Zima | Das literarische Subjekt | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 294 Seiten

Zima Das literarische Subjekt

Zwischen Spätmoderne und Postmoderne
2. überarbeitete und erweiterte Auflage 2024
ISBN: 978-3-381-12713-9
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Zwischen Spätmoderne und Postmoderne

E-Book, Deutsch, 294 Seiten

ISBN: 978-3-381-12713-9
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieser Band zeichnet Peripetien individueller Subjektivität in der spätmodernen und postmodernen Literatur nach. Während in der Spätmoderne (bei Mallarmé, Valéry, Adorno) Negativität, das Schöne und das Erhabene der Stärkung subjektiver Autonomie dienten, schlägt in nachmodernen Texten - etwa in Pynchons Gravity's Rainbow - das Erhabene in Subjektnegation um. So verwandelt sich das Schreiben, das im Modernismus Prousts, Virginia Woolfs, Svevos zur Subjektkonstitution beitrug, in der Postmoderne Jürgen Beckers, Oswald Wieners oder Maurice Roches in eine Subversion individueller Subjektivität. Zima zeigt, wie in einigen nachmodernen Texten (bei Robbe-Grillet, Süskind, Del Giudice) Subjektivität auf reine Körperlichkeit reduziert wird. Diese Reduktion prägt auch das Werk Foucaults, das im Mittelpunkt des neuen Schlusskapitels steht. Sie bewirkt, dass das Individuum als Körper in verschiedene, durch Diskontinuitäten voneinander isolierte Kontexte integriert werden kann.

Prof. emeritus Dr. Peter V. Zima lehrte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Er ist seit 1998 korr. Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, seit 2010 Mitglied der Academia Europaea in London und seit 2014 Honorarprofessor der East China Normal University in Schanghai.

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Vorwort zur ersten Auflage
In diesem Buch, das neben einigen Originalbeiträgen Aufsätze aus den 90er Jahren zusammenführt, geht es primär darum, die Peripetien literarischer Subjektivität zwischen Spätmoderne und Postmoderne nachzuzeichnen. Konkreter ausgedrückt: Es soll gezeigt werden, wie spätmoderne Autoren versuchen, die Autonomie des individuellen Subjekts in extremis zu retten, während Autoren der Nachmoderne den modernen Entwurf einer autonomen und mündigen Subjektivität mit Skepsis betrachten oder gar ablehnen. Während in der Spätmoderne (als Modernismus) so verschiedene Dichter und Schriftsteller wie Mallarmé, Valéry, Musil, Unamuno oder Pirandello alle ihnen zur Verfügung stehenden ästhetischen und stilistischen Mittel einsetzen, um die Autonomie, Integrität und Identität des Einzelnen zu wahren, scheinen sich postmoderne Literaten, Philosophen und Psychologen mit der Fragmentierung des Subjekts abzufinden. Sie folgen darin Vattimos Plädoyer für eine vielfältige oder plurale Subjektivität und Giampaolo Lais dekonstruktivem Entwurf einer disidentità, den der Psychoanalytiker zwar nicht als postmodern präsentiert, der aber in jeder Hinsicht postmodern ist. Postmodern im Sinne eines antimodernen Affekts oder gar einer antimodernen Wende ist auch Francesco Remottis anthropologische Studie Contro l’identità (1996), die aus der „Logik der Identität“ ausbricht und einige extreme Positionen nachmoderner Literatur zu bestätigen scheint: Positionen, von denen aus spätmoderne Begriffe wie Autonomie, Kritik, Nichtidentität und Utopie als Anachronismen erscheinen, die von den allmählich verschwindenden kritischen Intellektuellen in quichottesken Rückzugsgefechten verteidigt werden. An die Stelle von Adornos Nichtidentität, die eine Distanzierung vom Bestehenden (von den „powers that be“) meinte, tritt Lais disidentità, die bestätigt, was der Autor der Minima Moralia zur spätmodernen Subjektivität anmerkte: „Der Narzißmus, dem mit dem Zerfall des Ichs sein libidinöses Objekt entzogen ist, wird ersetzt durch das masochistische Vergnügen, kein Ich mehr zu sein, und über ihrer Ichlosigkeit wacht die heraufziehende Generation so eifersüchtig wie über wenigen ihrer Güter, als einem gemeinsamen und dauernden Besitz.“ Inzwischen ist die „heraufziehende Generation“ fest etabliert und genießt – möglicherweise masochistisch – eine Literatur der disidentità, die ihr bestätigt, was sie z.T. unbewußt schon immer herbeisehnte: das Recht auf Vielfalt, Inkohärenz und Freiheit vom Identitätsgebot. Freilich macht sich die Neigung, die Zwangsjacke der Identität abzustreifen, schon bei spätmodernen Autoren wie Hesse, Svevo oder Pirandello bemerkbar, deren Kritik gesellschaftlicher Konventionen immer wieder in eine Kritik an den kulturellen Determinanten des eigenen Ichs umschlägt. Das Unbehagen in der Kultur, dessen Pathologien Freud untersuchte, führt zu der Erkenntnis, daß das eigene Ich an den unglaubwürdig werdenden Konventionen einer krisengeschüttelten Kultur teil hat, auf die Modernisten und Avantgardisten mit destruktiver Kritik reagieren, ohne allerdings individuelle Subjektivität preiszugeben. Insofern halten sie alle – Musil, Kafka, Proust, Broch – an Hesses Prinzip des Eigensinns fest: „Wer eigensinnig ist, gehorcht einem anderen Gesetz, einem einzigen, unbedingt heiligen, dem Gesetz in sich selbst, dem ‚Sinn‘ des ‚Eigenen‘.“ Spätmoderne Gesellschafts- und Sprachkritik, auch die der Surrealisten und Existentialisten, ist ohne diesen „Eigensinn“ als Streben nach Autonomie kaum vorstellbar. Die surrealistische und futuristische Sprachkritik scheint Louis-Ferdinand Célines Werk noch zu überbieten. Die Radikalität seiner Revolte kündigt postmoderne Textexperimente (Pynchons, Ransmayrs, Schwabs) an, in denen der destruktive Impuls zusammen mit den diskreditierten und verhaßten Konventionen die individuelle Subjektivität erschüttert. Vor allem im ersten Teil, der mit einer Analyse von Célines Voyage au bout de la nuit schließt, soll dargetan werden, wie das Erhabene, das bei Mallarmé, Valéry und Adorno im Rahmen einer spätmodern-negativen Ästhetik dem Schönen untergeordnet wurde, bei Céline diesen Rahmen sprengt und bei Lyotard letztlich gegen das individuelle Subjekt gewendet wird. Während im ersten Teil die ästhetischen Begriffe des Schönen und des Erhabenen im Vordergrund stehen, stellt der zweite Teil die Kontingenz und den Zufall in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Das kontingente Ereignis, das Modernisten wie Proust, Svevo, Moravia, Unamuno und Pirandello zum Thema wird, erscheint als ein zutiefst ambivalentes Phänomen: Es kann einerseits das handelnde Subjekt, dessen narratives Programm es scheitern läßt, in Frage stellen; es kann andererseits als glückbringendes Ereignis die Kreativität des Subjekts anstacheln und neue ästhetische Konstruktionen ermöglichen. Vor allem der Kommentar zu den Romanen Unamunos und Pirandellos soll erkennen lassen, wie sehr Kontingenz, Dekonstruktion und Selbstkonstruktion des Subjekts zusammenhängen. Zugleich wird die Ambivalenz der spätmodernen Naturauffassung erkennbar: Während Autoren wie Sartre, Moravia oder Kafka die Natur – zusammen mit der naturwüchsigen Kontingenz – als eine Bedrohung individueller Subjektivität erscheint, erblicken Proust, Hesse und Breton in ihr eine befreiende Kraft, die sich auch im Unbewußten und im Zufall als Glücksfall manifestiert. Im dritten Teil wird die Wende von der spätmodernen zur postmodernen Literatur noch einmal auf der Ebene der Intertextualität und des Zitats dargestellt. Während in modernen und spätmodernen Werken sowohl Intertextualität als auch Zitat die Funktion erfüllen, Subjektivität selbstkritisch zu konstituieren und zu stärken, tragen sie in postmodernen Texten zur Auflösung der Subjektivität bei. Insgesamt wird deutlich, daß der Unterschied zwischen Spätmoderne (Modernismus) und Postmodernde nicht so sehr im Auftreten neuer stilistischer Merkmale und Begriffe besteht, sondern im Funktionswandel schon bekannter Erscheinungen u. a. im Hinblick auf das Problem der individuellen Subjektivität. Ironie, Sprachkritik, Kontingenz, Intertextualität und Zitat sind sicherlich nicht als Besonderheiten postmoderner Texte zu verstehen, zumal sie nicht nur in der spätmodernen, sondern auch in der romantischen und vorromantischen Literatur aufgezeigt werden können. Ihre Funktion ändert sich jedoch von Problematik zu Problematik: Während Ironie und Intertextualität im Modernismus noch die Funktion erfüllten, eine kritische und selbstkritische Subjektivität zu begründen, leiten sie in der Postmoderne die Auflösung der Subjektivität im Textexperiment ein. Ein Charakteristikum der Spätmoderne fehlt möglicherweise im postmodernen Kontext: Pirandellos und Unamunos umorismo oder humorismo. Als sentimento del contrario (Pirandello), das fast stets Tragik und Komik vereint, bezieht sich der „Humorismus“ auf die ambivalente Situation des Subjekts, das sich zwischen Glück und Unglück, Zerfall und Konstruktion bewegt. Ohne diese Bewegung und ohne die Sorge um den Einzelnen, die auch bei Robert Musil, Thomas Mann, Marcel Proust und Jean-Paul Sartre zum Ausdruck kommt, gibt es keinen umorismo. Da die postmoderne Problematik die Sorge um das Einzelsubjekt im Sinne von Thomas Manns Erzähler Zeitblom, im Sinne von Svevo, Broch oder Moravia nicht mehr kennt, verliert sie auch den Sinn für einen tragi-komischen „Humorismus“, welcher aus der vom jungen Lukács beschriebenen Zerrissenheit der Subjektivität zwischen Denken und Sein hervorgeht. Die tragi-komische Ambivalenz des spätmodernen Subjekts geht unter in der postmodernen Austauschbarkeit identitätsloser Individuen. Die postmoderne Frage befällt uns gleichsam aus der Vogelperspektive und ist schwer von der Hand zu weisen: Wie wichtig ist Leverkühns, Marcels oder K.’s Schicksal...



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