Wienands | Einführung in die körperorientierte systemische Therapie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 127 Seiten

Reihe: Carl-Auer Compact

Wienands Einführung in die körperorientierte systemische Therapie


4. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8497-8444-7
Verlag: Carl-Auer Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 127 Seiten

Reihe: Carl-Auer Compact

ISBN: 978-3-8497-8444-7
Verlag: Carl-Auer Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Handlungs- und erlebnisorientierte Ansätze stehen in der Psychotherapie derzeit hoch im Kurs. Das ist auch den Anregungen aus den kognitiven Neurowissenschaften zu verdanken, die belegen, dass das Gehirn zum Lernen Erfahrungen benötigt. Körperliches Erleben kann Erkenntnisprozesse begünstigen und verstärken; was intellektuell vielleicht schon verstanden worden ist, wird konkret, wenn es auch erfahren wird.

Viele Psychotherapeuten stellt das vor neue Fragen: Wie kommt man vom Sitzen und Reden zum Handeln und Erleben? Wie bringt man Bewegung, Energie und Lebendigkeit ins Gespräch? Wie geht man mit intensiven Gefühlen um, und wie kann man sie für den Therapieprozess nutzbar machen?

András Wienands gibt in diesem Buch einen kompakten Einblick in die grundlegenden systemischen und körperpsychotherapeutischen Konzepte und entwickelt aus diesen eine schlüssige und sehr effektive Spielart systemischen Arbeitens. Alle Methoden werden anhand von Fallbeispielen konkret erläutert.

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2 Körperpsychotherapeutische Konzepte
2.1 Vegetotherapie
Die psychotherapeutische Arbeit am Körper und mithilfe des Körpers wurde in den Anfängen des vergangenen Jahrhunderts durch Wilhelm Reich (1982) begründet. Reich, neben Jung und Adler ein Schüler aus dem engsten Kreis um Freud, hat die ursprüngliche Idee Freuds von Ladung und Entladung aufgegriffen und zum zentralen Thema seiner frühen Theorien gemacht. Freud hat in seinen Anfängen Symptome, wie die damals als Hysterie bezeichneten affektiven Entladungen seiner Klientinnen, als sexuell gestaute Energie beschrieben (Freud 1972). Dass die Klientinnen sich abreagieren, häufig in Verbindung mit Trance und Hypnose, war zu Beginn seines therapeutischen Wirkens das Ziel seiner Arbeit. Freuds Idee war zum damaligen Zeitpunkt revolutionär. Vereinfacht ausgedrückt, hat er behauptet, dass jene Energie, die nicht sexuell entladen werden könne, die neurotischen Muster seiner Klientinnen bzw. der Gesellschaft speise. Reich hat diese Idee Freuds zu einem Zeitpunkt, d. h. in den späten 20er-Jahren, aufgegriffen und weiterentwickelt, als sich Freud von ihr bereits abgewandt und anderen Konzepten, so u. a. der Idee von Übertragung und Gegenübertragung, zugewandt hatte. Aber auch Freuds Gedanke der negativen Übertragung wurde von Reich in einem somatisch fundierten – man könnte auch sagen: psychosomatischen Modell – aufgegriffen und weiterentwickelt (W. R. Reich 1989). Reich ging in diesem Modell davon aus, dass sich der Mensch auf eine spezifische, für ihn typische Weise in der Begegnung mit seinen Mitmenschen gegen die Erfahrung seiner Gefühle wehrt. Diese sogenannte Abwehr, später als Widerstand beschrieben, spiegelte sich für ihn auch in einer spezifischen Haltung, die über den Körper ausgedrückt wird. Wilhelm Reich betrachtete den Menschen als umfassendes energetisches System, welches physische und emotionale Blockaden bildet, wenn primäre Emotionen dauerhaft verleugnet werden. Diese Energieblockaden manifestieren sich in Haltung, Bewegung, Mimik, Gestik, Atmung und der Stimme des Menschen. Die Körperpsychotherapie Wilhelm Reichs basiert daher auf der Freisetzung von Lebensenergie. Interessanterweise traf Virginia Satir (siehe 1.5) in dem kalifornischen Esalen Institute auf Reich und wurde in ihrer Idee der anklagenden, beschwichtigenden, rationalisierenden und ablenkenden Kommunikationshaltungen von ihm inspiriert. Reich hatte zum damaligen Zeitpunkt den Widerstand seiner Klienten zu Clustern zusammengefasst (W. Reich 1989). Er beschrieb die sogenannte schizoide (nach Satir: ablenkende), psychopathische (nach Satir: anklagende), masochistische (nach Satir: beschwichtigende) und rigide (nach Satir: rationalisierende) Abwehr jedoch nicht mehr als von rein sexuellen oder erotischen Impulsen, sondern vielmehr von Gefühlen und Bedürfnissen im Allgemeinen ausgelöst. Die Betonung lag nun auf einem ehrlichen, liebevollen und lebendigen Kontakt, der Sexualität durchaus einschloss, aber nicht mehr auf sie fokussierte. Die Theorie von Ladung und Entladung in Verbindung mit der Widerstandsanalyse, die auch als Charakteranalyse bezeichnet wird, kennzeichnet die Vegetotherapie Wilhelm Reichs (der Bestandteil „Vegeto-“ in „Vegetotherapie“ bezieht sich auf das vegetative Gleichgewicht). Der Ansatz von Reich wurde auf unterschiedlichste Weise weiterentwickelt und hat zu zahlreichen Schulen der Körperpsychotherapie geführt (siehe u. a. Bioenergetik nach Alexander Lowen 2002; Core-Energetik nach John Pierrakos 1997; Primärtherapie nach Arthur Janov 2007; Bonding nach Dan Casriel 1995; psychomotorische Therapie nach Albert Pesso, vgl. Pesso u. Moser 2002; holotropes Atmen nach Stanislav Grof 2008; Biosynthese nach David Boadella 2009; Biodynamik nach Gerda Boyesen 2006; und andere). 2.2 Bioenergetik und Core-Energetik
Als wahrscheinlich bekanntestes Verfahren der Körperpsychotherapie entwickelten Alexander Lowen und John Pierrakos, beide Schüler von Wilhelm Reich, die Bioenergetik (Lowen 2002). Ziel ist es, den sogenannten Charakterpanzer des Klienten zu schmelzen, um den Ausdruck von Gefühlen zu ermöglichen. Dieser Gedanke ließe sich heute am ehesten anhand der systemischen Konzepte des Verflüssigens und Schmelzens erschließen. Wo es der Systemik darum geht, Realitäten zu verflüssigen, indem eine egozentrische durch eine multizentrische Sichtweise ersetzt wird, geht es der Bioenergetik darum, den körperlichen Panzer, als Äquivalent zur Psyche, zu schmelzen. John Pierrakos hat, durch den spirituellen Einfluss seiner Frau Eva Pierrakos inspiriert, das eher methodisch ausgerichtete Vorgehen seines Kollegen Alexander Lowen durch das theoretische Konstrukt von Maske, höherem und niederem Selbst ergänzt (Pierrakos 1997). Die Konzeption eines höheren Selbst, des sogenannten Core (Core-Energetik), erinnert entfernt an die Konzeption des Unbewussten bei Milton Erickson. Das Core bzw. Unbewusste wird in beiden Theoriegruppen als ein Ort der verschütteten, aber stets vorhandenen Ressourcen des Klienten bzw. seines intuitiven Wissens darüber, was ihm guttut und auf welche Weise Entwicklung möglich ist, konzipiert. Dieser Gedanke, die intuitiven Kompetenzen des Klienten zugänglich zu machen, indem die verhärteten, verkörperten und psychischen Muster geschmolzen werden, ist bis heute erhalten geblieben. Vorausgesetzt wird, dass sich die psychische Struktur in der physischen Struktur des Menschen spiegelt. Wird der Körper in seiner Über- bzw. Unterspannung als Zugang zu den entsprechenden psychischen (Beziehungs-) Mustern genutzt, wird die Arbeit mit dem und an dem Körper zur Arbeit an den psychischen Themen selbst. Man muss jedoch zwischen den theoretischen Konzepten der Begründer, d. h. Reich, Lowen, Pierrakos oder auch Gerda Boyesen (Biodynamik, 2006), David Boadella (Biosynthese, 2009) und Albert Pesso und Tilmann Moser (Psychomotor Therapy, 2002) u. a., und dem heutigen Stand innerhalb der jeweiligen Verfahren unterscheiden. Einen differenzierten Überblick zum heutigen Stand der körperpsychotherapeutischen Praxis geben Halko Weiss und Gustl Marlock in ihrem Handbuch der Körperpsychotherapie (2006). Als gemeinsamen Nenner verbindet diese theoretischen Schulen das Energiekonzept von Wilhelm Reich, d. h. das Konstrukt einer emotionalen bzw. Lebensenergie, deren Freisetzung das Ziel der psychotherapeutischen Arbeit darstellt. 2.3 Tiefenpsychologisch fundierte Körperpsychotherapie
Neben diesen Konzepten findet sich eine Gruppe von Verfahren, deren theoretische Modelle nicht an Reichs Energiebegriff angelehnt sind. Georg Downing hat in seinem Buch Körper und Wort in der Psychotherapie (2000) ein sehr differenziertes Konzept einer tiefenpsychologisch fundierten Körperpsychotherapie vorgelegt. Von seinen Ergebnissen in der Säuglingsforschung inspiriert, bildet das Konzept der affektmotorischen Schemata die Grundlage seiner Theorie. In den affektmotorischen Schemata verbinden sich früheste affektive und motorische Erfahrungen zu einer Einheit, die für das spätere Leben des Erwachsenen zum psychischen Fundament werden. In der sogenannten sanften Körperarbeit nach Downing wird der Zugang zu diesen tieferen emotionalen Schichten über eine dezent verstärkte Atmung erreicht. Die hierdurch auftretenden Gefühle, Bilder und Assoziationen werden im folgenden Gespräch verarbeitet. Tiefenpsychologische Konzepte wie Übertragung, Gegenübertragung und Projektion spielen dabei eine entscheidende Rolle. 2.4 Hakomi
Den Begründer der Hakomi-Methode, Ron Kurtz (vgl. 2002), könnte man als den Konstruktivisten unter den Pionieren körperpsychotherapeutischer Konzepte bezeichnen. Seine Vorgehensweise ist durch östliche Konzepte wie Achtsamkeit, Sanftmut und das stille Beobachten gekennzeichnet. Das systemische Entschleunigen findet sich hier in Form von Langsamkeit im Vorgehen wieder. Auch wenn die Hakomi-Methode immer noch stark von den charakteranalytischen Konzepten Reichs beeinflusst ist, ist die grundlegende Haltung des Therapeuten eine dialogische. Es wird, im Unterschied zur klassischen Vegetotherapie (Reich), Bioenergetik (Lowen) oder Core-Energetik (Pierrakos), weniger auf die körperlichen Beziehungsblockaden und ihre Auflösung fokussiert als vielmehr auf die Beziehung und den verkörperten Beziehungsdialog zwischen Therapeut und Klient. Dieser rückt in den Vordergrund und stellt die Grundlage für das therapeutische Geschehen dar. Der Therapeut sieht sich dabei als einen Weggefährten des Klienten, der ihn auf seinen Expeditionen begleitet. Ein sanfter, liebevoller und häufig stiller Gefährte, der lediglich die Aufgabe hat, den Impulsen des Klienten zu folgen und das Geschehen zu spiegeln. 2.5 Psychoanalytische Körperpsychotherapie
Eine weitere Entwicklung körperpsychotherapeutischen Arbeitens findet sich in der Gruppe um Peter Geißler (vgl. 2001). Diese Gruppe von Psychoanalytikern, zu denen als bekannteste Vertreter Peter Geißler, Tilmann Moser (2001) und Günther Heisterkamp (1999)...


András Wienands, Diplom-Psychologe, Systemischer Berater, Therapeut und Supervisor, Lehrender/Lehrtherapeut; Tätigkeit am Therapiecentrum für Essstörungen (TCE) des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, der psychosomatischen Klinik Windach am Ammersee, Fachklinik für Verhaltenstherapie, der psychosomatischen Klinik am Hardberg, Fachklinik für systemische Therapie, und dem Therapiecentrum für Suchterkrankungen (Prop) des Max-Planck-Instituts München. Geschäftsführer/Institutsleiter der GST GmbH – Gesellschaft für systemische Therapie und Beratung mit Sitz in Berlin und München und Ausbildungsgängen in systemischer Beratung, Therapie, Supervision, Kinder- und Jugendlichentherapie und körperorientierter Systemischer Therapie/Lösungsorientierter systemischer Psychosomatik (KPT).



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