E-Book, Deutsch, 135 Seiten
Wolf Die Keule des Herakles
4. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7450-9850-1
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Band 3
E-Book, Deutsch, 135 Seiten
ISBN: 978-3-7450-9850-1
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Gymnasiallehrer Rudolf Prager hat sich nach seiner Pensionierung in einen kleinen Ort an der Südküste Kretas zurückgezogen. Hier will er seine Verwandlung zu einem Privatgelehrten für römische Geschichte vorantreiben. Das Studium der Geschichte soll ihn ablenken und gleichzeitig auf eine bestimmte Art und Weise unsichtbar machen, denn er ist nicht der, als den er sich ausgibt. In Freiburg ermittelt währenddessen Hauptkommissar Meier noch immer erfolglos im Fall Prager. Frau Prager war Opfer eines Verbrechens geworden. Rätsel gibt auch der Selbstmord eines ehemaligen Bundeswehrbeamten auf. Lässt sich ein Zusammenhang zwischen den beiden Fällen herstellen? Die Lage spitzt sich zu, als Gerlinde Körner, eine ehemalige Freundin von Pragers Frau, ihren Urlaub auf Kreta antritt. Sie will dort nach Rudolf Prager suchen. Hauptkommissar Meier fürchtet um ihre Sicherheit, denn er hat den Verdacht, dass der kritische Prager nicht der richtige Prager ist. - Das vorliegende Buch ist die Fortsetzung einer Krimi-Reihe zu 'Der andere Mann' und Der falsche Gelehrte'.
Pensionierter Schulleiter, Diplompädagoge Arbeiten zur Veränderung von Verhaltensstandards im Bereich der Erziehung im Kontext der Zivilisationstheorie von Norbert Elias Erziehung im Zeitalter der Aufklärung
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Ende September: Koufonisi
Koufonisi ist eine kleine Insel im Lybischen Meer an der Südküste Kretas bei Cape Gououras gelegen. Mit dem Boot ist die Insel von Makry Gialos aus gut zu erreichen. So oder so ähnlich steht es in jedem besseren Reiseführer. Heute fahren die Touristen mit den Ausflugsbooten vor allem der schönen Strände wegen auf die Insel, doch die wahren Schätze der Insel liegen in der Vergangenheit, jedenfalls sah es Rudolf Prager so. Prager hatte sich ein Motorboot gemietet und seinen Ausflug gut vorbereitet. Da er über Nacht auf der Insel bleiben wollte, gehörten auch ein Schlafsack, festes Schuhwerk und eine Kühltasche mit Lebensmitteln zu seinen Ausrüstungsgegenständen. Dem Bootsvermieter sagte er, dass er vor allem die Abend- und Morgenstunden auf der Insel mit dem Fotoapparat festhalten wolle. Der Mann war von Touristen einiges gewöhnt und nickte nur als Prager 2oo € Kaution für das Boot zahlte. Prager kam auf die Insel, als das letzte Ausflugsboot bereits den Weg zurück nach Makry Gialos antrat. Wie es schien, war er jetzt das einzige menschliche Lebewesen auf der Insel. Er verstaute seine Sachen in einem Gebüsch hinter der alten Bühne des römischen Theaters, hängte sich den Feldstecher um, steckte sich eine Wasserflasche in die Umhängetasche und nahm den Pfad, der über einen flachen Höhenrücken nach Südosten führte. Nach etwa einer Stunde hatte er sein Ziel erreicht. Vor ihm standen die Reste des ehemaligen Leuchtturms. An dieser Stelle befand sich früher ein Tempel, dessen Reste 1920 zum Bau des Leuchtturmes verwendet wurden. Prager hatte sich schlau gemacht. In beispielloser Rücksichtslosigkeit auf das kulturelle Erbe hatte man die Reste des antiken Bauwerks beseitigt. Vom ehemaligen Tempel waren nur noch einige Stufen an der östlichen, kurzen Seite erhalten geblieben. Aber auch vom Leuchtturm war nur ein kläglicher Rest geblieben, von ihm standen nur noch die Grundmauern. Angeblich sollen die Deutschen 1944 das Gebäude zerstört haben. Prager hatte gelesen, dass an der Nordwestecke noch zwei große Stücke der kolossalen Kultstatue des Tempels zu finden seien. Tatsächlich lagen etwas abseits zwei Marmorstücke. Das größere Bruchstück war Teil eines Beines, das mit dem gefalteten Stoff eines Kleidungsstückes drapiert war. Die Statue musste an die zwei bis drei Meter groß gewesen sein. Auf der Oberfläche des Steins waren Namen und Jahreszahlen gekratzt worden. Eine der Zahlen konnte Prager unschwer als 1630 entziffern. Den Rest der Statue mussten die Arbeiter als Baumaterial für den Leuchtturm benutzt haben. Im Gemäuer fand er einige Klumpen aus Marmor, die mit anderen Steinen verkeilt waren. Die Bodenplatten des alten Tempels konnte er nicht entdecken. Die Schatten waren länger geworden. In einer Stunde würde die Sonne untergehen. Prager machte noch zwei, drei Fotos und trat den Rückweg an, den zerbrochenen Gott, der einst von den Menschen auf Leuke verehrt wurde, im Rücken. Der steinige Pfad erforderte seine ganze Aufmerksamkeit, jetzt zu stürzen wäre fatal gewesen. Am Logeion, dem östlichen Teil des antiken Bühnengebäudes schlug Prager sein Nachtlager auf. Die archäologische Behörde sah es nicht gern, wenn Urlauber sich in den Ausgrabungsstätten niederließen, aber Prager war nicht irgendein Urlauber, sondern ein Kundiger, der keine Spuren hinterließ. Hier am nördlichen Anleger der Insel sah man im Sand die versunkenen Überreste von Häusern, Werkstätten und einem Theater, das einmal tausend Menschen Platz bot. Die tief stehende Sonne warf jetzt nur noch ein mattes Licht auf die Ruinen. Die Stille war überwältigend. Drüben auf der Hauptinsel sah man am Fuß der Berge die ersten Lichter, rechts das Industriegebiet von Atherinolakos , weiter links lagen Goudouras und Makry Gialos . Wenn es morgen Wind geben sollte, konnte die Rückfahrt übers Meer schwierig werden. Prager hatte sich vorsichtshalber die Handynummer des Bootsvermieters geben lassen. Tagsüber war es noch angenehm warm gewesen, selbst zum Baden hätte man jetzt noch ins Meer gehen können. Aber die Tage waren kürzer geworden und nachts kühlte es auf 16 Grad ab. Prager hatte sich die Rotweinflasche aus der Kühltasche genommen und war zum Strand hinuntergelaufen. Schwarz rollten die Wellen mit weißen Säumen gegen das Ufer. Wie schimmerndes Metall leckte das anlaufende Wasser wie mit Zungen immer wieder neu den feinsandigen Strand. Nachts allein auf einer Insel, umgeben von der gewaltigen Masse des Meeres, über sich einen Sternenhimmel so klar, wie er selten in Europa zu sehen war, das war erhebend und erschreckend zugleich. Erhebend, weil man sich als Teil eines großen Ganzen sehen konnte, erschreckend, weil man nur für einen Funkenschlag die Bedeutsamkeit seines eigenen Daseins verspürte. Ich bin Prager, schrie Prager gegen das Meer und das Rauschen der Wellen an. Ich bin Prager, wiederholte er leise und setzte die Weinflasche an den Mund. Dunkel hoben sich die Ruinen aus dem hellen Grau des Sandes. Er wandte sich wieder den Rängen des Theaters zu: Hört mir zu, ihr Schattengeister der Verstorbenen. Wer sich neu zu schaffen versteht, verdient Euren Respekt. Ich erforsche Eure Spuren und erwecke Euch zum Leben. Gebt mir Euren Schutz und erweist mir Euren Segen, ich kann mich sonst zur Ruhe nicht begeben! Prager lachte laut doch der auffrischende Wind trug alles, was aus seinem Munde kam, unhörbar in eine Welt, die diesen kleinen Menschen am Strand von Koufonisi einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Prager legte seinen Schlafsack an eine windgeschützte Stelle, zog sich die Schuhe aus, legte sich auf den Rücken, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah hinauf in den Nachthimmel. Der Mond war nicht zu sehen, dafür aber konnte er das Band der Milchstraße als eine Art Wolke bewundern. Er dachte an den abendlichen Spaziergang mit Gerlinde am Strand von Lentas , das lag jetzt schon drei Monate zurück. Er hatte ihr das Sternbild des Löwen gezeigt und ihr die Geschichte von der Göttermutter Rhea und ihren müden Zugtieren erzählt. Er hatte sie in den Arm genommen und geküsst, dann war sie bei ihm über Nacht geblieben. Er konnte sich gut vorstellen, mit dieser Frau an seiner Seite die nächsten Jahre zu verbringen. Sie hatte sich wie alle anderen täuschen lassen, aber war es denn wirklich nur Täuschung, war es nicht vielmehr eine Verwandlung, die mit ihm und anderen geschah. Eine Verwandlung, die sich auch als eine notwendige Anpassung an sich ändernde Verhältnisse beschreiben ließ. Wenn nicht er die Verhältnisse änderte, dann änderten die Verhältnisse ihn. Und war es nicht Aufgabe eines jeden Lebewesens, sich um den Erhalt seiner Existenz mit den Mitteln zu kümmern, die einem zur Verfügung standen? Ihn hatte einst eine fremde Macht gezwungen, Dinge zu tun, die nicht auf seinem Mist gewachsen waren. Diese Macht existierte nicht mehr, jetzt lag es einzig und allein an ihm, was aus ihm werden konnte. Er hatte sich für Prager entschieden. Aber der wirkliche Prager konnte nur weiterleben, indem er ihn tötete. Ebenso notwendig war es, seine Frau zu töten. Und dieser Meier, der lebende Zweifel an seiner neuen Existenz, auch er musste sterben und sterben muss auch dieser Kübler und wenn es sein muss, auch dessen Frau Roswitha. Wegen der Schnecken wollen sie herkommen. Ist das nicht eine komische Geschichte, ist das nicht eine Geschichte zum Lachen? Er wird ihnen ein würdiges Ende bereiten, hier auf Koufonisi, hier bei den Geistern der Vergangenheit. Prager hörte den Wind und das Rauschen des Meeres. Er kroch in seinen warmen Schlafsack und schlief bald ein. Der alte Hessler winkte ihm mit den Zeigefinger zu sich heran, ganz nahe, bis Pragers Ohr fast seinen Mund berührte. Mit heiserer Stimme krächzte der Alte: Du musst schwimmen, Herrmann. Wie ein Korken auf dem Wasser. Ein bärtiger Mann, sein Bootsvermieter, wies hinaus aufs Meer. Alles, was schwimmt, fangen die Fischer mit ihren Netzen. Aber das marmorne Standbild des Gottes zeigte auf Stellen im offenen Meer, wohin kein Fischer je kommen würde. Er sah das Leuchtfeuer von Koufonisi, ein kleiner Stern in der dunklen Nacht. Prager schlug die Augen auf, über ihm das Sternbild des Orion. Der Wind hatte zugenommen, eine Sandfahne wehte herüber und ließ einen zarten Schleier über der Mauerkante sehen. Dunkel hörte Prager vom Strand her das Rauschen des Meeres. Er drehte sich auf die Seite und versuchte wieder einzuschlafen. Am Morgen hatte sich der Wind gelegt. Strahlend blauer Himmel, kein Wölkchen zeigte sich am Firmament. Klar zeichneten sich jetzt im Morgenlicht die Umrisse der alten Stadt im weißen Sand ab. Wie viele Menschen mochten hier wohl einmal ihrem Tagwerk nachgegangen sein? Ließ die Größe des Theaters auf die Zahl der hier Lebenden schließen? Es gab öffentliche Bäder. Was für ein Luxus für eine Insel, die über keine natürlichen Quellen verfügte. Es gab Spuren eines Aquädukts. Kam das Wasser aus Zisternen, wo befanden die sich? Und wie mag es hier gerochen haben? Die Entdeckung der Färbewirkung des Purpurs wurde in der Antike den Bewohnern der phönizischen Stadt Tyros zugeschrieben. Doch es konnte, wie Prager gelesen hatte, nachgewiesen werden, dass bereits um 1600 v. Chr. im minoischen Kreta Purpur hergestellt wurde. Er lief den Sandstrand entlang in der Hoffnung, noch Gehäuse von Purpurschnecken im Sand zu entdecken. In der Antike lebten die Bewohner der etwa fünf Quadratkilometer großen...