Wellershoff | Plädoyer für eine bescheidenere Ökonomie | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 200 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 220 mm, Gewicht: 1 g

Wellershoff Plädoyer für eine bescheidenere Ökonomie

Über Wissen und Nichtwissen in der Finanzindustrie
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-03810-358-5
Verlag: NZZ Libro
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Über Wissen und Nichtwissen in der Finanzindustrie

E-Book, Deutsch, 200 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 220 mm, Gewicht: 1 g

ISBN: 978-3-03810-358-5
Verlag: NZZ Libro
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Obwohl viele Ökonomen das Gegenteil behaupten, wissen wir wenig über die Zukunft. Dafür ist das Wenige, was wir wissen, sehr mächtig. Klaus W. Wellershoff trennt die Spreu vom Weizen und vermittelt praktische Instrumente zur Beurteilung der Entwicklung von Volkswirtschaft und Finanzmärkten. Er liefert ausserdem eine empirisch gestützte Grundlage für eine vernünftige Vermögensverwaltung. Zur Illustration verwendet er zahlreiche Beispiele und bietet einen Überblick über die aktuelle Situation der Weltwirtschaft und des Markts für private Vermögensverwaltung in der Schweiz.

(* 1964), Prof. Dr., ist Verwaltungsratspräsident der Unternehmensberatung Wellershoff & Partners Ltd. Davor war er bei der UBS tätig, u. a. als Chefökonom und als Mitglied des Group Management Boards. Er ist Verwaltungsratspräsident der ZWEI Wealth Experts AG, Präsident des Geschäftsleitenden Ausschusses der Forschungsgemeinschaft für Nationalökonomie an der Hochschule St. Gallen und Stiftungsrat der Ernst-Schmidheiny-Stiftung.
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Wachstum


«Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft zu prognostizieren, sondern uns auf sie vorzubereiten.»

Perikles (500–429 v. Chr.)

Wirtschaft – was ist das?


Haben Sie auch schon einmal Menschen über «die Wirtschaft» reden hören? In meinem Beruf bin ich ständig mit diesem Begriff konfrontiert. Häufig werde ich Dinge gefragt wie «Machen Sie sich auch so viele Sorgen um die Wirtschaft?» oder «Wie geht es der Wirtschaft?». In der Politik sind Sätze wie «Das ist gar nicht gut für die Wirtschaft» in den letzten Jahren zum Totschlagargument geworden. Aber wer oder was ist eigentlich «die Wirtschaft»?

In manchen Diskussionen wird «die Wirtschaft» als Synonym für die Unternehmungen verwendet. Da sehen wir «Wirtschaftsvertreter», die mit Arbeitnehmervertretern diskutieren. Nur, sind denn die Arbeitnehmer nicht auch Teil der Wirtschaft? Und was ist mit den Jugendlichen und Kindern oder den Menschen, die ihr Leben der unentgeltlichen Sozialarbeit widmen?

Wachstum ist ein ähnlicher schwammig verwendeter Begriff. Sie alle kennen die meist wenig fruchtbaren Diskussionen, ob Wachstum überhaupt nötig sei, ob wir lieber qualitatives als quantitatives Wachstum anstreben sollen. Was wächst hier eigentlich? Oder was soll wachsen? Und was besser nicht?

Die Wirtschaftswissenschaft hat diese Begriffe schon seit langem versucht genauer zu fassen. Ich denke, dass man das am einfachsten so formulieren kann: Unter Wachstum verstehen wir meist die Zunahme des Einkommens der Bewohner eines Landes. Unter Wirtschaft verstehen wir das System von Produktion und Austausch von Waren und Dienstleistungen. Wirtschaft und Wachstum sind wichtige Themen, die uns auch in diesem Buch beschäftigen werden.

Zentral für das Verständnis dessen, was die Wirtschaftswissenschaft zu diesen Themen zu sagen hat, ist, dass wir Ökonomen unsere Fragestellungen nicht ausschliesslich unter monetären oder materiellen Aspekten beleuchten, wie es häufig in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Selbst die einfachsten ökonomischen Theorien unterstellen nicht, dass der Mensch einfach sein Einkommen maximieren will. Ganz grundsätzlich sprechen wir Ökonomen von einer Nutzenmaximierung als Grundannahme hinter dem von uns am häufigsten gebrauchten, aber nicht einzigen Modell zur Beschreibung ökonomischer Zusammenhänge.

Was einem Menschen Nutzen stiftet, ist aber nicht automatisch mit Einkommen gleichzusetzen, sondern bleibt im Wesentlichen unbestimmt. In dem von vielen Ökonomen grundsätzlich geteilten liberalen Menschenbild soll eben gerade niemand den Menschen erklären, was für sie nun gut sei und was sie zu meiden hätten. Der Mensch kann, darf und soll in einer liberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung diese Entscheidung für sich selber fällen.

Nehmen wir meine Familie als Beispiel: Meine Schwester ist Pfarrerin, mein Bruder ist Psychoanalytiker, ich bin Ökonom. Ich bin mir sicher, dass wir nicht nur mit unserer freien Berufswahl sehr glücklich sind, sondern dass wir auch in unserem alltäglichen Leben viele Entscheidungen sehr gerne in Freiheit und Eigenverantwortung sehr unterschiedlich fällen.

Das Motiv, Geld zu verdienen, ist für meine Schwester in ihrer Berufswahl überhaupt kein Thema gewesen. Dennoch erbringt sie heute Dienstleistungen für die Gesellschaft, die für ihre Gemeindemitglieder sehr nützlich sind und ihr selber Befriedigung verschaffen. Ihre Entlohnung richtet sich nicht nach einem Marktlohn, sondern wird im Wesentlichen durch die Gemeindemitglieder anhand ihres persönlichen Bedarfs bestimmt.

Dennoch würde ich als Ökonom den Austausch von Dienstleistung gegen diesen Lohn, für eine hohe Anerkennung und vor allem für die Möglichkeit, etwas Befriedigendes und Sinnstiftendes tun zu können, als eine wirtschaftliche Aktivität bezeichnen. Für meine Schwester gehören in ihre Vorstellung von dem, was für sie wichtig ist, was ihr Nutzen stiftet, ganz offensichtlich nicht nur pekuniäre Grössen. Ich denke, dass das für meinen Bruder und für mich ähnlich ist. Wahrscheinlich sind es aber unterschiedliche Dinge, die wir in unserem Leben wichtig und richtig finden.

Die Ökonomie mischt sich hier nicht ein. In den einfachsten, den Studenten bereits im ersten Semester vermittelten Theorien wird eben nicht die Maximierung von Geld oder Vermögen beschrieben, sondern es wird untersucht, wie sich Menschen bei teilweise widersprüchlichen Zielen und bei Knappheit der zur Verfügung stehenden Mittel entscheiden. Typisch für ein solches Basismodell der Ökonomie ist die Untersuchung einer Situation, in der die Menschen Konsum und Freizeit nützlich finden, der Konsum aber nur möglich ist, wenn vorher durch Arbeit Einkommen erzielt wird. Arbeit und Freizeit stehen aber, wie viele von uns wissen, in einem gewissen Spannungsverhältnis. Arbeitszeit geht zulasten der Freizeit und umgekehrt.

Es ist hier nicht der Ort, um darzulegen, wie sich Menschen unter der Annahme von vernünftigem Verhalten dann entscheiden werden, welche Entscheidungsregeln sie anwenden und was daraus alles gefolgert werden kann. Wichtig scheint mir an dieser Stelle nur zu betonen, dass Wirtschaft viel mehr umfasst, als diejenigen meinen, die häufig das Wort «Wirtschaft» in ihren Argumentationsketten benutzen. Nutzenmaximierung ist nicht einfach mit Einkommensmaximierung gleichzusetzen. Wer das tut, zeichnet ein verarmtes Zerrbild unserer Wissenschaft.

Gerade vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wird deutlich, dass Wirtschaften auch kein Selbstzweck ist. Im Sinne der Ökonomie ist es genau umgekehrt: Die Wirtschaft existiert erst, weil wir Bedürfnisse nach Waren und Dienstleistungen haben, die wir befriedigen wollen. Ein effizientes Wirtschaftssystem schafft es, dass möglichst viele Bedürfnisse auf eine gesellschaftlich akzeptable Art und mit möglichst geringem Ressourcenverbrauch befriedigt werden können. Worin diese Bedürfnisse bestehen, wird von der Ökonomie nicht im Voraus bestimmt. In einem liberalen Wirtschaftssystem ist das ganz allein unsere Sache.

Wachstum und Wohlstand


Ich staune immer wieder, wie viele meiner Kollegen diese Grundlagen unserer Wissenschaft nicht wahrhaben wollen. Wie häufig wird nicht Wirtschaft auf das verengt, was sich in US-Dollar, Franken oder Euro messen lässt. Nehmen wir die Frage nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes. Diese Frage wird häufig auf die Frage der Grösse und des Wachstums des Volkseinkommens reduziert.

Es besteht kein Zweifel, dass das Volkseinkommen in vielerlei Hinsicht eine sehr wichtige Zahl ist. Zum Beispiel bestimmt die Grösse des Volkseinkommens die Grösse der Absatzmärkte für die Produkte der Unternehmen. Sicherlich stellt das Volkseinkommen auch die Basis dar, auf der der Staat Steuern erheben kann, um seine Ausgaben zu decken.

Betrachten wir zu diesem Thema ein konkretes Beispiel. Ich bin mir sicher, dass die meisten Leser dieses Buchs eine klare Vorstellung davon haben, wie wirtschaftlich leistungsfähig und effizient die Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich in den vergangenen Jahrzehnten gewesen sind. Blicken wir zuerst auf die absolute Höhe des Volkseinkommens, standen im Jahr 2016 den 18600 Milliarden US-Dollar der Vereinigten Staaten 2400 Milliarden Euro Frankreichs gegenüber. Nimmt man den durchschnittlichen Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar des Jahrs 2016 von 1,12 als Umrechnungswert, kommt man zum Schluss, dass die Vereinigten Staaten also ein siebenmal grösseres Einkommen erwirtschaftet haben. Amerika ist für die meisten Produkte ein deutlich grösserer Markt als Frankreich.

Die Frage nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Effizienz der betrachteten Volkswirtschaften ist aber mit dieser Zahl nur sehr oberflächlich beschrieben. Immerhin wohnen in den Vereinigten Staaten mit 320 Millionen gut fünfmal mehr Menschen als die 67 Millionen in Frankreich. Aber auch pro Einwohner liegt das Volkseinkommen mit 58000 US-Dollar in den USA deutlich über den umgerechnet 40000 US-Dollar Frankreichs. Vielleicht ist dieser Vergleich aufgrund des verwendeten, von zufälligen Marktschwankungen geprägten Wechselkurses nicht ganz statthaft. Ob man aber langfristige Durchschnittswerte, Tageswechselkurse oder eine Form der Kaufkraftparität, die uns später noch beschäftigen wird, nimmt, macht keinen Unterschied. In jedem Fall bleibt das Volkseinkommen pro Kopf in Amerika über dem Wert in Frankreich.

Ob das allerdings auch zu einem höheren Wohlstand für die Menschen führt, ist nicht ganz so deutlich. So versteckt sich hinter diesen Durchschnittswerten doch nicht nur eine sehr unterschiedliche Einkommensverteilung, sondern verbergen sich auch unterschiedliche Steuer- und Abgabensysteme. Auch die Preise für die Lebenshaltung können sehr unterschiedlich sein. Um diesen Unterschieden Rechnung zu tragen, untersucht die Schweizer Grossbank UBS seit Jahren Preise, Löhne und Kaufkraft in den wichtigsten Metropolen der Welt. Auch in diesen Analysen ergibt sich, dass der Lebensstandard in den Vereinigten Staaten über dem in Frankreich liegt. So kann sich eine dreiköpfige Familie mit durchschnittlichem Einkommen in New York einen gut 20 Prozent höheren materiellen Lebensstandard leisten als eine vergleichbare Familie in Paris.

Damit haben wir aber noch nicht geklärt, welche Volkswirtschaft sich dynamischer entwickelt. Auch hier spricht zunächst einiges für die Vereinigten Staaten. Um uns nicht von der Inflation blenden zu lassen, betrachten wir für solche Untersuchungen in der Ökonomie in der Regel inflationsbereinigte Zahlen. Tatsächlich ist in Amerika in den letzten Jahrzehnten das Volkseinkommen auch real deutlich schneller gewachsen als in Frankreich. Nimmt man 1980 als...


Klaus W. Wellershoff (* 1964), Prof. Dr., ist Verwaltungsratspräsident der Unternehmensberatung Wellershoff & Partners Ltd. Davor war er bei der UBS tätig, u. a. als Chefökonom und als Mitglied des Group Management Boards. Er ist Verwaltungsratspräsident der ZWEI Wealth Experts AG, Präsident des geschäftsleitenden Ausschusses der Forschungsgemeinschaft für Nationalökonomie an der Hochschule St. Gallen und Stiftungsrat der Ernst-Schmidheiny-Stiftung.



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