E-Book, Deutsch, Band 1, 402 Seiten
Reihe: Die Highlander-Lords-Saga
Wolff Das Flüstern der Highlands
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-96148-379-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman | Für alle Fans von »Outlander«
E-Book, Deutsch, Band 1, 402 Seiten
Reihe: Die Highlander-Lords-Saga
ISBN: 978-3-96148-379-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die preisgekrönte Bestsellerautorin Veronica Wolff hat bereits in Texas, auf Hawaii und in Indien gelebt, bevor sie sich mit ihrer Familie im nördlichen Kalifornien niederließ. Sie liebt Pizza mit Peperoni und Oliven, Snowboarding und die Vielseitigkeit des Romance-Genres, in dem sie sich historischen Liebesromanen und Zeitreisegeschichten ebenso widmet wie zeitgenössischen Themen und Büchern für junge Erwachsene. Die Autorin im Internet: www.veronicawolff.com und www.facebook.com/VeronicaWolffFanPage Bei dotbooks veröffentlichte Veronica Wolff zwei Romane ihrer Highlander-Lords-Saga, die unabhängig voneinander gelesen werden können: 'Mein schottischer Ritter' und 'Mein schottischer Held'.
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Kapitel 2
Schottisches Hochland, Gegenwart
Lily atmete heftig aus und rieb kräftig mit dem Daumen an ihrem Unterarm entlang. Sie hatte seit Jahren nicht mehr gezeichnet und war nicht gewillt, sich jetzt von einem Krampf abhalten zu lassen. Die Arbeit an ihren Studien nahm sie ganz und gar in Anspruch. Schon den ganzen Vormittag lang hatte sie energisch Pastellfarben verrieben und gemischt und die Landschaft um sich herum auf Papier gebannt.
Es war eine nette Abwechslung zum Abend davor, der ungut geendet hatte. Genau vor einer Woche war sie in ihr gemietetes Bauernhäuschen eingezogen, und abgesehen vom gelegentlichen freundlichen Winken eines neugierigen Passanten waren ihre einzige Gesellschaft die zotteligen Hochlandrinder gewesen, die auf den grünen Flecken grasten, welche zwischen die purpurfarbene Heide und die grauen Felsen des engen Tals eingestreut waren. Auf der Suche nach ein bisschen Spaß und Unterhaltung war sie dann nach Inverness gefahren und hatte sich dort in eine der Studentenkneipen gewagt, in denen sich zur lauten Musik einer Band rüpelhafte junge Männer und grell geschminkte Mädchen drängten. Alles in allem, hatte sie gedacht, würde das ein guter Ort sein, um einmal abzutauchen und zu sehen, wie es in den Highlands um das Nachtleben bestellt war.
Nachdem sie sich zehn Minuten lang an die überfüllte Theke gedrückt hatte in der Hoffnung, einer der Barmänner würde sie bemerken, begann sie ihre Entscheidung zu bereuen. Verärgert glaubte sie, nun zu wissen, weshalb die einheimischen Mädchen sich dermaßen aufdonnerten. Wie sonst konnte man in einem derartigen Schuppen bemerkt und bedient werden?
Sie wandte sich zum Gehen, doch ein ungeschlachter, sehr betrunkener junger Mann trat ihr in den Weg. Was ihm an Körpergröße fehlte, machte er an Breite wett. Sein zu enges T-Shirt spannte sich über einen beachtlichen Bizeps, und er hielt sich ganz offenkundig für ein ziemlich besonderes Exemplar der Spezies Mann. Nur schade, dachte Lily, dass er seinen Bauchmuskeln nicht die gleiche Aufmerksamkeit widmet, denn die waren gut unter einem beträchtlichen Bierbauch verborgen.
»Entschuldigung«, murmelte sie mit gesenktem Blick und versuchte, unter seinem ausgestreckten Arm durchzuschlüpfen.
»Oi, eine Amibraut!«, prustete der Koloss. Er stank nach Whisky und Erbrochenem. Lily beschloss, dass es an der Zeit war, diesen Ort zu verlassen. Bei ihrem Wunsch, Einheimische kennenzulernen, hatte sie definitiv nicht an betrunkene College-Studenten gedacht. Was hatte sie sich überhaupt dabei gedacht? Sie sollte in ihr Häuschen zurückfahren, einen netten Film ansehen und sich dabei sündhafterweise einen mitternächtlichen Snack gönnen.
»Ja, ähh …« Mit einem verlegenen Lächeln versuchte Lily, sein Interesse abzuschütteln und sich erneut an ihm vorbeizustehlen. »Entschuldigung.«
»Nicht so hastig, Süße«, nuschelte der Kerl. »Stimmt denn das, was man so über die Amerikanerinnen hört?«
Noch einmal versuchte Lily es mit Flucht, denn sie wollte definitiv nicht wissen, was er mit seiner ungehobelten Frage wohl meinte.
Die Band legte eben eine Pause ein, und in der Bar schien es plötzlich unheimlich still zu werden. Lily spürte eine unbehagliche Spannung im Raum – von der Art, dachte sie, auf die eine Wirtshausrauferei folgte.
»Bitte, lassen Sie mich vorbei.«
»Ey – bitte, lassen Sie mich vorbei!«, wiederholte der Bursche in einem hohen Singsang. Inzwischen hatten sich ein paar seiner Kumpane zu ihm gesellt und verfolgten neugierig die Szene.
Lily spürte Wut in sich aufsteigen. So manche Frau hätte wohl versucht, die Situation durch Worte zu entschärfen, doch sie war eine Kämpferin. Sie schreckte vor niemandem zurück, auch nicht vor einem fettleibigen Muskelpaket.
»Oi«, machte, sie ihn nach. »Und jetzt lass mich gefälligst durch!« Mit dem Kopf voran stürmte sie auf ihn zu, um ihn zur Seite zu stoßen, doch ohne Erfolg.
»Hör mal, du besoffener Trottel, ich will hier raus!« Sie wusste, dass dies der falsche Weg war, um der Lage Herr zu werden, aber es war klar, dass keiner seiner Kumpel ein Interesse daran hatte, diese Art der Abendunterhaltung abzukürzen, also musste sie selbst für sich sorgen.
Lily bemerkte, dass ein paar der Mädchen hinter sie getreten waren und sie wohlwollend beobachteten. Eine Rothaarige blickte unverhohlen mit einem so schiefen wie anerkennenden Lächeln zu ihr, und das gab ihr noch mehr Mut.
»Kretin!«, fauchte sie und versuchte noch einmal, an dem Kerl vorbeizukommen.
Mittlerweile war es in der Kneipe still geworden, und aller Augen richteten sich auf die Amerikanerin, die offenbar den Mund zu voll genommen hatte.
Lily kochte vor Wut. Sie hatte nur ein bisschen ausgehen, sich auf niemanden einlassen, sondern lediglich eine der hiesigen Bands anhören und vielleicht ein wenig die Menschen hier beobachten wollen.
»Na komm schon, Süße«, nuschelte der. Kerl. Sein schlechter Mundgeruch verursachte Lily zunehmend Übelkeit. »Nur ein bisschen knutschen, was ist denn schon dabei?«
Eigentlich hatte sie ihm nur eine Ohrfeige verpassen wollen, doch irgendwie landete ihre Faust an seinem Kinn. Und schon stieg eine Handvoll der College-Mädchen mit ein, sie feuerten Lily an und schütteten dem Kerl ihre Biere ins Gesicht.
Auch seine Freunde wurden nass. Als Nächstes erwischte es die Mädchen, dann griffen deren Freunde ein, und ehe Lily sichs versah, hatte sie eine regelrechte Kneipenschlacht in Gang gebracht. Bei dem allgemeinen Tumult schaffte sie es schließlich, durch eine Seitentür zu verschwinden.
Lily war immer stolz darauf gewesen, nicht eines dieser schüchternen, introvertierten Mauerblümchen zu sein, doch eine Wirtshausschlägerei vom Zaun zu brechen, das war ihr dann doch zu viel gewesen. Mit einem prüfenden Blick auf ihren Skizzenblock dachte sie, dass es wohl angebracht sein würde, sich in den nächsten Tagen beim Besitzer der Kneipe zu entschuldigen.
Sie legte den Block beiseite, flocht ihr widerspenstiges blondes Haar zu einem provisorischen Zopf und bewunderte einmal mehr das Panorama vor sich. Ihre Großmutter hatte ihr oft von der majestätischen Erhabenheit der Highlands erzählt, doch keine Worte konnten die spröde Schönheit dieser Landschaft beschreiben. Sie blickte um sich, ergriffen von den gewaltigen Kontrasten dieses Landes. Der Wind heulte, und Strähnen ihres Haars rissen sich aus dem Zopf los, doch die zähen Pflanzen, die die Moore bedeckten, bewegten sich kaum; sie schmiegten sich an die Erde und klammerten sich trotzig im Purpur und Weiß von Heidekraut und Disteln aneinander. Gewöhnliche, fast kümmerlich zu bezeichnende kleine Pflanzen, die der Welt widerspenstig zu sagen schienen: Was, so ein leichtes Lüftchen? Ganz so wie auch die Menschen hier, dachte Lily. Stark, nicht unterzukriegen und schnell mit dabei, wenn es darum ging, eine schlechte Situation kleinzureden.
Alles in allem hatte es den Anschein, als würde sich in der Ferne ein anderes Land ausbreiten, in dem Vögel träge über einen der zahllosen Seen der Highlands segelten, dessen Wasser unbegreiflich still dalag. Am jenseitigen Ufer ragten stummen Wächtern gleich felsige Gipfel auf. Ihre gezackten Silhouetten spiegelten sich im Wasser, das wie Glas wirkte. Abgesehen von den zuckenden Schatten grauer Sturmwolken war der See im Licht des Vormittags dunkelblau und violett, und nun begriff Lily endlich auch, weshalb die Menschen hier glaubten, dass sich in den Tiefen ihrer Lochs monströse Ungeheuer verbargen.
Langsam sammelte sie ihre Pastellstifte wieder in die ramponierte Schachtel ein und wunderte sich darüber, dass, bevor sie nach Schottland gekommen war, Jahre vergangen waren, in denen sie überhaupt nicht gemalt und gezeichnet hatte. Von einem Abschluss in Kunst, ihrer Leidenschaft fürs Malen und Ambitionen, unterprivilegierte Kinder in Kunst zu unterrichten, war sie geradewegs in einen Achtzig-Stunden-Job im Silicon Valley hineingerasselt. Keine Kunst mehr. Keine Kinder. Und schon gar niemand, der unterprivilegiert gewesen wäre.
Ein Urlaub in Schottland war Lily als die ideale Gelegenheit vorgekommen, einmal über sich und Gott und die Welt nachzudenken. Einmal allein zu sein und sich darüber Gedanken zu machen, wozu sie es in den letzten Jahren gebracht hatte. Was all die Überstunden, Aktienbezugsrechte und Vorstandssitzungen bedeutet hatten – wenn sie denn etwas bedeutet hatten.
In erster Linie war sie wegen Grandma hierhergekommen. Wegen ihrer geliebten Großmutter, die dieses Land bereits in jungen Jahren verlassen hatte, um zu sehen, was die weite Welt für sie bereithielt. Grandma, die ihre singende Sprechweise und ihren starken Akzent ebenso wenig je verloren hatte wie das jugendliche Leuchten in ihren Augen.
Sie hatte immer gesagt, dass Grandma sie großgezogen und auf dem Arm getragen hatte, als ihre leibliche Mutter fortging, obwohl Lily damals erst in der Grundschule war. Sandra – sie hatte immer darauf bestanden, ihre Mutter so zu nennen – hatte sich von einem drittklassigen Baseballspieler den Kopf verdrehen lassen, der eines Tages im Rahmen eines Trainingscamps in die Stadt gekommen war. Als die Zeit kam, dass er wieder gehen musste, hatte Lilys Mutter ihre Sachen gepackt und stand bereit. Sie glaubte, so lange sie noch unter vierzig sei, habe sie bessere Chancen in der Liebe, wenn sie kein Kind am Hals hatte.
Ein paar Jahre später kam Sandra wieder zurück. Dieses Mal hatte sie einen glatzköpfigen Banker Mitte sechzig an ihrer Seite, und sie meinte, dort weitermachen zu können, wo sie vordem aufgehört hatte, bedacht darauf, ihre neue Rolle als seriöse Ehefrau sozusagen mit einem »fertigen« Kind ausfüllen...




