E-Book, Deutsch, Band 58, 400 Seiten
Reihe: (Nuncius Hamburgensis - Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften
Wolfschmidt Instrumente, Methoden und Entdeckungen für innovative Entwicklungen in der Astronomie. Instruments, Methods and Discoveries for Innovative Developments in Astronomy.
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-347-94520-3
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nuncius Hamburgensis - Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften, Band 52
E-Book, Deutsch, Band 58, 400 Seiten
Reihe: (Nuncius Hamburgensis - Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften
ISBN: 978-3-347-94520-3
Verlag: tredition
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prof. Dr. Gudrun Wolfschmidt Working Group History of Science and Technology AG Geschichte der Naturwissenschaft und Technik (GNT) https://www.fhsev.de/Wolfschmidt/GNT/home-wf.htm Hamburg Observatory, University of Hamburg Faculty of Mathematics, Informatics and Natural Sciences (MIN) Biographische Informationen, Aktivitäten, Publikationen, Lehrveranstaltungen, Ausstellungen, Exkursionen und Vorträge sowie Awards & Achievements finden sich hier: https://www.fhsev.de/Wolfschmidt/ Publikationsreihe: Nuncius Hamburgensis https://www.fhsev.de/Wolfschmidt/GNT/research/nuncius.php
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Abbildung 1.1:
Logo der Gründung der Vereinigten Astronomischen Gesellschaft (1800) Entdeckung der ersten vier Planetoiden – Olbers: Pallas (1802), Vesta (1807)
© Gudrun Wolfschmidt
Einführung zum Thema: Instrumente, Methoden und Entdeckungen für innovative Entwicklungen in der Astronomie
Gudrun Wolfschmidt (Hamburg)
Abstract: Introduction to the subject: Instruments, methods and discoveries for innovative developments in astronomy
In the history of science in general as well as in the history of astronomy in particular, there have always been and still are new instruments, discoveries and inventions that had or have a trend-setting character for the further course of research. This means both unexpectedly occurring new phenomena and systematic observations in the sky as well as technical innovations as well as theoretical and methodological approaches.
The astronomers and instrument makers were concerned with the specific search for an explanation of a phenomenon or the confirmation of a theory, but new phenomena could only be discovered by chance, which then awaited an explanation and provoked a new theory or a new set of instruments. In research on the history of science, one terms the decisions for alternatives (bifurcations) or, in the case of the falsification of a theory, of an “Experimentum crucis”.
Such milestones in the history of astronomy are the well-known examples of the first publication of the heliocentric view of the world in 1543, the invention of the telescope (1609) or the discovery of 3-Kelvin (cosmic background) radiation (1965), but also numerous less public awareness such as e.g. the appearance and observation of Tycho’s (Super) Nova from 1572, the invention of the micrometer with the different modifications from 1609, the invention of the meridian circle, the application of spectral analysis to the light of the celestial bodies since 1859, or the introduction of calculating machines and computers.
This monography offers the possibility to pursue such landmarks in a bundled manner and thus provide material for further theoretical and philosophical considerations. Of particular interest are the individual motivations of the people involved, as well as the ideological, religious and social contexts, but also the general technical and special astro-technical framework conditions that have included computer-aided systems since the late 20th century.
Zusammenfassung
In der Geschichte der Wissenschaften allgemein sowie in der Astronomiegeschichte speziell gab es zu allen Zeiten und gibt es bis heute neue Instrumente, Entdeckungen und Erfindungen, die richtungsweisenden Charakter für den weiteren Verlauf der Forschung besaßen bzw. besitzen. Das meint sowohl unerwartet auftretende neue Phänomene und systematisch angestellte Beobachtungen am Himmel als auch technische Neuerungen sowie theoretische und methodische Ansätze.
Dabei ging es den Astronomen und den Instrumentenbauern um die gezielte Suche nach Erklärung eines Phänomens oder um die Bestätigung einer Theorie, aber es konnten auch durch Zufall neue Phänomene erst entdeckt werden, die dann einer Erklärung harrten und eine neue Theorie oder einen neuen Instrumentenkomplex provozierten. In der Wissenschaftsgeschichtsforschung spricht man dann von den Entscheidungen für Alternativen (Bifurkationen) oder im Falle der Falsifizierung einer Theorie von einem „Experimentum crucis“.
Solche Marksteine in der Geschichte der Astronomie sind exemplarisch die bekannten Beispiele der Erstveröffentlichung des heliozentrischen Weltbildes im Jahr 1543, die Erfindung des Fernrohrs (1609) oder die Entdeckung der 3-Kelvin-Strahlung (1965), aber auch zahlreiche weniger im öffentlichen Bewußtsein seiende wie z. B. die Erscheinung und Beobachtung von Tycho’s (Super)Nova von 1572, die Erfindung des Mikrometers mit den verschiedenen Varianten ab 1609, die Erfindung des Meridiankreises, die Anwendung der Spektralanalyse beim Licht der Himmelskörper seit 1859 oder die Einführung von Rechenmaschinen und Computern.
Diese Monographie bietet Raum, solchen Marksteinen gebündelt nachzugehen und damit Material für weitere wissenschaftstheoretische und philosophische Überlegungen bereitzustellen. Hierbei sind von besonderem Interesse die individuellen Motivationen der handelnden Personen sowie die weltanschaulichen, religiösen und gesellschaftlichen Kontexte, aber auch die allgemeinen technischen und speziellen astrotechnischen Rahmenbedingungen, die seit dem späten 20. Jahrhundert die computergestützten Anlagen einschließen.
1.1 Einleitung
Die Geschichte der Astronomie bietet zahllose Beispiele für Erfindungen oder die Entwicklung innovativer Instrumente, was häufig neue Entdeckungen nach sich zieht. Es können aber auch neue Meßmethoden Entdeckungen bewirken oder neue Phänomene können rein zufällig entdeckt werden. Einige spektakuläre Entdeckungen werden ausführlicher vorgestellt.
Statt technischer Neuerungen können auch theoretische und methodische Ansätze die Forschung in eine neue Richtung lenken. Bei gezielten Beobachtungen geht es oft um die Bestätigung oder die Falsifizierung einer Theorie.
All diesen Aspekten soll hier exemplarisch nachgegangen werden; es ist klar, dass eine Vollständigkeit unmöglich ist.
1.2 Instrumentelle Entwicklungen und Innovationen
1.2.1 Vorteleskopische Zeit
Schon im 16. Jahrhundert – vor dem Siegeszug des Fernrohrs – begann die Gründung von Sternwarten in Europa. Die ersten Observatorien im modernen Sinn, mit festen fundierten Instrumenten, gab es bereits im Mittelalter zum Beispiel in Beijing (1127, 1442) oder im islamischen Kulturkreis wie Marâgha (al-Din al-’Urd?i, 1259), Samarkand (Ulug? Beg, 1420) und Istanbul (Taqi ad-Din, 1575/80).1
Der fränkische Astronom Johannes Regiomontan2 (1436–1476) beobachtete in Nürnberg vom Dachgeschoß aus. 1476 setzte Bernhard Walther (1430–1504) alleine dessen Beobachtungen fort; 1502 ergänzte er ein Dachfenster im Südgiebel des (späteren) Dürerhauses mit einer kleinen „Beobachtungsplattform“. Dieser dokumentierte Umbau für astronomische Zwecke kann als älteste erhaltene europäische „Sternwarte“ bezeichnet werden.
Die Präzision der Beobachtungsreihen von Sternen ist unerreicht in der westlichen Astronomie bis zu Tycho Brahe (1546–1601), auch mit seinen Innovationen im Meßverfahren. Er errichtete die Sternwarte „Uraniborg“ (Himmelsburg) im Stil der flämischen Renaissance auf der damals dänischen Insel Hven (schwedisch „Ven“), dann „Stellaeburgum“ (Stjerneborg, Sternenburg) 1584. Eine genaue Vorstellung von Tycho Brahes Sternwarten und ihrer neuzeitlichen instrumentellen Ausstattung mit innovativen Winkelmeßinstrumenten – 8 Sextanten, 3 Triquetra (Dreistab), 8 Quadranten, 5 Armillarsphären, großer Himmelsglobus und Halbkreis (Semicirculus) – haben wir dank der mit zahlreichen Holzschnitten versehenen Beschreibung in seinem Werk Astronomiae instauratae mechanica (Wandsbek 1598, 2. Auflage, Nürnberg: Levinus Hulsius 1602), (vgl. Wolfschmidt 2010).
1.2.2 Erste Linsenteleskope im 17. Jahrhundert
Abbildung 1.2:
Galileo Galilei präsentiert sein Fernrohr im Senat von Venedig im Glockenturm des Markusplatzes
Fresko von Luigi Sabatelli (1772–1850), Florenz, Tribuna Galileiana), (Foto: Gudrun Wolfschmidt)
Das Fernrohr symbolisiert den technischen Fortschritt der Astronomie des 17. Jahrhunderts, wie das Mikroskop in der Biologie, Medizin oder Mineralogie und die Luftpumpe in der Physik als High Tech Instrumente der damaligen Wissenschaft. Die Entwicklung des Fernrohrs im 17. Jahrhundert ist verbunden mit einer Reihe spektakulärer Entdeckungen, die unser Weltbild veränderten.
Die Erfindung des Fernrohrs geschah in Holland; diverse Namen werden genannt:3 Hans Lippershey (~1570–1619) aus Middelburg, der am 25. Sept. 1608 eine Anfrage bzgl. eines Patents stellte und sein innovatives Instrument beim Prins Maurits van Oranje (1567–1625) in Den Haag vorführte, sowie Hans M. Janssen (†1619) 1604 und Zacharias Janssen (~1585–~1632).
Galileo Galileis (1564–1641 jul. / 1642 greg.) Occhiolino, holländisches oder Galileisches Fernrohr (1609), besass ein 30 mm-Objektiv (plankonvexe Linse), eine Brennweite von 900 mm, das Okular war plankonkav mit f = –50 mm (21 und 14fache Vergrößerung). Das Gesichtsfeld dieses Fernrohrtyps war relativ klein. So sah Galilei bei seinen Beobachtungen des Vollmondes nur etwa ein Viertel der vollen Scheibe. Galileis veröffentlichte seine Entdeckungen am Fernrohr im Sidereus Nuncius (Sternenbote) 1610, gewidmet an Cosimo II. de’ Medici (1590–1621).4
Johannes Kepler (1571–1630) entwickelte eine Theorie der Optik5 und stellte sein Keplersches oder astronomisches Fernrohr mit langbrennweitigen Objektiv und kurzbrennweitigen Okular (Konvexlinse) vor. Es lieferte ein auf dem Kopf...




