesdienstbesuch geführt worden waren. Reichte es nicht, dass in den Ländern um sie herum Zwietracht herrschte und der Waffenstillstand mit ihrem Erzfeind Spanien brüchig war? Musste auch innerhalb der Republik der Sieben Vereinigten Provinzen gestritten werden? Auf den ersten Blick schien die Frage, um die der Streit entbrannt war, eine Spitzfindigkeit von Geistlichen zu sein. Genau betrachtet ging es aber um jedermanns Seelenheil und um die Rechtmäßigkeit von Reichtum und Elend. Freundschaften und Geschäftsbeziehungen drohten in diesem Streit zermahlen zu werden. Selbst in seiner Familie waren die Gespräche beim Sonntagsmahl hitzig geworden. Doch das war nicht das Einzige, was ihn aus dem Haus getrieben hatte. Entschlossen verbannte er die Gedanken, die in ihm aufstiegen. »Mijnheer Aardzoon?« Der Architekt war so vertieft gewesen, dass er erst jetzt den Poorter bemerkte, der ihn grüßte. Wie er trug der Mann einen breitkrempigen Hut mit Feder, einen modischen Spitzenkragen und Spitzenmanschetten unter dem Samtumhang. Seine schwarze Kleidung sollte Bescheidenheit signalisieren und verriet doch durch die Kostbarkeit der Stoffe seinen Reichtum, genau wie die Goldspitzen an seinen Seidenstrümpfen. Kurz plauderten sie über die Predigt und das günstige Winterwetter. Noch war der Warenverkehr nicht durch Eis und Schnee in Mitleidenschaft gezogen worden. Sogar das Holz für Aardzoons wichtigste Baustelle war früher als erwartet im Hafen angelandet worden. Ehe der Gedanke an das Risiko, das er einging, seine Stimmung weiter trüben konnte, wünschten sie einander einen gesegneten Sonntag. Bald hatte der Architekt die wenigen Baulücken in der Keizersgracht erreicht. Seine Stiefel sanken knisternd in das frostige Erdreich ein, das noch kein Pfahlgerüst verdichtet hatte. Gebannt hielt er inne. Der Anblick war atemberaubend, ein einziges, grandioses Versprechen. Amsterdam wuchs und wuchs. Als er in die Stadt gekommen war, hatte diese sich wie ein schmaler Kegel vom IJ aus, einer Bucht im Südwesten der Zuidersee, ins Land geschoben. Nur einige wenige Kanäle hatte es zwischen dem Meeresarm und dem Fluss Amstel gegeben. Vielleicht dreißigtausend Menschen hatten damals in Amsterdam gewohnt, heute waren es dreimal so viele – und die Stadt dehnte sich weiter aus. Inzwischen legten sich die Grachten wie schützende Arme um Häuser und Bewohner. Lebensadern aus Holz und Stein, die Amsterdam mit dem Rest der Welt verbanden. Für einen Augenblick erfüllte ihn Stolz. Baumeister wie er rangen dem sumpfigen Boden das neue Land ab oder schufen künstliche Inseln. Der Ausbau der Stadt war noch lange nicht abgeschlossen, die Vollkommenheit des Stadtbilds nicht erreicht. Eines Tages aber würde der Grachtengürtel einen perfekten Halbkreis am IJ-Ufer bilden. Als Baumeister strebte er nach Harmonie, er konnte nicht anders. Wenn er nur nicht so unter dem Hässlichen, dem Falschen litte! Auf den fremden Baustellen sah er keine Schönheit, sondern nur Fehler: nachlässig zusammengestoppelte Holzgerüste, schlecht behauene Steine, schnell hochgezogene Mauern, Krummholz, das man ungenügend gewässert hatte. Auf seinem Baugrund hingegen war alles, wie es sich gehörte. Die Holzstämme lagen säuberlich gestapelt, genau wie die Bauteile für Kran und Stellage. Auch für den Marmor, den er in Carrara bestellt hatte und der demnächst eintreffen würde, gab es Platz. Mit treuen Helfern wie Gerrit an seiner Seite würde das bisher größte Unterfangen seiner Laufbahn gelingen. Allerdings war sein Baustellenwächter allein – und das, obwohl der Diebstahl von Baumaterialien in Amsterdam an der Tagesordnung war. Gerrit wärmte sich vor der Bauhütte an einem Lagerfeuer. »Mijnheer Aardzoon, was treibt Euch denn heute hierher?«, fragte der alte Mann und erhob sich trocken hustend von seinem Schemel. Der Architekt zog sich die Lederhandschuhe aus und reichte ihm die Hand. »Bleib am Feuer, Gerrit, ich will dich an deinem freien Tag nicht lange stören«, sagte er. »Ein Kunde bat mich, ihn hier zu einer Begehung des Baugrunds zu treffen.« »Am heiligen Sonntag?« »Nur ein kurzer Spaziergang, eine kleine Plauderei«, versicherte Aardzoon. Natürlich war er Gerrit keine Rechenschaft schuldig, aber in diesem Land gab man aufeinander acht – und das war ja auch gut so. Seine wahren Beweggründe für dieses Treffen hatte er selbst seiner Familie verschwiegen: Es drängte ihn, Mijnheer van Noort an die offene Rechnung zu erinnern. Noch nie war er für einen Bau so weit in Vorleistung gegangen. Auch deshalb hing sein Haussegen schief. Dennoch war er überzeugt, dass sich die Investition lohnte. Mit dem Bau des imposanten Doppelhauses würde er endgültig in die Riege der besten Architekten der Stadt vorstoßen. »Bist du allein? Wo ist dein Enkel?«, fragte er. »Jan holt uns gerade ein paar Scheiben Schweinsbraten vom Garbräter, der muss heute ein bisschen weiter laufen als alltags.« Nicht jeder nahm es in Amsterdam mit der Sonntagsruhe genau, was durchaus Vorteile hatte, wie Aardzoon fand. Jüdische Läden hatten ebenso geöffnet wie Gaststätten oder die Läden derjenigen, die keiner Religion angehörten – und das waren etliche. Gedogen, das war die Maxime vieler Amsterdamer: Etwas war verboten, aber man duldete es, drückte ein Auge zu, manchmal auch zwei. Für Aardzoon war diese Toleranz anfangs ungewohnt gewesen, für Strenggläubige war sie unerträglich. Auch daran hatte sich der Streit entzündet. Gerrit riss ihn aus seinen Gedanken. Der Alte schlurfte ans Feuer zurück und hielt die Hände, um die er Lumpen gewickelt hatte, vor die Flammen. »Geht einem durch Mark und Bein, die feuchte Kälte. Hab nichts gegen Eis und Schnee, Gott bewahre, aber diese Feuchtigkeit! An Tagen wie diesen spürt man, dass wir Amsterdam dem Wasser abgerungen haben. Wenn der Mensch nicht wäre, wäre die halbe Stadt überspült, weil das Land so tief liegt, das darf man nicht vergessen.« Mit einem erstickten Stöhnen massierte er sich die Knöchel. »Gleich fängt’s an zu grieseln. Ich spür den Schneeregen schon in den Knochen. Irgendwann wachsen mir noch Schwimmhäute.« Die Mundwinkel des Baumeisters hoben sich zu einem Lächeln. »Das wäre sicher auch nicht übel. Irgendein findiger Ingenieur würde eine Einsatzmöglichkeit für dich finden. Oder dich für seine Wunderkammer ausstopfen.« Gerrit kicherte. »Wie den Basilisken, den ein Schiff aus Batavia mitgebracht hat.« »Du solltest nicht alles glauben, was auf den Straßen Amsterdams geredet wird.« »Und doch ist’s wahr, Mijnhe…« Erneuter Husten machte Gerrits Worten ein Ende. Das klingt gar nicht gut, dachte der Architekt besorgt. Er kannte den Alten schon seit seiner Jugend und brachte es nicht übers Herz, Gerrit gegen einen jüngeren Wächter auszutauschen. »Du weißt, dass du ins Oudemanhuis oder in eines der Hofjes ziehen könntest. Ich würde dich unterstützen«, sagte er beiläufig. Gerrit straffte sich empört. »Was soll ich bei den Greisen? Ich gehöre noch lange nicht zum alten Eisen, das wisst Ihr doch, Mijnheer!« Der Architekt hatte nichts anderes erwartet. Er holte ein Fläschchen aus seinem pelzgefütterten Mantel und reichte es dem Alten. »Ich habe dir etwas Gutes mitgebracht.« Gerrit zog den Korken ab und sog den leichten Wacholderduft ein. »Ah, wat lekker«, sagte er voller Vorfreude. »Besten Dank, der Allmächtige möge es Euch vergelten.« Es zischte leise, als die ersten Eisregentropfen in die Flammen fielen. Aardzoon zog sich mit Gerrit unter das Vordach der Hütte zurück. Aus der Ferne waren Rufe zu hören. Die Oude Kerk läutete das stündliche Glockenkonzert der Amsterdamer Kirchen ein. Wo blieb sein Auftraggeber? Er hatte nicht ewig Zeit. »Werden die Bauarbeiten nächste Woche beginnen?«, wollte Gerrit wissen. »Wenn das Wetter mitspielt, schon. Das Erdreich ist nicht sehr tief gefroren, sodass das Fundament gelegt werden kann.« »Op staal oder op kleef?« »Weder noch. Wir fundieren op stuit. Das Material für Mast und Ramme liegt schon bereit.« Skeptisch blickte Gerrit...


Sabine Weiß arbeitete nach ihrem Germanistik- und Geschichtsstudium als Journalistin. Seit 2007 veröffentlicht sie erfolgreich Historische Romane, seit 2016 auch Kriminalromane um die junge Kommissarin Liv Lammers. Wenn sie nicht gerade mit ihrem Camper auf den Spuren ihrer Figuren reist und recherchiert, lebt Sabine Weiß mit ihrem Mann und ihrem Sohn in der Nähe von Hamburg.

Sabine Weiß arbeitete nach ihrem Germanistik- und Geschichtsstudium als Journalistin. Seit 2007 veröffentlicht sie erfolgreich Historische Romane, seit 2016 auch Kriminalromane um die junge Kommissarin Liv Lammers. Wenn sie nicht gerade mit ihrem Camper auf den Spuren ihrer Figuren reist und recherchiert, lebt Sabine Weiß mit ihrem Mann und ihrem Sohn in der Nähe von Hamburg.


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