E-Book, Deutsch, 121 Seiten
Wilz / Pfeiffer Pflegende Angehörige
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8409-2735-5
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 121 Seiten
Reihe: Fortschritte der Psychotherapie
ISBN: 978-3-8409-2735-5
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Etwa 2,6 Millionen zu Hause lebende pflegebedürftige Menschen in Deutschland werden überwiegend von Angehörigen oder anderen nahestehenden Personen betreut. Die Übernahme der Pflegeaufgaben ist für viele der Pflegenden mit einer oft über Jahre andauernden psychischen und körperlichen Überlastung verbunden, die zu einer psychischen Störung führen kann. Psychotherapeuten haben daher unter ihren Klienten oft auch pflegende Angehörige. Der Band beschreibt wirksame verhaltenstherapeutische Interventionen sowie weitere Unterstützungsangebote, die für die Arbeit mit dieser Zielgruppe geeignet sind.
Der Band gibt zunächst einen Überblick über zentrale motivationale, emotionale und krankheitsspezifische Herausforderungen, mit denen pflegende Angehörige von älteren Menschen konfrontiert sind. Weiterhin werden Modelle der Pflegebelastung und Bewältigung der Pflegesituation aufgezeigt und diagnostische Instrumente zur Erfassung von pflegebedingten Veränderungen vorgestellt. Ausführlich wird auf psychosoziale und therapeutische Unterstützungskonzepte eingegangen. Dazu werden häufige therapeutische Themen, wie z.B. die Pflegemotivation, Rollenanpassung, belastende Emotionen, aber auch die Grenzen der häuslichen Pflege dargestellt und wirksame verhaltenstherapeutische Interventionsansätze skizziert. Zudem wird ein Überblick über mögliche Unterstützungsangebote, die das Versorgungssystem bietet, gegeben, so dass diese Hilfen auch in der Behandlung der pflegenden Angehörigen berücksichtigt werden können.
Zielgruppe
Ärztliche und Psychologische Psychotherapeuten, Personen, die pflegende Angehörige psychosozial beraten oder entsprechende Gruppen leiten, Pflegefachpersonen, Geriater, Klinische Psychologen, Psychologische Berater, Sozialpädagogen, Studierende und Lehrende in der psychotherapeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis und Vorwort;7
2;1Herausforderungen der häuslichen Pflege älterer Menschen;13
2.1;1.1 Veränderungen hinsichtlich Familie, Berufstätigkeit und sozialer Beziehungen;16
2.2;1.2Belastende Emotionen;17
2.2.1;1.2.1Wut und Ärger;18
2.2.2;1.2.2Schuldgefühle;19
2.2.3;1.2.3Hilflosigkeit und Angst;19
2.2.4;1.2.4Ekel;20
2.2.5;1.2.5Verlusterleben und Trauer;20
2.3;1.3Gesundheitliche Folgen;21
2.4;1.4Epidemiologische Daten;22
3;2Modelle der Pflegebelastung und Bewältigung der Pflegesituation;23
3.1;2.1Entscheidung zur Pflegeübernahme und Pflegemotivation;23
3.2;2.2Pflegebeziehung und Rollenveränderung;26
3.3;2.3Positive Aspekte – „Uplifts of caregiving“;27
3.4;2.4Die Bewältigung von Pflegeaufgaben;28
3.5;2.5Verlauf und Prognose;30
4;3Diagnostik und Indikation;33
4.1;3.1 Erstgespräch – Exploration der Belastungssituation und Festlegung der Therapieziele;33
4.2;3.2Indikation zur Psychotherapie;35
4.3;3.3Diagnostische Instrumente zur Erfassung von pflegebedingten Veränderungen;35
5;4Psychosoziale und therapeutische Unterstützungskonzepte;37
5.1;4.1 Therapeutische Grundhaltung und Beziehungsgestaltung;37
5.1.1;4.1.1 Ressourcenorientierung und Stärkung des Selbstwerts;38
5.1.2;4.1.2 Würdigung der Belastungssituation und Wertschätzung der Pflegeleistung;38
5.1.3;4.1.3 Empathisches Verständnis und Raum für das Mitteilungsbedürfnis;39
5.1.4;4.1.4Förderung des Annehmens der Veränderungen und Verluste;40
5.2;4.2Therapeutisches Arbeiten: Themen und spezifische Interventionen;41
5.2.1;4.2.1 Förderung von Erkrankungswissen und Pflegekompetenz;41
5.2.2;4.2.2 Veränderung pflegebezogener dysfunktionaler Kognitionen;46
5.2.3;4.2.3Problemanalyse und Problemlösen;51
5.2.4;4.2.4Selbstfürsorge, Werteorientierung und Akzeptanz;54
5.2.5;4.2.5Förderung der Inanspruchnahme professioneller Unterstützung;57
5.2.6;4.2.6 Förderung der familialen Unterstützung und Kommunikation;64
5.2.7;4.2.7 Umgang mit belastenden Emotionen – Emotionsregulation und Stressmanagement;69
5.2.8;4.2.8Umgang mit Gewalt in der Pflege;72
5.2.9;4.2.9 Unterstützung im Notfall und der Übergang in institutionelle Pflege;77
5.2.10;4.2.10Umgang mit Sterben und Tod;80
5.2.11;4.2.11Abschlussgespräch – Förderung des Transfers;85
5.3;4.3 Effektivität psychosozialer und psychotherapeutischer Interventionen;86
5.3.1;4.3.1Intensität und Dauer der Intervention;88
5.3.2;4.3.2Unterschiedliche Settingbedingungen;89
6;5Der Pflege- und Betreuungsalltag: Überblick zu häufigen Alterssyndromen;90
6.1;5.1Seh- und Höreinschränkungen;90
6.2;5.2Immobilität;91
6.3;5.3Posturale Instabilität und Stürze;92
6.4;5.4Ess- und Trinkstörungen;94
6.5;5.5Sexuelle Probleme;96
6.6;5.6Inkontinenz;98
6.7;5.7Chronische Schmerzen;100
6.8;5.8Schlafstörungen;101
6.9;5.9Depression;102
6.10;5.10Kognitiver Abbau und Demenz;102
6.11;5.11Maligne Erkrankungen;104
6.12;5.12Polypharmazie;106
6.13;5.13Rechtliche Fragen;107
7;6Weiterführende Literatur;109
7.1;6.1Fachliteratur;109
7.2;6.2Ratgeber für pflegende Angehörige;110
8;7Literatur;111
9;Karten;118
9.1;Fragen zur Exploration der Pflegesituation;118
9.2;Fragen zur Exploration der sozialen und professionellen Unterstützung;120
9.3;Fragen zur Exploration von Werten und persönlichen Bedürfnissen;121
1 Herausforderungen der häuslichen Pflege älterer Menschen
Elder care is not about having babies and raising children – the positive aspects of life. Elder care is about the end of life, about aging and dying. Shonsey, 1994, S. 48
Angehörige, die ein älteres Familienmitglied pflegen, sind mit spezifischen belastenden Realitäten konfrontiert wie der Rollenumkehr bei pflegenden Kindern und dem Wahrnehmen des Alterungsprozesses. Dieser kann, neben positiven Aspekten, bei pflegebedürftigen Älteren mit einem Verlust an Autonomie, an körperlicher Unversehrtheit, Abbauprozessen und der Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben und Tod verbunden sein. So kann die Betreuungsarbeit für ältere Familienmitglieder mit deutlich stärkeren psychischen Belastungen verbunden sein als die Fürsorge für die eigenen (gesunden) Kinder. Wenn von pflegenden Angehörigen gesprochen wird, sind im Allgemeinen Personen gemeint, die einen persönlichen und nicht professionellen Bezug zu einer Person mit einer chronischen Erkrankung oder Behinderung haben und diese auf unterschiedlichste Weise unterstützen. Pflegende Angehörige können eine Hauptpflegeperson oder aber eine von mehreren pflegenden Personen sein, die außerhalb oder in der Wohnung des Gepflegten lebt. In den meisten Untersuchungen wird für die Definition eines pflegenden Angehörigen ein weiteres Kriterium, das sich auf den zeitlichen Umfang der hauswirtschaftlichen, Betreuungs- oder Pflegeleistungen bezieht, definiert. Als Untergrenze wird in der Regel eine Unterstützung von mindestens ein bis zwei Stunden pro Tag gefordert. Im Folgenden wird die aktuell gebräuchliche Definition von Pflegebedürftigkeit §14 SGB XI vorgestellt.
Definition von Pflegebedürftigkeit (§14 SGB XI Abs.1, Stand 11.12.2018) „(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und zumindest in der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.“
Prinzipiell haben Angehörige die Herausforderung zu bewältigen, die Pflege mit ihren bisherigen Lebensgewohnheiten und Pflichten zu vereinbaren und dadurch bedingte Lebensveränderungen anzunehmen. Angehörige berichten häufig, dass sie aufgrund der Pflege ihre ursprünglichen Lebensziele aufgeben und ihren Alltag den Pflege- und Betreuungsaufgaben unterordnen mussten. Viele Angehörige fühlen sich durch die Pflege in ihrer Privatssphäre eingeschränkt. Sie sind darüber hinaus mit der Aufgabe konfrontiert, bei einem nahestehenden Menschen die mit dessen Erkrankung und Pflegebedürftigkeit einhergehenden Veränderungen wahrzunehmen, zu akzeptieren und damit umgehen zu lernen. Je nach Beeinträchtigung müssen neue Wege der Kommunikation mit den Pflegebedürftigen entwickelt werden. Zudem nehmen die Anforderungen in der Pflege Älterer in der Regel über die Zeit zu.
Wie die Pflege eines älteren Familienmitglieds von den Angehörigen im individuellen Fall erlebt wird, hängt von zahlreichen weiteren Faktoren ab, sodass nicht von „der Pflegesituation“ und jeweils ähnlichen Belastungen für die Gesamtgruppe der pflegenden Angehörigen ausgegangen werden kann.