Wöller / Ermann / Huber | Ressourcenorientierung in der psychodynamischen Therapie | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 148 Seiten

Wöller / Ermann / Huber Ressourcenorientierung in der psychodynamischen Therapie


1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-17-044592-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 148 Seiten

ISBN: 978-3-17-044592-5
Verlag: Kohlhammer
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Ressourcenorientierung gilt als wichtiges Wirkprinzip von Psychotherapie. Das vorliegende Buch stellt die Grundlagen einer ressourcenorientierten psychodynamischen Psychotherapie dar. Dabei wird gezeigt, wie eine ressourcenbasierte Beziehungsgestaltung den Zugang zu unbewussten Konflikten erleichtern kann. Ressourcenaktivierende Interventionen können zur Verbesserung der Verfügbarkeit von Ich-Funktionen und zur Stärkung der Repräsentanz unzureichend repräsentierter psychischer Inhalte eingesetzt werden. Der Autor erläutert, wie sich ein vom Prinzip der Ressourcenorientierung geleitetes Verständnis gewinnbringend auf das Konflikt-, Struktur- und Repräsentanzenmodell anwenden lässt. Schließlich werden Empfehlungen zum Umgang mit Blockaden des therapeutischen Prozesses gegeben.

Priv.-Doz. Dr. med. Wolfgang Wöller ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie für Neurologie und Psychiatrie. Er ist zudem Psychoanalytiker (DGPT, DPG), Lehranalytiker sowie EMDR-Therapeut und -Supervisor. Aktuell arbeitet er in freier Tätigkeit überwiegend im Bereich von Weiterbildung, Supervision und Forschung.
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1 Was bedeutet ressourcenorientiertes Arbeiten in der psychodynamischen Therapie?


1.1 Einleitung


Ressourcenorientierung gilt heute als gesicherter Wirkfaktor von Psychotherapie.3 Es gilt als erwiesen, dass jede Form von Psychotherapie dann besonders wirksam ist, wenn sie nicht nur die Schwächen und Defizite von Patienten4 adressiert, sondern auch deren Stärken und besondere Fähigkeiten nutzt. Vor allem aber entfaltet sie ihre Wirkung, wenn sie die zentralen Beziehungsbedürfnisse der Patienten berücksichtigt.

Die erste zentrale Annahme des Prinzips der Ressourcenorientierung besagt, dass Menschen auch dann, wenn sie sich aktuell in Zuständen störungsbedingt herabgesetzter Stimmungslage und verminderter Selbstwirksamkeit befinden, in ihrem Leben immer auch wertvolle Kompetenzen erworben und positive Erfahrungen gemacht haben, die sich für die Therapie aktivieren und nutzen lassen. Ressourcenaktivierung verfolgt dabei das Ziel, ihnen wieder den Zugang zu den vorhandenen, aber nicht unmittelbar verfügbaren Kompetenzen und Erfahrungen zu verschaffen.5 Empirisch ließ sich überzeugend zeigen, dass es sich vorteilhaft auf das Therapieergebnis auswirkt, wenn in Therapien nicht nur von Schwächen und Problemen gesprochen wird, sondern auch Kompetenzen und Stärken gezielt aufgegriffen werden und die Patienten sich in ihren schätzenswerten Eigenschaften wahrgenommen fühlen.6 Vergleicht man im Hinblick auf die erzielte Symptomreduktion erfolgreiche von weniger erfolgreichen Therapiesitzungen, so fand sich in den erfolgreichen Sitzungen ein höherer Anteil ressourcenaktivierender Interventionen. Offensichtlich bewirkt die Lenkung der Aufmerksamkeit hin zu den Ressourcen des Patienten eine Verbesserung der therapeutischen Beziehung und damit eine wirksamere Problembearbeitung.7

Aber auch eine zweite Annahme ist von zentraler Bedeutung: die Annahme, dass sich die grundlegenden Bedürfnisse und motivationalen Ziele, von denen Menschen bei allen Vollzügen des Alltags geleitet werden, naturgemäß auch auf ihr Verhalten in der therapeutischen Situation auswirken. Passend zu dieser Annahme ließ sich nachweisen, dass Ergebnisse von Psychotherapien besser ausfielen, wenn Patienten sich in ihren eigenen Werten und Zielen unterstützt fühlten und ihr Verhalten in der Therapie durch ihre eigenen motivationalen Ziele – und nicht nur durch die Konzepte der Therapeuten oder die Vorgaben des Therapiesettings – bestimmt war.8

Drittens richtet eine ressourcenorientierte Perspektive die Aufmerksamkeit immer auch auf unsere eigene Befindlichkeit als Therapeuten und darauf, welche Ressourcen uns zur Durchführung unserer therapeutischen Aufgabe zur Verfügung stehen. Neben Fachwissen ist es vor allem unsere Beziehungskompetenz, aber auch unsere Bereitschaft, externe Ressourcen in Form von Weiterbildung und Supervision in Anspruch nehmen. Eine entscheidende Ressource ist unsere Fähigkeit, angesichts der anflutenden negativen Emotionen der Patienten die eigene Emotionsregulierung und Mentalisierungsfunktion aufrechtzuerhalten. Allgemein wird angenommen, dass die Befindlichkeit des Therapeuten bedeutsame Auswirkungen auf den Therapieprozess hat.

Blicken wir aus einer psychodynamischen Perspektive auf das Prinzip der Ressourcenorientierung, so legt diese Blickrichtung eine bestimmte Art der Beziehungsgestaltung nahe, die wir im Sinne der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie9 als hilfreiche Objektbeziehung fassen können. Eine hilfreiche Objektbeziehung kann grundsätzlich vieles sein: Sie kann eine real gemachte oder eine gewünschte, nur im Fantasieraum existente Beziehungserfahrung widerspiegeln; sie kann sich auf »Objekte« aller Art – menschliche ebenso gegenständliche: Personen, Einrichtungen, Theorien oder Modelle – beziehen; und sie kann auch verinnerlichte Beziehungserfahrungen – Kompetenzen, Normen, Werte – umfassen, die, objektbeziehungstheoretisch betrachtet, als Niederschlag realer Beziehungserfahrungen aufgefasst werden. Entscheidend ist der tatsächlich oder potenziell hilfreiche Charakter der Ressourcenbeziehung – bezogen auf das von uns definierte Ziel einer Erfahrung. Was auch immer der Realisierung einer hilfreichen Erfahrung dient – gleichgültig, ob wir darunter eine positive menschliche Erfahrung, eine Kompetenzerfahrung oder die Erreichung der vereinbarten Therapieziele in einer Psychotherapie verstehen wollen – konstituiert eine Art der Objektbeziehung, die wir als Ressourcenbeziehung konzipieren wollen.

Auf der Basis dieser Annahmen setzt eine dem Prinzip der Ressourcenorientierung verpflichtete psychodynamische Therapieauffassung gegenüber eher traditionellen psychodynamischen Behandlungsansätzen einige zusätzliche Akzente:

  • 1.

    Wir richten unsere Aufmerksamkeit nicht nur auf die negativen, sondern auch auf die – wenn auch meist nicht zahlreichen und oft verborgenen, aber gleichwohl so gut wie immer auch vorhandenen – positiven Beziehungserfahrungen. Wir richten sie ebenso auf positive Fantasien gewünschter künftiger Beziehungserfahrungen, um die mit ihrer Aktivierung verbundenen Ressourcenpotenziale zu nutzen.

  • 2.

    Auch legen wir größeren Wert auf die Bedeutung und Generierung positiver emotionaler Zustände, als wir es aus der Erfahrung mit traditionellen psychodynamischen Psychotherapien gewohnt sind. Die Gründe dafür liegen in wertvollen Erkenntnissen der Forschungen zu Regulationsprozessen in allen Beziehungen, u.?a. den Forschungen zur Bedeutung von Synchronien und Resonanzen in Beziehungen (? Kap. 2.3). Insgesamt werden die Erkenntnisse und Befunde der Nachbarschaften – von den neurobiologischen und entwicklungspsychologischen Wissenschaften bis zur Psychotherapieforschung – stärker als bisher einbezogen, um therapeutische Prozesse zu gestalten.

  • 3.

    Vor allem erfahren die zentralen Beziehungsbedürfnisse der Patienten – ihr Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle, ihr Bindungsbedürfnis und ihr Bedürfnis nach Selbstwertschutz und Selbstwertsteigerung – eine stärkere Beachtung.10 Dabei beachten wir auch das Bedürfnis unserer Patienten nach Lustgewinn und Unlustvermeidung, wenn wir, mehr als es in traditionellen psychodynamischen Therapien üblich ist, danach fragen, ob sie sich in der Therapiesitzung wohl fühlen und ob sie gerne zur Therapie kommen, weil sie sich von ihr eine Unterstützung bei der Lösung ihrer Probleme versprechen.

  • 4.

    In der Behandlung von Patienten mit Konfliktpathologien können ressourcenorientierte Formen der Beziehungsgestaltung den Zugang zum unbewussten Konfliktgeschehen erleichtern. Mehr noch als in herkömmlichen psychodynamischen Therapien achten wir auf eine positiv getönte Atmosphäre in der therapeutischen Beziehung, nicht etwa, um harmonisierend mit Konflikten umzugehen, sondern um die Voraussetzungen zu schaffen, die unsere Patienten brauchen, um sich auf konflikthaftes Erleben einlassen und Gefühle von Angst, Scham und Schuld in der therapeutischen Beziehung zulassen zu können. Wir werden sehen, dass eine ressourcenorientierte Gestaltung der therapeutischen Beziehung nicht nur unserem psychodynamischen Beziehungs- und Bedeutungsverständnis wertvolle Impulse verleihen, sondern auch eine Vertiefung des therapeutischen Prozessgeschehens fördern kann. Nicht nur können durch ressourcenaktivierende Interventionen kontraproduktive Abwehrmuster verzichtbar werden. Auch der Zugang zum Erleben negativer Emotionen kann erleichtert werden (? Kap. 4.2).

  • 5.

    In der therapeutischen Arbeit mit strukturell gestörten Patienten und Störungen der Erinnerungsverarbeitung nach traumatischen Erfahrungen sprechen wir uns dafür aus, das Inventar der therapeutischen Interventionen, um bewährte ressourcenorientierte Vorgehensweisen und Techniken mit Herkunft aus anderen therapeutischen Kontexten und Therapieverfahren zu erweitern (? Kap. 4.3 und ? Kap. 4.4).

  • 6.

    Unter einem ressourcenorientierten Blickwinkel lässt sich ein neues Verständnis von Blockaden des Therapieprozesses konzipieren, das die Begrenzungen des klassischen Widerstandsbegriffs vermeidet, insbesondere die von ihm ausgehende Suggestion, die Quelle des Widerstandes sei vor allem bei den Patienten zu suchen (? Kap. 5.1). Ebenso werden die Erkenntnisse zur Bedeutung von Brüchen in der therapeutischen Beziehung und die Möglichkeiten ihrer Reparatur integriert (? Kap. 3.4).

  • 7.

    Statt die Bedeutung unbewusster Prozesse für den Therapieprozess herabzumindern, akzentuiert die hier vertretene Auffassung von ressourcenorientierter Beziehungsgestaltung sie eher noch. Wir plädieren dafür, die uns prinzipiell begleitende Überzeugung, dass unser therapeutisches Denken und Handeln immer auch durch unbewusste Motive determiniert ist, nicht nur theoretisch nachzuvollziehen, sondern in...


Priv.-Doz. Dr. med. Wolfgang Wöller ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie für Neurologie und Psychiatrie. Er ist zudem Psychoanalytiker (DGPT, DPG), Lehranalytiker sowie EMDR-Therapeut und -Supervisor. Aktuell arbeitet er in freier Tätigkeit überwiegend im Bereich von Weiterbildung, Supervision und Forschung.



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