E-Book, Deutsch, 356 Seiten
Wolff Das kleine Segelboot des Glücks - oder: Aufgetakelt
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96655-709-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, 356 Seiten
ISBN: 978-3-96655-709-2
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Steffi von Wolff, geboren 1966 in Hessen, war Reporterin, Redakteurin und Moderatorin bei verschiedenen Radiosendern. Heute arbeitet sie freiberuflich für die ARD, als Roman- und Sachbuchautorin für diverse Verlage, hat eine Kolumne im Segelmagazin YACHT und wird von vielen Fans als »Comedyqueen« gefeiert. Steffi von Wolff lebt mit ihrem Mann in Hamburg. Die Autorin im Internet: steffivonwolff.de und facebook.com/steffivonwolff.autorin Steffi von Wolff veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Bestseller »Glitzerbarbie«, »Gruppen-Ex«, »ReeperWahn« und »Rostfrei«, »Fräulein Cosima erlebt ein Wunder«, »Das kleine Segelboot des Glücks«, »Der kleine Buchclub der Träume«, »Das kleine Hotel an der Nordsee«, »Das kleine Haus am Ende der Welt«, »Kein Mann ist auch (k)eine Lösung«, »Für Rache ist es nie zu spät«, »Die Spätsommerfrauen«, »Taxifahrt mit einem Vampir« und »Das kleine Appartement des Glücks« sowie die Kurzgeschichten-Anthologien »Das kleine Liebeschaos für Glückssucher«, »Das kleine Glück im Weihnachtstrubel« und »Das kleine Handbuch des Liebesglücks«. Außerdem erschienen sind ihre Sammelbände »Liebe ist nichts für Anfänger« und »Küsse und andere Missgeschicke«. Eine andere Seite ihres Könnens zeigt Steffi von Wolff unter ihrem Pseudonym Rebecca Stephan im ebenso einfühlsamen wie bewegenden Roman »Zwei halbe Leben«.
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Kapitel 2
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich bin eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Mit einem Bein wäre es auch noch schwieriger, an Bord zu kommen. Nein – ich bin allem Neuen gegenüber aufgeschlossen. Wirklich. Aber Andreas übertreibt immer. Allein diese Diskussionen, ob man nun segeln soll oder nicht. Ich bin dagegen, er dafür:
»Wir haben an unseren Wochenenden doch sowieso nie was vor«, schwadroniert er herum. »Also können wir die Wochenenden doch mit etwas Nützlichem verbinden. Dem Segeln. Wir sind sowieso zu wenig an der frischen Luft. Ich wette mit dir, wenn wir Freitag spätnachmittags da ankommen, wo unser Boot liegt, ist das so, als ob wir den ersten Urlaubstag haben.«
Weil ich so gutmütig bin, lasse ich ihn gewähren. Und weil ich so doof bin, lasse ich ihn zu lange gewähren. Weil ich nämlich so gutmütig bin.
»Ich wette, du möchtest nie wieder was anderes machen, wenn du erst mal Salzluft geschnuppert hast und bei acht Windstärken merkst, dass du das Boot immer noch unter Kontrolle hast«, ruft Andreas beschwingt.
In Gedanken male ich mir aus, was ich anstelle von Segeln alles machen möchte. Innerhalb von Sekundenbruchteilen fallen mir dreitausend Dinge ein. Angefangen von Ausschlafen bis hin zu Töpfern. So verzweifelt bin ich schon, dass ich töpfern will. Ich glaube, ich habe damals überlegt, dass ich lieber freiwillig in einer Volkshochschule Vorträge über homöopathische Handchirurgie halten möchte, als jemals wieder einen Fuß auf ein Segelboot zu setzen.
Nach dem besagten Wochenende, als Sören mir die Geschichte von dem entsetzlichen Badeunfall im Mittelmeer erzählt hat und ich kopfüber mit den ganzen Leinen ins Hafenbecken gefallen bin, hatte ich die Nase voll.
Aber Andreas lässt nicht locker: »BRITTA! Nun hab dich nicht so. Du redest doch immer davon, dass wir Sport machen sollen. Schau dir doch die ganzen durchtrainierten Leute an, die segeln!«
Diesen Aspekt finde ich wiederum durchaus verständlich. Über die Jahre hinweg hat Andreas immer mal wieder gern das eine oder andere Bier zu viel zu sich genommen, und Bratwurst mit Pommes rot-weiß sind schließlich auch nicht zu verachten. Seinem Hüftspeck und dem nicht erst beginnenden Bauch würde ein wenig Sport ganz sicher gut tun.
»Diese kräftigen Arme, die an diesen Kurbeln drehen«, er blättert in einem Buch, »und diese Bauchmuskeln hier bei dem Mann, der an dem Rad da dreht.«
Ich nehme mir das Buch und muss leise lachen.
Was er nämlich nicht weiß, ist, dass es sich bei den von ihm beschriebenen Menschen in eben jenem Buch um Profisegler handelt, die sich – jedenfalls während sie segeln – von Astronautennahrung ernähren. Diese Segler sind monatelang auf dem Wasser unterwegs und waschen sich noch nicht mal anständig! Weil sie nämlich keine Zeit dazu haben. Diese durchtrainierten Segler powern 18 Stunden am Stück, was das Zeug hält, um dann in Rohrkojen, oder weil das Regattaboot Gewicht auf der einen Seite braucht, in der Reling hängend, die Füße über Bord, zu schlafen. Freiwache heißt das, glaube ich. ICH habe nämlich die ganzen Bücher gelesen, die Andreas angeschleppt hat.
Der gemeine Fahrtensegler (oh ja, auch ich kenne mich mit Fachausdrücken aus) dagegen überlegt sich schon nach dem Frühstück, was es mittags zur Bratwurst mit Speck gibt. Kartoffelbrei oder Bratkartoffeln oder einfach nur Bier. Oder er entschließt sich gleich für das sogenannte australische 7-Gänge-Frühstück: ein Steak und ein Six-Pack Bier. Als Fahrtensegler dümpelt man von Hafen zu Hafen, am besten unter Motor. Unter Motor, weil es so anstrengend ist, Segel zu setzen, weil man ja keine elektrische Winschkurbel hat. So jedenfalls ist mein erster Eindruck. Gleich werde ich verrückt.
Es ist gemein, ich weiß, aber ich bin nun mal der Ansicht, dass Segeln, wenn man es nicht wirklich berufsmäßig betreibt, einfach nur ein lächerlicher Zeitvertreib für Menschen ist, die nichts mit sich anzufangen wissen. Ich habe mich nämlich informiert! Oh ja. Es gibt Kataloge mit Zubehör, da rollen sich bodenständigen Menschen wie mir die Fußnägel bis zum Gehtnichtmehr auf. Buddelschiffe gehen ja noch. Das sage ich jetzt aber nur deswegen, weil ich mich als Kind immer gefragt habe, wie man die Schiffe durch den engen Flaschenhals bekommen hat. Als ich dann erfahren habe, dass man die reinschiebt und dann an einem Faden zieht, sodass die Masten sich aufrichten, hat das alle Illusionen bei mir zunichte gemacht. Trotzdem. Buddelschiffe sind okay. Dann Knotentafeln. Gute Güte, wozu braucht man Knotentafeln? Hängt man die in den Salon und muss jedes Mal, wenn man einen Knoten machen will, runterrennen und nachschauen, wie es geht?
Am romantischsten finde ich die Flaschenpost. Aber die gibt es in keinem Zubehörkatalog.
»Meinst du, wir finden irgendwann mal eine Flaschenpost?«, frage ich Andreas an einem Donnerstagabend. Wir sitzen auf unserer Terrasse, ich muss dringend noch eine Besichtigung für Freitagmorgen vorbereiten. Wenn ich Glück habe, kauft dieses Ehepaar das Haus. Von meiner Provision werde ich ganz sicher kein Segelboot kaufen. Vielleicht aber ein Buddelschiff.
»Wie, Flaschenpost?«, fragt Andreas und blickt mich verständnislos an.
»Ich wünsche mir so sehr, einmal eine Flaschenpost zu finden«, schwärme ich vor mich hin. Allein die Vorstellung, dass ein verzweifelter Seemann irgendwann im 16. Jahrhundert kurz vorm Untergang des Schiffes noch eine letzte Nachricht an seine Verlobte in eine Flasche steckt, bevor sein Schiff kentert und sich in den letzten Sekunden seines Lebens fragt, ob irgendjemand diese Nachricht mal irgendwann liest, wann auch immer, berührt mich so, dass ich eine nicht enden wollende Gänsehaut bekomme.
»Segeln hat nichts mit einer Flaschenpost zu tun«, doziert Andreas und hält mir ein Buch vor die Nase. »Schau, hier, da wird einem gezeigt, wie man eine Wende fährt. Das ist Können, Britta. Wenn du erst mal so weit bist, dass du eine Wende fahren kannst, habe ich Hochachtung vor dir!«
Ich werde sauer. »Sonst hast du also keine Hochachtung vor mir?«, frage ich böse und pfeffere das Buch auf den Tisch.
»Was ist denn bloß los mit dir?«, fragt Andreas. »Du bist ja richtig komisch. Früher warst du nicht so.«
Ja. Das stimmt. Die neue Vorliebe meines Mannes macht mich zunehmend aggressiv. So aggressiv, dass ich mir schon nicht mehr die Hände waschen möchte, weil das mit Wasser verbunden ist.
»Ich würde gern morgen Nachmittag mit dir an die Ostsee fahren. Ich hab, als ich mit diesem Sören unterwegs war, nette Leute kennen gelernt, die mir oder vielmehr uns angeboten haben, mal bei ihnen mitzusegeln, damit wir das alles mal so richtig von der Pike auf lernen. Das geht kurzfristig, ich muss sie nur anrufen, sie sind jedes Wochenende auf dem Boot. Weißt du nicht mehr, das nette Ehepaar, er ist Ende vierzig und sie hatte ganz kurze Haare. Die machten doch einen netten Eindruck. Was hältst du davon?«
Nichts wäre mir lieber, als jetzt sofort einen Hörsturz zu bekommen. Aber das geht ja nicht so ohne weiteres. Und ich muss vom Teufel geritten sein, dass ich antworte:
»Ja, warum eigentlich nicht.«
»Du bist ein Schatz«, strahlt Andreas und springt von seinem Stuhl auf. »Das wird super.«
Ja. Das wird super.
Freitag. Ich absolviere meine Hausbesichtigung in einem wirklichen Traumhaus. Jahrhundertwende, Parkettboden, offener Kamin und Sprossenfenster. Dazu ein wunderschöner Garten. Ich bin begeistert, die potenziellen Käufer sind nur am Meckern.
Die Industriellengattin hat toupierte Haare und beschwert sich ununterbrochen:
»Liebling, ich weiß nicht, wo wir hier in diesen engen Räumen unsere Biedermeiermöbel hinstellen sollen. Und die Louis-Seize-Stühle. Ach, da muss dann womöglich ein Architekt ans Werk.« Sie seufzt und fährt sich mit ihren ringgeschmückten Fingern durchs aufgedonnerte Haar.
Die Leute heißen »von Haldersleben« und die gute Gattin legt großen Wert auf dieses »von«. »Marita VON Haldersleben, guten Tag. Und das ist mein Mann, Lothar VON Haldersleben.« Man merkt Marita an, dass sie vor ihrer Heirat Meier oder Müller oder Schmidt geheißen haben muss.
»Ach, schauen Sie sich doch mal unseren Porsche an«, Marita schaut aus einem der Fenster und deutet auf die Reifen. »Alles voller Schlamm. Ich habe ja gleich zu Lothar gesagt, ›lass uns den Jeep nehmen‹, aber Lothar liebt nun mal seinen 911-er. Nicht wahr, Lothar? Mir liegt der ja zu tief. Ich habe mir jetzt einen neuen BMW bestellt, wobei ich mir gar nicht mehr sicher bin, ob ich den noch will. Jetzt ist doch gerade dieses schicke Jaguar-Cabrio rausgekommen. Wo ist eigentlich Benni? Benni, komm her und sag nett guten Tag.«
Hinter Lothar kommt ein ungefähr 14-jähriger pubertierender Junge hervor. Er trägt viel zu weite Hosen, an denen sich überall Taschen befinden. Dazu ein amerikanisches College-Sweatshirt. In der Mitte prangt eine große 13. Eine Baseball-Mütze sitzt schief auf Bennis Kopf, und der Knabe macht ununterbrochen riesengroße Kaugummiblasen. Benni hält es nicht für nötig, seine Hände aus den Hosentaschen zu nehmen, sondern nickt nur mürrisch in meine Richtung.
»Na, Bennilein, meinst du, du würdest dich hier wohl fühlen?«, fragt Marita und schaut Benni beifallheischend an.
»Is doch alles die komplette Scheiße«, kläfft Benni. »Voll uncool. Totale Megakacke. Ich kotz gleich.«
»Aber Bennilein«, ruft Marita. »Deine Zimmer haben zusammen fast 100 Quadratmeter. Und ein eigenes Bad hast du auch!«
»Ich kotz gleich«, keift Benni.
Kinder zu haben muss die totale Erfüllung sein.
Lothar zündet sich eine Zigarre an und blickt mit Vaterstolz auf seinen...




