Ziegler | 24.12. - aber pünktlich! | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Ziegler 24.12. - aber pünktlich!


1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7641-9223-5
Verlag: Ueberreuter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

ISBN: 978-3-7641-9223-5
Verlag: Ueberreuter Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Weihnachten ganz ohne Kitsch und Engel Ein Rockstar, der genau den richtigen Ring für seine Freundin findet, ein Vater, der die Beziehung zu seiner Tochter mit einem außergewöhnlichen Geschenk kitten will, ein Junge, der den Weihnachtsbaum abfackelt und Jesus, der in einem Imbiss Suppe schlürft - 12 Geschichten, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, außer dem Tag, an dem sie spielen: der 24.12. Das Weihnachtsbuch für alle, die mit Weihnachtskitsch nicht viel anfangen können! 24.12.: Ein Tag, 12 Geschichten - geschickt miteinander verwoben

Reinhold Ziegler schrieb über zwanzig Jahre Bücher für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Viele seiner Romane und Erzählungen wurden mit Preisen ausgezeichnet. Bis zu seinem Tode im Jahr 2017 lebte er mit seiner Familie im Raum Aschaffenburg.
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DER RING


Willy B. Hero wachte in seiner Hotelsuite auf. Es war kurz nach elf. Er war um fünf Uhr morgens in sein Zimmer gekommen, also hatte er immerhin rund sechs Stunden geschlafen, das war okay. Er schlief schlecht in letzter Zeit. Sechs Stunden waren das Minimum, wenn es weniger war, musste er was nehmen, sonst hielt er die Show auf der Bühne nicht durch.

»Ich hasse Tourneen!«, sagte er laut zu sich selbst, nur um sicher zu sein, dass er über Nacht die Stimme nicht verloren hatte.

»Was?«, fragte jemand.

Willy B. setzte sich erschrocken auf. In der anderen Ecke das Raumes lümmelte Mike, wie immer mit schwarzem Anzug und Sonnenbrille, im großen Sessel.

»Shit-ay!«, brummte Willy B. »Kann ich nicht wenigstens alleine sein, wenn ich schlafe?«

»Sorry, Boss, aber ich sollte dich um elf wecken! Du wolltest noch was für deinen Darling zu Weihnachten besorgen.«

»Shit-ay!«, sagte Willy B. noch einmal. Er konnte sich an nichts erinnern. In seinem Kopf dröhnte die Mischung von einer viel zu lauten PA, Alkohol und allerlei anderen Sachen, an die er sich ebenfalls nicht mehr konkret erinnerte.

»Lass mich allein!«, brummte er unwirsch Mike zu, der sich schon erhoben hatte.

»Okay, ich geh wieder runter«, sagte der. »Bernie ist alleine unten und die Folks sind seit gestern Nacht echt special drauf. Der kann nicht alle Türen im Blick behalten!«

»Geh schon!«, sagte Willy B.

Er brauchte noch eine Weile, bis er das Bett verlassen konnte, dann schlurfte er müde zum Fenster. Fünf Stockwerke tiefer, vor dem Hoteleingang, standen so an die hundert Fans und versuchten irgendwie reinzukommen. Willy B. zog sich einen Morgenmantel über, öffnete vorsichtig die Tür des kleinen Balkons und trat in die kalte, feuchte Winterluft hinaus.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis irgendjemand ihn dort oben entdeckte, dann wurde gefuchtelt, nach oben gezeigt, gerufen.

Willy B. winkte kurz zurück, die Meute begann zu kreischen.

»Merry Christmas!«, schrie Willy B. hinunter, dann trat er wieder zurück in sein Zimmer, schloss die Tür und zog die Gardine vor. Er hob das Telefon ab, wartete, bis sich jemand meldete, und verlangte ein Frühstück aufs Zimmer.

»Was dürfen wir Ihnen bringen, Mr. Hero?«, fragte eine sehr freundliche, zurückhaltende Stimme.

»Shit-ay, irgendwas, was man essen kann!«, rief er in den Hörer und legte auf.

Baldrock musste verrückt sein. Legte ihm ein Konzert auf den Fünfundzwanzigsten. Der glaubte an keinen Gott und kein Weihnachten, nur an sein Scheiß-Geld, dabei gab’s diesmal gar keins. Benefizkonzert, die beste PR überhaupt, bringt viel mehr als Cash, hatte er behauptet. Willy hatte Lust, ihn anzurufen und ihm vorzuschlagen, sich seinen Benefizmist irgendwohin zu schieben. Er hatte den Hörer schon in der Hand, legte ihn aber wieder auf. Er kannte die Platte. »Cool down, Baby B.«, würde er zu hören bekommen. »Beiß nicht die Hand, die dich füttert, ja! Du machst die Songs, ich verkaufe sie, so läuft das Geschäft, das weißt du, B., das weißt du!« Und sie würden sich eine Weile streiten, eine halbe Stunde hin und her, Gebrüll, Zorn und Beschwichtigungen. Und am Schluss würde er irgendwas hören wie: »Du bist doch der größte Rocker on Earth, Baby B.«, und er würde irgendetwas antworten wie: »Und du der größte Scheiß-Manager unter dieser Sonne, Baldrock.« Und sie wären sich wieder einig, friedlich geeint im Geldregen, der jetzt schon seit mehr als zwei Jahren auf sie niederprasselte.

Als er aus der Dusche kam, klopfte es an der Tür.

»Who?«, schrie er.

»Room service, your breakfast, Sir!«

»Come in!«

Das automatische Schloss klickte und ein mittelalterlicher Typ schob einen Servierwagen voller bunter, frischer Frühstückssachen herein, genug um ein Dutzend von Willy B.s Sorte zu füttern. Einen ganzen Korb verschiedener Brot- und Brötchensorten, einen riesigen Obstteller mit vertrauten und exotischen Früchten, hundert Sorten Marmelade, Honig, Wurst, Käse, tausend verschiedene Säfte, Müslis.

»Tea or coffee, Sir?«, fragte der Zimmerkellner, aber B. schickte ihn mit einer unfreundlichen Bewegung der Hand hinaus.

Baldrock hatte zum Ende der Tournee ausgerechnet an Weihnachten dieses verdammte Benefiz zugesagt. Für irgendwelche schwarzen Kindchen in Afrika sollte er spielen und nun hing er seit dem gestrigen Konzert über die Feiertage in Europa in diesem verdammten Hotel fest. Keine Chance, dazwischen nach Hause zu kommen, selbst mit der Concorde hätte er zwischen Hin- und Rückflug kaum zwei Stunden mit Natalie gehabt, das hätte gerade mal gereicht für einen kurzen …

»Shit-ay!«, sagte er laut, um seine Gedanken zu unterbrechen, so war’s eben nun, was soll’s.

Er nahm sich eine Mandarine und schälte sie ungeschickt, goss sich eine Tasse Kaffee ein. Den ersten Schluck hätte er fast ins Zimmer gespuckt. Zu heiß, zu dünn. Er ging zum Telefon, wartete nicht, bis sich die freundliche Stimme unten gemeldet hatte, sondern brüllte, kaum, dass jemand abhob: »Gibt’s hier keinen verdammten Kaffee, von dem man wach wird?«, in den Hörer, dann legte er auf.

Zwei Minuten später klopfte der Zimmerkellner, brachte lächelnd eine ganze Kanne Espresso, der so schwarz war wie Willys Stimmung.

»We’re extremely sorry!«, meinte der Kellner devot.

Plötzlich tat Willy B. der Mann leid.

»No problem!«, sagte er deswegen versöhnlich, bat ihn, einen Augenblick zu bleiben, nahm von der Anrichte ein Päckchen mit Backstagepässen für das Konzert.

»Können Sie so was brauchen?«, fragte er und hielt ihm zwei Karten hin, »aber es ist schon morgen, an Weihnachten!«

Ein Leuchten ging über das Gesicht des Mannes. »O Gott«, sagte er, »meine Tochter würde mich dafür lieben bis ans Ende aller Zeiten!«

»Reichen zwei?«, fragte Willy B.

Der Mann nickte, nahm sie, bedankte sich immer wieder, ging zur Tür. Dort nahm er noch einmal seinen ganzen Mut zusammen, drehte sich wieder um, trat auf den Rockstar zu und fragte: »Würden Sie ein Autogramm draufschreiben, Sir?«

Willy B. suchte nach einem Stift, aber der Kellner hielt ihm schon einen entgegen. Also zeichnete er mit zittriger Morgenschrift seinen Namen auf die beiden Karten.

»No problem!«, erwiderte er auf die tausend Dankbezeugungen des Kellners und drehte sich von ihm weg, damit der endlich ginge.

Was sollte er mit diesem verdammten Tag tun? Und was könnte er Natalie mitbringen, was sie nicht sowieso schon hatte? Seine Musiker in den anderen Zimmern schliefen bestimmt noch. Jetzt und auch noch in zwei Stunden. Unschlüssig lief er in seiner Suite auf und ab, schaltete den TV ein, zappte durch alle Kanäle, aber die Sender, deren Sprache er verstand, brachten nur Nachrichten. Scheußliche Nachrichten aus aller Welt, wo an diesem Weihnachtsvortag alles durcheinander war, ein einziges, mistiges, aggressives Durcheinander, für das er sich nicht interessieren wollte.

Er nahm sich eine seiner Gitarren, machte ein paar Fingerübungen, spielte einen der Songs an, dann stellte er sie wieder weg.

Seit er dauernd auf der Bühne und im Studio stand, machte ihm selbst das Spielen keinen Spaß mehr. Längst vorbei die endlosen Wochenenden, an denen er allein und voller Hoffnung die Songs der großen Stars geübt hatte. An die er sich Chord für Chord rangetastet, sich die Riffs aus diesen ganzen Stücken zusammengeklaubt hatte, sich Jungs gesucht hatte für seine erste Band, alles nachgespielt, was nachspielbar war. Dann hatte er angefangen, selber Songs zu schreiben. Einfache Liedchen zuerst, später immer kompliziertere. Texte von Sehnsucht und Mädchen und Einsamkeit. Probeaufnahmen, Gigs auf kleinen Bühnen, daneben gejobbt, Taxi gefahren, Pizzas geliefert, in Kneipen bedient und in jeder freien Minute die Gitarre gezupft. Bis plötzlich dieser Mr. Baldrock vor ihm gestanden hatte. Der holte ihn von Oklahoma nach Kalifornien, warf alle seine Kumpels aus der Band, besetzte sie mit anderen Leuten, die besser waren, Profis. »You will be a hero, William Herold!«, versprach er ihm und gab ihm den Namen . Er ließ ihn eine erste CD mit seinen eigenen Songs aufnehmen und das war’s.

Drei Monate später spielte Willy B. das erste Mal vor über zehntausend Menschen und mit jedem Gig wurden es mehr. Massen von vor- und zurückwippenden Köpfen, Tausende von hochgereckten hin- und herfedernden Armen, vorne an der Bühne einzelne Gesichter, ganz junge Mädchen meist. Hinten, im...



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