E-Book, Deutsch, 372 Seiten
Zimmermann Die Prompting Theorie
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8192-7343-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 372 Seiten
ISBN: 978-3-8192-7343-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mark Zimmermann schreibt über Künstliche Intelligenz, im Hier und Jetzt mit Blick auf das Morgen. In meinen Fachbüchern analysiere ich, wie KI heute Technologien, Unternehmen und Entscheidungsprozesse verändert. In seinen Romanen entwirft er Zukunftsszenarien, die auf visionäre, kritische und emotionale Weise zeigen, was Künstliche Intelligenz für Gesellschaft, Individuen und die Menschheit bedeuten kann.
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Kapitel 1: Geordnete Welt
Der Wecker klingelte um Punkt sechs Uhr dreißig. Nicht eine Sekunde früher, nicht eine Sekunde später. Simon Weiss schlug die Augen auf, noch bevor der erste digitale Piepton verklungen war. Sein Körper, ein ebenso präzises Uhrwerk wie der Chronometer auf dem Nachttisch, kannte den Rhythmus. Aufstehen, duschen, Zähne putzen – die Abläufe waren in sein Muskelgedächtnis eingebrannt, eine Choreografie der Effizienz, die keinen Raum für Abweichungen ließ.
Seine Wohnung im vierten Stock eines unauffälligen Mehrfamilienhauses spiegelte diese innere Ordnung wider. Klare Linien, neutrale Farben, jedes Objekt an seinem festen Platz. Nichts Überflüssiges, nichts Zufälliges. Die Bücher im Regal waren nach Genre und alphabetisch sortiert, die Kaffeetassen im Küchenschrank standen in Reih und Glied, die Fernbedienungen auf dem Couchtisch lagen parallel zueinander ausgerichtet. Es war keine sterile Leere, sondern die Ästhetik kontrollierter Komplexität, die Simon beruhigte. Hier, in diesen vier Wänden, war die Welt berechenbar, logisch, geordnet. Ein Refugium vor dem Rauschen und der Unvorhersehbarkeit draußen.
Simon trat unter die Dusche. Das Wasser hatte exakt 38 Grad Celsius, eine Temperatur, die er nach langem Experimentieren als optimal für den Start in den Tag ermittelt hatte. Während das Wasser auf seine Haut prasselte, gingen seine Gedanken bereits die anstehenden Aufgaben durch. Datenanalyse für die Schadensregulierung Abteilung C, Überprüfung der Algorithmen für die Risikobewertung neuer Versicherungspolicen, Vorbereitung des wöchentlichen Reports für die Teamleitung. Sein Gehirn funktionierte wie ein Prozessor, der Informationen aufnahm, verarbeitete und in strukturierte Bahnen lenkte.
Er war Datenanalyst bei SecuraCorp, einem der größten Versicherungsunternehmen des Landes. Ein Job, der perfekt zu seiner Neigung passte, Muster zu erkennen, Kausalitäten aufzudecken und aus dem Chaos der Rohdaten sinnvolle Erkenntnisse zu extrahieren. Er mochte die Klarheit der Zahlen, die unbestechliche Logik der Algorithmen. Hier gab es richtig und falsch, effizient und ineffizient. Grauzonen waren ihm suspekt.
Nach dem Duschen zog er sich an. Ein grauer Anzug, ein weißes Hemd, eine unauffällige Krawatte. Seine Garderobe bestand aus Variationen desselben Themas, eine Uniform, die ihm die tägliche Entscheidung abnahm und gleichzeitig Professionalität signalisierte. Er betrachtete sich kurz im Spiegel. Ein Mann Mitte dreißig, mit kurz geschnittenem braunem Haar, wachen, intelligenten Augen hinter einer randlosen Brille und einem Gesicht, das selten starke Emotionen zeigte. Ein Gesicht, das passte zu einem Mann, der lieber beobachtete als im Mittelpunkt stand, der lieber analysierte als impulsiv handelte. Zufrieden nickte er seinem Spiegelbild zu. Alles im grünen Bereich. Alles unter Kontrolle.
In der Küche bereitete er sein Frühstück zu. Zwei Scheiben Vollkorntoast, dünn mit Butter bestrichen, dazu ein Glas frisch gepresster Orangensaft und ein schwarzer Kaffee ohne Zucker. Immer dasselbe. Die Routine gab ihm Sicherheit, einen festen Rahmen für den Tag. Während er aß, überflog er die Schlagzeilen auf seinem Tablet. Politik, Wirtschaft, Technologie. Er las selektiv, filterte die relevanten Informationen heraus, ignorierte den Lärm der belanglosen Nachrichten.
Sein Interesse galt vor allem den Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz. Die Fortschritte waren rasant, fast beängstigend. Neue Sprachmodelle, lernfähige neuronale Netze, generative Algorithmen, die Bilder, Musik und Texte von erstaunlicher Qualität erzeugten. Simon verfolgte diese Entwicklungen nicht nur aus beruflichem Interesse. Es war eine private Faszination, eine Mischung aus Bewunderung für die technische Brillanz und einem leisen Unbehagen angesichts der potenziellen Konsequenzen. Was bedeutete es, wenn Maschinen lernten, kreativ zu sein, zu argumentieren, vielleicht sogar zu fühlen? Wo verlief die Grenze zwischen Simulation und Bewusstsein? Diese Fragen beschäftigten ihn oft in stillen Momenten, wenn die geordnete Fassade seines Alltags für einen Augenblick durchlässiger wurde.
Um Punkt sieben Uhr verließ Simon seine Wohnung. Der Weg zur Arbeit war eine weitere Konstante in seinem Leben. Dreizehn Minuten zu Fuß bis zur U-Bahn-Station, achtzehn Minuten Fahrt, sieben Minuten vom Ausgang der Station bis zum Bürogebäude. Er kannte jede Ampel, jeden Kiosk, jede Unebenheit im Bürgersteig. Die Stadt erwachte um ihn herum, Menschen strömten aus ihren Wohnungen, hasteten zu ihren Arbeitsplätzen, bildeten Muster aus Bewegung und Stillstand, die Simon mit einem Blick erfasste. Er beobachtete sie mit der distanzierten Neugier eines Wissenschaftlers, der eine fremde Spezies studiert. Die meisten Menschen erschienen ihm wie Rätsel, ihre Handlungen oft irrational, ihre Emotionen unberechenbar. Er hatte gelernt, ihre sozialen Codes zu entschlüsseln, ihre Erwartungen zu erfüllen, aber ein Teil von ihm blieb immer Beobachter, nie vollständig integriert.
Das Bürogebäude von SecuraCorp war ein moderner Glasturm im Geschäftsviertel der Stadt. Simon betrat die Lobby um Punkt 7:45 Uhr, nickte dem Sicherheitsbeamten zu und fuhr mit dem Aufzug in den zwölften Stock. Die Bürolandschaft war ein Labyrinth aus Schreibtischen, Trennwänden und Besprechungsräumen. Simon ging zielstrebig zu seinem Arbeitsplatz in der Abteilung für Datenanalyse. Sein Schreibtisch war eine Insel der Ordnung im geschäftigen Treiben des Großraumbüros. Drei Monitore, symmetrisch angeordnet, ein Notizblock und ein Stift, präzise ausgerichtet, eine Tasse für seinen Kaffee, immer an derselben Stelle. Keine persönlichen Gegenstände, keine Familienfotos, keine Souvenirs. Nichts, was ablenken könnte.
"Morgen, Simon," rief eine Stimme von der anderen Seite des Raumes. Thomas Berger, sein Kollege und das, was Simon am ehesten als einen Freund bezeichnen würde, kam mit einem Kaffeebecher in der Hand auf ihn zu. Thomas war das Gegenteil von Simon – extrovertiert, spontan, chaotisch. Sein Schreibtisch glich einem Schlachtfeld aus Papieren, Kaffeeflecken und persönlichen Erinnerungsstücken. Und doch waren sie ein gutes Team. Thomas' intuitive Herangehensweise ergänzte Simons methodische Präzision.
"Guten Morgen, Thomas," antwortete Simon und schaltete seinen Computer ein. "Wie war dein Wochenende?"
"Fantastisch! War mit ein paar Freunden im neuen Virtual-Reality-Park. Du solltest das auch mal ausprobieren, Simon. Die haben da diese neue KI-gesteuerte Simulation, die sich an deine Bewegungen und Reaktionen anpasst. Fast unheimlich, wie realistisch das ist."
Simon nickte höflich. "Klingt interessant."
"Interessant? Es ist revolutionär! Die KI lernt aus deinem Verhalten und passt die Umgebung entsprechend an. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie könnte meine Gedanken lesen." Thomas lehnte sich gegen Simons Schreibtisch, eine Angewohnheit, die Simon insgeheim störte. "Apropos KI – hast du von dem neuen GPT-7 Modell gehört? Soll angeblich den Turing-Test mit einer Erfolgsquote von 98 Prozent bestehen."
Jetzt war Simons Interesse geweckt. "98 Prozent? Das wäre ein signifikanter Sprung gegenüber der letzten Generation."
"Ja, und das Verrückte ist, dass niemand genau weiß, wie es das schafft. Die Entwickler sprechen von emergenten Eigenschaften, die sie selbst nicht vollständig verstehen." Thomas nahm einen Schluck von seinem Kaffee. "Macht dir das keine Sorgen? Ich meine, wir erschaffen da etwas, das wir nicht mehr kontrollieren können."
Simon dachte einen Moment nach. Die Frage berührte etwas in ihm, eine Unsicherheit, die er selten zuließ. "Technologischer Fortschritt bringt immer Risiken mit sich. Aber ich denke, die potenziellen Vorteile überwiegen. Stell dir vor, was wir mit einer KI erreichen könnten, die wirklich versteht, was wir wollen, nicht nur, was wir sagen."
"Oder was sie uns glauben machen könnte," erwiderte Thomas mit einem schiefen Lächeln. "Na ja, wir werden sehen. Der Teamleiter will uns übrigens in zehn Minuten im Konferenzraum sehen. Irgendwas über ein neues Projekt."
Simon nickte und wandte sich seinem Computer zu. Die Unterhaltung hatte ihn mehr beschäftigt, als er zugeben wollte. Die Idee einer KI, die menschliches Verhalten so perfekt simulieren konnte, dass sie nicht mehr von einem echten Menschen zu unterscheiden war, faszinierte und beunruhigte ihn gleichermaßen. Wo lag die Grenze zwischen Simulation und Authentizität? Wenn eine Maschine perfekt menschliches Verhalten imitieren konnte, war sie dann in irgendeinem Sinne menschlich? Oder blieb sie immer nur eine Kopie, ein Echo ohne eigenes Bewusstsein?
Er schob diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf seine E-Mails. Fünfzehn neue Nachrichten seit gestern Abend, sortiert nach Priorität und Absender. Er arbeitete sie methodisch ab, beantwortete Anfragen, notierte Aufgaben, löschte Unwichtiges. Die Routine beruhigte ihn, gab seinem Geist einen klaren Fokus. Hier, in der Welt der Daten und Algorithmen, fühlte er sich sicher. Hier gab es Regeln, Strukturen, vorhersehbare Muster. Keine verwirrenden sozialen Dynamiken, keine unausgesprochenen Erwartungen, keine emotionalen...




