E-Book, Deutsch, 492 Seiten
Wille / Leitungskreis Sie sagen Frieden, Frieden ...
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7526-1731-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zwanzig Jahre Forum Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche in Baden (FFE)
E-Book, Deutsch, 492 Seiten
ISBN: 978-3-7526-1731-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die aktuellen Fragen von Krieg und Frieden im Lichte der biblischen Botschaft zu diskutieren und Handlungsalternativen zu entwickeln, war und ist die Aufgabe des Forums Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche in Baden. Der Theologe Dr. Wilhelm Wille schildert aus der Sicht eines Leitungskreismitglieds, wie es zu dieser anarchisch organisierten Basisinitiative kam. Anschaulich erläutert er die Schwerpunkte der zurückliegenden zwei Jahrzehnte: die Neuausrichtung kirchlicher Friedensethik im Geiste der biblischen Propheten und Jesu Bergpredigt mit Impulsen für eine friedenslogische Politik sowie deren Konsequenzen in der Unterstützung von menschen- und völkerrechtlich ausgerichteten Lösungsansätzen im Nahostkonflikt seitens der Kirchen und der Politik. Zu den jährlichen Studientagen hinzu kamen auch Kooperationen mit anderen Friedensorganisationen z.B. bei den Kirchlichen Aktionstagen vor den Toren des Atombombenlagers Büchel für den Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag. Diese spannende Darstellung eines Stücks Geschichte kirchlicher Friedensbewegung mit einem informativen Dokumententeil ist eine Ermutigung auch für viele Menschen außerhalb Badens.
Die aktuellen Fragen von Krieg und Frieden im Lichte der biblischen Botschaft zu diskutieren und Handlungsalternativen zu entwickeln, war und ist die Aufgabe des Forums Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche in Baden. Der promovierte Theologe Wilhelm Wille schildert aus der Sicht eines Leitungskreismitglieds, wie es zu dieser anarchisch organisierten Basisinitiative kam. Anschaulich erläutert er die Schwerpunkte der zurückliegenden zwei Jahrzehnte: die Neuausrichtung kirchlicher Friedensethik im Geiste der biblischen Propheten und Jesu Bergpredigt mit Impulsen für eine friedenslogische Politik sowie deren Konsequenzen in der Unterstützung von menschen- und völkerrechtlich ausgerichteten Lösungsansätzen im Nahostkonflikt seitens der Kirchen und der Politik. Zu den jährlichen Studientagen hinzu kamen auch Kooperationen mit anderen Friedensorganisationen z.B. bei den Kirchlichen Aktionstagen vor den Toren des Atombombenlagers Büchel für den Beitritt Deutschlands zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag. Diese spannende Darstellung eines Stücks Geschichte kirchlicher Friedensbewegung mit einem informativen Dokumententeil ist eine Ermutigung auch für viele Menschen außerhalb Badens.
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II.
„Sie sagen Friede, Friede …“
Eine Predigt zum Titel des Buches8
(2014)
Manfred Jeub „So spricht der HERR: Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was hab ich doch getan! Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt. Wie könnt ihr sagen: ‚Wir sind weise und haben das Gesetz des HERRN bei uns‘? Ist's doch lauter Lüge, was die Schreiber daraus machen. Denn sie gieren alle, Klein und Groß, nach unrechtem Gewinn; Priester und Propheten gehen mit Lüge um und heilen den Schaden meines Volks nur obenhin, indem sie sagen: ‚Friede! Friede!‘, und ist doch nicht Friede.“ (Jer 8,6ff.) Liebe Schwestern und Brüder, bei diesem Predigttext ist mir vor Jahren einmal ein Licht aufgegangen, d. h. ein Zusammenhang ist mir evident geworden, den ich für zunehmend wichtig erachte. Ich befasste mich damals gerade intensiver mit Mahatma Gandhi und es war wohl auch die unerwartete Parallele, die mich aufmerksam machte auf den Zusammenhang von diesen dreien: Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden. Dass Gerechtigkeit und Frieden zusammenhängen, das ist uns wohl geläufig. Unrechtsverhältnisse führen früher oder später zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Es sind soziale Probleme, die den allermeisten Konflikten zu Grunde liegen. Sie gieren nach unrechtem Gewinn, sagen: „Friede! Friede!“, und ist doch nicht Friede. Natürlich nicht. Denn: Ohne Gerechtigkeit kein Friede! Und wenn wir heute auf unsere Welt schauen, auf das Agieren der Marktmächte und das Anwachsen der extremen Ungleichverteilung der Güter, auf die Schere, die zwischen unglaublichem Reichtum und elender Armut global und regional immer weiter aufgeht, dann ist klar, dass darin Sprengstoff liegt, dass das auf die Dauer friedensgefährdend wird. Bei Jeremia kommt aber – unübersehbar – noch ein Drittes hinzu, dessen Zusammenhang uns weit weniger selbstverständlich ist: die Wahrheit. So spricht der HERR: Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden. Gottes Wort ist die Wahrheit. Und das Volk Israel kennt diese Wahrheit, es hat die Tora, es hat Gottes Wort und Gebot. Israel weiß genau, was Gerechtigkeit ist. Auch seine geistigen Führer, seine „Eliten“, aber: Priester und Propheten gehen mit Lüge um. Sie kennen die Wahrheit, aber sie haben ihre eigenen, anderen Interessen und Loyalitäten. Die sollen nicht ans Licht und ein Widerspruch soll auch nicht auffallen – also wird die Wahrheit vernebelt und umgebogen, Begriffe besetzt, Wörter verdreht. Selbstbewusst tönt es: ‚Wir sind weise und haben das Gesetz des HERRN bei uns!‘ – und ist doch lauter Lüge, was die Schreiber daraus machen – stellt Jeremia lakonisch fest. Die Schreiber. Die Medien. Die Herren der öffentlichen Meinung. Die Mauschler mit den Mächtigen. Die Trend-Designer. Die PR-Leute. Die Sprachregler. Die Pressesprecher. „Friede! Friede!“ – und ist doch nicht Friede. Ohne Wahrheit weder Gerechtigkeit noch Frieden. Sollte es sich so verhalten? Gandhi sagte: Gutes kann niemals aus Lüge und Gewalt entstehen. Gandhi setzt in eins, was wir für eine völlig andere Qualität halten: die Lüge, nun ja, nicht schön – aber doch nicht so schlimm! Dagegen die Gewalt – wirklich schlimm! Das ist ein Irrtum. Die Lüge führt zur Gewalt. Die Lüge verschleiert Gewalt. Die Lüge ist Gewalt. Alle Kriege beginnen mit Lügen! – Ich weiß nicht, von wem dies oft angeführte Zitat stammt – aber es ist wahr. Wo wäre einem Volk jemals reiner Wein eingeschenkt worden über die wahren Interessen, aus denen ihre Führer es in einen Krieg trieben? Der universal soldier, der Soldat auf allen Seiten, muss mit gutem Gewissen, mit Motivation, mit dem Gefühl, im Recht zu sein, und einem klarem Feindbild losziehen zum Töten und Getötet-Werden. Noch der Gewaltherrscher Adolf Hitler hatte es nötig, unser Volk zu Beginn seines geplanten Krieges, beim Überfall auf Polen, mit einem inszenierten Propagandatrick – dem angeblichen polnischen Überfall auf den Sender Gleiwitz – davon zu überzeugen: Wir sind im Recht! – Wir haben das Gesetz des HERRN bei uns! Persönlich erinnere ich, wie es vor 24 Jahren ging, als der US-Präsident Bush senior den ersten Irak-Krieg begann. Wie sich da die Berichterstattung, auch in unseren Medien, auf den einen schrecklichen Diktator Saddam Hussein einschoss. Er war zweifellos ein brutaler Diktator, einer leider von zig auf der Welt, mit der Besonderheit, dass er gerade die Gunst der Supermacht verspielt hatte. Ein „neuer Hitler“ war er nicht. Aber, Vorhang auf fürs dumme Volk: Saddam, der Teufel, lässt neugeborene Babys an die Wand werfen, so erzählte tränenüberströmt eine Krankenschwester, die fliehen konnte. Nachdem der Irak zusammengebombt war, stellte sich heraus, dass alles eine von einer PR-Agentur inszenierte faustdicke Lüge war; die vorgebliche Krankenschwester war die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA. Ich erinnere, und das werden wohl alle hier noch genau wissen: 12 Jahre später trat der Sohn, George W. Bush, an, das Werk des Vaters zu vollenden. Wieder eine ungeheure Propagandaentfaltung, diesmal bedrohte der Teufel zu Bagdad gar die ganze Welt mit verborgenen Massenvernichtungsmitteln. Weil ich es für Christenpflicht halte, auf diesem Gebiet nicht vergesslich zu sein, hatte ich die Lügen vom letzten Mal noch im Kopf, aber ich gestehe ehrlich, dass mich die Medienkampagnen verunsichert haben. War es denn denkbar, dass den Vereinten Nationen gefälschtes Tatsachenmaterial vorgeführt wurde? War es denn denkbar, dass die ganze Welt dreist belogen wurde von denen, die gleichzeitig im Namen der westlichen Werte, der überlegenen Moralität auftraten? Unglaublich: Aber genau so war es. So ist es nachträglich herausgekommen. Und noch unglaublicher: Der globale Lügner führte sein Amt weiter fort, wurde niemals zur Rechenschaft gezogen. Gras ist drüber gewachsen, so hoch, dass derselbe Bluff jederzeit wieder möglich erscheint. Ich gebe ein drittes Beispiel: Beim ersten Krieg, bei dem unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg wieder mitmachte, beim Jugoslawien-Krieg, wurde ebenfalls medial getäuscht. Das „Nie wieder Krieg!“ nach 45 wirkt doch erstaunlich nach und muss den Deutschen bis heute von ganz großen Koalitionen mühsam ausgeredet werden. Der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping beschwor serbische „Konzentrationslager“, die es nachweislich gar nicht gab. Er zeigte Bilder eines Massakers, bei denen später herauskam, dass es getürktes Bildmaterial war – Journalisten haben es nachgewiesen. Nur ist das bei uns kaum öffentlich geworden. Die Scharfmachereien liefen zur besten Sendezeit und die spätere Aufklärung im Nachtprogramm. Und heute? Als es losging mit der Ukraine-Krise schalteten unsere Massenmedien so auffällig in den Propagandamodus, dass sie selbst zum Thema wurden und der Begriff der „Mainstream-Medien“ populär wurde. „Tagesschau“ und „heute“ als Mixtur von Nachricht und Meinung, in gleichlautender suggestiver Wortwahl und selektiver Bebilderung. Plumpe Personalisierungen, Dämonisierungen und Einäugigkeiten – man fühlt sich zurückversetzt in die schönsten Zeiten des Kalten Krieges, die ich noch bewusst miterlebt habe. Was damals die Killerphrase „Geh doch nach drüben!“ war, das besorgt heute das Etikett „Putinversteher“. Was können Christen, was kann die Kirche Wirksames für den Frieden tun? Wenn wir nur an die heißen Konflikte denken, ans Militärische, an die Bomben, die fallen: wenig. Wie billig sind dann die Appelle an alle Seiten! Aber beten zu Gott können wir. Und den Opfern helfen, so gut wir nur können, praktisch, humanitär. Wenn wir aber an den Zusammenhang von Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden denken, dann können wir, dann kann unsere Kirche sehr viel tun. Denn sie ist ja die Kirche des Wortes. Es geht um der Kirche ureigenste Sache: Das Wort, die Wahrheit ist immer das erste Opfer, ehe es all die schrecklichen Menschenopfer gibt. Die Kirchen müssten einfach nur Anwälte der Wahrheit sein. Findige, hartnäckige, kompromisslose, knallharte Anwälte, die keine Begriffsbesetzungen und Propagandatricks durchgehen lassen. Die investigativ werden. Gegeninformation transportieren. Sie sagen: „Friede! Friede!“, und ist doch nicht Friede. Da ziehen „Friedenstruppen“ mit „Friedensmandaten“ zu „Friedenseinsätzen“ – in den Krieg?? – Merken wir überhaupt noch die Unlogik oder hat die Gewöhnung schon gesiegt, der kalkuliert stärkste Verbündete aller Sprachmanipulateure? Gandhi sagte schlicht: Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg. Und Jesus redet ähnlich schlicht, klar und gerade heraus. Das In-Acht-Nehmen der besten Wörter unserer Sprache – Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit – vor Verfälschung, das ist wahrlich eine Aufgabe heute, eine restlos fordernde, aber...




