Buch, Deutsch, 208 Seiten, Format (B × H): 134 mm x 204 mm, Gewicht: 328 g
Roman | Preisträgerin Prix Ringuet 2024 'Bluthaut ist eine Ode an die Weiblichkeit und die Kühnheit' Sylvain, Librairie Quantin in Lunéville
Buch, Deutsch, 208 Seiten, Format (B × H): 134 mm x 204 mm, Gewicht: 328 g
ISBN: 978-3-7374-1250-6
Verlag: Marix Verlag
Inmitten der kanadischen Wälder liegt ganz aus der Zeit gefallen das Dorf Kangoq. In der Federei dieses Dorfs laufen die Sehnsüchte von Jung und Alt, Reich und Arm zusammen. Hier arbeitet die Federfrau Bluthaut, die das Dorf in einem geheimen Gleichgewicht hält.
Je nach Tageszeit rupft sie Gänsefedern, stickt mit jungen Mädchen an deren Aussteuer und bringt ihnen nebenbei diskret ihren Körper näher oder sie erfüllt im Austausch gegen Geld und Pelze die intimen Wünsche der Männer.
Mit einer Sprache von seltener, beschwörender Kraft – herb, lyrisch, grausam – spricht die Erzählerin davon, wie sie Frauen hilft, sich von der Herrschaft der Männer zu befreien, und den Männern, ihre wahre Natur zu erkennen. Diese ungewöhnliche Protagonistin weiß um die uralten Rituale und Geheimnisse der Welt. Sie ist zugleich Mutterfigur, Prostituierte und weise, emanzipierte Frau.
Mit »Bluthaut« spinnt Audrée Wilhelmy die Mythologie ihres Erzählkosmos fort, der mit jedem ihrer Romane dichter gewoben wird. Dieses Buch, der zweite von Wilhelmys Romanen, der bei S. Marix auf Deutsch erscheint, vereint den Freiheitsdrang von Goliarda Sapienza mit der stechenden Poesie von Sylvia Plath.
Weitere Infos & Material
I- MATRJOSCHKENDÄMMERUNG
II- TEUFELSVIEH
III- AHORN-BLUTSAFT
IV- BEIM GÄNSEBANKETT
V- DER ZUSAMMENBRUCH
VI- DER FLUCH DER PHILOMÈNE
VII- DIE YAGA
VIII - NORDWIND
IX - ZUR BESAGTEN STUNDE
er fühlt seine allererste Scham, die so alt ist, dass er sie wie ausgeleierte Unterwäsche trägt, solche, die man vergisst, sobald man sich nicht mehr die Mühe macht, an sie zu denken, die man aber jeden Morgen von Neuem überstreift
er ist wieder fünf Jahre alt und beobachtet durch die angelehnte Tür die Bewegungen in der Küche: seine Mutter ist über den Topf gebeugt, sie geht von einer Schublade zur anderen, durchsucht die Küchengeräte und probiert das Gekochte, als koste sie von einer feinen Soße; nun, da das Kind Pierre in der Schneiderei allein geblieben ist, berührt es die Spitze, den Taft und die Innenfutter, es taucht seine Nase in die Seide der Madame de Sève; gerade ist die Kundin gegangen: in ihrer Kleidung liegt die Erinnerung an ihren Körper bewahrt, ihre Gerüche nach seltenen Blumen, Schweiß, Wein; eine Spur von Lippenrouge hat den weißen Halbmond des Kragens gestreift und Pierre stellt sich das dicke, farbige Fett auf seinem Mund vor: der Stoff raschelt in seinen Händen; er legt sein Gesicht darauf und vergräbt sich; wann genau er in das grüne Kleid hineinschlüpft, weiß er nicht mehr, aber schon schnürt er die Bänder, gerade so fest, dass die Korsettstäbe sich wie ein zweiter Körper um ihn legen; da
- genau da
öffnet seine Mutter die Tür zur Werkstatt; und in das Zimmer, das bis dahin im Halbdunkel lag, sticht plötzlich das Licht aus der Küche




