E-Book, Deutsch, 328 Seiten
Williams / Teasdale / Segal Der achtsame Weg durch die Depression
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-86781-414-0
Verlag: Arbor
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Mit Audioanleitungen zum Streamen oder Download gesprochen von Heike Born
E-Book, Deutsch, 328 Seiten
ISBN: 978-3-86781-414-0
Verlag: Arbor
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
„Der achtsame Weg durch die Depression“ wurde für all jene geschrieben, die an Depression oder chronischer Unzufriedenheit leiden und auf der Suche nach einem Weg sind, ihr Leben zufriedener und ausgeglichener zu gestalten.
In diesem Grundlagenwerk entfalten drei der führenden Vertreter der Kognitiven Psychotherapie gemeinsam mit Jon Kabat-Zinn die praktischen und theoretischen Voraussetzungen der Achtsamkeitspraxis – am Beispiel der Begleitung von Menschen, die an Depression erkrankt sind. Dieser unter dem Titel „Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie“ (MBCT) bekannt gewordene Ansatz wurde von Zindel Segal, Mark Williams und John Teasdale entwickelt. Er basiert auf der von Jon Kabat-Zinn ins Leben gerufenen „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“.
Der Einsatz der Achtsamkeitspraxis in der Begleitung und positiven Beeinflussung von Depressionen, kurz MBCT, verhilft derzeit der Achtsamkeitspraxis auch in der psychotherapeutischen Anwendung zum Durchbruch.
Geführte Meditationen zur Begleitung der täglichen Praxis runden das praxisorientierte Programm ab
Weitere Infos & Material
Einführung
Wenn Sie es leid sind, sich schon so lange schlecht zu fühlen
Depressionen verursachen großes Leid [1]. Sie sind der „schwarze Vogel“ in der Nacht, der Ihnen die Freude nimmt; der unruhige Geist, der Ihnen den Schlaf raubt. Sie sind der Dämon am Mittag, den nur Sie allein sehen können; die Dunkelheit, die anderen verborgen bleibt. Wenn Sie zu diesem Buch gegriffen haben, dann wissen Sie höchstwahrscheinlich, dass diese Metaphern nicht übertrieben sind. Jeder, der schon einmal von Depressionen heimgesucht worden ist, weiß, dass sie zu lähmenden Angstgefühlen, großer persönlicher Unzufriedenheit und einem Gefühl von Leere und Verzweiflung führen können. Sie können bewirken, dass Sie sich hoffnungslos, lustlos und matt fühlen und dass Ihr Leben von einer alles durchdringenden Freudlosigkeit und Enttäuschung geprägt ist, die von der Sehnsucht nach einem Glück stammen, welches Sie nie erlebt haben. Wir alle würden alles Erdenkliche tun, um uns nicht so zu fühlen. Und dennoch scheint – das ist die Ironie – nichts zu helfen… zumindest nicht sehr lange. Denn unglücklicherweise hat eine Depression, sobald sie einmal aufgetreten ist, die Tendenz, zurückzukommen, selbst wenn man sich seit Monaten besser fühlt. Wenn das bei Ihnen geschehen ist oder wenn Sie anscheinend nicht in der Lage sind, dauerhaft glücklich zu sein, dann ist es gut möglich, dass Sie schließlich das Gefühl entwickeln, nicht gut genug zu sein. Sie fühlen sich dann als Versager/in. Ihre Gedanken drehen sich möglicherweise im Kreis in dem Bemühen, einen tieferen Sinn zu finden und ein für alle Mal zu verstehen, warum Sie sich so schlecht fühlen. Wenn Sie keine zufrieden stellende Antwort auf diese Frage finden können, fühlen Sie sich dann vielleicht noch leerer und verzweifelter. Letzten Endes gelangen Sie vielleicht zu der Überzeugung, dass mit Ihnen etwas grundlegend nicht stimmt. Doch was wäre, wenn überhaupt nichts „verkehrt“ an Ihnen ist? Was wäre, wenn Sie – wie praktisch jeder andere, der wiederholt depressive Phasen durchlebt hat – Opfer Ihrer eigenen sehr vernünftigen, ja heroischen Bemühungen geworden sind, sich aus eigener Kraft zu befreien? Das ist vergleichbar mit jemandem, der durch sein Strampeln, durch das er herauskommen will, nur noch tiefer in den Treibsand einsinkt. Wir haben dieses Buch geschrieben, um Ihnen eine Verständnishilfe zu geben, wie das passiert und was Sie dagegen tun können, indem wir die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse mit Ihnen teilen, die uns ein radikal neues Verständnis davon gegeben haben, durch welche Faktoren Depressionen und chronische Traurigkeit und Unzufriedenheit verstärkt werden: In den allerfrühesten Phasen, in denen sich unsere Stimmung allmählich immer weiter verschlechtert, ist es nicht die Stimmung selbst, die den Schaden anrichtet, sondern unsere Reaktion darauf. Unsere gewohnten Bemühungen, uns herauszuarbeiten, befreien uns nicht etwa, sondern halten uns in dem Schmerz gefangen, dem wir zu entkommen versuchen. Mit anderen Worten, nichts, was wir tun, wenn wir in die Abwärtsspirale hineingeraten, scheint zu helfen, weil wir uns durch den Versuch, unsere Depressionen durch die übliche Art der Problemlösung loszuwerden bzw. das zu „reparieren“, was an uns „verkehrt“ ist, nur noch tiefer hineingraben. Um drei Uhr morgens zwanghaft über den Zustand unseres Lebens nachzugrübeln… uns selbst wegen unserer „Schwäche“ zu kritisieren, wenn wir spüren, wie wir in die Traurigkeit abgleiten… die verzweifelten Versuche, unser Herz und unseren Körper davon abzubringen, sich so zu fühlen – all das ist nichts als ein geistiges Kreisen, das nur immer weiter abwärts führt. Jeder, der sich in schlaflosen Nächten unruhig hin- und hergewälzt hat oder der sich durch endloses Grübeln von allen anderen Belangen seines Lebens hat ablenken lassen, weiß sehr wohl, wie fruchtlos solche Bemühungen sind. Und doch wissen wir auch, wie leicht es ist, sich in diesen Angewohnheiten des Geistes zu verfangen. Auf den folgenden Seiten und den online-Anleitungen bieten wir Ihnen eine Reihe von Praktiken an, die Sie in Ihr tägliches Leben integrieren können, um sich von denjenigen geistigen Angewohnheiten zu befreien, die Sie in Ihrem Elend gefangen halten. Dieses Programm, das als achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie (MBCT) bekannt ist, führt die neuesten Erkenntnisse der modernen Wissenschaft und diejenigen Meditationsformen zusammen, die nachweislich im Rahmen der etablierten Medizin und Psychologie klinisch wirksam sind. Die neuartige und zugleich kraftvolle Synthese dieser unterschiedlichen Wege, um Geist und Körper kennen zu lernen, kann Ihnen helfen, radikale Veränderungen in Ihrer Beziehung zu negativen Gedanken und Gefühlen zu bewirken. Mit Hilfe dieser Veränderungen können Sie aus der Abwärtsspirale Ihrer Stimmung ausbrechen, so dass diese nicht zu einer Depression führt. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass das in diesem Buch erläuterte Programm das Rückfallrisiko von Menschen, die drei oder mehr depressive Phasen durchlebt haben [2], um die Hälfte verringern kann. Alle Männer und Frauen, die an unseren Studien teilgenommen haben, hatten unter wiederholten Schüben von klinischer Depression gelitten. Doch es ist keinesfalls notwendig, dass offiziell die Diagnose „Depression“ gestellt wurde, damit man einen tief greifenden Nutzen aus diesem Buch ziehen kann. Viele Menschen, die unter der Hoffnungslosigkeit und dem inneren Schmerz leiden, die mit einer Depression einhergehen, bemühen sich zwar nie um professionelle Hilfe, wissen aber sehr wohl, dass sie in einer chronischen Unzufriedenheit feststecken, die weite Strecken ihres Lebens überschattet. Wenn Sie selbst schon des Öfteren in den Treibsand von Verzweiflung, Apathie und Traurigkeit hineingeraten sind, dann hoffen wir für Sie, dass Sie in diesem Buch und den Anleitungen online etwas potentiell Wertvolles entdecken werden, das Ihnen dabei helfen kann, dem Abwärtssog der düsteren Stimmung zu entkommen und ein Gefühl stabiler, authentischer Zufriedenheit in Ihrem Leben zu erfahren. Es lässt sich nur schwer vorhersagen, wie Sie den tiefen, heilenden Wandel in Ihrem Verhältnis gegenüber den negativen Stimmungen erleben werden und was sich in der Folgezeit für Sie daraus ergeben wird, denn dies ist bei jedem Menschen anders. Der einzige Weg, wirklich zu erfahren, welchen Nutzen eine solche Methode bieten kann, besteht darin, vorübergehend auf eine Beurteilung zu verzichten und sich von ganzem Herzen über einen längeren Zeitraum hinweg – in diesem Falle sind es acht Wochen – auf diesen Prozess einzulassen und abzuwarten, was geschieht. Genau das erwarten wir auch von den Teilnehmern an unseren Programmen. Um den Prozess zu vertiefen und ihn greifbarer zu machen, haben wir die Anleitung online gestellt, die Sie sorgsam und präzise durch die Meditationspraktiken leiten, die in diesem Buch beschrieben werden. Neben der Unterweisung in meditativen Praktiken werden wir Sie auch ermutigen, die Entwicklung von Haltungen wie Geduld, Mitgefühl sich selbst gegenüber, Aufgeschlossenheit und sanfter Beharrlichkeit zu versuchen. Diese Eigenschaften können Ihnen nämlich dabei helfen, sich aus dem Sog der Depression zu befreien, weil Sie dadurch selbst spüren, was die Wissenschaft mittlerweile aufgezeigt hat: dass es tatsächlich in Ordnung ist, das Problem, dass man sich schlecht fühlt, nicht länger lösen zu wollen. Ja, es ist sogar regelrecht weise, denn unsere übliche Art und Weise, mit Problemen umzugehen, führt fast unweigerlich dazu, dass alles nur noch schlimmer wird. Als Wissenschaftler und Ärzte sind wir auf einem etwas umständlichen Wege zu einem neuen Verständnis dessen gelangt, was im Umgang mit wiederholt auftretenden Depressionen wirksam ist und was nicht. Bis in die frühen siebziger Jahre hatten sich die Wissenschaftler darauf konzentriert, eine wirksame Behandlung gegen die akute Depression zu finden – gegen jene verheerende erste Episode, die in vielen Fällen durch ein katastrophales Ereignis im Leben des oder der Betroffenen ausgelöst wird. Sie fanden sie in der Form von Antidepressiva, also von Medikamenten, die bei vielen Menschen zur Behandlung von Depressionen nach wie vor außerordentlich hilfreich sind. Dann kam die Entdeckung, dass Depressionen, auch wenn sie einmal behandelt worden sind, häufig wiederkehren – und dass die Rückfallgefahr umso größer ist, je häufiger sie bereits aufgetreten sind. Dadurch hat sich unser gesamtes Konzept von Depression und chronischer Niedergeschlagenheit verändert. Es stellte sich heraus, dass Antidepressiva die Depression zwar „behoben“, aber nur solange, wie die Betroffenen diese Medikamente einnahmen. Wenn sie damit aufhörten, kam die Depression zurück, wenn auch erst Monate später. Weder den Patienten noch den Ärzten gefiel die Vorstellung, dass jemand sein ganzes Leben lang Medikamente einnehmen muss, um das Schreckgespenst der Depression zu bannen. So begannen wir (Zindel Segal, Mark Williams und John Teasdale) Anfang der neunziger Jahre, die Möglichkeit zu erforschen, einen vollkommen neuen Ansatz zu entwickeln. Zuerst machten wir uns daran, herauszufinden, was die Depression immer wieder zurückkehren lässt, oder anders ausgedrückt, wodurch der Treibsand der Depressivität mit jedem neuen Auftreten noch heimtückischer wird. Es stellte sich heraus, dass sich jedes Mal, wenn jemand depressiv wird, die im Gehirn bestehenden Verbindungen zwischen Stimmung, Gedanken, Körper und Verhalten...