E-Book, Deutsch, 327 Seiten, eBook
Wilkesmann Wissenstransfer im Krankenhaus
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-531-91608-8
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Institutionelle und strukturelle Voraussetzungen
E-Book, Deutsch, 327 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-91608-8
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Moderne Krankenhäuser gleichen einem Mikrokosmos menschlichen Daseins mit all seinen Spannungen - und das wortwörtlich vom Leben bis zum Tode. Neben den medizinischen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, exist- ren eine Vielzahl besonderer Beziehungen in diesem Mikrokosmos. Als Anfang 2006 unser jüngster Sohn unerwartet schwer erkrankte, wurde ich als pflegende Angehörige für fünf Wochen unweigerlich Mitglied im Mik- kosmos Krankenhaus. 24 Stunden am Tag beobachte ich mehr oder weniger gezwungenermaßen den Krankenhausalltag aus dem Augenwinkel einer aus- bildeten Sozialwissenschaftlerin. Als besonders interessanter Untersuchungs- genstand stellte sich der Wissenstransfer zwischen den Ärzten und den Pfle- kräften heraus. Frisch aus dem Krankenhaus entlassen, galt es daher dieses Feld näher zu erforschen. Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2008/09 von der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angen- men. Für den Druck wurde sie geringfügig gekürzt. An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, all den Personen zu danken, die zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Mein erster Dank geht an meine Gutachter, Prof. Dr. Heiner Minssen und Prof. Dr. Sigrid Metz-Göckel, für die Ermunterung zu dieser Arbeit, den fachlichen Rat sowie für das stete Vertrauen in das Gelingen dieser Arbeit.
Dr. Maximiliane Wilkesmann promovierte an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, war Mitglied im Promotionskolleg der Hans-Böckler-Stiftung 'Wissensmanagement und Selbstorganisation' an der Technischen Universität Dortmund und arbeitet derzeit im Projekt 'Erwartungsmuster an Betriebsräte'.
Zielgruppe
Research
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Vorwort;7
2;Inhaltsverzeichnis;9
3;Einleitung;12
4;Teil I Theoretische Ansätze zum Wissenstransfer imKrankenhaus;19
4.1;1 Die Organisation und ihre Akteure;20
4.2;2 Das Krankenhaus im Fokus der Soziologie;46
4.3;3 Wissenstransfer;74
4.4;4 Neoinstitutionalismus und Strukturationstheorie;120
5;Teil II Empirische Untersuchung zum Wissenstransfer imKrankenhaus;192
5.1;5 Empirie;193
5.2;6 Schlussfolgerungen;275
6;Literaturverzeichnis;286
0.- Theoretische Ansätze zum Wissenstransfer im Krankenhaus.- Die Organisation und ihre Akteure.- Das Krankenhaus im Fokus der Soziologie.- Wissenstransfer.- Neoinstitutionalismus und Strukturationstheorie.- Empirische Untersuchung zum Wissenstransfer im Krankenhaus.- Empirie.- Schlussfolgerungen.
4 Neoinstitutionalismus und Strukturationstheorie (S. 123-124)
Die beiden zuvor dargestellten Diskurse zur Krankenhausforschung und zum Wissenstransfer machen deutlich, dass eine direkte Ableitung von Hypothesen aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit kaum möglich ist. Aus diesem Grund wird in diesem Kapitel eine Forschungsheuristik entwickelt, welche eine gleichwertige Berücksichtigung beider Diskurse erlaubt. Wirft man einen Blick in die organisationstheoretisch orientierten Ansätze der Soziologie, so stechen zwei Theorieansätze zur Integration besonders hervor: Einerseits die Strukturationstheorie (Giddens 1984), welche die oftmals getrennt voneinander betrachteten Struktur- und Organisationsbedingungen mit individuellen Handlungen (in diesem Fall den Transfer von Wissen) integriert.
Allerdings stellt die Operationalisierbarkeit der Strukturierungsmodalitäten, auf die ich später in diesem Kapitel eingehen werde, bislang die größte Herausforderung bei der empirischen Umsetzung der von Giddens als Sozialtheorie konzipierten Strukturationstheorie dar. Andererseits weisen neoinstitutionalistische Ansätze eine große Nähe zum empirischen Feld auf. Hier gelang es etwa Scott et al. (2000) neoinstitutionalistische Annahmen empirisch zu untermauern.
Allerdings fehlt dem Neoinstitutionalismus eine Mikrofundierung. Anschlussfähig an die zuvor gemachten Überlegungen im ersten und zweiten Kapitel sind daher der (soziologische) Neoinstitutionalismus und die Strukturationstheorie. Zusätzlich existiert eine relativ große Schnittmenge zwischen diesen Ansätzen, die ein theorieintegrierendes Vorgehen nahe legen. Durch die Integration beider Perspektiven gelingt es, Erklärungsansätze zu entwickeln, welche die einzelnen Theorieansätze nicht bieten (können). Zur Klärung der Fragestellung, welche Institutionen und Strukturen Wissenstransfer im Krankenhaus beeinflussen, werden zunächst neoinstitutionalistische Ansätze sowie die Grundzüge der Strukturationstheorie dargestellt, ihre Erklärungsgrenzen aufgezeigt und zu einer dem Forschungsvorhaben angemessenen Forschungsheuristik zusammengeführt.
4.1 Neoinstitutionalismus
Ausgangspunkt dieses Abschnitts ist die Klärung von zentralen Begriffen, z.B. was ist eine Institution, was bedeutet Institutionalisierung? Die theoretische Grundlage bildet hier der Ansatz von Berger/Luckmann (1967).3 Darauf folgt eine kurze Vorstellung der drei grundlegenden Aufsätze von Meyer/Rowan (1977), DiMaggio/Powell (1983) und Zucker (1977). An diese Grundlagen knüpft die Weiterentwicklung des neoinstitutionalistischen Ansatzes nach Scott (2001) an.
Überlegungen zu Institutionen haben seit Mitte der 1970er Jahre in verschiedenen Disziplinen, wie der Ökonomie, Politikwissenschaft und Soziologie, unter dem Stichwort Neo-Institutionalismus eine theoretische Renaissance erlebt (Mayntz/Scharpf 1995). „Neo“ steht dabei als Vorsilbe für etwas, das neu ist oder das wieder neu ist, nachdem es in Vergessenheit geriet. Tatsächlich ist der Institutionalismus wieder entdeckt worden und bezieht sich nur vereinzelt auf die klassischen Ansätze der Soziologie (Hasse/Krücken 2005: 13). Doch was genau versteht man unter Institutionen?
4.1.1 Institutionen und (Neo)Institutionalismus
Unter dem Begriff Institution verbergen sich ganz allgemein in der Alltagssprache bzw. je nach wissenschaftlicher Disziplin, unterschiedliche Konstrukte, z.B. Familien, Kirchen, Parteien oder Universitäten gelten als Institution, das Hof bräuhaus in München wird als bayrische Institution gehandelt. Wendet man sich der wissenschaftlichen Bedeutung dieses Begriffes zu, so charakterisiert Jepperson beispielsweise Institutionen als „stable design for chronically repeated activity sequences“ (Jepperson 1991: 145). Insgesamt lassen sich vier institutionalistische Forschungsrichtungen aktuell unterscheiden: der historische Institutionalismus, der ökonomische Institutionalismus, der politikwissenschaftliche Institutionalismus und der soziologische bzw. organisationssoziologische Institutionalismus.